November 2011 - Evangelische Kirchengemeinde Bad Krozingen
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Der Schmerz der Palästineser<br />
und ihre Verantwortung<br />
Die Versuche von Seiten der<br />
extremen Rechten in Israel,<br />
den arabischen Bürgern des<br />
Landes zu verbieten, der Nakba<br />
(= Vertreibung) zu gedenken,<br />
sind bösartig, töricht und zum<br />
Scheitern verurteilt. Allerdings<br />
sind auch die Initiativen der<br />
extremen Linken, die darauf<br />
abzielen, den Nakba-Tag zu einem<br />
gemeinsamen Gedenktag<br />
aller Bürger Israels zu machen,<br />
zum Scheitern verurteilt. Israel<br />
ist kein binationaler Staat, und<br />
bei aller Liberalität und Humanität,<br />
ist es schwer, Sieg und<br />
Niederlage auf gleiche Weise<br />
zu behandeln. Was von der<br />
jüdischen Mehrheit gefordert<br />
werden kann, ist, der Trauer<br />
der Palästinenser respektvoll<br />
zu begegnen.<br />
Das Hindernis, das bislang jedem<br />
ernsthaften Versuch in<br />
dieser Richtung im Wege gestanden<br />
hat, ist die Art und Weise,<br />
in der die Nakba im palästinensischen<br />
Narrativ dargestellt<br />
wird. Liberale Israelis müssen<br />
aufrichtig genug sein, sich gerade<br />
auch mit dieser Frage auseinanderzusetzen.<br />
Erstens, ist der bloße Begriff<br />
„Nakba“, dessen arabische Bedeutung<br />
am ehesten „Unglück“<br />
ist - als ob von einer Naturkatastrophe<br />
die Rede wäre und nicht<br />
vom Ergebnis menschlichen<br />
Handelns – ein Ausweichen<br />
vor dem historischen Kontext<br />
der Ereignisse. Die „Nakba“<br />
war kein Unglück; sie war das<br />
Ergebnis einer militärischen<br />
und politischen Niederlage, die<br />
von politischen Entscheidungen<br />
herrührt, für die es Verantwortliche<br />
gab.<br />
Zweitens, hört man – wenngleich<br />
innerhalb der arabischen<br />
Welt im Allgemeinen und bei<br />
den Palästinensern im Besonderen<br />
wenig Neigung besteht,<br />
sich mit der Schoah zu beschäftigen<br />
– mitunter Vergleiche<br />
zwischen der Nakba und der<br />
Schoah. Dieser Vergleich beruht<br />
auf moralischer Abstumpfung:<br />
Was den Palästinensern<br />
1947–48 widerfuhr, war das<br />
Ergebnis eines Krieges, in dem<br />
sie besiegt wurden. Die Schoah<br />
war ein systematisch geplanter<br />
Massenmord. Die sechs Millionen<br />
in der Schoah ermordeten<br />
europäischen Juden waren<br />
nicht gegen Deutschland in<br />
den Krieg gezogen. Die deutschen<br />
Juden waren gerade<br />
gute deutsche Patrioten, und<br />
ein beträchtlicher Teil der osteuropäischen<br />
Juden sah in der<br />
deutschen Kultur den Gipfel<br />
der europäischen Kultur.<br />
Drittens, und dies ist die Hauptsache:<br />
Der palästinensische<br />
Diskurs setzt sich nicht mit<br />
der Tatsache auseinander, dass<br />
es arabische politische Entscheidungen<br />
waren, die das<br />
schlimme Unglück über die<br />
palästinensische Öffentlichkeit<br />
brachten. Es gibt Hunderte,<br />
38 Oktober | <strong>November</strong> <strong>2011</strong>