66 <strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung
Baustellen über Baustellen - wieviel Wandel braucht das Krankenhaus? Nicht jede Veränderung ist als naturgegeben unkritisch hinzunehmen Aktuelle Themen Nur wer sich ändert, bleibt sich treu. Ein Zitat von Wolf Biermann, das uns alle auffordert, Veränderungen als Notwendigkeit, ja, Selbstverständlichkeit, anzunehmen. Was für jeden einzelnen Menschen gilt, gilt auch für Unternehmen, für ganze Systeme. Das bedeutet allerdings nicht, jede Veränderung als naturgegeben unkritisch hinzunehmen. Angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen muss sich auch im Krankenhausbereich vieles ändern. Doch nicht alles, was von Politik, Krankenkassen, Lobbyisten an die Adresse der Kliniken als Forderungen und Mahnungen herangetragen wird, dient aus Sicht des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands tatsächlich der Zukunftsfähigkeit unserer Gesundheitsversorgung, also sinnvollem Wandel. Das Interview dazu mit Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (<strong>VKD</strong>). Eine Veränderung im vergangenen Jahr hat die Krankenhaus-Führungskräfte besonders stutzig gemacht. Es war die Entwicklung der Fallzahlen. Eine Veränderung, die unerwartet kam? Dr. Josef Düllings: Durchaus. Es gab hier völlig unerwartet einen Bruch. Jahrzehntelange Zeitreihen stetig steigender Fallzahlen, abgeleitet aus der demografischen Alterung und dem medizinischen Fortschritt, schienen schon fast Gesetz, bis ein großer Teil der Kliniken mit ihrem Leistungsniveau 2017 sogar noch unter das Niveau von 2016 geriet. Wir fragten uns: Wie war das möglich? Waren es unerwartete Auswirkungen systemischer Veränderungen? Diese Frage hat uns tatsächlich umgetrieben. In unserer <strong>VKD</strong>-Umfrage 2017 haben wir anhand der Hochrechnungsdaten von 288 Krankenhäusern festgestellt, dass auch in Folge dieser Fallzahlabsenkungen der Anteil der Kliniken mit roten Zahlen von 23 Prozent in 2016 wieder auf 46 Prozent in 2017 anstieg. Eine Verdoppelung, und dies, obwohl kein Gesetzgebungsverfahren hier neue Kollateralschäden produziert hätte. Im November dieses Jahres werden wir genauere Zahlen haben, wenn die Deutsche Krankenhausgesellschaft und das Deutsche Krankenhausinstitut darüber verfügen. Eine Bestätigung des eigenartigen Effekts erhielt ich persönlich vom Geschäftsführer des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus, Dr. Frank Heimig. Er sagte mir, erstmals seit dem 15jährigen Bestehen des DRG-Systems habe es 2017 bei den aktuellen Kalkulationshäusern keinen Fallzahlanstieg gegeben. Die Krankenkassen wird das freuen. Sie sind doch ohnehin der Ansicht, dass zu viel operiert wird, zu viele Patienten auch zu lange im Krankenhaus liegen, Notaufnahmen angeblich dazu genutzt werden, Patienten stationär aufzunehmen, die das nicht nötig hätten… Sie fordern Veränderungen. Dr. Josef Düllings: Veränderungen müssen den Patienten nützen, die Krankenhausversorgung zukunftsfest machen und den Kliniken ermöglichen, dabei auch wirtschaftlich zu arbeiten. Das kann ich in der aktuellen Fallzahlentwicklung nicht erkennen. Auf jeden Fall müssen wir die Situation ernst nehmen und die Ursachen analysieren, um wirksam agieren zu können: Geht es um Spezifika bestimmter Häuser? Geht es aber vielleicht auch um eine Anomalie, die einen grundlegenden Systemwechsel ankündigt? Unser Thema im Verband sind mögliche Systemfaktoren für diese Entwicklung. Es stellt sich die Frage: Was hat sich in den vergangenen vielleicht fünf Jahren negativ verändert, obwohl der Gesetzgeber durch Krankenhausstrukturgesetz, diverse Zuschläge und Sonderprogramme doch vermeintlich eher mehr als weniger getan hat für die Krankenhäuser? Das alles scheint nicht wirklich zusammenzupassen. Was sagt Ihnen Ihre eigene Praxiserfahrung als Hauptgeschäftsführer der St. Vincenz- Krankenhaus GmbH, Paderborn? Dr. Josef Düllings: Ich möchte aus eigener Erfahrung, aber auch der von Kollegen, eine Interpretation anbieten, die aus meiner Sicht nicht Dr. Josef Düllings Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands <strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 67