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32-2021 Aktuell Obwalden

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IM ARCHIV<br />

GestörterHausfriedeim«Friedenfels»<br />

Wie legt man Obst richtig ein? Eine<br />

Antwortauf diese Frage traute sich<br />

der «Volksfreund» im Jahr 1904<br />

nicht zu. Kein Wunder, denn solche Geheimnisse<br />

aus der Küche «versteht das Weibervolk<br />

besser», wie der Redaktor feststellte.<br />

Netterweiseempfahl er aber ein Kochbuch.<br />

Und zwar nicht irgendeines, sondern das<br />

vegetarische Kochbuch von Martha Rammelmeyer<br />

aus Wilen. Die vegetarische Ernährung<br />

ist nicht etwa eine Modeerscheinung<br />

unserer Zeit, sondern wurde schon<br />

vor langer Zeit propagiert. Dies allerdings<br />

weniger aus moralischen und ökologischen<br />

Gründen, sondern aus gesundheitlichen.<br />

Das Thema Gesundheit bestimmte das<br />

Leben vonMartha Rammelmeyerund ihrem<br />

Mann Otto. Sie führten ab 1903 die Kuranstalt<br />

Friedenfels in Wilen. Neben viel Zuwendung<br />

und vegetarischen Gerichten kamen<br />

die Gäste auch in den Genuss eines Strandbads<br />

am See und eines Luftbads. «Luftbad»<br />

bedeutete damals eigentlich nichts anderes<br />

als leicht bekleidet im Freien zu faulenzen<br />

und zu hoffen, dass Luft und Sonne den Körper<br />

heilen. Wobei: «Leicht bekleidet» ist untertrieben.<br />

Unter eingefleischten Luftbad-Fans<br />

hatte sich nämlich längst herumgesprochen,<br />

dass ein anständiges Luftbad am wirkungsvollsten<br />

ist, wenn man es so geniesst, wie<br />

der liebe Gott uns schuf, nämlich splitternackt.<br />

(Man ist versucht zu sagen, dass der<br />

Aufenthalt in einem solchen Kurhaus nurmit<br />

viel Alkohol zu ertragen war, allerdings war<br />

dessen Genuss dortstrikte verboten.)<br />

Befreite Genitalien =Bolschewismus<br />

Der liebe Gott hat aber gar keine Freude,<br />

wenn sich Kurgäste unbekleidet unter freiem<br />

Himmel zeigen –auch wenn das Gelände<br />

wie in Wilen hoch umzäunt war.Davonüberzeugt<br />

war zumindest ein gewisser Carl Gorini<br />

aus St. Gallen. Dem Herrn war zugetragen<br />

worden, dass die Gäste im Kurhaus Friedenfels<br />

in «vollständig nacktem Zustande» ihr<br />

Luftbad geniessen. Und sogriff Carl Gorini<br />

am 4. Dezember 1929 zur Schreibmaschine<br />

und wandte sich an die Obwaldner Regierung.<br />

«Gegen diese Nacktkultur muss mit<br />

aller Entschiedenheit protestiert werden»,<br />

empörte er sich. «Das ist Bolschewismus<br />

auf sittlichem Gebiete.» Er wisse, so Gorini,<br />

von anderen Kuranstalten mit Luftbädern.<br />

Dort seien die Gäste stets im Badekostüm<br />

–sowie es die Keuschheit undChristlichkeit<br />

gebiete. Die Regierung tat das, was sie halt<br />

so tut, wenn sich jemand beklagt. Sie leitete<br />

die Beschwerde an die Rammelmeyers wei-<br />

Grosse Luftbadanlagen und Diätkuren: Inserat in der Schweizer Lehrerinnenzeitung von1930.

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