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AUSGABE 12 EIN WÜRDIGENDER RÜCKBLICK 8<br />
FOTOS © Jochen Klenk<br />
BE<strong>ET</strong>HOVEN FIDELIO / SPIELZEIT 19—20<br />
DIE ÄRA<br />
TIMO HANDSCHUH<br />
»Ich bin aus tiefstem Herzen Musiker,<br />
es ist egal, ob ich dirigiere, die Orgel<br />
spiele oder komponiere.«<br />
Timo Handschuh<br />
Nein, diese Wunde schließt sich<br />
nicht. Kein »Parsifal«, keine Erlösung.<br />
Man könnte auch sagen: Generalmusikdirektor<br />
Timo Handschuh verlässt<br />
unvollendet das Theater Ulm.<br />
So vieles war noch geplant gewesen:<br />
nicht nur Wagners Bühnenweihfestspiel,<br />
auch eine Tournemire-Uraufführung<br />
und das ganz große Opernrepertoire, etwa<br />
die »Tosca«. Ebenso Konzert-Attraktionen:<br />
zerbröselt in der Pandemie. Kein euphorisches<br />
Finale, ein (fast) sang- und klangloser<br />
Abschied. Jammerschade.<br />
Rückblickend aber war die Ära<br />
Handschuh ein starkes philharmonisches<br />
Ulmer Jahrzehnt, mit nicht wenigen<br />
G roßtaten. Der Badener aus Lahr, der sich<br />
an der Staatsoper Stuttgart für eine Chefposition<br />
qualifizierte, hatte 2010 nach seiner<br />
Wahl zum Generalmusikdirektor in<br />
einem ersten Interview mit der Südwest<br />
Presse nicht zu viel versprochen: »Ich habe<br />
ein sehr gutes Gefühl mit diesem Orchester,<br />
ich glaube, dass wir sehr gut zusammenpassen<br />
und eine schöne Zukunft vor<br />
uns haben.« An einem weichen, schönen<br />
Klang wollte er arbeiten: »Die Philharmoniker<br />
haben ihn, aber man muss diesen<br />
Klang immer wieder fördern und fordern.«<br />
Das tat er dann, überzeugend.<br />
Und zwar nicht nur für die Romantik.<br />
Diese Klangkultur war auch das Erfolgsrezept<br />
für die herausragende »Lulu«-Produktion<br />
mit Maria Rosendorfsky in der<br />
Titelpartie: Alban Bergs Zwölfton-Werk<br />
ist ja keine kalte Konstruktion, in dieser<br />
Oper ist alles Leid der Welt ergreifend in<br />
moderne Töne gegossen. Diese kammermusikalische<br />
Empfindsamkeit dirigierte<br />
Handschuh als ein weit über Ulm hinaus<br />
rezipiertes Ereignis. Oder die »Elektra« von<br />
Richard Strauss in der Fassung für kleinere<br />
Häuser: Eine enorm spannungsgeladene<br />
Premiere war das im Februar 2018, hochdramatisch<br />
— Handschuh gelang es trotzdem,<br />
die expressive Klangwucht dynamisch<br />
fein aufzufächern, die Seelennöte<br />
der Figuren freizulegen. Wenn jetzt Highlights<br />
aufgezählt werden: Der mitreißende<br />
»Fidelio«, im September 2019 der Auftakt