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HUK 340 Juni 2021

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Das Hamburger<br />

Straßenmagazin<br />

Seit 1993<br />

N O <strong>340</strong><br />

<strong>Juni</strong>.21<br />

2,20 Euro<br />

Davon 1,10 Euro für<br />

unsere Verkäufer:innen<br />

Hart.<br />

Aber fair?<br />

Arbeiten beim Lieferdienst


Editorial<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>340</strong>/JUNI <strong>2021</strong><br />

CDU-Kanzlerkandidat<br />

Armin Laschet<br />

und unsere ehemalige<br />

Chefre dak teurin<br />

Annette Bruhns<br />

im Berliner Konrad-<br />

Adenauer-Haus<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

die gute Nachricht: Auch der Kanzlerkandidat der Union,<br />

Armin Laschet, hat nun mit uns über das zunehmende<br />

Elend auf den Straßen gesprochen. Die weniger gute<br />

Nachricht: Unsere Chefredakteurin Annette Bruhns, die<br />

den CDU-Politiker für uns und 19 andere Straßenzeitungen<br />

interviewt hat, hat uns verlassen. Sie scheidet im besten Einvernehmen<br />

von uns, um sich neuen beruflichen Herausforderungen<br />

zu stellen. Wir bedauern ihre Entscheidung außerordentlich,<br />

hat sie doch Hinz&Kunzt mit starken Impulsen spürbar vorangebracht.<br />

Wir bleiben in Kontakt und würden uns freuen, auch<br />

künftig hin und wieder mit ihr zusammenarbeiten zu können.<br />

Uns haben Hunderte leidenschaftliche Zuschriften<br />

für oder gegen das Gendern erreicht. Vielen Dank dafür!<br />

Viele von Ihnen fühlen sich durch den Genderstern in Ihrem<br />

Lesefluss gestört. Ein sensibler Umgang mit Sprache ist uns<br />

wichtig, wir möchten niemanden ausschließen und niemanden<br />

abschrecken. Deshalb hat die Redaktion hart mit sich gerungen.<br />

Das Ergebnis können Sie auf den Seiten 38 bis 41 nachlesen.<br />

Vermutlich wird die Debatte damit nicht beendet sein. Wir<br />

lernen ja als Gesellschaft gerade erst, wie wir Inklusion in allen<br />

Bereichen verwirklichen können, und werden noch viel zu<br />

reden haben. Es bleibt spannend!<br />

<br />

Frohe Lektüre!<br />

Ihr Dirk Ahrens<br />

Herausgeber<br />

Schreiben Sie mir an: ahrens@diakonie-hamburg.de<br />

FOTO S. 4 UNTEN: ANNETTE SCHRADER; OBEN: MAURICE WEISS<br />

TITEL-ILLUSTRATION: GRAFIKDEERNS; IDEE: CHRISTIAN HAGEN<br />

2


Inhalt <strong>Juni</strong> <strong>2021</strong><br />

14<br />

Erinnerung<br />

an ein NSU-<br />

Mordopfer<br />

6<br />

Arbeiten beim<br />

Lieferdienst<br />

18<br />

Happy<br />

Birthday,<br />

Fabrik!<br />

Stadtgespräch<br />

06 Druck auf dem Kessel<br />

Lieferdienste sind Coronagewinner. Und die Fahrer:innen?<br />

14 Süleymans Träume<br />

Ay en Ta köprü erinnert an ihren vom NSU ermordeten Bruder.<br />

16 „Die Ermittlungen waren rassistisch“<br />

brahim Arslan und Caro Keller über 20 Jahre NSU-Terror<br />

29 Amnesie im Amt<br />

Olaf Scholz hat im Cum-Ex-Ausschuss Erinnerungslücken.<br />

30 Der Privatbankier – Teil 2<br />

Fortsetzung des Krumm-Ex-Krimis von Isabel Kreitz<br />

34 „Bargeld ist ein Freiheitsrecht“<br />

CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet im Interview<br />

Jubiläum<br />

18 50 Jahre Fabrik<br />

Erinnerungen an bewegte Zeiten mit alternativer Kultur<br />

Freunde und Internes<br />

38 Tschüss, Gendersternchen!<br />

Der Stern geht, gendergerechte Sprache bleibt.<br />

42 Nachhaltige Nerds<br />

Die Softwarebude JaMoin spendet einen Teil des Umsatzes.<br />

Kunzt&Kult<br />

46 Kunst auf dem Teller<br />

Ein Treffen mit Street-Artistin fraujule*<br />

50 Tipps für den <strong>Juni</strong><br />

54 Höhere Ziele<br />

Ein Hochbeet im Kleingarten – komplizierter als gedacht<br />

56 Momentaufnahme: Hinz&Künztler Klaus<br />

Mit 49 Jahren bezieht Klaus seine erste eigene Wohnung.<br />

56<br />

Hinz&Künztler<br />

Klaus hat<br />

erstmals eine<br />

Wohnung.<br />

Rubriken<br />

04 Gut&Schön<br />

28, 32 Meldungen<br />

12 Zahlen des Monats<br />

44 Leser:innenbriefe<br />

55 Rätsel, Impressum<br />

Wir unterstützen Hinz&Kunzt. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk


Transgender-Schiri in Liga 1<br />

„Sie ist ein starkes Mädchen“, sagte Yossi<br />

Mizrahi, Trainer von Beitar Jerusalem.<br />

Sein Kompliment galt Sapir Berman,<br />

Israels erster Transgender-Erstliga-<br />

schiedsrichterin. Berman hatte gerade ihr<br />

erstes Spiel gepfiffen, nachdem sie<br />

öffentlich ihre Geschlechtsanpassung<br />

angekündigt hatte. Schon davor leitete<br />

die 26-Jährige drei Partien in der<br />

„Ligat ha’Al“. Die Fans unterstützten sie<br />

mit Plakaten wie „Super Woman“, der<br />

israelische Fußballverband IFA twitterte:<br />

„Wir sind so stolz.“ JOC<br />

JOC<br />


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Gut&Schön<br />

Lesen & Bildung<br />

Das Bücherkamel<br />

Bei uns gilt „du<br />

Kamel“ als Synonym<br />

für Dummheit. Im Südwesten<br />

Pakistans ist<br />

Kamelhengst Roshan<br />

Bildungsträger!<br />

Dreimal die Woche<br />

bringen Roshan und<br />

Schul leiterin Raheema<br />

Jalal Bücher für Kids<br />

in abge legene Dörfer –<br />

für sie während Corona<br />

oft der einzige Zugang<br />

zu neuem Wissen.<br />

Ähn liche Projekte laufen<br />

schon länger in Kenia<br />

und Äthiopien. JOC<br />

•<br />

Mehrwert(steuer) für die Natur<br />

FOTOS: PICTURE ALLIANCE/ASSOCIATED PRESS/SEBASTIAN SCHEINER (S. 4),<br />

FAISAL FAIZ/GUARDIAN/EYEVINE/LAIF (OBEN), ROLLING PIN (UNTEN LINKS), HERMANNTIMMANN<br />

„Soli-Küche“ für Bedürftige jetzt als „Pop-up“ in Altona<br />

Mehr als 18.000 kostenlose Mahlzeiten hat die Soli-Küche seit ihrem Start im<br />

März 2020 an Hamburger Obdachlose ausgegeben. Nun hat sich das ehrenamtliche<br />

Projekt zum gemeinnützigen Verein gewandelt und will seine gute<br />

Arbeit ausbauen. Bis Ende August findet an drei Tagen in der Woche in einem<br />

Container in der Museumsstraße am Altonaer Bahnhof eine Essenausgabe<br />

für Bedürftige statt (Mi, Fr und So von 13 bis 16 Uhr). „Jeder Mensch verdient<br />

eine warme und liebevoll gekochte Mahlzeit“, findet Onur Elci, der als Mitbegründer<br />

und -geschäftsführer der „Kitchen Guerilla“ Hamburg die Soli-Küche<br />

gemeinsam mit seinem Bruder Koral (auf dem Foto rechts) ins Leben gerufen hat.<br />

Mindestens 100 Mahlzeiten sollen pro Einsatztag ausgegeben werden, das<br />

Projekt freut sich über jede Spende. JOC Mehr Infos: www.kitchenguerilla.com<br />

•<br />

Auch der Große Wiesenknopf<br />

(Foto), von der „Loki-Schmidt-Stiftung<br />

für Naturschutz“ zur „Blume<br />

des Jahres <strong>2021</strong>“ ernannt, würde<br />

sich freuen: Knapp 40.000 Euro<br />

haben jetzt Hamburger Einzelhändler:innen<br />

der Stiftung gespendet.<br />

Das Geld stammt aus einbehaltener<br />

„Coronasteuer“ des Jahres 2020.<br />

Einige Händler:innen hatten von<br />

Juli bis Dezember trotz drei Prozent<br />

weniger Mehrwertsteuer die Preise<br />

nicht gesenkt. Das Geld kommt<br />

jetzt Naturschutzprojekten und<br />

naturpädagogischen Angeboten<br />

für Stadtkinder zugute. JOC<br />

•<br />

5


Druck auf<br />

dem Kessel<br />

Ob Lieferando oder lokales Start-up –<br />

Lieferdienste gehören zu den Coronagewinnern.<br />

Was bedeutet das für ihre Beschäftigten?<br />

TEXT: LUKAS GILBERT<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE,<br />

MAURICE WEISS/OSTKREUZ (1)


Bringt das Essen bis an die<br />

Wohnungstür, auch wenn<br />

die vielleicht im 5. Stock liegt:<br />

der Lieferfahrer.


Inzwischen fester Bestandteil des Stadtbilds: Fahrer:innen von „Lieferando“ und „Gorillas“<br />

A<br />

ls Ende vergangenen Jahres<br />

erste Landkreise Ausgangssperren<br />

verhängten, tauchten<br />

bislang wenig gefragte<br />

Kleidungsstücke auf Portalen wie Ebay-<br />

Kleinanzeigen auf: die orangen Jacken<br />

des Lieferdienstes Lieferando! Sie galten<br />

plötzlich als Ticket, um auch spät noch<br />

unterwegs zu sein. Nicht selten wurden<br />

dreistellige Summen gefordert.<br />

Denn während die meisten Menschen<br />

möglichst zu Hause bleiben sollten,<br />

bescherte die Pandemie den Lieferdiensten<br />

einen beispiellosen Boom:<br />

Ihre Fahrer:innen fluteten die Straßen<br />

der Großstädte. Beim Marktführer<br />

Lieferando wuchsen die Bestellzahlen<br />

Anfang <strong>2021</strong> im Vergleich zum Vorjahr<br />

um satte 77 Prozent. Allein von Januar<br />

bis März gingen mehr als 39 Millionen<br />

Bestellungen ein.<br />

„Lieferando zählt zu den absoluten<br />

Gewinnern der Krise“, sagt Johann<br />

Möller von der Gewerkschaft Nahrung-<br />

Genuss-Gaststätten (NGG). Zugleich<br />

drängen in Deutschland immer neue<br />

Lieferdienste auf den Markt. Gorillas<br />

oder Flink liefern Supermarktwaren im<br />

Eiltempo an die Haustür. Neben Lieferando,<br />

das zum niederländischen Mutterkonzern<br />

Just Eat Takeaway gehört,<br />

bringt auch Wolt die fertige Mahlzeit<br />

auf Klick nach Hause. Schon bald will<br />

Uber Eats in Deutschland starten. Auch<br />

lokale Alternativen kämpfen um ihren<br />

Anteil am Kuchen.<br />

Was der Erfolg von Lieferdiensten<br />

für die Fahrer:innen bedeutet, weiß<br />

Jonas Müller. Der 41-Jährige fährt seit<br />

Jahren für Lieferando und hat den Betriebsrat<br />

im Unternehmen mit aufgebaut.<br />

Für ihn beginnen die Probleme<br />

bei der Ausrüstung: „Die Regenklamotten<br />

sind nicht wasserdicht, die Winterjacke<br />

schützt nicht ausreichend vor<br />

Kälte.“ Für den passionierten Radfahrer<br />

ist das kein großes Problem: Er ist privat<br />

gut ausgestattet. „Das gilt aber nicht für<br />

alle Kollegen.“<br />

Lieferando zahlt nach eigenen Angaben<br />

einen Basisstundenlohn zwischen<br />

10 und 11 Euro, also knapp über Mindestlohn.<br />

Hinzu kommen Verschleißpauschalen<br />

für selbst genutzte Fahrräder.<br />

Wer viel fährt, erhält zudem<br />

Bonuszahlungen. Manche Fahrer:innen<br />

8<br />

kämen so auf Stundenlöhne von<br />

16,50 Euro. Betriebsrat Müller spricht<br />

von 15 Euro, Trinkgeld gebe es obendrauf.<br />

Wer weniger Bestellungen<br />

schafft, habe keine Nachteile zu befürchten,<br />

sagt Müller. „Noch nicht zumindest.<br />

Ich habe Sorge, dass sich das<br />

„Lieferando<br />

ist ein Gewinner<br />

der Krise.“<br />

JOHANN MÖLLER, GEWERKSCHAFT NGG<br />

in Zukunft ändern könnte.“ Die<br />

Fahrer:innen würden schließlich permanent<br />

per App getrackt. Die Trackingdaten<br />

würden jedoch „nicht zur<br />

unerlaubten Leistungs- oder Verhaltenskontrolle<br />

genutzt“, versichert ein<br />

Lieferando-Sprecher.<br />

Auch Alex (Name geändert) fährt Essen<br />

aus, allerdings für das Hamburger<br />

Start-up Stadtsalat. Das Unternehmen<br />

wirbt mit lokalen Lebensmitteln, in


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Lieferando<br />

Lieferando ist in Deutschland unangefochtener Marktführer im Essens-Liefergeschäft.<br />

Das Unternehmen gehört zum 1999 gegründeten niederländischen<br />

Konzern Just Eat Takeaway, der weltweit aktiv ist. Mit Pizza.de, Foodora und Lieferheld<br />

hat der Konzern eine ganze Reihe Konkurrenten in Deutschland geschluckt.<br />

Viele Restaurants sind auf den Service des Marktführers angewiesen – mit<br />

beachtlichen Kosten. 13 Prozent Provision nimmt Lieferando pro Bestellung über<br />

das Portal, wenn die Restaurants ihr Essen selbst ausfahren. Übernimmt das<br />

Lieferando, sind es 30 Prozent Provision. Das entspricht oft fast der gesamten<br />

Gewinnmarge der Restaurants. Durch den Boom des Liefergeschäfts ist Just Eat<br />

Takeaway zuletzt stark gewachsen. Während der Umsatz 2019 bei 1,6 Milliarden Euro<br />

lag, wuchs er im Coronajahr 2020 auf 2,4 Milliarden. Allein in Deutschland wurden<br />

vergangenes Jahr 112 Millionen Bestellungen über Lieferando abgewickelt,<br />

43 Prozent mehr als 2019. Ähnlich wie andere Digitalunternehmen treibt<br />

Just Eat Takeaway sein Wachstum aggressiv voran und fährt dabei Verluste ein:<br />

im vergangenen Jahr 151 Millionen Euro.<br />

Werbevideos rasen gut gelaunte Fahrradkuriere<br />

durch die Stadt. Passt das<br />

zur Wirklichkeit? „Naja, die Realität ist<br />

definitiv eine andere als die Außendarstellung“,<br />

sagt Alex. Der Verdienst –<br />

knapp über Mindestlohn plus Boni für<br />

Vielfahrer:innen – sei schlechter als<br />

beim Konkurrenten mit den orangenen<br />

Rucksäcken. Als es zu Jahresbeginn bei<br />

zweistelligen Minustemperaturen anfing<br />

zu schneien, mussten Alex und seine<br />

Kolleg:innen weiterfahren, erzählt<br />

er. Lieferando habe seinen Service da<br />

schon eingestellt. „Wir sind bis abends<br />

um zehn durch die Stadt gescheucht<br />

worden“, erinnert sich Alex. „Das war<br />

eine Zumutung, da hätte das Unternehmen<br />

die Reißleine ziehen müssen.“<br />

Dann sei da noch die Sache mit den<br />

Schichten. Für die Fahrer:innen gibt es<br />

eine Mittags- und eine Abendschicht.<br />

Alex fährt meist beide. Dazwischen<br />

heißt es warten, ohne Bezahlung. „Momentan<br />

fahre ich meistens nach Hause,<br />

weil die Restaurants, in denen man<br />

warten könnte, wegen Corona geschlossen<br />

haben.“ Alex fährt auf Midijob-<br />

Basis: Er darf zwischen 450 und 1300<br />

Euro verdienen. Für einen weiteren Job<br />

sei durch die Wartezeiten kaum Zeit.<br />

Trotzdem hat sich der 25-Jährige bewusst<br />

für Stadtsalat entschieden. „Hier<br />

habe ich nette Kollegen, und man kennt<br />

sich. Es ist familiärer. Das ist mir wichtig.“<br />

Stadtsalat-Geschäftsführer Marcus<br />

Berg betont auf Nachfrage, sein Unternehmen<br />

versuche, Fahrer:innen ein<br />

„Top-Umfeld, bestehend aus Wertschätzung,<br />

Bezahlung, Ausrüstung und<br />

Betriebsklima“ zu bieten. Die allermeisten<br />

seiner Angestellten würden keine<br />

Doppelschichten fahren, außerdem<br />

stehe ein Aufenthaltsbereich bereit.<br />

Inklusive Trinkgeld und Bonuszahlungen<br />

kämen die Fahrer:innen auf einen<br />

Lohn von 15 Euro die Stunde. Der vergangene<br />

Winter sei an einigen Tagen<br />

eine Herausforderung gewesen, räumt<br />

Lieferando-Betriebsrat Jonas Müller<br />

der Geschäftsführer ein. Allerdings<br />

habe man auch im Gespräch mit den<br />

Angestellten viel gelernt: „Wir werden<br />

auf kommende Extremwetterbedingungen<br />

noch besser vorbereitet sein.“<br />

Weniger familiär geht es offenbar<br />

bei Lieferando zu. Oft sei den<br />

Fahrer:innen nicht klar, wer ihnen bei<br />

Problemen weiterhelfe, kritisiert Betriebsrat<br />

Jonas Müller. Zwar könnten<br />

sie sich an die Zentrale wenden, den sogenannten<br />

Hub. Das wüssten viele aber<br />

nicht: „Ihr Ansprechpartner ist erst mal<br />

ausschließlich eine E-Mail-Adresse.“<br />

Laut dem Betriebsrat ein echtes Problem<br />

für die Kommunikation. „E-Mails<br />

werden teilweise wochenlang nicht<br />

beantwortet. Leute wollen Urlaub<br />

machen und bekommen keine Antwort,<br />

Leute wissen zwei, drei Wochen vor<br />

Vertragsauslauf nicht, ob ihr Job verlängert<br />

wird. So was passiert tagtäglich.“<br />

Zugespitzt habe sich die Situation,<br />

weil der Konzern zuletzt stark<br />

gewachsen ist. Strukturen seien nicht<br />

eingespielt, Stellen nicht besetzt. Die<br />

Folge: Frust bei den Angestellten. „Es<br />

gibt Fälle, in denen Fahrer richtig ausrasten<br />

und im Hub stehen und rumbrüllen.<br />

Das zeigt, dass da Druck auf<br />

dem Kessel ist“, sagt Müller.<br />

9


Das Lager von „Gorillas“ in der Hamburger Feldstraße<br />

Quelle: Just Eat Takeaway<br />

Lieferando weist die Vorwürfe zurück:<br />

„Unsere Fahrer bewerten die Beantwortung<br />

ihrer Anliegen mit mehr als<br />

8 von 10 Punkten im Durchschnitt.“<br />

Fragen an die Personalabteilung seien<br />

im März im Schnitt innerhalb von<br />

19 Stunden beantwortet und in weniger<br />

Umsätze von<br />

Lieferando<br />

205 Mio.<br />

Euro<br />

2019<br />

374 Mio.<br />

Euro<br />

2020<br />

als drei Tagen gelöst worden. „Dabei<br />

ergeben sich die größten Verzögerungen<br />

durch verzögerte Rückmeldungen<br />

von Fahrer:innen.“<br />

Rund die Hälfte der Angestellten<br />

sind laut Betriebsrat Müller Geflüchtete.<br />

Anderswo auf dem Arbeitsmarkt hätten<br />

sie oft keine Chance. Viele ernähren<br />

mit dem Job die ganze Familie. Insbesondere<br />

für diese Vollzeitangestellten<br />

grenze die Arbeit an Extremsport: „Im<br />

Schnitt fährst du so sieben oder acht<br />

Kilometer die Stunde. Wenn du Vollzeit<br />

angestellt bist und 160 Stunden im Monat<br />

fährst, sind das weit über 1000 Kilometer.“<br />

Manche gerieten damit an ihre<br />

Belastungsgrenze. Laut Lieferando liegt<br />

der Stundenschnitt bei 5 Kilometern.<br />

Einer der Geflüchteten ist Hakim<br />

(Name geändert, Red.). Der 30-Jährige<br />

kam 2014 aus Syrien nach Deutschland<br />

und arbeitet seit März bei Lieferando.<br />

Einen anderen Job habe er nicht gefunden,<br />

erzählt er. Statt mit dem Rad Kilometerrekorde<br />

zu brechen, ist Hakim<br />

mit dem eigenen Auto unterwegs. „Mit<br />

dem Fahrrad ist es zu anstrengend.“<br />

Zwar schaffe er so nicht ganz so viele<br />

Bestellungen, doch für 1650 Euro netto<br />

habe es vergangenen Monat trotzdem<br />

10<br />

gereicht. Er sieht seine Zukunft zwar<br />

nicht bei Lieferando, ist aber durchaus<br />

zufrieden mit seinem Job: Es sei besser,<br />

als Pakete auszufahren.<br />

Über inakzeptable Arbeitsbedingungen<br />

klagen hingegen Beschäftigte<br />

des Liefer-Start-ups Gorillas. Das Unternehmen<br />

verspricht, Supermarkteinkäufe<br />

binnen zehn Minuten nach<br />

Bestellung an die Haustür zu liefern.<br />

Auf Twitter berichten Angestellte anonym<br />

von Videoüberwachung im Lager,<br />

fehlenden Aufenthaltsräumen und<br />

schlechten Rucksäcken, die Rückenschmerzen<br />

verursachen. Gorillas weist<br />

die Vorwürfe dazu zurück: Keines ihrer<br />

Lager in Deutschland werde per<br />

Kamera überwacht. In den meisten<br />

gebe es Pausenräume. In manchen<br />

seien die „etwas kleiner“, man arbeite<br />

aber an Verbesserungen. Eine erste<br />

Charge Rucksäcke sei durch ergonomische<br />

und komfortable Nachfolger<br />

ersetzt worden.<br />

Lieferando-Betriebsrat Jonas Müller<br />

hofft, dass mehr Konkurrenz auf<br />

dem Markt der Lieferdienste bessere<br />

Arbeitsbedingungen und Löhne für die<br />

Fahrer:innen schafft. Denn schon heute<br />

hätten die Unternehmen Probleme,


Stadtgespräch<br />

Gig-Economy<br />

Bestelldienste wie Lieferando sind Teil der sogenannten<br />

Gig-Economy: Unternehmen vergeben über Internetplattformen<br />

oder mithilfe von Apps einzelne Aufträge<br />

– sogenannte Gigs – an Angestellte oder Selbstständige.<br />

Den Anfang machte 2008 der Fahrdienstleister Uber.<br />

Viele US-Amerikaner:innen hatten im Zuge der Finanzkrise<br />

ihre Jobs verloren und waren auf zusätzliche Einnahmen<br />

angewiesen, etwa als selbstständige Chauffeur:innen.<br />

Der Siegeszug der Gig-Economy begann. Bei Airbnb<br />

bieten Privatleute heute Ferienwohnungen an, auf<br />

Helpling lassen sich flexibel Putzkräfte buchen.<br />

Auf Plattformen wie jovoto oder upwork vergeben kleine<br />

Unternehmen genauso wie Weltkonzerne Aufträge an<br />

teils hochqualifizierte freiberufliche Crowdworker:innen.<br />

Der Vorteil für die Unternehmen: Sie können auf<br />

Angestellte und Büroflächen verzichten und so Kosten<br />

sparen. Vorteil für die Beschäftigten: Sie sind flexibel.<br />

Nachteile: Ihnen fehlt oft eine soziale Absicherung, Arbeitnehmerrechte<br />

sind nur schwer durchzusetzen.<br />

Engagement mit<br />

Herz für Hamburg<br />

Mitarbeiter:innen zu finden. Betriebsräte, wie bei Lieferando,<br />

gibt es bei neuen Playern zunächst einmal nicht.<br />

Entsprechend gespannt ist er, wie die Mitbewerber mit<br />

Arbeitnehmerrechten umgehen.<br />

Johann Möller von der NGG ist skeptisch: Die Erfahrung<br />

zeige, dass Arbeitgeber als Erstes am Personal<br />

sparen würden, um Kosten zu senken. „Man wird nicht<br />

dadurch reich, dass man der arbeitnehmerfreundlichste<br />

Betrieb ist.“ Hinzu komme eine Besonderheit der Branche:<br />

Weil die Leben der Fahrer:innen so unterschiedlich sind,<br />

sei es besonders schwer, sich zu vernetzen – zumal die<br />

Angestellten kaum aufeinandertreffen. „Dieses kollektive<br />

Gefühl wäre aber wichtig, um sich darüber klar zu<br />

werden, dass man mit seinen Problemen nicht alleine ist.“<br />

Im Bundesarbeitsministerium scheint man die<br />

Probleme erkannt zu haben. Arbeitsminister Hubertus<br />

Heil (SPD) hat kürzlich ein Eckpunktepapier vorgelegt,<br />

wie er die sogenannte Plattformökonomie regulieren will.<br />

Arbeitnehmer:innen sollen eine bessere soziale Absicherung<br />

und besseren Unfallschutz erhalten, Kündigungsfristen<br />

will Heil verlängern, die Organisierung der Beschäftigten<br />

erleichtern. Erst mal bleibt es bei Absichtserklärungen:<br />

Ein Gesetz plant der SPD-Minister nach der Bundestagswahl<br />

– wenn er dann noch im Amt ist. •<br />

Lukas Gilbert glaubt, dass – bei allen Unterschieden<br />

– eines alle Lieferfahrer:innen verbindet:<br />

das Warten. Auf die nächste Schicht, den nächsten<br />

Auftrag oder das Summen des Türöffners.<br />

lukas.gilbert@hinzundkunzt.de<br />

11<br />

Wir machen gern<br />

gemeinsame Sache:<br />

Für „Spende Dein Pfand“<br />

kooperiert Hamburg Airport<br />

mit Hinz & Kunzt und Der<br />

Grüne Punkt – Duales System<br />

Deutschland GmbH (DSD).<br />

Vom Pfandgeld finanziert<br />

Hinz & Kunzt Arbeitsplätze<br />

am Flughafen Hamburg.<br />

SPENDE<br />

DEIN<br />

PFAND<br />

www.hamburg-airport.de


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Zahlen des Monats<br />

Ernährungsindustrie<br />

Die Limo-Steuer wirkt<br />

35 Prozent<br />

weniger Zucker mischen Getränkehersteller in Großbritannien ihren Produkten bei, seitdem<br />

die Regierung dort eine sogenannte Limo-Steuer eingeführt hat. Das ist das Ergebnis einer<br />

Studie der Universität Oxford. Eine Fanta im Königreich enthalte nur noch 4,6 Gramm<br />

Zucker pro 100 Milliliter. Hierzulande sind es laut Hersteller Coca-Cola 7,6 Gramm.<br />

Jedes zweite Erfrischungsgetränk in Deutschland sei überzuckert und trage dazu bei, dass immer<br />

mehr Menschen unter Fettleibigkeit und ihren Folgen litten, urteilt die Verbraucherorganisation<br />

Foodwatch: „Die Lebensmittelindustrie trägt eine Mitverantwortung an der<br />

globalen Adipositas-Epidemie.“<br />

Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) haben in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch<br />

zugenommen. In Deutschland gelten laut Robert-Koch-Institut (RKI) 15 Prozent aller Kinder<br />

und Jugendlichen als übergewichtig, knapp 6 Prozent gar als fettleibig. Während hier<br />

zumindest der Anstieg gebremst scheint, steigt die Zahl betroffener Erwachsener weiter: Zwei<br />

Drittel aller Männer und die Hälfte der Frauen sind übergewichtig, so das RKI, jede:r vierte<br />

Erwachsene ist sogar adipös. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet zuckerhaltige<br />

Getränke als „eine der wesentlichen Ursachen“. Ihr Verzehr begünstigt Studien zufolge auch<br />

die Entstehung von Diabetes, Bluthochdruck, Gelenkproblemen und Herzerkrankungen.<br />

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) setzt darauf, dass die Lebensmittelhersteller<br />

freiwillig den Anteil ungesunder Beigaben zu ihren Produkten reduzieren. Ihre Strategie<br />

wirke, sagte sie im April bei der Vorstellung von neuen Ergebnissen einer wissenschaftlichen<br />

Begleitstudie: „Bei zahlreichen weiteren Produkten wurden Salz und Zucker reduziert.“<br />

Gleichzeitig seien „einige der Zahlen noch nicht zufriedenstellend“, räumte Klöckner ein.<br />

„Hier müssen die Hersteller nachlegen.“<br />

Für Foodwatch ist der Kurs der Ministerin ein Irrweg: „Programme zur Tabak-Prävention<br />

entwickelt man auch nicht gemeinsam mit Philip Morris.“ Neben einer Zuckersteuer auf<br />

Süßgetränke und einer verpflichtenden Nährwertkennzeichnung („Nutri-Score“) fordert die<br />

Verbraucherorganisation auch gesetzliche Beschränkungen des Kindermarketings. Laut einer<br />

Foodwatch-Recherche nutzen Lebensmittelkonzerne systematisch Social-Media-Stars, um<br />

zuckrige Getränke, fettige Snacks und Süßwaren an Kinder zu vermarkten.<br />

Immerhin: Laut Ministerium will die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission – zuständig für<br />

die Vorgaben – den Mindestzuckergehalt für Limonaden streichen. Was das für den alternativen<br />

Hamburger Getränkehersteller Lemonaid bedeutet, war bei Redaktionsschluss noch<br />

unklar. Der war von Verbraucherschutzbehörden abgemahnt worden, weil seine Limonade<br />

zu wenig Zucker enthalte, um als solche bezeichnet zu werden. Daraufhin klebte Lemonaid<br />

aus Protest den Hinweis „Achtung, wenig Zucker“ auf seine Flaschen. •<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />

Mehr Infos unter www.foodwatch.de und www.lemon-aid.de<br />

13


Süleyman Ta köprü<br />

auf dem „Walk of<br />

Fame“ in Los Angeles<br />

Süleymans<br />

Träume wurden mit<br />

ihm vernichtet<br />

Vor 20 Jahren ermordeten Neonazis vom NSU den Hamburger<br />

Kaufmann Süleyman Ta köprü. Seine Schwester Ay en Ta köprü hat für<br />

Hinz&Kunzt ihre Erinnerungen an den großen Bruder aufgeschrieben.<br />

FOTOS: PRIVAT, DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong> (1)<br />

M<br />

ein Bruder Süleyman Ta köprü ist am<br />

20. März 1970 in Istanbul geboren. Aufgewachsen<br />

ist er in uhut in Westanatolien.<br />

Zwei Jahre nach seiner Geburt ging unser Vater<br />

als Gastarbeiter nach Deutschland und arbeitete zunächst<br />

als Schiffsschweißer in Bremerhaven. Später, nach einem<br />

Arbeit sunfall, zog er nach Hamburg und war beim Schreibwarenhersteller<br />

Rotring tätig. 1979 kamen meine Mutter,<br />

mein jüngerer Bruder und ich nach Deutschland. Süleyman,<br />

der Älteste von uns vier Geschwistern, blieb vorerst bei<br />

unserer Oma in der Türkei. Er hatte sehr gute Schulnoten,<br />

und seine Lehrer überredeten unsere Eltern deshalb, dass er<br />

weiter in der Türkei zur Schule geht.<br />

Mein Bruder vermisste uns. Uns nur in den Ferien zu<br />

sehen, hat ihm nicht mehr gereicht. Als 1981 unsere jüngste<br />

Schwester in Hamburg geboren wurde, kam daher auch<br />

14


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

„Sie haben<br />

uns ein Leben mit ihm<br />

genommen.“<br />

AY EN TA KÖPRÜ<br />

Süleyman zu uns nach Altona. Wir hatten viele Freunde, und<br />

obwohl wir später etwas weiter außerhalb gewohnt haben,<br />

hat es uns immer wieder nach Altona gezogen.<br />

Mein Bruder Süleyman absolvierte den Realschulabschluss.<br />

In seiner Freizeit spielte er gern Backgammon und<br />

Fußball. Er war Anhänger des Fußballvereins Fenerbah e<br />

Istanbul und ein großer Fan des Schauspielers Sylvester Stallone,<br />

dem er ähnlich sah. Er träumte nach einer USA-Reise von<br />

einem eigenen Stern auf dem berühmten Walk of Fame in<br />

Los Angeles. Wir hatten uns über den Tod unterhalten und<br />

dabei äußerte er den Wunsch, dass im Fall seines Todes mit<br />

einem derartigen Stern an ihn erinnert werden solle.<br />

Als Teenager trainierte er drei Jahre Karate. An den Wochenenden<br />

ging er gerne tanzen. Anfang der 1990er-Jahre<br />

arbeitete er für eine japanische Firma, die Fotoapparate herstellte.<br />

1998, als er 28 Jahre alt war, ist seine Tochter geboren.<br />

An den Tag werde ich mich immer erinnern. Er kam kreideweiß<br />

aus dem Kreißsaal und bat mich, hineinzugehen:<br />

„Ich kann nicht mehr, alle schreien herum, bitte geh du rein.“<br />

Im Kreißsaal lagen alle Frauen nur mit einem Vorhang voneinander<br />

getrennt. Kein Wunder, dass ihm schwindelig war!<br />

Der Geräuschpegel war echt enorm … Er nannte seine<br />

Tochter, meine Nichte, ,,meine kleine Prinzessin“.<br />

Mamas Freundin wollte ihren Laden in der Schützenstraße<br />

39 nicht mehr weiterführen und bot ihn meinen Eltern<br />

an. Für sie war das die Lösung: Beide waren nicht mehr<br />

gesund, mein Vater war Frührentner und meine Mutter hatte<br />

ihren Vollzeitjob als Raumpflegerin im Krankenhaus aufgegeben.<br />

Also haben meine Eltern mich überredet, ihnen den<br />

Laden zu finanzieren. So konnten sie ohne Sozialhilfe finanziell<br />

klarkommen. Die Eröffnung war am 4. Dezember 1998.<br />

Da ich beruflich nicht immer in Hamburg<br />

war, hatten alle aus der Familie<br />

eine Aufgabe im Laden. Überwiegend<br />

war mein jüngerer Bruder mit Papa<br />

und Mama dort. Der Laden war nicht<br />

nur ein Lebensmittelgeschäft, sondern<br />

auch ein Treffpunkt für uns alle. Nach<br />

Feierabend trafen wir uns hinten in der<br />

kleinen Küche zum Essen.<br />

2001 wollte mein Bruder Süleyman<br />

den Laden von mir übernehmen.<br />

Er war voller Pläne! Nebenan wollte er<br />

einen Weinladen eröffnen. Ich erinnere<br />

mich an den April 2001: Mein Bruder<br />

stand im Laden, voller Begeisterung,<br />

und meinte: „Guck mal, kleine Schwester, ich habe neue<br />

Regale besorgt!“ Doch seine Pläne und Träume wurden mit<br />

ihm vernichtet.<br />

Am 27. <strong>Juni</strong> 2001 war ich zu Hause und versuchte, als<br />

frisch gewordene Mutter zurechtzukommen. Ich bekam einen<br />

Anruf von meinem jüngeren Bruder, er weinte und ich dachte,<br />

Papa hätte wieder einen Herzinfarkt erlitten. Aber als er<br />

meinte: „Hier ist alles abgesperrt“, da wusste ich, es ist etwas<br />

Schlimmes passiert. Ich weiß nicht, wie lange ich vor meinem<br />

Haus mit meinem Sohn und dem Hund stand, aber irgendwann<br />

kam mein damaliger Mann mich abholen. Im Auto<br />

sagte er mir: „Dein Bruder ist tot.“ Ich wollte schreien, aber<br />

ich konnte nicht, weil mein Sohn gerade mal drei Monate alt<br />

war. Bis zur Haustür meiner Eltern habe ich geweint.<br />

Die Zeitungsartikel über die Mordserie habe ich heute<br />

noch: „Döner-Morde“, „Mafia“, „Drogendealer“. Die Polizei<br />

hat in alle Richtungen ermittelt, nur nicht Richtung rechte<br />

Szene. Wir hatten lange Jahre immer wieder Besuch von<br />

der Kripo und mussten immer wieder Fragen über Fragen<br />

beantworten. Immer wieder mussten wir auch mit auf die<br />

Wache. Einmal bat mich die Kripo, seine alte Wohnung zu<br />

zeigen. Mir waren die Fragen viel zu viel, da sagte ich ihnen:<br />

„Gehen Sie doch zum Wahrsager.“ Und Jahre später erfahre<br />

ich aus dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags,<br />

dass sie das ernst genommen haben und wirklich zum Wahrsager<br />

gegangen sind. Was soll ich sagen: ohne Worte.<br />

Süleyman Ta köprü<br />

(Mitte) mit<br />

Geschwistern,<br />

rechts neben ihm<br />

sitzt Schwester<br />

Ay en. Mit dem<br />

Gedenkstein in<br />

Sternform erfüllte<br />

die Familie ihm<br />

einen Wunsch.<br />

15


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>340</strong>/JUNI <strong>2021</strong><br />

Auch die Urteilsverkündung nach dem NSU-Prozess beim<br />

Oberlandesgericht München am 11. Juli 2018 war unerträglich.<br />

Es war unerträglich für mich, mit Nazis in der Schlange<br />

draußen anzustehen und direkt neben ihnen auf der<br />

Zuschauertribüne zu sitzen. Alle Nazis waren in Schwarz<br />

gekleidet, auch die Angeklagten. Wie kann man so emotionslos<br />

sein und so voller Hass? Kurz vor Schluss, als auch noch<br />

smail Yozgat, der Vater des Mordopfers Halit Yozgat, vom<br />

Richter angemahnt wurde und die Nazis immer lauter jubelten,<br />

da ist mir so übel und schlecht geworden, dass ich rausmusste.<br />

Ich habe es nicht mehr ausgehalten.<br />

Bis 2001 hat mich Rassismus persönlich nie verletzt, aber<br />

seit 2001 fühle ich mich persönlich betroffen. Die<br />

Bilder von meinem Bruder schießen mir ins Gedächtnis und<br />

ich komme damit nicht zurecht. Ich fühlte mich sicher in<br />

Deutschland, und dieses Gefühl der Sicherheit haben<br />

diese Personen uns genommen. Sie haben unsere Biografie<br />

verändert. Sie haben uns ein Leben mit ihm genommen.<br />

Meine Nichte ist ohne ihn aufgewachsen, mein Sohn hat<br />

seinen Onkel nur auf Bildern gesehen. Meine Eltern sagen<br />

immer wieder: „Ach, wären wir nie nach Deutschland<br />

gekommen!“ •<br />

„Die Ermittlungen waren rassistisch“<br />

Caro Keller von „NSU-Watch“ und der Überlebende des Anschlags von Mölln,<br />

brahim Arslan, über Gedenken und Aufarbeitung von Behördenfehlern<br />

INTERVIEW: BENJAMIN LAUFER; FOTOS: DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong>, PICTURE ALLIANCE/DPA (1)<br />

Caro Keller und brahim<br />

Arslan am Gedenkort<br />

für Süleyman Ta köprü<br />

Hinz&Kunzt: Wir stehen am Hamburger<br />

NSU-Tatort, eine Gedenkstätte erinnert<br />

an Süleyman Ta köprü, 100 Meter weiter<br />

ist eine Straße nach ihm benannt. Wird<br />

Hamburg damit dieser Tat gerecht?<br />

brahim Arslan: Wir sehen hier zwei Gedenkorte.<br />

Das oben ist die städtische<br />

Gedenktafel, der Stern darunter ist die<br />

Gedenkstätte der Familie. Daran sieht<br />

man, wie die Familie sich vom institutionellen<br />

Gedenken abspaltet.<br />

Caro Keller: Die Familie hat sich auch<br />

nicht gewünscht, dass ein Teil der<br />

Pa rallelstraße nach Süleyman Ta köprü<br />

benannt wird. Sie forderte nach der<br />

Selbstenttarnung des NSU von der<br />

Stadt Aufklärung. Stattdessen hat Hamburg<br />

2014 die Straße umbenannt – fürs<br />

Image. Der Forderung nach Aufarbeitung<br />

wird das nicht gerecht.<br />

Herr Arslan, Sie haben 1992 in Mölln<br />

den Brandanschlag von Neonazis<br />

auf das Haus Ihrer Familie überlebt.<br />

16<br />

Auch heute noch würden die<br />

Täter:innen nach solchen Anschlägen<br />

mehr Aufmerksamkeit als die Opfer<br />

bekommen, kritisieren Sie.<br />

Arslan: Wir leben in einer täterorientierten<br />

Gesellschaft. Die Perspektive der<br />

Betroffenen kommt kaum vor. Die<br />

Gesellschaft spricht nicht über die<br />

Menschen, die überlebt haben, und wie<br />

sie damit umgehen. Dabei wäre das<br />

wichtig, um die Angehörigen und die<br />

Verstorbenen zu würdigen.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Nach dem Mord an Süleyman Ta köprü<br />

ist vieles falsch gelaufen: Die Hamburger<br />

Polizei hat lange Organisierte<br />

Kriminalität als Tatmotiv vermutet, im<br />

familiären Umfeld ermittelt und soll<br />

sogar versucht haben, die Ermittlungen<br />

in Richtung rechts zu verhindern.<br />

Haben die Behörden aus ihren Fehlern<br />

gelernt, Frau Keller?<br />

Keller: Die Hamburger Behörden sind<br />

immer noch nicht in der Lage, rechte<br />

Taten als solche zu erkennen. Das haben<br />

wir etwa 2017 beim Anschlag am<br />

S-Bahnhof Veddel gesehen.<br />

Bei der Explosion einer selbst<br />

gebauten Nagelbombe wurde zum<br />

Glück niemand verletzt …<br />

Keller: Obwohl bekannt ist, dass der Täter<br />

eine rechte Vergangenheit hat und<br />

aus diesen Motiven auch schon einen<br />

Menschen umgebracht hatte, sprach die<br />

Polizei von einer unpolitischen Tat, weil<br />

er inzwischen zur Trinkerszene gehöre.<br />

Da sehe ich keinen Lerneffekt.<br />

Das Gericht hat später erkannt,<br />

dass ein rassistisches Motiv<br />

„ziemlich wahrscheinlich“ war.<br />

Keller: Wir haben vor NSU-Untersuchungsausschüssen<br />

auch Ermittler<br />

aus Hamburg gesehen. Einer hat dort<br />

erneut rassistische Gerüchte über die<br />

Familie verbreitet. Ein anderer hat ausgesagt,<br />

die Polizei habe keine Möglichkeit<br />

gehabt, Zschäpe, Mundlos und<br />

Böhnhardt als Täter:innen zu erkennen.<br />

Wenn man mit der gleichen Kreativität<br />

in Richtung rechts ermittelt<br />

hätte, mit der man die Familie drangsaliert<br />

hat, wäre man irgendwann auf<br />

die drei gestoßen. Das wurde einfach<br />

nicht gemacht.<br />

Sie haben sich ausführlich mit<br />

dem NSU beschäftigt. Ist 20 Jahre<br />

nach dem Mord in der Schützenstraße<br />

aufgeklärt, ob dabei Hamburger<br />

Neonazis eine Rolle gespielt haben?<br />

Keller: Wir gehen davon aus, dass es<br />

hier Helfer:innen gegeben haben muss.<br />

Wie soll man als Mensch aus Jena auf<br />

diesen Ort kommen, wenn einem<br />

niemand den Hinweis gibt, dass es hier<br />

migrantisch geführte Läden gibt?<br />

Wir wissen, dass es Bekanntschaften<br />

zwischen Hamburger Neonazis und<br />

dem NSU-Kerntrio gegeben hat. Und<br />

wir wissen, dass es eine sehr einflussreiche<br />

und tonangebende rechte Szene<br />

in Hamburg gab und gibt.<br />

Könnte ein Hamburger Untersuchungsausschuss<br />

diese Hintergründe<br />

aufdecken? SPD und Grüne lehnen<br />

ihn noch immer ab, weil der Innenausschuss<br />

der Bürgerschaft sich bereits<br />

ausreichend mit dem Fall beschäftigt<br />

habe.<br />

Keller: Alle Untersuchungsausschüsse<br />

haben neue Puzzleteile geliefert. Bislang<br />

konnte in Hamburg niemand die<br />

Akten sichten, außer dem Verfassungsschutz<br />

selbst – und dem kann man nicht<br />

trauen. Es heißt immer, man brauche<br />

neue Anhaltspunkte, um einen Ausschuss<br />

einzurichten. Dann guckt man<br />

sich den Mord an Süleyman Ta köprü<br />

an und denkt: „Reicht euch das nicht?<br />

Ist das noch nicht schlimm genug?“<br />

Arslan: Die Ermittlungen waren rassistisch.<br />

Laut Bürgermeister Peter Tschentscher<br />

gibt es trotzdem kein öffentliches<br />

Interesse an einem Hamburger<br />

Untersuchungsausschuss, weil es keinen<br />

Skandal bei den<br />

Ermittlungen gegeben<br />

habe. Offenbar<br />

ist die<br />

Stadt auf dem<br />

rechten Auge<br />

blind. Nach dem<br />

Anschlag in<br />

Hanau ist durch<br />

Recherchen der<br />

Familienange hörigen<br />

vieles ans<br />

Tageslicht gekommen.<br />

Das<br />

17<br />

lassen die Hamburger Behörden beim<br />

NSU nicht zu, weil sie belastendes<br />

Material nicht herausgeben.<br />

2018 endete der NSU-Prozess vor<br />

dem Oberlandesgericht München, ließ<br />

aber ebenfalls vieles unbeantwortet.<br />

Die Hamburger Nebenklage-Anwältin<br />

Gül Pinar sagte in ihrem Plädoyer,<br />

die Zivilgesellschaft sei nun gefragt,<br />

diese Fragen aufzuklären. Was können<br />

wir tun?<br />

Arslan: Nach der Selbstenttarnung des<br />

NSU haben wir gehofft, dass die gesamte<br />

Gesellschaft aufsteht, ihre Empörung<br />

zeigt und auf die Straße geht –<br />

mit zwei, drei Millionen Menschen.<br />

Aber es war nichts los!<br />

Keller: Wenn es große Demos gegeben<br />

hätte, hätte es auch mehr Aufklärung<br />

gegeben. In Hamburg haben sich aber<br />

mehrere Initiativen für das Gedenken<br />

stark gemacht und Hintergründe aufgearbeitet,<br />

die man so vorher in der Stadtgesellschaft<br />

nicht kannte. So wurde die<br />

Geschichte neu geschrieben. •<br />

benjamin.laufer@hinzundkunzt.de<br />

Der Prozess gegen<br />

Beate Zschäpe und<br />

Mitangeklagte ließ<br />

viele Fragen offen.<br />

Die Stadt Hamburg<br />

hat einen Teil der<br />

Kohlentwiete nach<br />

Süleyman Ta köprü<br />

benannt.


Rundumvergnügen:<br />

rappelvolle Fabrik<br />

bei dem Bluesmusiker<br />

Keb’ Mo’ (2020)<br />

50<br />

Jahre Fabrik<br />

Happy Birthday! 1971 entstand mit der Fabrik an der Barnerstraße das erste<br />

alternative Kunst- und Kulturzentrum seiner Art in Deutschland. Es wurde bald weit<br />

über Hamburg hinaus zum Vorbild. Zeitzeug:innen erinnern sich und blicken voraus.<br />

TEXTE: JOCHEN HARBERG


Alternativer Treff in alten Mauern,<br />

Geburtstagstorte von den Fabrikbeschäftigten<br />

für Art Blakey 1985,<br />

Blick von der Bühne ins Publikum<br />

FARBFOTO: LUCJA ROMANOWSKA; S/W-FOTOS: PICTURE-ALLIANCE/<br />

DPA/DPA (OBEN), PICTURE ALLIANCE/ULLSTEIN BILD/<br />

CALLE HESSLEFORS (HALLE), DENIS BRUDNA


Jubiläum<br />

D<br />

ie Hoffnung ist zurückgekehrt<br />

in die Fabrik. An der Fassade<br />

macht sich ein Fenster putzer<br />

zu schaffen. Drinnen ist Geschäftsführerin<br />

Ulrike Lorenz damit beschäftigt,<br />

für die Zukunft zu planen und<br />

zu organisieren: Die Garderobe soll<br />

vergrößert werden, wie kriegen wir das<br />

hin? Dabei war noch Anfang Februar<br />

die Stimmung im Keller. „Es herrscht<br />

erdrückende Stille, hier ist wirklich niemandem<br />

nach Feiern zumute“, schreibt<br />

„Raus aus den<br />

Palästen, hin zu<br />

den Menschen“<br />

ARCHITEKT FRIEDHELM ZEUNER<br />

20<br />

Der Rocker<br />

Manfred Mann, 80<br />

Manfred Mann gründete im<br />

Geburtsjahr der Fabrik seine<br />

„Earth Band“. In der letzten<br />

Dekade war er dort Stammgast.<br />

Zum Jubiläum schreibt er uns:<br />

„Es ist uns immer ein Vergnügen,<br />

in der Fabrik zu spielen.<br />

Sie ist ein wirklich einzigartiger<br />

Platz. Nirgendwo sonst auf der<br />

Welt kommt uns das Publikum<br />

aus solch intimen Blickwinkeln<br />

nahe, das schafft eine ganz<br />

spezielle Atmosphäre. Auch<br />

deswegen fühlen wir uns in<br />

der Fabrik immer sehr zu Hause.“<br />

(Übersetzt aus dem Englischen)<br />

Leuchtturm der Kulturszene:<br />

Die abendliche<br />

Fabrik öffnet ihre Türen.<br />

Ulrike Lorenz, als wir sie erstmals nach<br />

Plänen fürs große Jubiläum fragen –<br />

am 25. <strong>Juni</strong> wird die Fabrik 50. Doch<br />

inzwischen scheint die Pandemie allmählich<br />

auf dem Rückzug. So nimmt<br />

sich Lorenz dann doch Zeit, um sich<br />

für Hinz&Kunzt in der großen Halle<br />

fotografieren zu lassen (siehe Seite 25).<br />

Denn Corona hin oder her, man wird<br />

schließlich nur einmal ein halbes Jahrhundert<br />

jung.<br />

1970 suchten der Maler und Künstler<br />

Horst Dietrich und der Architekt<br />

Friedhelm Zeuner per Zeitungsannonce<br />

in Hamburg ein Areal für ein<br />

konzeptionell völlig neuartiges Kultur-<br />

FOTOS: LUCJA ROMANOWSKA (LINKS), PICTURE ALLIANCE/JAZZ ARCHIV/RAINER MERKEL


Jubiläum<br />

FARBFOTO: LUCJA ROMANOWSKA; S/W-FOTOS: DENIS BRUDNA<br />

und Kommunikationszentrum. „Raus<br />

aus den elitären Palästen, hin zu den<br />

normalen Menschen“, so beschreibt es<br />

Zeuner heute gegenüber Hinz&Kunzt<br />

(siehe auch Seite 22). Sie finden im Herzen<br />

Altonas eine auch optisch spannende<br />

Industriebrache: eine um das Jahr<br />

1830 erbaute ehemalige preußische<br />

Maschinen- und Munitions fabrik in<br />

Form einer großen, drei schiffigen Basilika.<br />

Die beiden Männer kratzen privat<br />

Geld zusammen und verwirklichen<br />

binnen Jahresfrist für 460.000 Mark<br />

Umbaukosten ihren Traum vom alternativen<br />

Kulturtempel. In dem soll alles<br />

möglich sein: inspirierende Mitmachangebote<br />

für alle, keine Etikette,<br />

keine Denkverbote. Denn die Zeit dafür<br />

ist reif.<br />

Die Generation der 68er bricht das<br />

konservative Denken im Land auf. Der<br />

einst vor den Nazis geflüchtete Willy<br />

Brandt wird Bundeskanzler und will<br />

„mehr Demokratie wagen“. Das, was<br />

man heute wohl Zeitgeist nennen würde,<br />

manifestiert sich auch an der Barnerstraße<br />

in Ottensen, damals armer<br />

Arbeiter:innenstadtteil und Industriestandort.<br />

Die Fabrik – optisch erdig-roh<br />

mit viel Holz, Stein und Eisen bahnschwellen<br />

am Boden – wird Tummelplatz<br />

vielschichtiger Gegenkultur. Sozialarbeit<br />

für Arbeiter:innen kinder und<br />

Bauspielplatz, Stadtteil-Frühschoppen<br />

und politische Veranstaltungen, Zirkus<br />

und Batikkurse, Alternativtheater, den<br />

Fabrik-Bauernhof direkt nebenan mit<br />

Schweinen und Hühnern: Alles zusammen<br />

ergibt einen genialischen Wahnsinn<br />

kultureller Gegensätze. Und natürlich,<br />

bald schon Marken zeichen,<br />

Konzerte aller Klang farben, anfangs<br />

für umsonst oder bis maximal fünf<br />

Mark. „Man musste in der Fabrik immer<br />

aufpassen, ob von oben was geflogen<br />

kam“, erinnerte sich Tote-Hosen-<br />

Frontmann Campino schon 1991 an<br />

„einige der aufregendsten und besten<br />

Abende unserer Band-Geschichte“.<br />

Nach einem Bierschauer sei es dann<br />

aber auch einfach gewesen, „über die<br />

Boxen selbst hochzuklettern und mal<br />

nach zufragen, wo das Problem war …“<br />

Kinderkonzert mit<br />

Wolf Biermann, Spaß<br />

mit Helge Schneider,<br />

Multimediamix mit<br />

Panteón Rococó<br />

Bis zu seinem Ausscheiden als Geschäftsführer<br />

2012 und seinem Tod<br />

2014 mit 79 Jahren bleibt der künstlerische<br />

Gründer Horst Dietrich die große<br />

Klammer für alles – bewundert und<br />

kritisiert, stets changierend zwischen<br />

ewigem Programmpionier und Übervaterpatriarch.<br />

Bis heute wagt die<br />

Fabrik einen Spagat, den nur wenige<br />

können: tagsüber Stadtteilzentrum<br />

für Kids und Nachbar:innen,<br />

abends in Ehren<br />

ergraute Veranstaltungs- und<br />

Konzertbühne mit inzwischen<br />

fast über mächtiger in nerstädtischer<br />

Amüsierstättenkonkurrenz.<br />

Ob das so noch zeitgemäß<br />

ist? Auf diese Frage<br />

müssen die Macher:innen<br />

womöglich neue Antworten<br />

finden. Hinz&Kunzt stellt<br />

Menschen vor, die den Weg<br />

der Fabrik begleitet haben:<br />

Ein- und Ausblicke von<br />

gestern, heute und<br />

hoffentlich auch für<br />

ein pandemiefreies<br />

Morgen … • Jochen<br />

Harberg<br />

war das<br />

erste Mal<br />

1975 in der<br />

Fabrik – als 15-Jähriger!<br />

2018 feierte dort sein<br />

Sohn Jesper mit den<br />

Mitschüler:innen vom Gymnasium<br />

Altona sein Abitur.<br />

redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Willy Brandt macht<br />

SPD-Wahlkampf in der Fabrik.<br />

21


Keine Panik!<br />

Udo Lindenberg, 75<br />

Grattu FABRIK! als anfang der 1970er-jahre hamburg<br />

aus einer art kleinem dornröschenschlaf wieder<br />

erwachte, war die FABRIK eine der ersten großen<br />

raketenstationen für die neue Hamburg-Szene.<br />

Startschuss Onkel Pö, dann Fabrik, Logo, Dennis Pan<br />

und so weiter.<br />

Gratuliiiiere FABRIK: sooo tolle konzerte und sessions<br />

als wir noch kleine panik-kiddies waren.<br />

Der Gründer<br />

Architekt Friedhelm Zeuner, 84<br />

„Kannst du dir die Fabrik ohne uns vorstellen?“,<br />

fragt Friedhelm Zeuner seine<br />

Frau Irmgard. Beide sitzen zum Videointerview<br />

daheim vorm Computer im<br />

Lüneburger Land, dem Ruhestands-<br />

Wohnsitz. Ihre Antwort kommt prompt:<br />

„Ich kann mir unser Leben ohne die<br />

Fabrik nicht vorstellen!“ Es ist eine späte<br />

Liebeserklärung. Und womöglich auch<br />

eine für den inneren Frieden. Aber dazu<br />

später mehr.<br />

Ende der 1960er-Jahre suchen der junge<br />

Architekt Zeuner und sein idealistischer<br />

Künstlerfreund Horst Dietrich irgendwo<br />

in Hamburg nach einem andersartigen<br />

Raum für alternative Kultur, Kunst<br />

und Handwerk. Ihr hehres Ziel: Sinnstiftende<br />

Inspiration möglichst vieler<br />

ganz normaler Menschen ohne klassenbewusste<br />

Hemmschwellen. Und zwar<br />

genau da, wo diese normalen Menschen<br />

auch wirklich wohnen. 1970 wird den<br />

beiden eine stillgelegte Munitions fabrik<br />

im Arbeiter:innenstadtteil Ottensen im<br />

Rahmen eines Erbbaurechtsvertrages<br />

günstig angeboten: „So, wie sich der<br />

Raum uns darbot, ließ er sofort viele<br />

Möglichkeiten erkennen. Die Fabrik<br />

wirkte wie eine Kathedrale“, erinnert<br />

sich Zeuner. Aus heutiger Sicht kaum<br />

vorstellbar: Der Senat sei in das folgende<br />

Renovierungsprojekt null involviert<br />

gewesen, auch die Behörden vor Ort<br />

hätten sich desinteressiert gezeigt und<br />

weitgehend rausgehalten. „Es war wirklich<br />

reine Privatinitiative.“<br />

Rund ein Jahr später, am 25. <strong>Juni</strong><br />

1971, ist Eröffnung. Für Friedhelm Zeuner<br />

im Rückblick bereits der schönste<br />

Moment seiner Fabrik-Geschichte: „Wir<br />

hatten keine Ahnung, was passieren<br />

würde – und dann war die Fabrik plötzlich<br />

randvoll mit Menschen aus ganz<br />

Hamburg. Da ahnten wir, dass wir etwas<br />

geschaffen hatten.“ Der Gedanke an die<br />

Fabrik als Musikstandort habe dabei anfangs<br />

gar nicht im Vordergrund<br />

gestanden: „Wir dachten eher an Werkstätten<br />

und Künstler, die sich dort<br />

kreativ befruchten sollten.“ Die Leute,<br />

erinnert sich seine Frau, seien „vorbeigekommen,<br />

wollten mitmachen und<br />

kriegten dann einen Platz in der Fabrik –<br />

einfach so! Das war ja das Tolle:<br />

Die Entwicklung war völlig offen, und<br />

das war auch so gewollt.“<br />

Doch dieser ewig neu zu definierende<br />

und auszudiskutierende künstlerisch<br />

offene Prozess und wie man den Laden<br />

zusätzlich auch finanziell am Laufen<br />

halten kann, kostet jede Menge Zeit,<br />

Nerven und noch mehr Geld. Trotzdem<br />

verkaufen die Zeuners, zu diesem Zeitpunkt<br />

schon dreifache Eltern, sogar ihr<br />

Haus, um die Fabrik finanziell mitzu-<br />

FOTOS: PICTURE-ALLIANCE/JAZZ ARCHIV/HARDY SCHIFFLER (OBEN), PRIVAT<br />

22


Jubiläum<br />

Die Fabrik-Arbeiterin<br />

Jugendpädagogin Asta Boruseviciute, 39<br />

„Dass hier tagsüber ein Paradies für Kinder ist, weiß kaum<br />

jemand“, sagt Asta Boruseviciute. Die 39-Jährige gehört<br />

seit drei Jahren zum siebenköpfigen Pädagog:innen-Team<br />

der Fabrik. Offene Kinder- und Jugendarbeit ist Teil der<br />

DNA, nach Corona wieder montags bis freitags von 12 bis<br />

18 Uhr, ohne Anmeldung und kostenlos. Hausaufgabenbetreuung,<br />

Sprach- und Lernförderung, Perlenweben,<br />

Indoorskaten, Gärtnern auf dem nahen Fabrik-Hof und mehr – aber nichts ist<br />

ein Muss. Im Alltag jenseits der Fabrik, weiß Boruseviciute, seien ihre jungen<br />

Gäste viel zu oft viel zu verplant. „Deswegen dürfen sie, wenn sie bei uns sind,<br />

immer selbst entscheiden, worauf sie gerade jetzt Lust haben.“<br />

Als Medienpädagogin mit Teilzeitstelle will die gelernte Journalistin dem<br />

Nachwuchs nahebringen, dass Handy, Tablet und Laptop „super aktive Tools<br />

sein können und nicht nur zum passiven Reinfressen gemacht sind“. So hat<br />

sie in Kooperation mit der 5. und 6. Klasse der Max-Brauer-Gesamtschule<br />

und dem Stadtteilarchiv Ottensen eine digitale Stadtteilrallye entworfen. Die<br />

Inhalte dafür haben die Schüler:innen auf Streifzügen durchs Viertel in Video<br />

und Audio selbst erstellt und alles in einer Quiz-App veredelt.<br />

30 bis 40 Kinder, schätzt Boruseviciute, würden täglich kommen, in den<br />

Ferien gern auch mal doppelt so viele. Und ja, der Raum mache etwas mit<br />

den jungen Gästen: „Trotz aller Angebote bleibt das größte Vergnügen hier<br />

immer Verstecken spielen.“ Ihr selbst gehe es nicht anders: „Ich kann körperlich<br />

spüren, wie viel tolle Geschichte in diesen Mauern steckt.“ Nur eines sei<br />

schade, „dass diese Wände nicht reden können“.<br />

•<br />

FOTOS: PRIVAT (OBEN), ANDREAS HORNOFF (ELEFANT), DENIS BRUDNA<br />

tragen: „Horst hatte ja null Geld.“ Aber,<br />

sagt Irmgard Zeuner lächelnd: „Wir<br />

wollten es unbedingt schaffen, und was<br />

ist schon eine Villa an der Alster gegen<br />

die Fabrik?“ Auch sie arbeitet ständig vor<br />

Ort mit, als „Mädchen für alles“ und mit<br />

kleiner Boutique samt Schneiderei. Doch<br />

schleichend beginnt der innere Rückzug:<br />

Zeuner ist in seinem eigenen Architekturbüro<br />

oft anderweitig gefordert und<br />

muss Geld für die Familie verdienen.<br />

Auch das Verhältnis zu Mitgründer<br />

Horst Dietrich wird immer schwieriger.<br />

Zeuner mag heute aber nicht mehr<br />

nachkarten, weshalb und warum.<br />

Anfang 1977 trennen sich ihre<br />

Wege und die der Fabrik endgültig.<br />

Eine Woche später, am 11. Februar,<br />

brennt der geliebte Bau bis auf die<br />

Grund mauern nieder, vermutlich<br />

Brand stiftung, ganz geklärt wird das<br />

nie. Zeuner eilt nach Ottensen. Weil er<br />

Gummistiefel dabei hat, trägt er seinen<br />

langjährigen Partner huckepack durch<br />

die patschnass gelöschte Ruine. „Friedhelm<br />

fragte mich: ‚Willst du wieder aufbauen,<br />

weiter machen?‘ Dann sagte er<br />

noch: ‚Mach es nicht‘!“, erinnert<br />

sich Horst Dietrich Jahre<br />

später an diesen Schicksalsmoment.<br />

Ein Glück für<br />

Ottensen und Hamburg, dass<br />

er sich anders ent scheidet:<br />

Gemeinsam mit dem neuen<br />

Archi tekten Volkwin<br />

Marg restauriert<br />

Dietrich die<br />

Fabrik für rund<br />

4,6 Millionen Mark<br />

weitgehend originalgetreu.<br />

1979 ist<br />

Neustart.<br />

Ist Zeuner heute<br />

trotzdem stolz darauf,<br />

ein Hamburger<br />

Wahrzeichen mitgeschaffen<br />

zu haben?<br />

Da leuchtet das Gesicht<br />

des 84-Jährigen:<br />

„Ja selbstverständlich,<br />

hundertprozentig!“<br />

Ein letztes Mal führt ihn 2014 sein Weg<br />

in die Fabrik – zur Trauerfeier für<br />

seinen verstorbenen Ex-Kompagnon. •<br />

Bauernhof- und Bauspiel platz-<br />

Atmo: Kids lieben die Fabrik.<br />

Das „Wahrzeichen“,<br />

der Elefantenkopf, hängt<br />

heute noch. Gründerduo 1971:<br />

Dietrich (links), Zeuner<br />

23


Einst Platz harter<br />

Arbeit, bald Tempel<br />

der Gegenkultur:<br />

die Fabrik 1970 vor<br />

dem Umbau<br />

FOTO: DENIS BRUDNA


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Jubiläum<br />

Der Konzertkönig<br />

Konzertpromoter Karsten Jahnke, 83<br />

Das will der Fachmann gleich als Erstes loswerden:<br />

„Jede Stadt in Deutschland würde sich freuen,<br />

ein Veranstaltungshaus zu haben, das diese Atmosphäre<br />

hat wie die Fabrik. Die ist ziemlich einmalig!“<br />

Seit mehr als 40 Jahren veranstaltet der international<br />

renommierte Hamburger Tourneeveranstalter<br />

Karsten Jahnke Konzerte – natürlich auch in<br />

Ottensen. Zu seinen Kunden gehörten Weltstars wie Elton John, U2<br />

(die tatsächlich mal in der Fabrik gespielt haben!) und auch Bob<br />

Dylan.<br />

Am liebsten besetze er in der Fabrik Folk. „Dafür gibt es überhaupt<br />

keine bessere Location.“ Zwar sei die Bühne für manche aufwendigen<br />

Arrangements heute zu klein, sie hat aber einen anderen riesigen<br />

Vorteil: „Diese unvorstellbare Nähe, die man zum Künstler hat, weil<br />

der ja de facto mitten in der Menge steht und spielt.“ So habe ihm<br />

etwa der irische Barde Luka Bloom gestanden, dass er „die Fabrik<br />

liebt, der will nirgendwo anders hin“.<br />

Doch will Jahnke nicht alles rosarot zeichnen. Er vermisse als Partner<br />

seinen langjährigen, aber inzwischen ausgeschiedenen Fabrik-<br />

„Booker“ Buddy Lüders. „Mit dem war die Zusammenarbeit über<br />

30 Jahre lang ein Vergnügen – keine Ahnung, wo der abgeblieben<br />

ist.“ Jahnkes Expertise aus nächster Ferne: „Es gibt kein erkennbares<br />

Konzept mehr in der Fabrik. Die bräuchten dringend einen<br />

künstlerischen Leiter, der sagt: ‚Wir haben eine Richtung X – und das<br />

ist jetzt unser roter Faden!‘“<br />

•<br />

Nina Hagen<br />

mimt 2012 in<br />

der Fabrik die<br />

wilde Göre.<br />

1975: Chillen in<br />

der Tee stube<br />

an Tischen aus<br />

alten Bahnschwellen.<br />

FOTOS: STEVEN HABERLAND (OBEN), PICTURE ALLIANCE/JAZZARCHIV/ISABEL SCHIFFLER (OBEN RECHTS),<br />

PICTURE ALLIANCE/ULLSTEIN BILD/CALLE HESSLEFORS, ANDREAS HORNOFF (UNTEN)<br />

Die Chefin<br />

Geschäftsführerin Ulrike Lorenz, 56<br />

Als wir in die Fabrik kommen zum Fototermin, ist der Saal bestuhlt. Oha, geht<br />

es etwa bald schon wieder los? Leider falscher Alarm – alles steht noch so da von<br />

den letzten Jazzkonzerten im Herbst. „Wir wollten danach nicht, dass der Raum<br />

leer und kahl aussieht“, sagt Ulrike Lorenz. Sie führt das Haus (Jahresetat:<br />

rund 2,5 Millionen Euro) und seine 55 Beschäftigten seit 2012 als Geschäftsführerin,<br />

seit 2013 ist sie auch im Vorstand der Fabrik-Stiftung. Sie liebt „ihre“ heiligen Hallen:<br />

„Die Fabrik ist ein wundervoller Ort. Selbst während Corona, in dieser viel zu<br />

lange andauernden Stille, hat sie eine positive Energie, für die ich dankbar bin.“<br />

Immer wieder wählt Lorenz Adjektive wie „solidarisch“, „gemeinsam“ oder<br />

„geduldig sein“, um klar zu machen, dass hier großes Verständnis herrscht für die<br />

strengen Schließungsmaßnahmen. Hamburg, so ihre positive Erfahrung, sei sich<br />

„seiner kulturellen Vielfalt und Diversität bewusst“ und habe „sofort Unterstützung<br />

zugesagt“. Dadurch sei auch in schweren Monaten keine Panik aufgekommen, man<br />

habe niemanden entlassen müssen und hoffe nun fest auf einen Restart im Spätsommer.<br />

Und der Geburtstag? Wird nachgeholt, verspricht Lorenz. Es mache „keinen<br />

Sinn, jetzt kurz vor dem Ziel leichtsinnig zu werden“. Wieder draußen, fällt uns das<br />

riesige Plakat am Haupteingang ins Auge, direkt unterm Fabrik-Schriftzug: „Vergesst<br />

Superhelden – wir haben EUROPA“ heißt es da, verziert mit wärmenden<br />

Schlagworten wie Rechtsstaat, Wahlrecht, Soziale Sicherung, Medizinische<br />

Versorgung, Frieden. Das sei „als Anregung im politischen und kulturellen<br />

Diskurs der Stadtgesellschaft“ zu sehen, sagt Lorenz: „Wir glauben, dass die<br />

anstehenden Herausforderungen der Menschen, sei es Pandemie oder Klimawandel,<br />

nur gemeinsam und solidarisch zu lösen sind.“ •<br />

25<br />

Warten auf<br />

den Neustart:<br />

Geschäfts führerin<br />

Ulrike Lorenz


Full House: 1200 Fans<br />

passen in die Fabrik –<br />

Jan Plewka spielt dort<br />

auch 2022 wieder!<br />

Weltstar Miles Davis, 1985<br />

Neue Fabrik mit Kran, seit 1979<br />

Abgebrannte Gemäuer, 1977<br />

Der Chronist<br />

Maler, Grafiker, Fotograf und Verleger Denis Brudna<br />

Richtung Jahresende, sagt Denis Brudna, wird es kreative Arbeitsgruppen und das Fotoforum, das im Laufe der Zeit in<br />

wohl mindestens werden. Wenn er es tatsächlich der Fabrik und anderen Orten über 370 Fotoausstellungen präsentiert<br />

hat. Auch privat war er mit Horst Dietrich recht eng verbunden.<br />

schafft, möchte der langjährigste Mitarbeiter der<br />

Fabrik (1971–2019) im Eigenverlag (Photonews) Er erinnert sich aber auch an heftige Richtungsstreits mit manchen<br />

eine Chronik der Geschichte dieses magischen Mitarbeiter:innen, denen Dietrich oft schon zu kommerziell agierte.<br />

Ortes fertig haben und Interessierten zum Kauf anbieten.<br />

Tausende Fotos hat er in seinem Privatarchiv, dieser Spannungen. 1974 kam es zur Kündigung einiger Festange-<br />

Zwei Streiks in den Jahren 1972 und 1976 sind beredtes Zeugnis<br />

die gesichtet werden müssen, langjährige Weggefährt:innen sollen stellter, die daraufhin ebenfalls in Ottensen das Stadtteil zentrum<br />

ein ungeschminktes Bild ihrer Fabrik-Zeit zeichnen dürfen. „Wir waren „Motte“ gründeten.<br />

Enthusiasten, haben selber Geld direkt und indirekt investiert und die Aber die Fabrik hielt alles und noch viel mehr aus, sogar den großen<br />

ersten Jahre uns keine richtigen Gehälter gezahlt“, erinnert sich Brudna<br />

an die Startjahre voller Energie, in denen programmatisch wild und Mark: „Wirtschaftlich war die Situation immer ziemlich angespannt,<br />

Brand von 1977 mit Wiederaufbaukosten von rund 4,6 Millionen<br />

gewollt dauerexperimentiert wurde.<br />

ohne Horst wäre die Fabrik nie wieder auferstanden.“ Brudna, daraus<br />

Initiiert und inspiriert wurde vieles durch den Gründer Horst Dietrich: macht er keinen Hehl, vermisst den Spirit des Gründers Dietrich:<br />

„Mit Horst konnte man wunderbar herumspinnen.“ Denis Brudna „Neue unorthodoxe Ideen – dafür sind jetzt die Leute nicht mehr da.<br />

kümmerte sich festangestellt vor allem um Werbung, verschiedene Es fehlt eine Vision.“<br />

•<br />

FARBFOTO OBEN: LUCJA ROMANOWSKA; S/W-FOTOS: DENIS BRUDNA<br />

26


Wir sind am<br />

Leben!<br />

Unser Rat<br />

zählt.<br />

Fan werden<br />

FOTO: PRIVAT<br />

Fisch findet Fahrrad<br />

Liebespaar Conny, 48, und Thomas, 52<br />

Wer vergisst schon den Ort, wo<br />

einen die Liebe magisch überfallen<br />

hat. „Es war Samstagabend,<br />

in unserer WG hatten alle<br />

noch Lust zu tanzen“, erinnert<br />

sich Conny. „Ein Freund und<br />

ich wollten einen Kumpel ans<br />

Thema Flirten ranbringen“,<br />

grinst Thomas. Ihr Ziel, genau wie das der WG am selben Abend:<br />

Hamburgs größte Single-Party „Fisch sucht Fahrrad“ in der Fabrik.<br />

Die ist in der Nacht zum 17. Oktober 2004 prall gefüllt. Die „F. s. F.“-<br />

Spielregel lautet, dass alle Gäste einen Aufkleber mit einer gut<br />

les baren Zahl tragen. Im ersten Stock der Fabrik sind Pinnwände<br />

aufgebaut, an denen Flirtwillige entsprechend bezifferte Nachrichten<br />

hinterlassen können. Conny aber ist das mit der Erkennungsnummer<br />

zu blöd, sie weigert sich: „Wer mich ansprechen will, kann das auch so<br />

tun.“ Als sie in einer Tanzpause auf dem Weg in den 1. Stock ist, wird sie<br />

auf der großen Treppe von einem Typ angeschnackt: „Hey, wo ist denn<br />

deine Nummer?“ Es ist Thomas, der in die Fabrik geht, seit er 18 ist, und<br />

der weiß, „dass die Treppe der strategisch günstigste Punkt ist“, um das<br />

gesamte Geschehen in der Fabrik bestmöglich im Auge zu haben.<br />

Die zwei verlieren sofort das Gefühl für Raum und Zeit, reden und<br />

reden. Und sie gestehen sich maximal lange nicht ein, dass sie beide<br />

ganz dringend auf die Toilette müssen – zu groß ist die Angst, dass der<br />

jeweils andere genau diesen Moment zur Flucht nutzt. „Das ist ja der<br />

Partyklassiker“, sagt Conny und lacht. Doch der Liebe kann niemand<br />

entkommen: Genau auf den Tag zehn Jahre und drei Kinder später<br />

werden Conny und Thomas Weinem heiraten. In die Fabrik gehen sie<br />

bis heute.<br />

•<br />

27<br />

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Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>340</strong>/JUNI <strong>2021</strong><br />

Meldungen (1)<br />

Politik & Soziales<br />

Kirchdorf-Süd<br />

Forderung nach<br />

dezentralen Impfungen<br />

1719 Infektionen, so viele wie<br />

in keinem anderen Hamburger<br />

Ortsteil, wurden im ersten<br />

Jahr der Coronapandemie in<br />

Kirchdorf-Süd gezählt. Seit<br />

Ende 2020 erkrankten 115<br />

Menschen schwer, 21 starben.<br />

Die Großwohnsiedlung liegt<br />

in Wilhelmsburg. Nur etwa<br />

jede:r sechste Bewohner:in im<br />

Bezirk Mitte lebt in Wilhelmsburg.<br />

Aber fast jede:r dritte<br />

Coronatote in dem Bezirk<br />

zwischen November 2020 bis<br />

Corona-Impfung für April <strong>2021</strong> stammt aus diesem<br />

Obdachlose im Stadtteil. Die AG Kirchdorf,<br />

Hotel Schanzenstern ein Netzwerk aus Schulen, Kitas,<br />

Jugendeinrichtungen und<br />

Beschäftigungsträgern, schlägt<br />

Hamburger Sozialbehörde<br />

deswegen Alarm und hat<br />

sich an den Senat gewandt.<br />

Mehr als 1100 Obdachlose geimpft<br />

Sie fordert dezentrale Impfangebote,<br />

wie sie die Poliklinik<br />

Die Impfkampagne für Obdachlose ist erfolgreich. Laut Sozialbehörde konnten bis<br />

Redaktionsschluss dieser Ausgabe am 21. Mai mehr als 1100 Menschen in Notunterkünften,<br />

Aufenthaltsstätten und Hotels gegen Corona geimpft werden. Damit ist mehr Veddel ermöglicht, und 2500<br />

bereits auf der benachbarten<br />

als die Hälfte der rund 2000 Menschen, die laut Behörde auf Hamburgs Straßen leben, bis 3000 Impfdosen extra<br />

vor einem schweren Verlauf der Krankheit geschützt. Eine frühzeitige Impfung für für ihren Stadtteil. „Die Menschen<br />

in Kirchdorf-Süd leben<br />

Obdachlose hatten die Ständige Impfkommission und der Deutsche Ethikrat gefordert,<br />

weil diese Menschen aufgrund ihrer Lebensumstände stärker als andere Bevölkerungsgruppen<br />

gefährdet seien. Obwohl ihre Priorisierungsgruppe bereits Mitte April voll­<br />

einfach vergessen werden“,<br />

seit Langem damit, dass sie<br />

ständig zur Impfung aufgerufen wurde, erhielten Obdachlose erst verspätet die Chance heißt es in dem offenen Brief.<br />

zur Impfung. Die Sozialbehörde setzte auf das Vakzin von Johnson & Johnson, da dieses Viele Menschen würden<br />

nur einmal gespritzt werden muss. Die Lieferungen des US-amerikanischen Unternehmens beengt wohnen, prekären<br />

erreichten Deutschland schließlich Ende April. „Wir haben keinen Tag gezögert“,<br />

Beschäftigungen nachgehen<br />

sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) gegenüber Hinz&Kunzt. Noch im selben und kaum Möglichkeiten fürs<br />

Monat wurden die ersten Obdachlosen in den Unterkünften des Winternotprogramms Homeoffice haben. Dadurch<br />

geimpft. Es folgten weitere Impfangebote in Aufenthaltsstätten und den Hotelstandorten, seien sie einem erhöhten<br />

in denen Hinz&Kunzt, Diakonie und Alimaus 130 Obdachlose zum Schutz vor Corona Risiko ausgesetzt. Bislang<br />

beherbergt hatten (siehe Foto). Allein in der Tagesaufenthaltsstätte in der Markthalle habe man aber lediglich ein<br />

am Hauptbahnhof wurden nach Angaben der Sozialbehörde an zwei Terminen rund Infomobil der Stadt gesichtet.<br />

400 Menschen immunisiert. Weitere Impfangebote sollen im <strong>Juni</strong> folgen.<br />

„Das ist nett, aber viel zu wenig.“<br />

Die Mitglieder der AG<br />

Vor dem Start der Impfungen war es im Winternotprogramm in Hammerbrook<br />

noch zu einem größeren Corona-Ausbruch gekommen: Insgesamt 71 Obdachlose<br />

befürchten, ohne zusätzliche<br />

und 17 Beschäftigte des städtischen Unterkunftsbetreibers Fördern & Wohnen hatten Impfangebote werde das<br />

sich infiziert. Zu einem „schweren Verlauf“ sei es aber glücklicherweise bei keiner der Virus „in Kirchdorf-Süd<br />

erkrankten Personen gekommen, so ein Behördensprecher. JOF<br />

•<br />

weiter grassieren“. JOF<br />

•<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

28


Krimi<br />

Investigativ journalist<br />

Oliver Schröm<br />

Amnesie im Amt<br />

Olaf Scholz kann sich im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss<br />

an nichts erinnern. Alles „völlig korrekt“?<br />

TEXT: OLIVER SCHRÖM<br />

FOTO: DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong><br />

ILLUSTRATION KRUMM-EX-COMIC: ISABEL KREITZ<br />

Die Schlagzeilen sind niederschmetternd<br />

für Olaf Scholz:<br />

„Erinnerungsschwächen eines<br />

Kanzlerkandidaten“ oder „Der Mann<br />

ohne Erinnerung“ urteilt die Presse<br />

selten einhellig über den Auftritt des<br />

Vizekanzlers im Hamburger Untersuchungsausschuss<br />

„Cum-Ex-Steuerskandal“<br />

am 30. April.<br />

Zur Erinnerung: Die Hamburger<br />

Privatbank Warburg soll zwischen 2007<br />

und 2011 mit Cum-Ex-Aktiendeals<br />

rund 170 Millionen Euro aus der Stadtkasse<br />

geplündert haben. Anfang 2016<br />

durchsucht deswegen die Staatsanwaltschaft<br />

das Geldinstitut und ermittelt<br />

gegen Bankmitarbeiter:innen sowie<br />

die Mitinhaber Max Warburg und<br />

Christian Olearius wegen schwerer<br />

Steuerhinterziehung.<br />

Das Finanzamt wird ebenfalls aktiv,<br />

nimmt die dunklen Aktiengeschäfte der<br />

Bank unter die Lupe. Das Ergebnis: Ein<br />

Teil des Geldes scheint weg, die Ansprüche<br />

der Stadt verjährt. Den anderen<br />

Teil möchte das Finanzamt zurück.<br />

Eile ist geboten. Ende 2016 würde ein<br />

weiterer Teilbetrag verjähren, 47 Millionen<br />

Euro aus dem Steuerjahr 2009.<br />

Im Oktober 2016 schickt das<br />

Finanzamt einen 28-seitigen Bericht an<br />

die vorgesetzte Finanzbehörde, dazu<br />

einen Ordner und eine CD mit<br />

Gutachten. Am Ende des Schreibens<br />

„bittet das FA (Anm.: Finanzamt) um die<br />

Zustimmung“, die Millionen zurückfordern<br />

zu dürfen.<br />

Die Bankmitinhaber Warburg und<br />

Olearius sehen keinen Grund, die<br />

Steuer millionen zurückzuzahlen. Sie<br />

wenden sich vertrauensvoll an Olaf<br />

Scholz, damals Erster Bürgermeister.<br />

Sie suchen Scholz binnen weniger<br />

Wochen zwei Mal im Rathaus auf,<br />

zuletzt am 26. Oktober 2016,<br />

und übergeben dem SPD-<br />

Politiker eine siebenseitige<br />

Unterlage zu dem Steuerverfahren.<br />

Am 9. November<br />

ruft Scholz bei Olearius<br />

an, fordert ihn auf, die<br />

Unterlage auch an Peter<br />

Tschentscher zu schicken, damals<br />

Finanzsenator der SPD und heute<br />

Bürgermeister. Olearius folgt dem Rat<br />

von Scholz. Acht Tage später ist das<br />

Problem erledigt. In Tschentschers<br />

Finanzbehörde wird entschieden, die<br />

Millionen nicht zurückzu fordern.<br />

Scholz betont heute, keinen Einfluss<br />

auf die Entscheidung der Finanzverwaltung<br />

genommen zu haben.<br />

Die Vorgänge rund um die Entscheidung<br />

beschreibt Olearius in<br />

seinem Tagebuch, auch die Treffen mit<br />

Scholz. Die ledergebundenen Kladden<br />

beschlagnahmen Ermittler:innen, als<br />

sie die Villa des Bankiers durchsuchen.<br />

Nachdem im September 2020 mehrere<br />

Medien über die Vorgänge berichten,<br />

richtet die Bürgerschaft einen Parlamentarischen<br />

Untersuchungsausschuss<br />

ein. Der geht der Frage nach: Haben<br />

Scholz und Tschentscher politisch Einfluss<br />

genommen auf die Entscheidung<br />

der Finanzverwaltung zugunsten der<br />

Privatbank? Scholz versichert: „Ich<br />

habe mich völlig korrekt verhalten.“<br />

Fünf lange Stunden befragen ihn<br />

am 30. April die Abgeordneten. Die<br />

Treffen mit Olearius sind nicht nur in<br />

dessen Tagebuch festgehalten, sondern<br />

auch im Dienstkalender von Scholz.<br />

Aber im Gedächtnis des Kanzlerkandidaten<br />

scheinen die Vorgänge gelöscht.<br />

Mehr als 20-mal bekommen die<br />

Abgeordneten ähnlich lautende Sätze<br />

zu hören, Tenor: „Ich habe keine<br />

eigene Erinnerung.“ •<br />

29


Krimi<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>340</strong>/JUNI <strong>2021</strong><br />

alles<br />

egal …äh,<br />

legal!<br />

Aus dem Leben eines Hanseaten, nicht real, aber gut erfunden!<br />

was bisher geschah …<br />

hamburg lässt sich sein traditions-geldhaus etwas kosten und<br />

verzichtet auf eine zwei-stellige MilLionen-Forderung!<br />

doch in berlin wird nichts verschenkt! der oberste steuerbeamte der<br />

republik spricht ein machtwort:<br />

dieses jahr muss die humbug-bank mehrere miLlionen zurückzahlen!<br />

da kann auch der bürgermeister nicht helfen! Oder doch?<br />

na, erstmal ist Wochenende!<br />

nicht<br />

nachlassen,<br />

herr casparius!<br />

schatz,<br />

die baumschneider<br />

sind da!<br />

entschuldigen<br />

sie, herr Hübenecker,<br />

ist wichtig!<br />

ohne die<br />

fällgenehmigung<br />

kann ich gar nichts<br />

machen, herr<br />

casparius! tut<br />

mir leid!<br />

das<br />

ist doch<br />

unerhört!<br />

der baum<br />

versperrt mir<br />

die aussicht!<br />

auf meinem<br />

grund und boden<br />

um erlaubnis<br />

bitten? wo<br />

komMen wir<br />

denn da hin?<br />

30


Krimi<br />

WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

landschaftsschutzgesetz!<br />

beschweren<br />

sie sich bei der<br />

umweltbehörde!<br />

der behördenchef<br />

und ich, wir<br />

spielen jede woche<br />

zusammen Golf!<br />

wenn ich<br />

dem einen brief<br />

schreibe, kriegt ihre<br />

firma in dieser stadt<br />

nicht mal mehr einen<br />

auftrag zum laubharken!<br />

so? dann<br />

passen sie mal<br />

auf!<br />

und<br />

unserem lieben<br />

herrn bürgermeister<br />

schicken wir eine kiste<br />

rotwein, zum amtsantritt<br />

als finanzminister!<br />

wunderbar<br />

hast du<br />

das gemacht,<br />

schatz!<br />

Tjahaaa!!<br />

Und jetzt schreib<br />

ich diesem steuerbeamten<br />

in berlin<br />

einen brief!<br />

bin<br />

gerade so in<br />

schwung!<br />

dem werde<br />

ich mal verdeutlichen,<br />

wie<br />

kurz mein draht<br />

zu seinem neuen<br />

vorgesetzten<br />

ist!<br />

mein<br />

held!<br />

… wird die bewährte methode auch die<br />

finanzieLle aussicht des herrn casparius<br />

verbessern?<br />

fortsetzung folgt …<br />

31


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>340</strong>/JUNI <strong>2021</strong><br />

Meldungen (2)<br />

Politik & Soziales<br />

Im Sommer 2019<br />

wurde die Schauenburgerstraße<br />

für<br />

einige Wochen zur<br />

autofreien Zone.<br />

sagt SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. JOF<br />

•<br />

Zukunftspläne<br />

Das Herz der Stadt<br />

Weniger Autos, mehr Kultur, Vielfalt und vor allem Platz zum Wohnen:<br />

So lauteten die Wünsche der Hinz&Kunzt-Experten, die in unserer Dezember-<br />

Ausgabe 2020 ihre Pläne zur Rettung der City präsentierten. Zielsetzungen,<br />

die sich jetzt auch Handelskammer und SPD-Fraktion auf die Fahne schreiben.<br />

Während die Handelskammer beispielsweise von einer neuen Markthalle und<br />

einem Wasserlauf in der Mönckebergstraße träumt, verweist die SPD auf den<br />

bereits reduzierten Autoverkehr in der „Mö“ und am Jungfernstieg. Außerdem<br />

stelle man 50 Millionen Euro für attraktive Plätze und Aktivitäten in der City zur<br />

Verfügung. „Unser Ziel ist ein lebendiger Ort für alle Menschen in unserer Stadt“,<br />

Kirchliche Beratungsstelle<br />

Hamburger Verkehrsverbund<br />

Asylverfahren aussetzen<br />

HVV-Ticket statt Sozialkarte<br />

Solange Corona unser Leben bestimmt,<br />

sollten Asylverfahren ausge-<br />

Abokarten für Hartz-IV- und andere<br />

Die Sozialbehörde bezuschusst HVVsetzt<br />

werden: Das fordert die Hamburger<br />

Beratungsstelle Fluchtpunkt. Euro pro Monat. Bislang mussten<br />

Leistungsempfänger:innen mit 22,60<br />

Staatliche Stellen ignorierten die Pandemie,<br />

beklagt die kirchliche Hilfs-<br />

immer neben der Monats- auch ihre<br />

diese bei einer Fahrkartenkontrolle<br />

einrichtung. Die Behörde erlasse Bescheide<br />

mit kurzer Rechtsmittelfrist, nun geändert: Seit Anfang April müs-<br />

Sozialkarte vorzeigen. Das hat sich<br />

obwohl derzeit nur schwer Rechtsrat sen Anspruchsberechtigte nur noch<br />

zu erhalten sei. Ärztliche Atteste bei der Bestellung ihre Bedürftigkeit<br />

würden gefordert, „ohne Rücksicht darlegen und bekommen dann vergünstigt<br />

eine normale Abokarte, wie<br />

da rauf, dass das Gesundheitssystem<br />

ohnehin schon überlastet ist“. UJO<br />

•<br />

sie auch alle anderen erhalten. JOF<br />

•<br />

Grundsicherung<br />

Forscher fordert umfassende<br />

Reform des Hilfesystems<br />

Das Hilfesystem in Deutschland muss<br />

grundlegend reformiert werden.<br />

Das ist das Ergebnis einer Studie des<br />

ifo Instituts im Auftrag der Stiftung<br />

Grundeinkommen. Es gebe rund 175<br />

Bestimmungen zur Grundsicherung,<br />

so Studienautor Andreas Peichl:<br />

„Das System ist zu kompliziert und<br />

wirkt, als wäre es gemacht, um es<br />

den Empfängern schwer zu machen.<br />

Denn der Staat spart zwischen<br />

6 und 10 Milliarden Euro im Jahr,<br />

weil Berechtigte im Antragsdschungel<br />

abgeschreckt werden.“ Das sei seit<br />

Jahrzehnten so. Studien zufolge<br />

nehmen vier von zehn Hilfeberechtigten<br />

diese nicht in Anspruch. UJO<br />

•<br />

Mehr Infos unter<br />

www.huklink.de/grundsicherungsreform<br />

Obdachlosenhilfe<br />

Streit um Housing First<br />

Ein von Rot-Grün bereits Anfang<br />

2020 beschlossenes Housing-First-<br />

Projekt für Hamburg lässt auf sich<br />

warten. Im Mai forderten deswegen<br />

Linke und CDU in der Bürgerschaft<br />

erneut dessen Umsetzung. Die Idee<br />

dahinter: Obdachlose erhalten<br />

Wohnungen, ohne erst beweisen zu<br />

müssen, dass sie selbstständig wohnen<br />

können. Zuvor hatten Hamburger<br />

Sozialverbände im Februar der<br />

Sozialbehörde ihre Pläne präsentiert.<br />

Doch im rot-grünen Haushaltsentwurf<br />

sind bislang keine Mittel für das<br />

Modellprojekt vorgesehen. Trotzdem<br />

werde Housing First in Hamburg<br />

umgesetzt, versicherte Mareike Engels,<br />

sozialpolitische Sprecherin der<br />

Grünen. Das Versprechen von 2020<br />

sei „nicht nur Wahlkampfgetöse“.<br />

Die Grünen-Politikerin versprach,<br />

entsprechende Änderungen im<br />

Haushalt zu beantragen. BELA/JOF<br />

•<br />

FOTO: ANDREAS LAIBLE/HAMBURGER ABENDBLATT<br />

32


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Armuts- und Reichtumsbericht<br />

Die Verhältnisse sind zementiert<br />

Die Reichen mehren ihren Wohlstand, die Armen knapsen weiter rum: Das ist<br />

zugespitzt formuliert das Ergebnis des neuen Armuts- und Reichtumsberichts der<br />

Bundesregierung. So stieg der Anteil der oberen 10 Prozent der Bevölkerung am<br />

Nettogesamtvermögen von 59 auf fast 64 Prozent. Gleichzeitig, so Arbeitsminister<br />

Hubertus Heil (SPD), „müssen wir feststellen, dass sich in den letzten Jahrzehnten<br />

eine Verfestigung von Armutslagen ergeben hat“. Der Sozialverband<br />

VdK erklärte, wenn die Bundesregierung Armut wirklich bekämpfen wolle, müsse<br />

sie die Betroffenen „ermächtigen, sich aus der Hilfebedürftigkeit zu befreien“.<br />

Konkret bedeute das: den sozialen Arbeitsmarkt auszubauen, einen Anspruch<br />

auf Qualifizierung und Weiterbildung einzuführen, prekäre Beschäftigung abzuschaffen,<br />

den Mindestlohn auf 13 Euro zu erhöhen, eine Kindergrundsicherung<br />

einzuführen und die Regelsätze so anzuheben, dass sie soziale Teilhabe ermöglichen.<br />

„Es reicht nicht aus, Milliarden in die Wirtschaft zu pumpen.“ UJO<br />

•<br />

Mehr Infos unter www.armuts-und-reichtumsbericht.de<br />

ANKER<br />

DES<br />

LEBENS<br />

Immobilienmarkt<br />

Wohnungspolitik<br />

Mietpreise fallen erstmalig<br />

Auch wenn die Mieten in Hamburg<br />

laut einer aktuellen Untersuchung<br />

zuletzt leicht gesunken sind: Nach<br />

wie vor müssen Wohnungssuchende<br />

tief in die Tasche greifen. Der<br />

Qua dratmeterpreis in Wohnungsannoncen<br />

lag in diesem Frühjahr bei<br />

13,40 Euro. Das geht aus einer Studie<br />

von Schüler:innen des Gymnasiums<br />

Ohmoor hervor. Rückblickend wird<br />

deutlich: Zwischen 2012 und 2018<br />

schoss der Quadratmeterpreis<br />

von durchschnittlich 11,34 Euro auf<br />

13,24 Euro in die Höhe. Seitdem<br />

stagnieren die Preise weitgehend.<br />

<strong>2021</strong> lagen die Angebotsmieten sogar<br />

um durchschnittlich 5 Cent unter den<br />

Preisen des Vorjahrs. „Die aktuelle<br />

Atempause für Hamburgs Mieterhaushalte<br />

dürfte überwiegend auf<br />

die Coronapandemie und das<br />

schwindende Zahlungsvermögen der<br />

Wohnungsinteressenten zurückzuführen<br />

sein“, sagt Siegmund Chychla.<br />

Der Vorsitzende des Mietervereins zu<br />

Hamburg fordert den Bau von mehr<br />

Sozialwohnungen. Bei Neubauprojekten<br />

solle ihr Anteil mehr als<br />

50 Prozent betragen. JOF<br />

•<br />

Gesetz gegen Spekulation<br />

Hamburg kann künftig wirkungsvoller<br />

gegen Spekulation mit Bauland<br />

und Wohnraum vorgehen. Ein entsprechendes<br />

Gesetz brachte die Große<br />

Koalition in Berlin nach langem<br />

Streit auf den Weg. So können Kommunen<br />

künftig Baugebote verhängen<br />

oder Grundstücke übernehmen,<br />

wenn mit diesen nur spekuliert wird.<br />

In Innenstädten sollen die Behörden<br />

geförderten Wohnungsbau vorschreiben<br />

können. Zudem erschwert das<br />

neue Gesetz die Umwandlung von<br />

Miet- in Eigentumswohnungen in<br />

Gebieten mit „angespannten Wohnungsmärkten“.<br />

Als solches solle das<br />

gesamte Stadtgebiet gelten, erklärte<br />

die Stadtentwicklungsbehörde auf<br />

Nachfrage. Umwandlungen würden<br />

künftig „nur in seltenen Ausnahmefällen<br />

erlaubt werden“. Wie genau<br />

die neuen Regeln aussehen, war bei<br />

Redaktionsschluss unklar, da die<br />

Zustimmung des Bundesrates zum<br />

Gesetz noch ausstand. UJO<br />

•<br />

Mehr Infos und Nachrichten unter:<br />

www.hinzundkunzt.de<br />

Hinz&Kunzt bietet obdachlosen<br />

Menschen Halt. Eine Art<br />

Anker für diejenigen, deren<br />

Leben aus dem Ruder<br />

gelaufen ist. Möchten Sie<br />

uns dabei unterstützen und<br />

gleichzeitig den Menschen,<br />

die bei Hinz&Kunzt Heimat und<br />

Arbeit gefunden haben, helfen?<br />

Dann hinterlassen Sie etwas<br />

Bleibendes – berücksichtigen<br />

Sie uns in Ihrem Testament! Als<br />

Testamentsspender wird Ihr<br />

Name auf Wunsch auf unseren<br />

Gedenk-Anker in der Hafencity<br />

graviert. Ein maritimes Symbol<br />

für den Halt, den Sie den<br />

sozial Benachteiligten mit Ihrer<br />

Spende geben.<br />

Wünschen Sie ein<br />

persönliches Gespräch?<br />

Kontaktieren Sie unseren<br />

Geschäfts führer Jörn Sturm.<br />

Tel.: 040/32 10 84 03<br />

oder Mail: joern.sturm@hinzundkunzt.de<br />

33


Armin Laschet im<br />

Konrad-Adenauer-Haus<br />

in Berlin vor Porträts von<br />

Parteichefs der CDU<br />

„Bargeld ist ein<br />

Freiheitsrecht“<br />

Armin Laschet, Kanzlerkandidat der Union,<br />

über bezahlbare Wohnungen, Housing First<br />

für Obdachlose – und Cent-Münzen<br />

TEXT: ANNETTE BRUHNS<br />

FOTOS: MAURICE WEISS/OSTKREUZ


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Hinz&Kunzt: Herr Laschet, die Zahl<br />

der Obdachlosen wächst exponentiell:<br />

Sie hat sich in Hamburg genauso<br />

verdoppelt wie im kleinen Rain am Lech.<br />

Nehmen Sie diese Verelendung wahr?<br />

Armin Laschet: Ja, das ist ein Problem,<br />

an dem Politik arbeiten muss. Ich selbst<br />

bin seit Jahren mit einer Wohnungslosen-Initiative<br />

in Aachen verbunden,<br />

Café Plattform. Da merkt man, dass es<br />

nicht nur um die Frage geht, ob eine<br />

Wohnung da ist oder nicht, sondern um<br />

sehr individuelle Lebensgeschichten.<br />

Wir brauchen mehr als nur ein Wohnungsbauprogramm,<br />

um Menschen da<br />

herauszuhelfen.<br />

Die Verelendung ist auch ein Ergebnis<br />

von Armutszuwanderung: Gut zwei<br />

Drittel der Betroffenen haben einen<br />

EU-Pass – aber keinen deutschen.<br />

Sie haben mal gesagt, die EU sei keine<br />

„Sozialunion“; der Staat solle Arbeitsmigrant:innen<br />

nicht dieselben Sozialleistungen<br />

bieten wie Deutschen.<br />

„drObs“ aus Dresden glaubt, Ihr Ansatz<br />

habe das Problem noch verschärft …<br />

… ich habe nur das europäische Recht<br />

erläutert. Für soziale Leistungen ist zunächst<br />

der Mitgliedsstaat zuständig, aus<br />

dem jemand stammt. Man kann zur<br />

Arbeitsaufnahme nach Deutschland<br />

kommen, aber man kann nicht einwandern<br />

und sofort Leistungen in Anspruch<br />

nehmen. Das ist nicht das Konzept der<br />

Europäischen Union.<br />

Aber was soll dann geschehen, damit<br />

Wanderarbeiter:innen nach Einsätzen in<br />

der Landwirtschaft oder auf Baustellen,<br />

die zu keinen Sozialleistungen berechtigen,<br />

nicht auf der Straße landen?<br />

Die Obdachlosigkeit nimmt nicht nur<br />

durch Zuwanderung aus Mittel- und<br />

Osteuropa zu …<br />

… sagen wir es so: Die wenigen<br />

Zahlen, die wir haben, legen nahe,<br />

dass Zuwanderung entscheidend<br />

dazu beiträgt. In Hamburg waren 2009<br />

mehr als 70 Prozent aller Obdachlosen<br />

deutsch. Bei der letzten Zählung, 2018,<br />

hatte sich die Zahl der Betroffenen fast<br />

verdoppelt – und zwei Drittel waren<br />

Nichtdeutsche.<br />

Der Ausweg kann nicht sein, dass jeder,<br />

der innerhalb der Europäischen Union<br />

einreist, automatisch Anspruch auf<br />

Leistungen hat. Das würde das deutsche<br />

Sozialsystem überfordern.<br />

Welche Lösungen schlagen Sie vor?<br />

Dortmund hatte das Problem massiv:<br />

mit vielen Menschen, die in illegale,<br />

ausbeuterische Arbeitsverhältnisse vermittelt<br />

worden waren. Sie wurden teilweise<br />

in Schrottimmobilien untergebracht,<br />

manchen wurden Kreditkarten<br />

und Pässe abgenommen. Kurz: Es gab<br />

ein kriminelles Umfeld, das eine große<br />

soziale Frage zur Folge hatte. Dortmund<br />

hat reagiert, indem die Stadt<br />

die Schrottimmobilien stillgelegt und legale<br />

Arbeitsmöglichkeiten geschaffen<br />

hat. Tariflohn, Mindestlohn, Arbeitslosenversicherung<br />

– all das, was unser<br />

Land an Sozialabsicherung vorsieht,<br />

muss natürlich auch für legal Beschäftigte<br />

aus Südosteuropa gelten.<br />

„Staatlich geplanter<br />

Wohnungsbau führt<br />

nicht zu mehr<br />

menschenwürdigem<br />

Wohnraum.“<br />

In Europa gelingt es offenbar nur<br />

Finnland, Obdachlosigkeit zu verringern:<br />

durch „Housing First“, die bedingungslose<br />

Vermittlung von Wohnraum.<br />

Ihr Sozialminister Karl-Josef Laumann<br />

hat ein Modellprojekt in Nordrhein-<br />

Westfalen zuletzt als „vollen Erfolg“<br />

bezeichnet. Würden Sie als Kanzler<br />

Housing First in ganz Deutschland<br />

einführen?<br />

Das entscheiden die Länder, der Bund<br />

kann nur Impulse setzen. Jedes Land<br />

muss auf die Situation vor Ort eine<br />

Antwort finden. Die ist im Ruhrgebiet<br />

im Zweifel anders als in Köln, auf dem<br />

Land anders als in Städten. Housing<br />

First ist in Nordrhein-Westfalen ein<br />

Modellprojekt. Wenn es gut funktioniert,<br />

und den Eindruck habe ich, kann<br />

es natürlich eine Blaupause sein für andere<br />

in Deutschland.<br />

In vielen Städten werden Obdachlose<br />

durch Ordnungsdienste brutal<br />

35<br />

20 Straßenzeitungen &<br />

5 Spitzenkandidat:innen:<br />

Die CDU ist die vierte demokratische<br />

Partei im Bundestag, deren<br />

Spitzenvertreter:in wir vor der Wahl zur<br />

sozialen Agenda befragen. Wir sind:<br />

abseits, Asphalt, BISS, bodo, die straße,<br />

Donaustrudl, draußen, DRAUSSEN­<br />

SEITER, drObs, fiftyfifty, Frei-e-Bürger,<br />

Guddzje, Hempels, Hinz&Kunzt, Jerusa ­<br />

l mmer, KARUNA Kompass, KiPPE,<br />

RISS, Straßenkreuzer, Trott-war.<br />

ver trieben. Grundlage sind Straßensatzungen,<br />

die „aggressives Betteln“,<br />

„Lagern“ und „störenden Alkoholgenuss“<br />

verbieten. Was halten Sie als<br />

ehemaliger Integrationsminister von<br />

so viel Intoleranz?<br />

Da geht es um schwierige Abwägungen<br />

zwischen der öffentlichen Ordnung und<br />

der Möglichkeit, sich irgendwo aufzuhalten<br />

und sein Leben zu leben. Ich würde<br />

mir einerseits eine tolerante Handhabung<br />

der Gesetzeslage wünschen, vor<br />

allem aber, immer den Menschen im<br />

Blick zu behalten, um den es da geht.<br />

Apropos Betteln: Die Finanzexpertin<br />

der CDU, Antje Tillmann, hält mindestens<br />

die kleinen Münzen für überflüssig.<br />

Geben Sie uns hier und heute eine<br />

Garantie, dass mit Ihnen das Münzgeld<br />

erhalten bleibt?<br />

Ja! Soweit ich das kann und das nicht<br />

die Europäische Zentralbank entscheidet.<br />

Ich finde selbst eine Ein-Cent-<br />

Münze zeitgemäß. Bargeld ist ein<br />

Freiheitsrecht.<br />

Das Verfassungsgericht hat gerade<br />

Berlins Mietendeckel gekippt: Für das<br />

Mietpreisrecht sei der Bund zuständig.<br />

Mit welchem Konzept gegen überteuerte<br />

Mieten ziehen Sie in den Wahlkampf?<br />

Die Erfahrung aus gut 70 Jahren Bundesrepublik<br />

lehrt: Staatlich geplanter<br />

und kontrollierter Wohnungsbau führt<br />

nicht zu mehr bezahlbarem, menschenwürdigem<br />

Wohnraum. Was wir brauchen,<br />

ist aus Landes- und Bundesmitteln<br />

geförderter Sozialwohnungsbau<br />

und dazu Anreize für mehr Wohnungsbau,<br />

besonders in überhitzten Gebieten<br />

wie Berlin. Der Mietendeckel hat das


Gegenteil bewirkt. Es wurde noch nie<br />

so wenig in Berlin gebaut wie jetzt. Er<br />

war das falsche Mittel für das richtige<br />

Ziel: Auch in Metropolen muss für<br />

jeden eine Wohnung bezahlbar sein;<br />

Menschen sollten nicht aufs Land<br />

ziehen müssen.<br />

Was wären das für Anreize? Steuererleichterungen<br />

für Vermieter:innen?<br />

Die bräuchte es nicht. Sobald man<br />

Flächen ausweist, wo gebaut werden<br />

kann, wird auch gebaut. Wohnungsbau<br />

ist attraktiv als Anlageobjekt, nur muss<br />

man Regeln haben gegen überhöhte<br />

Mietkostensteigerungen.<br />

Eine Frage von „Asphalt“ aus Hannover:<br />

Angenommen, ich hangle mich von<br />

einem befristeten Arbeitsvertrag<br />

zum nächsten, wohne zur Miete und<br />

mache mir Sorgen um die Zukunft,<br />

auch wegen des Klimawandels.<br />

Weshalb sollte ich die CDU wählen?<br />

Um zu mehr wirtschaftlichem Wachstum<br />

und damit zu mehr Arbeitsplätzen<br />

zu kommen! Vor der Pandemie haben<br />

wir ohne Steuererhöhungen mehr<br />

Steuer einnahmen gehabt – weil die<br />

Wirtschaft gewachsen ist. Dies wieder<br />

herzustellen, wird wegen des Klimawandels<br />

zur doppelten Herausforderung.<br />

Wir wollen bis zur Mitte des Jahrhunderts<br />

mit marktwirtschaftlichen<br />

Anreizen Deutschlands Klimaneutralität<br />

hinbekommen. Die CO 2<br />

-Besteuerung<br />

– also dem klimaschädlichen CO 2<br />

einen höheren Preis zu geben – wird zu<br />

Innovationen führen, die wiederum für<br />

neue Arbeitsplätze sorgen. Und: Die<br />

CDU kümmert sich nicht nur um guten<br />

Klimaschutz, sondern auch um die<br />

soziale Frage.<br />

Mehr Einfamilienhäuser bedeuten<br />

pro Person deutlich mehr CO 2<br />

-Ausstoß<br />

als andere Wohnformen – trotzdem<br />

fördert die Union diesen Traum.<br />

Ist das nicht rückwärtsgewandt?<br />

Ich glaube, dass es gut ist, wenn Menschen<br />

auch mit kleineren oder mittleren<br />

Einkommen die Chance haben, Eigentum<br />

zu erwerben. Das Baukindergeld<br />

soll dies kinderreichen Familien erleichtern<br />

und damit zugleich zur Altersvorsorge<br />

beitragen. Welche Flächen<br />

in einer dicht bebauten Stadt dafür infrage<br />

kommen, muss natürlich die<br />

Kommune entscheiden. Aber generell<br />

gegen Einfamilienhäuser anzutreten,<br />

weil sie CO 2<br />

-schädlich seien, ist nicht<br />

die Politik der CDU.<br />

Armutsforscher wie Christoph Butterwegge<br />

halten das Baukindergeld aber<br />

auch aus sozialen Gründen für eine<br />

fehlgeleitete Subvention: Es helfe nicht<br />

den Familien, die in Ballungsgebieten<br />

keine Wohnung finden.<br />

Das ist ja auch gar nicht die Absicht! Es<br />

ist für die Familien gedacht, die theoretisch<br />

die Chance hätten, Eigentum zu<br />

36<br />

erwerben, aber nicht zu den Großverdienern<br />

gehören. Es ist aber kein<br />

Mittel, um Wohnungsnot in einer<br />

Großstadt zu lindern.<br />

Eine Kanzlerin Baerbock würde die<br />

Steuern und Abgaben für Vermögende<br />

erhöhen, um das Geld umzuverteilen.<br />

Gehen Sie da mit?<br />

Jetzt geht es doch um die Frage, wie<br />

kann und wird es uns gelingen, die<br />

Folgen der Pandemie zu bewältigen,<br />

wie bringen wir Menschen aus Kurzarbeit,<br />

wie erhalten wir Arbeitsplätze<br />

und schaffen neue. Das gelingt sicher<br />

nicht mit Steuererhöhungen. Das Problem<br />

einer Vermögenssteuer ist doch,<br />

dass sie besonders den Mittelstand trifft.<br />

Also die vielen Familienunternehmen,<br />

die Arbeitsplätze schaffen und erhalten.<br />

Das wäre jetzt die falsche Antwort gerade<br />

auch für die vielen Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmer, die in diesen<br />

Betrieben arbeiten.<br />

Die Grünen wollen das Ehegattensplitting<br />

abschaffen, das nach wie<br />

vor die Alleinverdiener-Ehe fördert.<br />

Warum sollte die Republik an diesem<br />

Steuermodell festhalten?<br />

Erstens entscheiden Ehepaare selbst,<br />

wie sie die Familienarbeit aufteilen.<br />

Zweitens würde, wenn Sie das so pauschal<br />

abschaffen, eine ganze Generation<br />

der heute Älteren nachträglich bestraft<br />

werden. Deshalb finde ich die Weiterentwicklung<br />

des Ehegattensplittings zu<br />

einem Familiensplitting gerechter.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Und was bedeutet das für<br />

Alleinerziehende?<br />

Ein Familiensplitting würde die Kinder<br />

unabhängig vom Status der Eltern steuerlich<br />

berücksichtigen. Für Alleinerziehende<br />

ist die Vereinbarkeit von Familie<br />

und Beruf besonders wichtig. Eine gute<br />

Kinderbetreuung ist für sie existenziell,<br />

und zwar nicht nur von Ein- bis Sechsjährigen,<br />

sondern auch für Grundschulkinder.<br />

Wir wollen möglichst bis zum<br />

Sommer den Anspruch auf Grundschulkinderbetreuung<br />

rechtlich verankern.<br />

Laut Ihrer Partei soll gute Bildung Hartz-<br />

IV-Karrieren verhindern. Als Kanzler<br />

könnten Sie den Ländern freilich wenig<br />

vorschreiben; den Ministerpräsidenten<br />

fragen wir, was bisher falsch gelaufen<br />

ist: Woher kommt die große Bildungsungleichheit<br />

in Deutschland?<br />

Das ist ein Thema, das mich seit vielen<br />

Jahren umtreibt. Ich habe dazu ein<br />

Buch geschrieben, „Die Aufsteigerrepublik“.<br />

Die eigentliche soziale Frage<br />

lautet: Aufstieg unabhängig von der<br />

Herkunft der Eltern zu ermöglichen.<br />

Das betrifft viele Kinder mit einer Einwanderungsbiografie,<br />

wenn die Eltern<br />

nicht gut Deutsch sprechen. Aber auch<br />

in deutschen Familien mangelt es teilweise<br />

an guten Sprachkenntnissen.<br />

Deshalb brauchen wir frühkindliche<br />

Sprachförderung, Ganztagsangebote –<br />

und durchlässige Schulen, die etwa<br />

den Wechsel von der Realschule zum<br />

Gymnasium jederzeit ermöglichen. Ich<br />

kenne viele Karrieren, gerade aus Einwandererfamilien,<br />

die in der Hauptschule<br />

begonnen und zum Abitur<br />

geführt haben. Der Anteil an Abiturientinnen<br />

und Abiturienten mit Zuwanderungsgeschichte<br />

steigt von Jahr zu Jahr.<br />

In der Pandemie wurden Laptops an<br />

Schüler:innen in einem Land verteilt,<br />

in dem es vielerorts noch an der<br />

Mobilfunk versorgung hapert. Wieso<br />

rangiert das Merkel-Deutschland in Sachen<br />

Netzausbau noch hinter Albanien?<br />

Wir sind da nicht gut genug. In Nordrhein-Westfalen<br />

haben wir jetzt Verträge<br />

mit den großen Telekommunikationsunternehmen<br />

gemacht, um den Ausbau<br />

zu beschleunigen.<br />

„Für ein Kind, das in<br />

einer Zweizimmerwohnung<br />

lebt, ist der<br />

Präsenzunterricht die<br />

Chance auf Aufstieg.“<br />

Ihre Coronapolitik wirkte im Gegensatz<br />

zu der Ihres bayerischen Amts kollegen<br />

Markus Söder schlingernd …<br />

… wieso ist es schlingernd zu sagen,<br />

Kinder und Jugendliche sollen wieder<br />

in die Kitas und Schulen, wenn die Infektionszahlen<br />

sinken? Das war der große<br />

Streit des Jahres 2020. Für ein Kind,<br />

das mit Geschwistern in einer Zweioder<br />

Dreizimmerwohnung lebt, ist der<br />

Präsenzunterricht die Chance, um den<br />

Aufstieg zu schaffen. Wir werden uns<br />

nach der Pandemie intensiv um die<br />

Kinder kümmern müssen, gerade um<br />

diejenigen aus schwierigen sozialen<br />

Verhältnissen, damit kein Kind aufgrund<br />

der Pandemie zurückbleibt.<br />

Meine Haltung war klar: Neben den<br />

Inzidenzzahlen müssen auch die Schäden<br />

in den Blick genommen werden,<br />

die Schulschließungen anrichten.<br />

Dieses Jahr hatten wir eine Phase mit<br />

explodierenden Infektionszahlen, mit<br />

der britischen Mutante sogar mit höheren<br />

Ansteckungsraten bei Kindern. Da<br />

muss man eine andere Antwort geben<br />

als im Jahr zuvor.<br />

37<br />

Der umstrittene Ex-Verfassungsschutzchef<br />

Hans-Georg Maaßen hat auf Twitter<br />

schon Corona mit Grippe verglichen.<br />

Was bedeutet seine Bundestagskandidatur<br />

für Ihre Kanzlerkandidatur?<br />

Gar nichts. Corona ist gefährlich. Tausende<br />

Menschen haben ihr Leben verloren<br />

wegen dieser Pandemie. Punkt.<br />

Ansonsten gehe ich davon aus, dass<br />

Herr Maaßen seinen Beitrag für den<br />

Erfolg der Union leisten wird. Wir<br />

werden mit der AfD weder reden, noch<br />

kooperieren, diese Regeln gelten auch<br />

für Herrn Maaßen. Das weiß er auch.<br />

Im Übrigen hat der Bundesparteivorsitzende<br />

keinen Einfluss auf die Wahl der<br />

Kandidaten in den 299 Wahlkreisen.<br />

Ihr Konkurrent Olaf Scholz hat uns auf<br />

die Frage, was aus ihm würde, wenn er<br />

nicht siegt, geantwortet: „Ich werde<br />

Kanzler.“ Wie ist das bei Ihnen, würden<br />

Sie auch nach Berlin gehen, um die<br />

Opposition anzuführen?<br />

Das ist doch mal eine originelle<br />

Antwort. Ich werde Kanzler. •<br />

Annette Bruhns traf auf einen Kanzlerkandidaten,<br />

der nicht im Wahlkampfmodus<br />

schien: Er beantwortete Fragen kurz und<br />

nüchtern, ließ sich aber auf Nachfragen ein.<br />

Allerdings war er im Stress. So blieb keine<br />

Zeit, um auf die in der Unionsfraktion schwelenden<br />

Korruptionsaffären um Atemschutzmasken<br />

und Aserbaidschan einzugehen.<br />

redaktion@hinzundkunzt.de


und Doppelpunkt<br />

Intern<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>340</strong>/JUNI <strong>2021</strong><br />

Mit Kreativität<br />

Wir wollen weiter gerecht schreiben, aber lesbarer sein:<br />

unser künftiger Umgang mit Gender und Sprache<br />

TEXT: BENJAMIN LAUFER FÜR DIE REDAKTION<br />

ILLUSTRATION: GRAFIKDEERNS.DE<br />

38


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Intern<br />

Soll Hinz&Kunzt den Genderstern weiter benutzen<br />

oder wieder abschaffen? Als wir das Sie,<br />

liebe Leser*innen, im Januar gefragt haben,<br />

hätten wir mit so viel Resonanz nie gerechnet!<br />

Hunderte Briefe haben uns erreicht – und diejenigen,<br />

die dagegen oder dafür sind, können allesamt mit<br />

Leidenschaft für ihre Sache streiten, so viel ist sicher!<br />

Es scheint, als ob viele sich unversöhnlich gegenüberstehen:<br />

Da sind die, für die der Stern symbolisch für die<br />

Verhunzung der deutschen Sprache steht. Und die,<br />

für die es schon ein Affront ist, seine Abschaffung<br />

überhaupt zur Debatte zu stellen. Uns hat das die<br />

Entscheidung nicht leicht gemacht, denn Hinz&Kunzt<br />

ist angetreten, um Brücken zu bauen – und nicht, um<br />

Gräben aufzureißen.<br />

Einige sind in ihrer Haltung auch unentschieden.<br />

Leserin Andrea Gerdes schreibt, sie halte Gendern zwar<br />

für wichtig, aber bitte nicht mit Stern, denn: „Ich finde<br />

es wirklich schrecklich, dass er überall aus dem Text herausblinkt.<br />

Er tut mir richtig weh.“ Das gibt uns zu denken,<br />

denn wir wollen, dass Ihnen das Magazin Freude<br />

bereitet. Aber wir wollen auch niemanden vergessen,<br />

sondern Männer, Frauen und alle weiteren Geschlechter<br />

ansprechen und benennen. Schließlich gehört es zum<br />

Grundverständnis von Hinz&Kunzt, auch denjenigen<br />

eine Stimme zu geben, die sonst weniger gehört werden.<br />

Genau dafür steht der Genderstern.<br />

Bedanken möchten wir uns für die vielen konstruktiven<br />

Rückmeldungen. Boulevardmedien wie<br />

Hinz&Kunzt sollten Dinge wie den Genderstern testen<br />

und verbreiten, meint unser Leser Achim Brenner. Er<br />

ist also ein klarer Befürworter des Sterns – und doch<br />

stört er sich an ihm: „Beim Stern habe ich immer das<br />

Bedürfnis, ans Textende zu schauen, zum Kleingedruckten<br />

oder zu Fußnoten.“ Sein Vorschlag: Wir<br />

sollten statt des Sternchens den unauffälligeren Doppelpunkt<br />

nehmen, der würde den Lesefluss weniger stören.<br />

Eine Variante des Genderns, die sich inzwischen immer<br />

mehr durchsetzt. Und wissen Sie was? So machen wir’s!<br />

Ab sofort wollen wir statt eines eher klobigen Sternchens<br />

einen schlanken Doppelpunkt verwenden.<br />

Gerechte Sprache, aber besser lesbar.<br />

Weil Verständlichkeit für uns alle ebenfalls ein<br />

wichtiges Anliegen ist, wollen wir es nicht beim Wechsel<br />

vom Sternchen zum Doppelpunkt belassen, sondern<br />

uns noch mehr Mühe geben, geschlechtsneutrale<br />

Formulierungen zu finden. Also: Statt Mitarbeiter:innen<br />

schreiben wir Beschäftigte, statt Herausgeber:innen<br />

herausgegeben von, statt Student:innen Studierende.<br />

Aus „Autofahrer brauchen einen Führerschein“ könnte<br />

„Wer Auto fährt, braucht einen Führerschein“ werden.<br />

Beim Führerschein soll es übrigens einfach bleiben:<br />

Das Wort Führer:innenschein werden wir nicht erfinden.<br />

In Überschriften wollen wir so kreativ sein, dass der<br />

Doppelpunkt dort gar nicht vorkommen muss.<br />

Trotzdem sind auch wenige Doppelpunkte zusätzliche<br />

Barrieren und damit nicht unproblematisch. Der<br />

Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband spricht<br />

Wir wollen denen eine<br />

Stimme geben, die sonst<br />

weniger gehört werden.<br />

sich zum Beispiel gegen ihre Verwendung aus, weil Vorlesegeräte<br />

sie (wie auch die Sterne) oft nicht richtig aussprechen<br />

würden. Aber auch in dieser Community sind<br />

die Stimmen vielfältig: Die Geräte müssten eben besser<br />

werden, meint Heiko Kuhnert, Geschäftsführer des<br />

Hamburger Blinden- und Sehbehindertenvereins. Auch<br />

Blinde würden sich an die Genderzeichen gewöhnen.<br />

Übrigens haben wir das in Ihren Briefen ebenfalls oft<br />

gelesen: dass man sich an die neue Schreibweise<br />

gewöhnt, wenn man sich nur darauf einlässt. „Als fast<br />

70-Jähriger behaupte ich: Auch diese Sternchen werden<br />

im Zusammenhang und durch häufigen Gebrauch<br />

leicht verständlich“, meint unser Leser Bernd Heeling.<br />

Eins noch: Manche haben uns geschrieben, dass sie<br />

Hinz&Kunzt nicht mehr kaufen wollen, wenn wir weiter<br />

gendern. Bitte überlegen Sie sich das noch einmal!<br />

Damit schaden Sie nämlich nicht nur der Redaktion,<br />

die Sie so womöglich treffen wollen. Sondern auch unserer<br />

Sozialarbeit und den Hinz&Künztler:innen, die<br />

auf Ihre Hilfe angewiesen sind. Sie schwächen<br />

außerdem die Lobby für Arme und Obdachlose, die<br />

Hinz&Kunzt neben einem Magazin eben auch ist. Halten<br />

Sie es doch lieber wie Lydia Stern, die zwar den<br />

Genderstern ablehnt, aber auch schreibt: „Das Projekt<br />

ist zu wichtig, als wegen dem Genderstern die Zeitung<br />

nicht mehr zu kaufen!“ Wir wissen, dass wir es mit unserer<br />

Entscheidung nicht allen recht machen können –<br />

aber wir hoffen trotzdem, dass Sie uns und den<br />

Hinz&Kunzt-Verkäufer:innen treu bleiben. •<br />

39


Intern<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>340</strong>/JUNI <strong>2021</strong><br />

Pro<br />

„Stern oder<br />

Doppelpunkt<br />

stören meinen<br />

Lesef luss<br />

nicht mehr.“<br />

ULRIKE BEESE<br />

Der Stern, oder<br />

besser ein Doppelpunkt,<br />

stört meinen Lesefluss<br />

mittlerweile nicht mehr.<br />

Das ausschließende<br />

generische Maskulinum,<br />

das andere Geschlechter<br />

unsichtbar macht, beschert<br />

mir viel Widerstand beim<br />

Lesen. Dieser Wandel mit<br />

Stern oder Doppelpunkt kann<br />

nicht bei allen auf einmal gut ankommen.<br />

Es ist ein Entwicklungsprozess. Geht<br />

man wieder zum Alten zurück, gibt es keinen<br />

Wandel und keine Entwicklung. Das würde zu<br />

Hinz&Kunzt einfach nicht passen.<br />

ULRIKE BEESE<br />

Auseinandersetzungen<br />

um die Repräsentation<br />

in Sprache sind,<br />

wie die Abschaffung<br />

der Anrede „Fräulein“<br />

aus dem Amtsdeutschen<br />

heute vor genau<br />

50 Jahren zeigt, keine<br />

„neuen“ Erscheinungen,<br />

sondern Gegenstand<br />

wichtiger gesellschaftlicher<br />

Entwicklung – es wäre schön,<br />

wenn Hinz&Kunzt dabei nicht<br />

auf der Strecke bleibt. FABIAN DE HAIR<br />

Noch vor einem Jahr habe ich mir über<br />

gendergerechte und inklusive Sprache keine<br />

Gedanken gemacht. Heute ist sie für mich aus<br />

meinem alltäglichen Sprachgebrauch nicht mehr<br />

wegzu denken. Damit war selbstverständlich ein<br />

Umgewöhnungs- und Lern prozess verbunden.<br />

Aber dank vieler Autor*innen und Podcaster*-<br />

innen habe ich schnell ein Gefühl für inklusive<br />

Sprache bekommen. Und warum sollte es<br />

anderen, lern willigen Menschen nicht genauso<br />

ergehen?<br />

CHRISTIAN BOOSE<br />

Ich schreibe aus nichtbinärer Perspektive,<br />

diese Aussage ist weder von einem Mann noch<br />

von einer Frau geschrieben. Das bedeutet nicht,<br />

dass ich an irgendeiner Universität aus dem Ei<br />

geschlüpft bin. Meine Realität ist ALG-2-Bezug<br />

und Lohnarbeit. Wenn wir die Schreibweise<br />

nicht verändern und wenn wir nicht mal punktuell<br />

ein * in die Texte reinsetzen – dann wird<br />

das kontinuierliche Vergessen von Menschen<br />

wie mir einfach weiter fortgesetzt.<br />

YOH_<br />

Ich kaufe die Hinz&Kunzt auch deswegen,<br />

weil sie bisher diskriminierungssensibel auch mit<br />

der Sprache umgegangen ist. Heute wird das<br />

Sternchen verbannt, weil es Menschen überfordern<br />

soll, morgen die Berichterstattung über<br />

die Klimakrise, weil sie überfordert? Nein! Ich<br />

will das Gendersternchen kaufen! PETER BISPING<br />

Gleichberechtigung gibt es nicht umsonst.<br />

Das Gendersternchen (genauso der<br />

Doppelpunkt) mag ein kleiner Störfaktor im<br />

gewohnten Lesefluss sein. Aber eben nur ein<br />

kleiner – z. B. verglichen mit den langen<br />

Doppelformen (Leserinnen und Leser). Ein<br />

Text wird durch das Sternchen nur marginal<br />

verändert. Das ist einfach zu lesen und auch<br />

in der Umsetzung intellektuell keine große<br />

Herausforderung.<br />

ASTRID HELZEL<br />

Veränderung ist ungewohnt und bedarf<br />

Achtsamkeit. Diese Achtsamkeit in der eigenen<br />

Sprache kann eine Herausforderung sein, aber<br />

letztlich ist es der Wille, der zählt, und vielleicht<br />

sogar etwas Empathie gegenüber den Menschen<br />

zwischen uns, die selten mitgemeint sind.<br />

Menschen, die so selten mitgemeint sind, dass<br />

sie sich häufig nicht trauen, das Wort zu ergreifen<br />

oder zu sich selbst zu stehen. Gendern kann<br />

empowern, kann Mädchen zeigen, dass auch sie<br />

Ärztinnen werden können, und nichtbinären<br />

und Transpersonen ein Gefühl von Sichtbarkeit<br />

und Teilhabe geben.<br />

SCARLETT<br />

40


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Intern<br />

Contra<br />

Ich persönlich verzichte gern darauf, weil<br />

ich der Meinung bin, dass man die Realität nicht<br />

durch die Sprache verändern kann, sondern<br />

dass die Sprache sich der ständig verändernden<br />

Realität anpasst. Und von der Realität der<br />

Gleichbehandlung der Geschlechter sind wir<br />

noch weit entfernt. Dazu brauchen wir gleiche<br />

Bezahlung, bessere und gerechtere Möglichkeiten<br />

zur Kinderbetreuung und vieles mehr –<br />

aber kein Gendersternchen.<br />

ANNE WEBER<br />

Man kann sich ja als weiblich im männlichen<br />

Körper fühlen oder auch andersherum.<br />

Meinetwegen kann man sich auch jeden Tag<br />

neu fragen, weil man sich nicht entscheiden<br />

kann. Aber ich sehe nicht ein, dass 79,9 Millionen<br />

Menschen wegen ein paar Hundert tagtäglich<br />

beim Sprechen, Hören, Lesen oder<br />

Schreiben sprachliche Verrenkungen machen<br />

sollten.<br />

TIM BÖGER<br />

Wenn es darum geht, Menschen mit<br />

diversem Geschlecht zur Geltung zu bringen,<br />

dann kann man dies in Artikeln und Texten<br />

ausdrücklich tun. So wie man sich auch vielen<br />

anderen Gruppen unserer Gesellschaft zuwenden<br />

kann, ohne deswegen Moral-Sternchen<br />

oder -Sprechpausen einzuführen. MARTIN MEISTER<br />

Diesen ganzen Gendermist nun auch mit<br />

Macht in diesem Straßenmagazin zu etablieren,<br />

geht mir schlicht und einfach auf den Senkel. Wir<br />

haben Besseres zu tun. Unsere Obdachlosen zu<br />

unterstützen. Ich bin 75 Jahre alt, unterstütze sie<br />

regelmäßig mit Geldzuwendungen auf der<br />

Straße, weil ich es mir leisten kann. Beim<br />

Gendern hört der Spaß für mich als Mann der<br />

älteren Generation allerdings auf. Ich will diesen<br />

Formulierungswahnsinn nicht. HANS-JÜRGEN DREWS<br />

Sprache verändert sich. Das hat sie immer<br />

getan, und zwar durch das Volk. Beim Genderstern<br />

fühle ich mich aber bevormundet von<br />

sogenannten Gutmenschen, die es sicher<br />

gut meinen, aber mit diesem sprachlichen<br />

Ungetüm nicht gut machen. Diese Schnappatmung<br />

beim Sprechen mit Genderstern lenkt<br />

vom Inhalt eines Satzes ab, da er nicht flüssig<br />

gesprochen werden kann. CHRISTINE BALASUS<br />

Sprachliches Gendern entspringt<br />

mythischem Denken.<br />

Eine wohlfeile Beschwörungsformel,<br />

die wie die<br />

gesamte Identitätspolitik<br />

von den wirklichen Ursachen<br />

der Ungleichbehandlung<br />

ablenkt. Ein<br />

Genderstern führt keinen<br />

Obdachlosen von<br />

der Straße. MICHAEL HESS<br />

Aus meiner Sicht beleidigt<br />

und diskriminiert das<br />

Gendern den Mann in seiner<br />

Persönlichkeit als Mann und als<br />

Mann selbst. Den Mann und ganze<br />

Berufszweige aus der Gesellschaft einfach<br />

wegzugendern werde ich nicht mehr unterstützen.<br />

Der Genderstern, als Lösung für<br />

sogenannte diverse Personen, erscheint<br />

mir auch nicht als eine befriedigende<br />

Lösung. TH. MORGENSTERN<br />

Bald formen Worte<br />

keine Bilder mehr, sondern<br />

sind nur noch<br />

bemüht, immer neuen<br />

Regeln nachzukommen.<br />

Gerechter wird<br />

unsere Gesellschaft<br />

damit kein bisschen.<br />

Aber wir können es<br />

uns wunderbar einreden<br />

(lassen).<br />

SABINE LEOPOLD<br />

„Gendern<br />

lenkt vom<br />

Inhalt eines<br />

Satzes ab.“<br />

CHRISTINE BALASUS<br />

41


Freunde<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>340</strong>/JUNI <strong>2021</strong><br />

Firmengründer<br />

Martin Weser<br />

Nachhaltige Nerds<br />

JaMoin programmiert Software. Die muss zu den Kund:innen<br />

passen und die wiederum zu den Werten der Firma: nachhaltig und sozial.<br />

Auch Hinz&Kunzt hat davon profitiert.<br />

TEXT: ANNA-ELISA JAKOB<br />

FOTO: DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong><br />

Martin Weser beschäftigt<br />

gerne „Nerds“ in seiner<br />

Firma. Der Softwareentwickler<br />

meint damit<br />

allerdings nicht einen Typ, „der mit<br />

Pizza und Cola die Nächte durchhackt“.<br />

So einfach sieht nur das<br />

Klischee aus. Martin Weser findet: Ein<br />

Nerd ist jemand, „der wirklich für<br />

etwas brennt“. So wie er selbst.<br />

Als er zum Gespräch im Büro von Ja-<br />

Moin in Eimsbüttel empfängt, hat er<br />

noch sein Headset auf und telefoniert.<br />

Martin Weser trägt Hoodie, Jeans,<br />

dunkle Socken in Birkenstocks. Noch<br />

bevor er das später erzählen wird, sieht<br />

man dem 40-Jährigen an, dass er ein<br />

Outdoortyp ist: sonnengebräuntes<br />

Gesicht trotz Homeoffice-Zeiten. Er sei<br />

lange im Alpenverein gewesen und<br />

42<br />

klettere heute noch regelmäßig Felswände<br />

hoch, erzählt er.<br />

Als Weser sich 2011 als Softwareentwickler<br />

selbstständig macht, will er<br />

sich erst mal nur einen Arbeitsplatz<br />

schaffen, der besser ist als der, den er<br />

als Angestellter kennt. Das bedeutet<br />

vor allem: möglichst viel selbst programmieren.<br />

Gemeinsam mit seinem<br />

Geschäftspartner baut er diese Idee


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Freunde<br />

aus; vor sechs Jahren geben sie ihr den<br />

Namen JaMoin.<br />

JaMoin programmiert Software, die<br />

individuell zu den Kund:innen passen<br />

soll. Doch auch die Werte des Teams<br />

zählen. „Aufträge aus der Rüstungsindustrie<br />

lehnen wir gleich ab“, sagt Weser.<br />

Ganz einfach ist die Entscheidung<br />

trotzdem nicht immer: Was, wenn sich<br />

hinter ökologischem Tierfutter eine Firma<br />

verbirgt, die an Massentier haltung<br />

beteiligt ist? Oder wenn das Wort<br />

„Nachhaltigkeit“ im Logo in erster Linie<br />

dem Marketing dienen soll?<br />

Dann werde beraten, abgestimmt<br />

und lieber abgelehnt, wenn das Team<br />

unsicher bleibt. Denn sie wollten bestimmte<br />

Werte repräsentieren, sagt<br />

Martin Weser. Zudem wolle er qualifizierte<br />

Arbeitskräfte nicht verlieren,<br />

weil die sich mit ihrem Job nicht mehr<br />

identifizieren können. Moralische<br />

Fragen sind für Weser auch wirtschaftliche<br />

Fragen – und umgekehrt.<br />

Es war nicht von Anfang an sein<br />

Plan, ein sozial und ökologisch ausgerichtetes<br />

Unternehmen zu gründen.<br />

Dazu gehören übrigens inzwischen<br />

auch Angebote für die Beschäftigten<br />

wie Obst im Büro, eine Mit gliedschaft<br />

im Sportverein und eine 4,5-Tage-Woche.<br />

Früher ging es vor allem ums Programmieren.<br />

„Aber als ich älter wurde,<br />

habe ich immer mehr darüber nachgedacht,<br />

wie man mit dem, was man tut,<br />

auch etwas Gutes zu tun kann“, sagt er.<br />

Deswegen spendet JaMoin auch<br />

jedes Jahr rund ein Prozent seines Umsatzes<br />

an gemeinnützige Vereine. Diesmal<br />

ging ein Teil davon an Hinz&Kunzt.<br />

Der Vorschlag kam von Weser, der bei<br />

einer Veranstaltung von dem Projekt erfahren<br />

hatte. Es hatte ihn nachhaltig<br />

beeindruckt.<br />

Er programmiert auch immer noch<br />

viel selbst, so wie er das von Anfang an<br />

wollte. Würde sich das jemals ändern,<br />

sagt Martin Weser, würde er lieber eine<br />

andere Geschäftsführung einstellen.<br />

Er ist halt ein Nerd: Er brennt dafür. •<br />

redaktion@hinzundkunzt.de<br />

JA,<br />

ICH WERDE MITGLIED<br />

IM HINZ&KUNZT-<br />

FREUNDESKREIS.<br />

Damit unterstütze ich die<br />

Arbeit von Hinz&Kunzt.<br />

Meine Jahresspende beträgt:<br />

60 Euro (Mindestbeitrag für<br />

Schüler:innen/Student:innen/<br />

Senior:innen)<br />

100 Euro<br />

Euro<br />

Datum, Unterschrift<br />

Ich möchte eine Bestätigung<br />

für meine Jahresspende erhalten.<br />

(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />

Meine Adresse:<br />

Name, Vorname<br />

Straße, Nr.<br />

PLZ, Ort<br />

Telefon<br />

E-Mail<br />

Wir danken allen, die uns im Mai und<br />

während des Lockdowns unterstützt haben,<br />

sowie allen Mitgliedern im Freundeskreis von<br />

Hinz&Kunzt! Wir freuen uns gleichermaßen<br />

über kleine und große Beträge.<br />

Auch unseren Unterstützer:innen auf<br />

Facebook: ein großes Dankeschön!<br />

DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />

• IPHH<br />

• wk it services<br />

• das Produktionsbüro<br />

Romey von Malottky GmbH<br />

• die Hamburger Tafel<br />

• Axel Ruepp Rätselservice<br />

• die Hamburger Kunsthalle<br />

• bildarchiv-hamburg.de<br />

• die Gesellschaft für integrierte<br />

Kommunikationsforschung<br />

• K2 Konzept Medienservice<br />

Dankeschön<br />

• das Max-Planck-Institut für<br />

ausländisches und internationales Privatrecht<br />

• den Hamburger Laufladen<br />

• die Helene-Stiftung<br />

Medizinische Masken werden<br />

permanent für die Hinz&Kunzt-<br />

Verkäufer:innen benötigt. Danke an:<br />

• BdV Behrens GmbH • Hanseatic Help<br />

• Der Hafen hilft • Hamburger Lloyd<br />

NEUE FREUNDE:<br />

• Wolfgang Bayer • Ralf Becker<br />

• Ingeborg Below • Heike Bleitner<br />

• Michael Bußmann-Kuban<br />

• Susanne David • Susan Gerding-Yoo<br />

• Lena Gómez Forero • Niels Hansen<br />

• Ralf-Uwe Hundt • David Nordholz<br />

• Jens Schmidt-Rüttgerott<br />

• Heidemarie Schuhose<br />

• Ingo Schulz • Bernd Thiel<br />

• Agata Kraus und Christoph Wieghaus<br />

Einzugsermächtigung:<br />

Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />

Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />

Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />

IBAN<br />

BIC<br />

Bankinstitut<br />

Ich bin damit einverstanden, dass mein Name in<br />

der Rubrik „Dankeschön“ in einer Ausgabe des<br />

Hamburger Straßenmagazins veröffentlicht wird:<br />

Ja<br />

Nein<br />

Wir garantieren einen absolut vertraulichen<br />

Umgang mit den von Ihnen gemachten Angaben.<br />

Die übermittelten Daten werden nur zu internen<br />

Zwecken im Rahmen der Spendenverwaltung<br />

genutzt. Die Mitgliedschaft im Freundeskreis ist<br />

jederzeit kündbar. Wenn Sie keine Informationen<br />

mehr von uns bekommen möchten, können<br />

Sie jederzeit bei uns der Verwendung Ihrer<br />

personenbezogenen Daten widersprechen.<br />

Unsere Datenschutzerklärung können Sie<br />

einsehen unter www.huklink.de/datenschutz<br />

Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />

Hinz&Kunzt-Freundeskreis<br />

Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />

Wir unterstützen Hinz&Kunzt. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />

43<br />

HK <strong>340</strong>


Buh&Beifall<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>340</strong>/JUNI <strong>2021</strong><br />

Was unsere Leser:innen meinen<br />

„Sie sind einer Sprachverwirrung aufgesessen“<br />

Weniger Sozialwohnungen<br />

H&K 339: „Es geht um den sozialen Frieden“<br />

In einem will ich widersprechen,<br />

nämlich der Grafik „Sozialwohnungsbestand:<br />

freier Fall gestoppt?“. Da sind<br />

Sie einer vom Senat und speziell der<br />

SPD propagierten Sprachregelung,<br />

besser Sprachverwirrung, aufgesessen:<br />

der summierten Betrachtung von Wohnungen<br />

des 1. und des 2. Förderweges<br />

unter der gemeinsamen Überschrift<br />

„Sozialwohnungen“.<br />

Bei Wohnungen des 2. Förderweges<br />

liegt der Einstiegswert bei 8,90 Euro/<br />

qm. Das ist eher Mittelstandsförderung,<br />

wogegen nicht unbedingt<br />

etwas zu sagen ist. Aber heutzutage,<br />

wo rund 40 Prozent Anspruch auf eine<br />

Sozialwohnung (also auf den 1. Förderweg)<br />

haben und nur ein Bruchteil eine<br />

solche Wohnung findet, ist die sukzes-<br />

sive Ausweitung des 2. Förderweges<br />

aus meiner Sicht mit einem großen<br />

Fragezeichen zu sehen. Denn wir<br />

haben in unserer Stadt vor allem einen<br />

Mangel an günstigen, bezahlbaren<br />

Wohnungen für die Menschen mit<br />

kleinem Portemonnaie.<br />

Wenn die Wohneinheiten des<br />

1. und 2. Förderweges addiert auftauchen,<br />

ergibt sich – wie in der Grafik –<br />

ein falscher Eindruck. Die Zahl der<br />

Sozialwohnungen (also der 1. Förderweg)<br />

ist nämlich rückläufig, auch über<br />

2020 hinaus. MICHAEL JOHO, FRAKTION DIE LINKE<br />

Unwürdig oder empfehlenswert?<br />

H&K 339: „Faible für Bösewichte“<br />

Ich bin überhaupt nicht einverstanden<br />

mit Ihrer einseitig offensichtlich von<br />

Missgunst geprägten Berichterstattung<br />

über die Cum-Ex-Affäre. So billige<br />

Häme sollte meiner Meinung nach nicht<br />

Ihr Geschäft sein.<br />

HERBERT NÖLTING<br />

Der Krimi ist empfehlenswert für<br />

alle, die wie Herr Scholz an Gedächtnislücken<br />

leiden.<br />

MARION RYSI<br />

Leser:innenbriefe geben die Meinung der<br />

Verfasser:innen wieder, nicht die der Redaktion.<br />

Wir behalten uns vor, Briefe zu kürzen. Über Post<br />

an briefe@hinzundkunzt.de freuen wir uns.<br />

Wir trauern um<br />

Stanislaw Bulik<br />

19. September 1967– 13. Mai <strong>2021</strong><br />

Stanislaw kam 2017 zu uns. Er hatte am ALDI<br />

Paul-Dessau-Str. in Bahrenfeld seinen Festplatz.<br />

Die Verkäufer:innen und das Hinz&Kunzt-Team<br />

HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />

DER ETWAS ANDERE<br />

STADTRUNDGANG –<br />

DIGITAL FÜR GRUPPEN<br />

100Jahre<br />

Wenn die Welt<br />

auf einmal<br />

stillsteht.<br />

Zuverlässige und<br />

persönliche Hilfe im<br />

Trauerfall – jederzeit.<br />

Wollen Sie Hamburgs City einmal mit anderen Augen sehen?<br />

Abseits der glänzenden Fassaden zeigen wir Orte, die in keinem<br />

Reiseführer stehen: Bahnhofsmission statt Rathausmarkt und<br />

Drogenberatungsstelle statt Alsterpavillon. Leider können wir<br />

wegen Corona aktuell keine echten Rundgänge anbieten. Gruppen<br />

können allerdings mit unserem Stadtführer Chris digitale Touren<br />

machen. Das ist fast genauso interessant.<br />

Bequem online buchen bei<br />

friederike.steiffert@hinzundkunzt.de oder<br />

Telefon 040/32 10 84 04.<br />

Kostenbeitrag: 5 Euro pro Person<br />

Immer für Sie da.<br />

040 - 24 84 00<br />

www.gbi-hamburg.de


Kunzt&Kult<br />

Bunte Botschaften: Eine Begegnung mit Teller-Künstlerin fraujule* (S. 46).<br />

Hohe Ziele: Wenn der Journalist zum Hochbeet-Gärtner wird (S. 54).<br />

Echte Freude: Hinz&Künztler Klaus hat zum ersten Mal eine eigene Wohnung (S. 56).<br />

Ach, Hamburg, du bist zwar eine<br />

Großstadt, aber wer auf dem<br />

Grünen Ring wandern geht, kann das<br />

glatt vergessen – wie hier an der<br />

Dove-Elbe. Mehr dazu auf S. 51<br />

FOTO: THOMAS KRENZ


Street-Artistin<br />

fraujule* möchte<br />

anonym bleiben.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Kunzt&Kult<br />

„In Hamburg ist<br />

ganz viel Liebe“<br />

Über Teller mit Goldrand, nackte Wände und den<br />

Stammtisch von St. Depri – eine Begegnung mit der<br />

Street-Artistin und Teller-Künstlerin fraujule*.<br />

TEXT: FRANK KEIL<br />

FOTOS: ANDREAS HORNOFF, FRANK KEIL<br />

I<br />

ch suche neuerdings nach Tellern,<br />

wenn ich durch die Straßen gehe,<br />

nach den Tellern von @fraujuleskunst.<br />

Ich schaue an Hauswänden<br />

hoch, statt geradeaus auf den Gehweg,<br />

schleiche mich in Durchgänge, suche<br />

dunkle Unterführungen ab. Jedes Mal<br />

freue ich mich, wenn ich wieder einen<br />

Teller von @fraujuleskunst, wie sie sich<br />

auf Instagram nennt, entdeckt habe.<br />

Manchmal steht nur ein Wort drauf:<br />

„MUT“ etwa. Oder „Tja …!“ Oder<br />

„GUTMENSCHEN aller Länder vereinigt<br />

euch!“<br />

Wir treffen uns im Schanzenviertel,<br />

im Innenhof vom Knust. Richtig reingehen<br />

kann man ja nirgendwo. „Ach, ich<br />

stehe auch ganz gerne“, sagt fraujule*<br />

entspannt. Ihr bürgerlicher Name soll<br />

keine Rolle spielen; sie möchte anonym<br />

bleiben. Wir schauen uns nach einem<br />

Ort zum Unterstellen um, kommen an<br />

einer Hauswand vorbei, sie bleibt abrupt<br />

stehen: „Oh, hier hat jemand drübergesprüht“,<br />

sagt sie und zeigt auf einen Teller<br />

an der Wand, der dick mit schwarzer<br />

Farbe bedeckt ist: „Das ist einer von<br />

ganz früher. Ist ja schade.“<br />

Gibt es so etwas wie einen allerersten<br />

Teller, einen Ur-Teller? „Ja, aber<br />

der hängt leider nicht mehr. Der ist verschwunden,<br />

am Diebsteich, in der Unterführung“,<br />

sagt sie. Darauf gemalt<br />

war in den ihr eigenen Druckbuchstaben<br />

der Satz „love yourself, before you<br />

die“. Übersetzt in etwa: „Liebe dich,<br />

bevor du stirbst.“<br />

„Ich habe ein Faible für altes Zeug“,<br />

sagt sie. So stapelte sich bei ihr zu Hause<br />

auch Geschirr: „Ich habe für Freunde<br />

öfter Kaffeetassen mit lustigen Sachen<br />

bemalt und irgendwann waren die<br />

Teller an der Reihe.“ Die mit Goldrand<br />

und Blümchen sind ihr die liebsten. Die<br />

47<br />

Frage war aber, wohin damit: „Da habe<br />

ich sie auf die Straße gebracht.“<br />

„Ich mag Street-Art total gerne;<br />

das, was sie mit den Menschen macht:<br />

Botschaften setzen, Denkanstöße geben,<br />

eine nette Nachricht an jemand<br />

Unbekanntes senden.“ Ihre Botschaften<br />

klingen dann so: „Jetzt mal ehrlich!“<br />

oder „Einfach mal abtauchen!“.<br />

Im Schanzenviertel findet man ihre<br />

Botschaften, in Eimsbüttel, in Altona,<br />

im Karolinenviertel, in den Szenevierteln<br />

also. Doch neuerdings hat fraujule*<br />

ihren Radius erweitert, bis nach Wandsbek:<br />

„Ich habe immer ein bisschen<br />

Ladehemmung, wenn ich in ein Viertel<br />

gehe, wo nicht so viel Kunst an den<br />

Wänden hängt; wenn dann die Wand<br />

so nackig ist und dann hänge ich da<br />

allein.“<br />

„Es gibt Orte, wo ich denke, da<br />

muss was hin“, sagt sie. Die Teller hängt


sie etwas höher, dass man sie noch gut<br />

lesen, aber nicht gleich herunterreißen<br />

kann. Manchmal sagen ihr die Muster<br />

und Motive auf den Tellern, was drauf<br />

soll: „Kinderteller bekommen einen<br />

Kinderspruch, ist die Verzierung lila,<br />

wird es feministisch, ,grün‘ wirbt immer<br />

für Veganismus.“ Eines ihrer schönsten<br />

Stücke zeigt eine fein gemalte Ente auf<br />

einem kleinen See, umrundet vom<br />

Slogan „friend, not food“, also „Freund,<br />

kein Essen“.<br />

Womit wir bei der Liebe wären und ihrem<br />

Klassiker „LIEBE ist ein Tuwort!“:<br />

„Liebe ist definitiv mein Thema, denn<br />

mit Liebe wird alles besser. Liebe ist ein<br />

Klebstoff, der uns gut zusammenhält“,<br />

sagt sie. Liebe zu sich selbst – gerade<br />

wegen der anderen: „Wer cool mit sich<br />

selbst ist, kann auch cool mit anderen<br />

umgehen.“ Es gibt auch politische Botschaften,<br />

wie „Teller gegen das Patriarchat“,<br />

„Teller gegen Nazis“. Auch hier<br />

wird sie nie grob, hängt lieber die<br />

Parole auf: „Kein Kuchen für Nazis“.<br />

Sie nickt: „Politik ohne Liebe, ohne<br />

Herz funktioniert nicht.“<br />

Aufgewachsen ist fraujule* im<br />

Rheinland. Als sie Hamburg kennenlernt,<br />

ist da gleich ein Gefühl. „Ich war<br />

mit 18 Jahren das erste Mal hier, ich bin<br />

aus dem Zug gefallen und dachte:<br />

‚Boah, das ist Zuhause!‘“ Nur will<br />

Hamburg sie lange nicht haben: Sie<br />

muss nach Frankfurt am Main ziehen,<br />

wo sie studiert. Auch einen Job findet<br />

sie nicht gleich in der Stadt ihrer Träume,<br />

doch dann kann sie nach Hamburg<br />

wechseln, findet eine Festanstellung, die<br />

sie bis heute hat: „Ich muss daher nichts<br />

mit den Tellern verdienen; sie können<br />

den Leuten gefallen, es muss aber<br />

nicht“, sagt sie.<br />

Inzwischen ist sie seit etwa 13 Jahren<br />

Hamburgerin. „Ich will hier auch<br />

nicht wieder weg, ich mag dieses<br />

Lebensgefühl: ‚Komm her, so wie du<br />

bist.‘“ Dass man auch dann akzeptiert<br />

werde, wenn man mal ein wenig neben<br />

der Spur ist, das hätte sie an anderen<br />

Orten so nicht erlebt. Es gebe so viel<br />

Gutes in der Stadt: „Immer, wenn mich<br />

Freunde aus anderen Städten besuchen,<br />

stehen die mit großen Augen da und<br />

staunen, was es an sozialen Initiativen<br />

und Unterstützungsangeboten gibt<br />

und was hier alles los ist.“ Dann lacht<br />

sie laut und sagt: „In Hamburg ist ganz<br />

viel Liebe!“


Die<br />

Großuhrwerkstatt<br />

Bent Borwitzky<br />

Uhrmachermeister<br />

Telefon: 040/298 34 274<br />

www.grossuhrwerkstatt.de<br />

Verkauf und Reparatur<br />

von mechanischen Tisch-,<br />

Wand- und Standuhren<br />

Sie ist Teil davon. Die Künstlerin unterstützt<br />

Projekte wie die Suppen küche<br />

„DeinTopf“ im Karoviertel, das Projekt<br />

„Viva con Aqua“ und die Initiative<br />

„clubkinder“. Dafür verkauft sie gelegentlich<br />

benefizmäßig Teller, auf der<br />

Rückseite signiert und datiert.<br />

„Wer cool<br />

mit sich selbst<br />

ist, kann<br />

cool mit anderen<br />

umgehen.“<br />

„Ich bin recht eng mit St. Pauli verbandelt“,<br />

sagt sie. Also mit dem Fußballclub.<br />

Und hat so plötzlich das Thema<br />

Depressionen am Wickel: „Es gibt irre<br />

viele Leute, auch in meinem Freundeskreis,<br />

die davon betroffen sind, und<br />

auch für die Angehörigen ist das oft<br />

zum Haareraufen: Man weiß bald nicht<br />

mehr, wie kann man helfen, was kann<br />

man tun.“<br />

So landet sie bei der Faninitiative<br />

„St. Depri“: „Da gehe ich regelmäßig<br />

zum Stammtisch, weil ich das eine<br />

großartige Initiative finde: angebunden<br />

an den Verein und niedrigschwellig.“<br />

„Depression, du mieses Stück Scheiße“,<br />

Botschaften von fraujule*,<br />

unten: die Künstlerin am Werk<br />

steht auf einem ihrer Teller; einer der<br />

ganz wenigen, auf dem sie sich so<br />

drastisch äußert. Ein anderer Teller sagt<br />

softer „enjoy your psychotherapy“; also<br />

„Genieße deine Psychotherapie“, um<br />

das Stigma aufzubrechen, man sei<br />

gestört und bedauernswert, wenn man<br />

eine Therapie mache – das Gegenteil<br />

sei der Fall.<br />

Ach ja, St. Pauli, der Club. Da gibt<br />

es eine schlechte und eine gute Nachricht.<br />

Die jährliche „Millerntor Gallery“<br />

wird auch dieses Jahr nicht stattfinden<br />

können. Trotzdem soll Kunst ins Stadion,<br />

die Haupttribüne neu gestaltet werden:<br />

„100 Blickwinkel auf St. Pauli“ ist<br />

das Motto. Weil auch der FC St. Pauli<br />

noch recht männlich dominiert ist,<br />

wurde Kunst von Künstlerinnen und<br />

nichtbinären Künstler:innen gesucht,<br />

also von Menschen, die sich weder als<br />

Mann noch als Frau sehen. fraujule* ist<br />

dabei. Auch mit den „clubkindern“ ist<br />

was in der Mache, ebenso mit Viva con<br />

Aqua. Sieht danach aus, als könne es<br />

ein guter Sommer für fraujule* und ihre<br />

Tellerkunst werden.<br />

Letzte Frage: Womit befestigt sie<br />

die Teller an den Wänden? Wieder<br />

lacht sie, sagt: „Mit Liebe!“ Klar könnte<br />

sie jetzt den Klebstoff nennen. Aber<br />

sie hat ja recht: Liebe ist einfach das<br />

Haltbarste. •<br />

redaktion@hinzundkunzt.de<br />

SCHNELL<br />

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QIGONG<br />

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49


Kult<br />

Tipps für den<br />

Monat <strong>Juni</strong>:<br />

Eine Abenteuerreise<br />

durch die Stadt<br />

Auf der Straße<br />

Kunstspaziergang durch Sankt Pauli<br />

Schon mal vom Vespa-Laden an der<br />

Karolinenstraße durch die Passage zum<br />

Wohnhaus 20 a spaziert? Dort hat sich<br />

der Street-Art-Künstler Lapiz vor drei<br />

Jahren mit diesem imposanten Mural,<br />

so nennt man die öffentlichen Wandbilder,<br />

verewigt (Foto oben). Schablonen<br />

und Spraydosen sind sein Handwerkszeug.<br />

„Back to the roots“ nennt er seine<br />

Ausstellung, die unter freiem Himmel<br />

an noch vielen weiteren Orten auf<br />

Sankt Pauli zu erkunden ist. Er bringt<br />

künstlerische und gesellschaftspolitische<br />

Impulse aus Neuseeland, Schweden<br />

und Argentinien mit, bringt Menschen<br />

nicht immer zum Lachen, aber sicher<br />

zum Nachdenken. Einen Rundgang zu<br />

seinen Werken kann man auf eigene<br />

Ikonischer Whistleblower im Karoviertel<br />

Faust mit digitalem Begleitheft<br />

(kostenlos) unternehmen. Der Künstler<br />

selbst hat es verfasst und teilt seine<br />

Gedanken darüber, wie es sich anfühlt,<br />

auf der Straße zu malen. Oder man<br />

schließt sich einer Gruppe an<br />

(20 Euro, ermäßigt 15 Euro). •<br />

Buchen und herunterladen können Sie die<br />

Tour hier: www.hamburgstreetart.de<br />

50


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Kunzt&Kult<br />

Schön bunt:<br />

Diese SUPs<br />

machen für<br />

Alsterfische<br />

und Co. die<br />

Nacht zum<br />

Tag.<br />

Wandern<br />

Auf dem „Grünen Ring“<br />

Auf diesem Rundweg schieben sich<br />

Spazierende nicht Schulter an Schulter:<br />

viel Platz und garantiert etwas<br />

Neues zu entdecken in Parks und<br />

Naturschutzgebieten, gesäumt von<br />

Bächen und Seen. Gut 100 Kilometer<br />

misst die Route. Aber man muss ja<br />

nicht alles auf einmal ablaufen! •<br />

Hamburg, Wanderkarten gratis,<br />

www.hamburg.de/wandern-im-gruenen<br />

FOTOS: LAPIZ (S. 50), BRITA PLATH, EDUARDO BASULADO<br />

Entdeckungstour<br />

Auf zu neuen Ufern<br />

Suppen, wie man neudeutsch sagt, meint, stehend auf einem surfähnlichen Board<br />

über möglichst ruhiges Gewässer zu paddeln. Schon seit ein paar Jahren ist das<br />

der Trendsport auf der Alster: Kanäle, Gärten und Teiche aus der leicht erhöhten<br />

Fischperspektive erkunden. Diesen Sommer um so beliebter, weil Mindestabstand<br />

bei diesem Abenteuer kein Thema ist. Es gibt Dutzende Mietstationen.<br />

Diese Boards mit cooler Unterbodenbeleuchtung hat der Sup Port Hamburg. Sie<br />

werden aus einem Transporter herausgereicht an der Heilwigstraße 1, am Steg<br />

am Eichenpark geht es zu Wasser oder alternativ in der Rathenaustraße Höhe<br />

Zukunftsschule, Einstieg kurz vor dem Ringkanal. Freitags und samstags gibt’s<br />

Touren mit den leuchtenden SUPs. Wasserfestes Abendoutfit anziehen und dann:<br />

Alsterdampfer, Wahrschau! •<br />

Infos: www.sup-port-hamburg.de, ab 11 Euro je Stunde<br />

Kunst<br />

Augen auf in der Hafencity<br />

14 nationale und internationale Künstler:innen präsentieren ab dem 4.6. ihre<br />

In stallationen zwischen Baumwall und Elbbrücken: „The Gate. Wohin führt das<br />

Tor zur Welt?“ Wussten Sie, dass die Hafencity eigens eine Kuratorin für Kunst im<br />

öffentlichen Raum hat? Ellen Blumenstein hat jüngst diesen freudig erwarteten<br />

Kunstspaziergang verwirklicht, komplettiert durch einen kostenfreien Podcast.<br />

Man mag bis Ende<br />

September dort<br />

noch lieber als sonst<br />

auf Entdeckungsreise<br />

gehen. Die Kunstwerke<br />

sprechen mal<br />

subtil, mal offensiv<br />

die Geschichte unserer<br />

Handelsstadt an,<br />

als Tor zur Welt, mit<br />

Tradition, Historie<br />

und Zukunft.<br />

Imagine the City,<br />

•<br />

kostenloser Kunstspaziergang,<br />

www.<br />

imaginethecity.de Eduardo Basualdos „Drehtür“ zur Welt<br />

Film<br />

Gegen Kinovermissung<br />

Hamburgs Metropolis-Kino gibt’s<br />

jetzt auch digital. Die Streamingplattform<br />

Metropolis+ bietet eine fein<br />

kuratierte Auswahl an historischen<br />

und aktuellen Filmen. Das Angebot<br />

soll auch nach Kino-Wiedereröffnung<br />

bestehen bleiben. •<br />

Metropolis+, Tickets ab 3,50 Euro,<br />

www.metropoliskino.de<br />

Literatur<br />

Sub & Pop<br />

Kevin Goonewardena hat einen ziemlich<br />

charmanten Guide zur Alternativund<br />

Untergrundkultur Hamburgs hingelegt<br />

– und stellt in ihm nicht nur die<br />

üblichen Verdächtigen vor. Eine Reise<br />

an die herrlich schraddeligen Orte<br />

dieser Stadt. •<br />

Hamburg Sub & Pop, <strong>Juni</strong>us Verlag, 240<br />

Seiten, 19,90 Euro, www.junius-verlag.de<br />

Theater für Kinder<br />

Ins Hirn der Finsternis<br />

Die Traummaschine ist zum Ablegen<br />

bereit, im Volkspark. Bitte einsteigen:<br />

Kinder und Erwachsene ab acht<br />

Jahren. Per digitaler Karte folgen wir<br />

einem vergesslichen Kapitän und<br />

seiner ungeduldigen Tocher ins Herz<br />

der Erinnerungen und mitten in den<br />

riesigen Park, bizarrer Spielort dieses<br />

individuell zu erkundenden Theaters.<br />

Bezaubernde Sirenen und alte<br />

Seehunde werden uns begegnen. •<br />

Fundus Theater, Start an der Mühlenau,<br />

Sylvesterallee, Boarding jederzeit und<br />

kostenfrei, www.traummaschineinc.net<br />

51


Film<br />

Kurz und gut<br />

„Ich bin weil wir sind“ lautet das Motto<br />

des 37. Kurzfilm Festivals Hamburg.<br />

Es lehnt sich an „Ubuntu“, Südafrikas<br />

Philosophie der Verbundenheit, an. Das<br />

passt, schließlich hat das Team um die<br />

künstlerische Leiterin Maike Mia Höhne<br />

trotz aller Widrigkeiten ein herausragendes<br />

Programm auf die Beine<br />

gestellt. Der Fokus der diesjährigen<br />

Beiträge liegt auf dem solidarischen<br />

Miteinander. Es geht um die Entwicklung<br />

von Stadträumen, Utopien, Denksystemen.<br />

Seit 1986 zeigt das Festival<br />

jährlich rund 400 Filme. In diesem Jahr<br />

digital, wenn das Wetter und das Virus<br />

mitspielen, vielleicht auch als Open Air.<br />

Die Festivalmacher:innen verweisen auf<br />

die Homepage für aktuelle Infos. Das<br />

Programm wird begleitet von der Ausstellung<br />

„Dance to the End of Love“<br />

52<br />

Wettbewerbsbeitrag mit Schoßhund:<br />

„Die klaffende Wunde“ von Jovana Reisinger<br />

vom libanesischen Künstler Akram<br />

Zaatari. Seine performativen Arbeiten<br />

können im Festivalzentrum Open Space<br />

in der Post am Diebsteich bewundert<br />

werden. Parallel läuft das Mo & Friese<br />

Kinder Kurzfilm Festival. •<br />

37. Kurzfilm Festival Hamburg, 1.–7.6.,<br />

Mo & Friese Kinder Kurzfilm Festival,<br />

30.5.–7.6., Tickets 5–30 Euro,<br />

www.festival.shortfilm.com


Kunzt&Kult<br />

Filme des Monats<br />

Puschen- und<br />

großes Kino<br />

FILMSTILL: DIE KLAFFENDE WUNDE/JOVANA REISINGER (S. 52); FOTOS: CASPAR DAVID ENGSTFELD, PRIVAT<br />

Kunsthochschule<br />

Digitales Lametta<br />

Festival<br />

Kunst trifft Virtual Reality<br />

VRHAM! Das Virtual Reality & Arts<br />

Festival Hamburg findet statt – als<br />

hybride Festivaledition. 18 Kunstwerke<br />

aus 15 Ländern erwarten die Gäste<br />

dieses Events, das Kunst und digitale<br />

Technologien verschmelzen lässt. Die<br />

Macher:innen haben an einem ausgeklügelten<br />

Hygienekonzept gearbeitet,<br />

mit dem sie Anfang <strong>Juni</strong> einzelne<br />

Veranstaltungen auch physisch<br />

zugänglich machen wollen. Ein fest<br />

gebuchtes Ticket soll den Besuch der<br />

Vrexhibi tion und des VR-Cinemas<br />

ermöglichen. Alternativ ist das<br />

gesamte Fes tivalprogramm auch<br />

bequem vom heimischen Sofa aus mit<br />

VR-Brillen zu verfolgen. Das nötige<br />

Equipment kann zu einem günstigen<br />

Preis für einen begrenzten Zeitraum<br />

ausgeliehen und im Festivalzeitraum<br />

abgeholt werden. •<br />

VRHAM, Stockmeyerstraße 43, 4.6.–12.6.,<br />

Eintritt 6–11 Euro, www.vrham.de<br />

„Boa, was für ein Fahrrad!?“ –<br />

Abschluss arbeit von<br />

Caspar David Engstfeld<br />

Nicht nölen, machen, haben sich die Designstudierenden der HAW gesagt und<br />

sind mit ihrer Jahresausstellung der Armgartstraße pandemiebedingt ins Netz<br />

gezogen. Mehr als 70 Abschlussarbeiten aus den Studiengängen Kommuni ka tionsdesign,<br />

Illustration sowie Mode-, Kostüm- und Textildesign können dort entdeckt<br />

und bewundert werden. Auch digital herrlich bunt anzuschauen. •<br />

Jahresausstellung der Armgartstraße, digitale Edition, kostenfrei,<br />

www.rundgang-armgartstrasse.de<br />

Musik<br />

Nachbarschaftsklänge<br />

Das Netzwerk Musik von den Elbinseln<br />

verlegt das Festival „48h Wilhelmsburg“<br />

auf den Spätsommer –<br />

und lädt stattdessen zu interaktiven<br />

Spaziergängen durchs Viertel ein.<br />

Die Freiluftausstellung „Listen to<br />

your neighbourhood“ führt durch das<br />

Reiherstiegviertel und über die Veddel.<br />

Stelltafeln verraten Insiderwissen<br />

über die Festivalhistorie, und vom<br />

Smartphone geführt gelangt man<br />

zu musikalischen und informa tiven<br />

Überraschungen. Der perfekte Appetizer<br />

für 48h Wilhelmsburg, das vom<br />

3. bis 5.9. live stattfinden soll. •<br />

Listen to your neighbourhood, kostenlos<br />

ab dem 11.6. , www.mvde.de<br />

Über Tipps für Juli freuen sich<br />

Simone Rickert und Regine Marxen.<br />

Bitte bis zum 10.6. schicken an:<br />

kult@hinzundkunzt.de<br />

Mitte Mai <strong>2021</strong> (beim Verfassen<br />

dieser Kolumne), und so<br />

richtig weiß noch niemand,<br />

welche Regeln es im <strong>Juni</strong> geben<br />

wird. Dürfen wir wieder<br />

ins Kino gehen? Sollten wir?<br />

Und wenn ja, unter welchen<br />

Bedingungen? Wer auf<br />

Nummer sicher gehen will,<br />

setzt bei bestem Wetter (das<br />

kommt bestimmt!) auf die<br />

ganz große Leinwand und<br />

sichert sich die besten Plätze<br />

für den Sonnenuntergang: in<br />

Hamburg besonders schön<br />

an der Aussichtsplattform der<br />

Elbphilharmonie, am Westufer<br />

des Stadtparksees oder<br />

auf dem Parkhausdach vom<br />

Altonaer Ikea.<br />

Und sollte es doch einmal<br />

regnen, bietet das gute alte<br />

Puschenkino durchaus Sehenswertes.<br />

„You’ll never<br />

walk alone“ ist so ziemlich die<br />

meist gesungene, gegrölte,<br />

geliebte Stadionhymne der<br />

Welt. Am 9. <strong>Juni</strong> ab 23 Uhr<br />

führt Schauspieler und Fußballfan<br />

Joachim Król durch<br />

die Doku (WDR). Wer die<br />

paar Extra-Euro für Amazon<br />

Prime ausgibt, kann sich auf<br />

die Anthologie „Solos“ freuen<br />

(ab 25. <strong>Juni</strong>). Die Topbesetzung<br />

mit Morgan Freeman<br />

und Anne Hathaway verspricht<br />

hochkarätiges Hollywoodkino<br />

in sieben Episoden.<br />

Weniger brachial ist die Netflix-Produktion<br />

„Skater Girl“,<br />

die Mitte <strong>Juni</strong> startet. Das<br />

spannende Drama um eine<br />

indische Skaterin schildert<br />

eindrucksvoll, welche emanzipatorische<br />

Wirkung Sport<br />

haben kann. • André Schmidt<br />

geht seit<br />

Jahren für uns<br />

ins Kino.<br />

Er arbeitet in der<br />

PR-Branche.<br />

53


klein<br />

gartenlife<br />

#3<br />

Kunzt&Kult<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>340</strong>/JUNI <strong>2021</strong><br />

Mehr Einblicke in den Garten<br />

des Kolumnisten auf Instagram:<br />

@raketengaertner<br />

Höhere Ziele<br />

Wenn der Journalist zum Gärtner wird:<br />

Benjamin Laufer im Hochbeet-Fieber<br />

Die Sache mit dem Hochbeet hatte ich<br />

mir so einfach vorgestellt! Alte Futterkisten<br />

mit Erde füllen, Gemüsesamen<br />

rein und dann im Herbst fette Ernte<br />

einfahren. Und zwar ohne ständig auf<br />

allen vieren das Unkraut rausreißen zu<br />

müssen, sondern angenehm rückenschonend.<br />

Inzwischen gibt es die<br />

Dinger ja auch im Discounter. Sogar<br />

Altkanzler Schröder hat eins, das kann<br />

man auf Instagram bestaunen. Wie<br />

schwer kann es also sein, ein Hochbeet<br />

zu bewirtschaften?<br />

Sie ahnen bereits: Einfach ist es<br />

nicht. Denn ein Hochbeet ist viel mehr<br />

als nur ein höhergelegtes konventionelles<br />

Gemüsebeet. Das hätte ich natürlich<br />

wissen können, bevor ich die<br />

schicken Holzkisten bestellt habe.<br />

Ob ich unbewusst einem Vintage-<br />

FOTOS: DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong>, BENJAMIN LAUFER<br />

Hochbeet-Trend hinterherlaufe? Wäre<br />

mir zwar peinlich, ist aber leider nicht<br />

auszuschließen.<br />

Doch sich mit dem Hochbeet-<br />

Wesen auseinanderzusetzen, lohnt sich.<br />

Man braucht zunächst ein komplexes<br />

Mehrschichtsystem im Beet, zu dem ein<br />

Fachmann mir riet: Auf die unterste<br />

Schicht aus dicken und dünneren Ästen<br />

folgt eine aus Grassoden, die verhindern,<br />

dass feinerer Grünschnitt nach<br />

unten durchrutscht. Dann kommt eine<br />

Lage Kompost vom Recyclinghof und<br />

ganz oben eine Mischung aus Kompost<br />

und Mutterboden (alternativ geht auch<br />

Pflanzerde aus dem Baumarkt, aber bitte<br />

ohne Torf). Der Hochbeet-Trick: Äste<br />

und Grünschnitt verrotten nach und<br />

nach und setzen so über die Jahre ständig<br />

neue Nährstoffe frei. Das Hochbeet<br />

düngt sich quasi von selbst – sehr praktisch,<br />

wenn man so bequem ist wie ich.<br />

Natürlich kann man in das fertige<br />

Hochbeet nicht einfach reinpflanzen,<br />

wonach einem der Sinn steht. Wäre ja<br />

noch schöner! Als Erstes gehören sogenannte<br />

Starkzehrer ins Beet, die gut mit<br />

dem anfänglich hohen Stickstoffgehalt<br />

umgehen können: Tomaten, Kartoffeln,<br />

Zucchini zum Beispiel. Und es gilt,<br />

noch viel mehr Gartenwissen zu pauken:<br />

Neben die Karotten pflanzt man<br />

etwa Zwiebeln, weil die beiden als gute<br />

Nachbarn gelten und sich gegenseitig<br />

die Schädlinge vom Hals halten. Das<br />

führt wiederum zur Fruchtfolge: Wo in<br />

diesem Jahr Kopfkohl oder Sellerie<br />

wachsen, dürfen Sie diese Sorten für<br />

drei Jahre nicht pflanzen! Sonst könnten<br />

die für Weichfäule verantwortlichen<br />

Bakterien sich im Beet halten. Das kann<br />

ja niemand wollen! Googeln Sie mal<br />

„Pflanzplan“ – ich verspreche, Sie werden<br />

sich im Wirrwarr der Gemüseregeln<br />

anfangs kaum zurechtfinden.<br />

Ich gebe zu, ich bin damit immer<br />

noch überfordert, so wie mit vielen anderen<br />

Baustellen im Garten (Obstbaumschnitt<br />

wäre auch so ein Thema,<br />

das immer komplizierter wird, je mehr<br />

man sich damit beschäftigt). Doch während<br />

ich das hier schreibe, schiele ich<br />

rüber zur halben Süßkartoffel, die auf<br />

meiner Fensterbank fleißig Wurzeln im<br />

Wasserglas schlägt. Gleich darf sie ins<br />

Hochbeet umziehen, wo sie hoffentlich<br />

von der Wärme profitiert, die beim<br />

ständigen Zersetzungsprozess in der unteren<br />

Etage entsteht. Spätestens bei der<br />

Ernte im Herbst hat sich der ganze<br />

Theoriekram endlich gelohnt. BELA<br />

•<br />

54


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Rätsel<br />

ILLUSTRATION (BLEISTIFT IM IMPRESSUM): BERND MÖLCK-TASSEL<br />

einfache<br />

Mahlzeit<br />

Fallen<br />

des<br />

Meeresspiegels<br />

Frohsinn<br />

Volk im<br />

Baltikum<br />

Offiziersrang<br />

Drall<br />

einer<br />

Billardkugel<br />

französisch:<br />

Insel<br />

erklären<br />

Garn,<br />

Gewebe<br />

4<br />

8<br />

1<br />

8<br />

6<br />

3<br />

9<br />

8<br />

Nadelbaum,<br />

Taxus<br />

2<br />

1<br />

6<br />

9<br />

Popmusik<br />

der 60er-<br />

Jahre<br />

7<br />

3<br />

3<br />

5<br />

8<br />

wertvoller<br />

Pelz<br />

Hanswurst,<br />

Possenreißer<br />

zugunfähig<br />

(Schach)<br />

4<br />

1<br />

4<br />

9<br />

7<br />

1<br />

5<br />

2<br />

9<br />

Schuldsumme<br />

lederner<br />

Schnürsenkel<br />

5<br />

2<br />

6<br />

5<br />

zu Gott<br />

sprechen<br />

Erquickung,<br />

Seelentrost<br />

Fruchtgallert<br />

Spion,<br />

Spitzel<br />

französischer<br />

Mehrzahlartikel<br />

japanischer<br />

Politiker<br />

† 1909<br />

schwankend,<br />

unsicher<br />

4<br />

3<br />

8<br />

2<br />

AR0909-0619_4sudoku<br />

6<br />

6<br />

„Großspiel“<br />

im Skat<br />

Errichtung<br />

Schulstadt<br />

in<br />

England<br />

franz.<br />

Schriftsteller<br />

(Émile) †<br />

7<br />

4<br />

Staat<br />

7<br />

4<br />

Inhaltslosigkeit<br />

Aufzeichnung<br />

der<br />

Herzströme<br />

(Abk.)<br />

Fluss<br />

in Peru<br />

sich auf<br />

Rädern<br />

fortbewegen<br />

Ablassprediger<br />

† 1519<br />

8<br />

5<br />

poetisch:<br />

Nadelwald<br />

norddeutsch:<br />

Ried<br />

älteste<br />

latein. Bibelübersetzung<br />

Informationselement<br />

(EDV)<br />

norddt.:<br />

einjähr.<br />

Fohlen,<br />

Kalb<br />

Großmutter<br />

(Kosewort)<br />

9<br />

3<br />

Abtei in<br />

Oberbayern<br />

unbestimmter<br />

Artikel<br />

nur<br />

geistig<br />

vorhanden<br />

Blumenbinderin<br />

10<br />

10<br />

englisch:<br />

und<br />

121916 – raetselservice.de<br />

Füllen Sie das Gitter<br />

so aus, dass die Zahlen<br />

von 1 bis 9 nur je einmal<br />

in jeder Reihe, in jeder<br />

Spalte und in jedem<br />

Neun-Kästchen-Block<br />

vorkommen.<br />

Als Lösung schicken<br />

Sie uns bitte die farbig<br />

gerahmte, unterste<br />

Zahlenreihe.<br />

Lösungen an: Hinz&Kunzt, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />

per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />

Einsendeschluss: 28. <strong>Juni</strong> <strong>2021</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Wer<br />

die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet, kann eine<br />

von zwei iPad-Taschen „Street-Pad“ aus dem Hinz&Kunzt-Shop oder eins<br />

von vier Exemplaren der Familiensaga „Elbleuchten“ (rororo) gewinnen.<br />

Das Lösungswort beim Mai-Kreuzwort rätsel war: Polarfuchs.<br />

Die Sudoku-Zahlenreihe: 328 169 475.<br />

Impressum<br />

Redaktion und Verlag<br />

Hinz&Kunzt<br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />

Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />

Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />

Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />

E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />

Herausgeber<br />

Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />

Externer Beirat<br />

Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />

Mathias Bach (Kaufmann),<br />

Dr. Marius Hoßbach (Korten Rechtsanwälte AG),<br />

Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />

Karin Schmalriede (ehemals Lawaetz-Stiftung, i.R.),<br />

Dr. Bernd-Georg Spies (Spies PPP),<br />

Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />

Geschäftsführung Jörn Sturm<br />

Redaktion Annette Woywode (CvD; abi, V.i.S.d.P. für die Umschlagseiten,<br />

Gut&Schön, Jubiläum, Krimi, Freunde, Buh&Beifall, Kunzt&Kult),<br />

Jonas Füllner (jof, V.i.S.d.P. für die Momentaufnahme),<br />

Benjamin Laufer (bela, V.i.S.d.P. für Intern und das Stadtgespräch),<br />

Lukas Gilbert (lg), Kirsten Haake (haa), Jochen Harberg (joc),<br />

Anna-Elisa Jakob (aej), Ulrich Jonas (ujo), Frank Keil (fk),<br />

Regine Marxen (rem), Simone Rickert (sr)<br />

Online-Redaktion Benjamin Laufer (CvD), Jonas Füllner, Lukas Gilbert<br />

Korrektorat Kerstin Weber, Kristine Buchholz<br />

Redaktionsassistenz Cedric Horbach,<br />

Sonja Conrad, Anja Steinfurth<br />

Artdirektion grafikdeerns.de<br />

Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert<br />

Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />

Anzeigenvertretung Gerald Müller,<br />

Wahring & Company, Tel. 040 284 09 418, g.mueller@wahring.de<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 25 vom 1. Januar <strong>2021</strong><br />

Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Sigi Pachan,<br />

Jürgen Jobsen, Meike Lehmann, Sergej Machov,<br />

Frank Nawatzki, Elena Pacuraru, Reiner Rümke, Marcel Stein,<br />

Eugenia Streche, Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />

Spendenmarketing Gabriele Koch<br />

Spendenverwaltung/Rechnungswesen Susanne Wehde<br />

Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Jonas Gengnagel,<br />

Isabel Kohler, Irina Mortoiu<br />

Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Chris Schlapp, Harald Buchinger<br />

Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Stefan Calin, Gheorghe-R zvan Marior, Fred Hauschka<br />

Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />

Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger,<br />

Klaus Peterstorfer, Herbert Kosecki<br />

Litho PX2 Hamburg GmbH & Co. KG<br />

Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

Druck und Verarbeitung A. Beig Druckerei und Verlag,<br />

Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />

QR Code ist ein eingetragenes Warenzeichen von Denso Wave Incorporated<br />

Spendenkonto Hinz&Kunzt<br />

IBAN: DE56 2005 0550 1280 1678 73<br />

BIC: HASPDEHHXXX<br />

Die Hinz&Kunzt gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />

Freistellungsbescheid bzw. nach der Anlage zum Körperschaftssteuerbescheid<br />

des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer 17/414/00797,<br />

vom 15.3.<strong>2021</strong> für das Jahr 2019 nach § 5 Abs.1 Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes<br />

von der Körperschaftssteuer und nach<br />

§ 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />

Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&Kunzt ist als<br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister beim<br />

Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen.<br />

Wir bestätigen, dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&Kunzt<br />

einsetzen. Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte<br />

weitergegeben. Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf<br />

www.hinzundkunzt.de. Hinz&Kunzt ist ein unabhängiges soziales Projekt, das<br />

obdachlosen und ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />

Das Magazin wird von Journalist*innen geschrieben, Wohnungslose und<br />

ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter*innen<br />

unterstützen die Verkäufer*innen.<br />

Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />

Gesellschafter<br />

Durchschnittliche monatliche<br />

Druckauflage 2. Quartal <strong>2021</strong>:<br />

61.666 Exemplare<br />

55


„Ich hatte noch nie<br />

einen eigenen Schlüssel“<br />

Klaus verkauft Hinz&Kunzt in der Horner Landstraße vor Aldi.<br />

Zum ersten Mal im Leben konnte der 49-Jährige jetzt in eine eigene Wohnung ziehen.<br />

TEXT: JONAS FÜLLNER; FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

T<br />

ür zu und endlich Ruhe.<br />

Durchatmen. Klaus kannte<br />

solche Momente überhaupt<br />

nicht mehr, bis er im Dezember<br />

einen Platz im Hamburger<br />

Hotelprojekt für Obdachlose erhielt.<br />

„Da war ich richtig glücklich.“<br />

Das erzählt der ehemalige Obdachlose,<br />

während er zusammen mit<br />

Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Jonas<br />

Gengnagel mühsam einen Küchentisch<br />

durch den Eingang eines Altbaus<br />

in Harburg hievt. Das Hotelzimmer<br />

war für Klaus nur der erste Schritt.<br />

Jetzt, knapp sechs Monate später,<br />

bezieht Klaus zum ersten Mal in seinem<br />

Leben ein eigenes Zuhause – mit<br />

49 Jahren. Die kleine Mietwohnung im<br />

Zentrum von Harburg ist günstig und<br />

trotzdem in einem super Zustand. „Ein<br />

richtiger Jackpot“, sagt Sozialarbeiter<br />

Gengnagel.<br />

Dass zu einem Dach über dem<br />

Kopf und einem eigenen Bett auch ein<br />

56


Momentaufnahme<br />

Klaus beim<br />

Einzug in<br />

seine neue<br />

Wohnung im<br />

dritten Stock<br />

Schlüssel gehört, war für den Langzeitobdachlosen<br />

Klaus eine echte Umstellung.<br />

Ständig habe er den Hotelschlüssel<br />

im Zimmer vergessen, erinnert er sich<br />

und schiebt fast entschuldigend hinterher:<br />

„Ich hatte noch nie einen eigenen<br />

Schlüssel. Nicht mal für ein Fahrradschloss.“<br />

Wozu auch? Seit mehr als 30 Jahren<br />

hat der gebürtige Darmstädter keinen<br />

festen Wohnsitz mehr. Mit 13 nahm<br />

er das erste Mal von seinen Eltern Reißaus.<br />

Rückblickend sagt Klaus, er sei ein<br />

ziemlicher Chaot gewesen und „immer<br />

breit“. Seine Eltern seien froh gewesen,<br />

als er weg war, glaubt Klaus. Jugendliche<br />

wie er landen dann für gewöhnlich<br />

im Heim. Klaus hingegen zog vom<br />

Elternhaus auf einen Bauwagenplatz.<br />

Er jobbte in einem Chemielabor, verdiente<br />

sein erstes eigenes Geld und<br />

machte eine Ausbildung zum Industriemechaniker.<br />

Als 1990 die Mauer fiel,<br />

zog es ihn rüber in den Osten. Viele<br />

Ostdeutsche verloren damals ihre Arbeit.<br />

Für einen Überlebenskünstler wie<br />

Klaus hingegen eröffnete der Umbruch<br />

paradiesische Möglichkeiten. Einige<br />

Jahre lebte er in besetzten Häusern in<br />

Chemnitz, Leipzig und Magdeburg. Eine<br />

wilde Zeit, in der Klaus die Arbeit<br />

aus den Augen verlor und längst nicht<br />

mehr nur Alkohol, sondern auch Haschisch<br />

und Partydrogen konsumierte.<br />

Um sich sein Leben zu finanzieren,<br />

begann er zu dealen. Das funktionierte<br />

einige Jahre, dann wurde er gefasst und<br />

landete schließlich im Knast.<br />

Nach Jahren in Haft stand Klaus<br />

erneut ohne Wohnung da. Fast 40 war<br />

er inzwischen und längst nicht mehr so<br />

wild wie früher. Er sei erst mal viel rumgereist,<br />

habe auf der Straße geschlafen<br />

und sich mit kleinen Jobs durchgeschlagen.<br />

„Ich habe alles gemacht, was eben<br />

anfällt.“ Aber geklaut habe er nie, betont<br />

Klaus. Sein unstetes Leben änderte<br />

sich erst 2014, als er nach Hamburg<br />

kam. Klaus fand zu Hinz&Kunzt, wurde<br />

Magazinverkäufer und blieb.<br />

Trotzdem dauerte es noch einmal<br />

fast sieben Jahre, bis Klaus von der<br />

Straße wegkam. Sein Türöffner war das<br />

Hotelprojekt von Hinz&Kunzt, Diakonie<br />

und anderen Hilfseinrichtungen für<br />

Obdachlose. Als im Frühjahr 2020<br />

die Coronapandemie ausbrach, lautete<br />

57<br />

das Motto „Stay at home – bleibt zu<br />

Hause“. Für Obdachlose eine Illusion,<br />

da ihnen die Stadt in Großunterkünften<br />

lediglich Erfrierungsschutz, aber eben<br />

kaum Schutz vor Infektionen bot.<br />

Hinz&Kunzt und andere Hilfseinrichtungen<br />

forderten daher gemeinsam die<br />

Hotelunterbringung. Gehör fanden sie<br />

allerdings nicht beim Senat, sondern<br />

bei großzügigen Spender:innen. Mit<br />

deren Geld wurden schließlich Obdachlose<br />

wie Klaus von der Straße<br />

geholt.<br />

„Ich war meistens<br />

allein unterwegs,<br />

da hat man<br />

weniger Stress.“<br />

HINZ&KÜNZTLER KLAUS<br />

Sozialarbeiter Jonas Gengnagel kennt<br />

Klaus seit zweieinhalb Jahren. Damals<br />

hatte sich der Hinz&Künztler bereits<br />

einen Stammplatz in Horn erarbeitet.<br />

Aber nachts schlief Klaus draußen in<br />

seinem Zelt – egal wie kalt oder nass es<br />

war. „Die Zeit auf der Straße hat man<br />

Klaus deutlich angesehen. Jetzt hat<br />

er wieder richtig Farbe im Gesicht“,<br />

freut sich Gengnagel. Klaus stimmt zu.<br />

Die Zeit der Obdachlosigkeit sieht man<br />

ihm aber trotzdem auch heute noch<br />

deutlich an, obwohl er sagt: „Das Hotel


Momentaufnahme<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>340</strong>/JUNI <strong>2021</strong><br />

Fortsetzung von Seite 57<br />

Endlich zur<br />

Ruhe kommen:<br />

Klaus in seinem<br />

Schlaf zimmer<br />

Obdachlose in Hotels<br />

Während die Stadt Obdachlosen im vergangenen<br />

Winter in drei Großunterkünften<br />

Schutz anbot, mieteten Hinz&Kunzt,<br />

Diakonie und Alimaus in sechs Hotels<br />

Zimmer für 130 Menschen an. Sie<br />

wurden dort von Sozialarbeiterinnen und<br />

Sozialarbeitern begleitet und erhielten<br />

Verpflegung oder Lebensmittelgutscheine.<br />

Das Hamburger Unter nehmen<br />

Reemtsma und seine Mitarbeitenden,<br />

der FC St. Pauli, die Nordkirche und die<br />

Diakonie-Stiftung MitMenschlichkeit<br />

Hamburg sowie private Spender:innen<br />

finanzierten das Kooperationsprojekt.<br />

Es endete am 15. Mai, nachdem allen<br />

Beherbergten ein Impfangebot gemacht<br />

werden konnte (siehe Seite 28). Bereits<br />

zu Beginn der Pandemie im Frühjahr<br />

2020 hatten die Projektpartner:innen<br />

obdachlose Menschen in Hotels untergebracht<br />

und damit gute Erfahrungen<br />

gemacht. Neben diesem Kooperationsprojekt<br />

ermöglichten in Hamburg<br />

weitere Initiativen Obdachlosen einen<br />

Hotel aufenthalt mithilfe von Spenden.<br />

war Erholung pur.“ Warum er davor<br />

die Straße, trotz der Kälte, dem städtischen<br />

Winternotprogramm mit Mehrbettzimmern<br />

vorgezogen habe? Klaus<br />

muss nicht lange überlegen: „Da wird<br />

nur geklaut. Da kannste dein Zeug<br />

nicht liegen lassen“, sagt er. „Ich war<br />

stattdessen meistens allein unterwegs,<br />

da hat man weniger Stress.“<br />

Ob er sich denn nie ein Dach über<br />

dem Kopf gewünscht habe? „Doch“,<br />

sagt Klaus, der von der Schlepperei erschöpft<br />

erst mal Pause in seiner Küche<br />

macht. „Aber in Hamburg eine Wohnung<br />

finden?“ Immer mal wieder habe<br />

er sein Glück versucht. Vergeblich.<br />

Nach so vielen Rückschlägen sei es<br />

schwer, die Menschen noch zu erreichen,<br />

sagt Sozialarbeiter Gengnagel. Er<br />

war froh, dass Klaus das Angebot annahm,<br />

im Hotel zu schlafen. „Erst<br />

durch das Hotelprojekt haben wir uns<br />

richtig kennengelernt“, ergänzt Gengnagel.<br />

Früher sei Klaus eher ein komplizierter<br />

Typ gewesen. „Manche hielten<br />

ihn sogar für einen Kotzbrocken.“<br />

Klaus schmunzelt und nickt. Er habe<br />

sich verändert, weil er zuletzt endlich<br />

auch positive Dinge erlebt habe: „Wie<br />

sich die Leute von ,mybed‘ um uns gekümmert<br />

haben, das war sensationell.<br />

Da kann sich jeder eine Scheibe von abschneiden.“<br />

Bei aller Begeisterung war<br />

ihm die zeitliche Befristung des Hotelprojektes<br />

klar. Ende Mai hätte er wieder<br />

auf die Straße gemusst. Kein Schutzund<br />

Ruheraum mehr. Keine Tür, die<br />

man schließen kann. Nur ein Zelt.<br />

Umso glücklicher war er, als ihm<br />

Jonas Gengnagel eine Anschlussperspektive<br />

eröffnete. Die Wohnung in<br />

Harburg wurde Hinz&Kunzt privat angeboten.<br />

Sie ist nicht überteuert, kein<br />

Schimmel an den Wänden. „So ein Angebot<br />

ganz ohne Haken hatte ich noch<br />

nicht“, freut sich Klaus. Hinz&Kunzt<br />

bürgt für die Miete, die vorerst das Amt<br />

übernimmt. Und Klaus schmiedet<br />

schon Pläne: Seine erste Bewerbung für<br />

eine Halbtagsstelle habe er bereits eingereicht,<br />

erzählt der jetzt ehemalige<br />

Obdachlose.<br />

58<br />

Davor wird Klaus allerdings noch einige<br />

Stühle, Schränke und auch Geschirr<br />

und Besteck schleppen müssen. Seine<br />

neue Bude ist nicht groß. Aber wer vor<br />

dem Einzug nur einen Schlafsack<br />

besaß, fängt bei null an. Etwas verloren<br />

wirkt Klaus in seiner noch weitgehend<br />

leeren Wohnung und kratzt sich am<br />

Kopf. „Einen Sessel und einen Kleiderschrank<br />

könnte ich wohl auch noch gut<br />

gebrauchen“, sagt er und lacht. •<br />

jonas.fuellner@hinzundkunzt.de<br />

Klaus und alle anderen Hinz&Künztler:innen<br />

erkennt man am Verkaufsausweis.<br />

5934


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Ob es um das Klima geht, um die Gesellschaft,<br />

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sollen wir verantwortungsvoll handeln. Wie aus<br />

dieser Pflicht eine liebevolle Sorge und<br />

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zeigt Ina Schmidt klug und lebensnah.<br />

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