6 <strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung
Wir brauchen neue Versorgungskonzepte Gerade angesichts der demografischen Entwicklung müssen wir zu einer systematischen sektorenübergreifenden Zusammenarbeit kommen Der alte Patient Im Harz gibt es den äußerst fitten „Brocken- Benno“, der mit seinen heute 86 Jahren fast täglich bei Wind und Wetter den 1.141 Meter hohen Brocken besteigt und es damit schon ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft hat. Nicht nur im Harz gibt es aber auch die chronisch Kranken vor allem im Rentenalter, die sich mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, und anderen typischen Altersgebrechen herumschlagen und inzwischen einen wachsenden Teil der Krankenhauspatienten stellen. Unter ihnen sind dann auch die alten Menschen, die unter einer Demenz leiden. Alter Patient ist nicht gleich alter Patient. Die Krankenhäuser stellen sich inzwischen auf die Veränderung in ihrer Patientenstruktur ein. Ärzte und Pflegende erkennen, dass sie für diese höchst heterogene Patientengruppe neue Behandlungs- und Versorgungskonzepte benötigen. Nicht nur alte Patienten, sie aber vor allem, benötigen einen ganzheitlichen Behandlungsansatz, der deutlich über die festgezurrten Sektorengrenzen der Gesundheitsversorgung hinausgehen muss. Alte Patienten haben vielfach andere Versorgungsbedürfnisse sowie andere Anforderungen an die Gesundheitsversorgung. Rund ein Drittel der Klinikpatienten ist heute älter als 65 Jahre. Die Verschiebung hin zur Behandlung älterer Menschen ist seit Jahren zu beobachten. Reaktionen auf die damit verbundenen neuen Anforderungen an Strukturen, Behandlungsspektren, an die Arbeit von Ärzten und Pflegenden, an die Vernetzung mit den anderen Versorgungssektoren und Gesundheitsberufen, aber auch an gesundheitspolitische Entscheidungen, erfolgen nicht unbedingt sehr zügig. Experten weisen seit vielen Jahren bereits darauf hin, dass die demografische Entwicklung entsprechende Antworten darauf erzwingen wird. Inzwischen ist das Thema in der Praxis „angekommen“. So zeigen Daten des Bundesversicherungsamtes zum Risikostrukturausgleich zum Beispiel, dass mit zunehmendem Alter der Versicherten die Versorgungskosten steigen (ab einem Alter von etwa 95 Jahren sinken sie wieder leicht). Dabei verschieben sich auch die Kostenanteile in den Gesundheitssektoren. Während bei Zwanzigoder Dreißigjährigen die höheren Kosten bei den Vertragsärzten liegen, verschiebt sich das ab dem Rentenalter der Patienten, und auch die Ausgaben für ihre Versorgung nehmen natürlicherweise zu. Alte Patienten im Krankenhaus Über ein Drittel der Patienten im Krankenhaus ist 70 Jahre und älter. Laut der Berliner Altersstudie hat ein Drittel der über Siebzigjährigen fünf oder sogar mehr behandlungsbedürftige Erkrankungen. Multimorbidität, Polypharmazie, kognitive Einschränkungen, Immobilität, hohe Gefahr, ein Delir zu erleiden – auf diese Komplexität kann eine einzelne Berufsgruppe nicht allein professionell reagieren. Dafür sind interdisziplinäre und interprofessionelle Teams notwendig. Darauf müssen sich die Krankenhäuser bei dieser Patientengruppe einstellen. Von Experten wird ein geriatrisches Screening empfohlen, um rechtzeitig Patienten mit hohem Betreuungsbedarf identifizieren zu können. Die am schnellsten wachsende Patientengruppe in den Krankenhäusern sind die über Achtzigjährigen. Grund dafür ist nicht nur die Demografie, sondern auch der medizinische Fortschritt. Heute sind Operationen im Klinikalltag normal, die vor einigen Jahren noch nicht möglich waren. Herz-OPs etwa, aber auch der Einsatz einer neuen Hüfte – heute einer der Hauptgründe für Klinikaufenthalte dieser Patientengruppe. In den vergangenen zehn Jahren ist es zu einem starken Anstieg der Fallzahl in den Fachabteilungen nicht nur für Geriatrie, sondern auch für Herzchirurgie und Neurologie von 76,3 Prozent, 54,5 Prozent bzw. 45,7 Prozent gekommen. Hier werden in der Tendenz viele alte Patienten behandelt. Obwohl insgesamt eine Verkürzung der mittleren Verweildauer im Krankenhaus registriert wird, ist dies gegen den allgemeinen Trend in den Fachabteilungen für Herzchirurgie und für Strahlentherapie nicht der Fall. Hier gab es einen Anstieg der mittleren Verweildauer um 2,1 Prozent bzw. ein Prozent. Als Grund anzunehmen wären hier ebenfalls die Veränderungen Gabriele Kirchner Geschäftsführerin des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (<strong>VKD</strong>) »Wir brauchen geriatriespezifische Versorgungsstrukturen.« Gabriele Kirchner <strong>VKD</strong>-<strong>Praxisberichte</strong> <strong>2018</strong> | Der alte Patient • Digitalisierung 7