4. ABONNEMENTKONZERT ARCHITEKTUR 10/11 - Münchener ...
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Der Rezensent schloss die allgemeine Warnung an, »die Musik<br />
könne sobald dahin kommen, daß jeder, der nicht genau<br />
mit den Regeln und Schwierigkeiten der Kunst vertraut ist,<br />
schlechterdings gar keinen Genuß bei ihr finde, sondern durch<br />
eine Menge unzusammenhängender und überhäufter Ideen<br />
und einen fortwährenden Tumult einiger Instrumente, die<br />
den Eingang charakterisieren sollten, zu Boden gedrückt, nur<br />
mit einem unangenehmen Gefühl der Ermattung das Koncert<br />
verlasse.« Vor der Drucklegung 1808 revidierte Beethoven die<br />
Violinstimme gründlich, wobei er für einzelne Passagen bis zu<br />
vier Varianten ausprobierte. So manche zunächst improvisatorisch<br />
gezeichnete linie proportionierte er nun stimmiger, die<br />
übergänge wurden gerundet und geglättet. Im Auftrag des<br />
Verlegers (und Pianisten) Muzio clementi erstellte Beethoven<br />
auch noch eine wenig inspirierte Bearbeitung für Klavier und<br />
Orchester. Doch beide Fassungen wurden im Repertoire<br />
nicht recht heimisch. Fast vierzig Jahre sollten vergehen, ehe<br />
1844 die legendäre londoner Aufführung des erst 13-jährigen<br />
Joseph Joachim unter leitung von Felix Mendelssohn-<br />
Bartholdy für den Durchbruch sorgte. Seither gilt das Violinkonzert<br />
nicht nur als zentrales Werk des Genres, es ist auch eine<br />
der populärsten Kompositionen Beethovens überhaupt.<br />
Bedenkt man, wie weit das Konzert stilistisch von den<br />
seinerzeit populären Gattungsbeiträgen eines Spohr, Viotti,<br />
Rode, Kreutzer oder gar Paganini entfernt ist, dann leuchtet die<br />
Ratlosigkeit der ersten Hörer durchaus ein: Nicht als kapriziöse<br />
Primadonna wie die Zeitgenossen lässt Beethoven die Geige<br />
auftreten, sondern als vorbildlich integrierte Prima inter pares.<br />
Statt alles thematische Geschehen mit selbstherr licher Geste<br />
an sich zu reißen und sich in Kantilenen zu ergehen, mischt sich<br />
das Soloinstrument nach langer anfänglicher Warte zeit mit lyrischen<br />
Umspielungen und Fortspinnungen in die vom Orchester<br />
begonnen formalen Prozesse ein. Weniger der Sinn für lokale<br />
Effekte ist dabei gefragt, als interpretatorische Reife: Makelloses<br />
instrumentales Handwerk, emotionale Zurückhaltung,<br />
sicherer Geschmack. Vor allem aber strukturelle übersicht.<br />
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