Immobilia_0821_low
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IMMOBILIENPOLITIK<br />
WOHNEIGENTUMSBESTEUERUNG<br />
PRIVATE VERMIETER<br />
ZUR KASSE BITTEN<br />
Der Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung<br />
geniesst im Grundsatz breite<br />
Unterstützung. Aber bei der Umsetzung dürfen<br />
keine neuen Ungerechtigkeiten geschaffen<br />
werden. TEXT—IVO CATHOMEN*<br />
Vermietern<br />
mit Liegenschaften<br />
im<br />
Privatvermögen<br />
droht eine<br />
steuerliche<br />
Schlechterstellung.<br />
SCHMALER GRAT<br />
Die Wirtschaftskommission des Ständerats<br />
hat sich mit dem Systemwechsel bei<br />
der Wohneigentumsbesteuerung viel Zeit<br />
gelassen. Im Januar 2017 hatte sie eine Motion<br />
von Alt-Nationalrat Hans Egloff abgelehnt,<br />
aber gleichzeitig einstimmig die parlamentarische<br />
Initiative «Systemwechsel<br />
bei der Wohneigentumsbesteuerung» beschlossen<br />
und sich den Auftrag gegeben, einen<br />
Entwurf auszuarbeiten. Seither hat sie<br />
eine Vernehmlassung durchgeführt und<br />
verschiedene Aufträge an die Verwaltung<br />
erteilt. Ende Mai hat sie nun einen Entwurf<br />
zuhanden des Bundesrats verabschiedet.<br />
Dieser wird voraussichtlich in der Herbstsession<br />
in der kleinen Kammer behandelt.<br />
Soll der Systemwechsel tatsächlich gelingen,<br />
hat der Gesetzgeber einen schmalen<br />
Grat zu begehen.<br />
Der Entwurf sieht vor, für am Wohnsitz<br />
selbstbewohntes Wohneigentum sowohl<br />
auf Bundes- als auch auf Kantonsebene den<br />
Eigenmietwert und gleichzeitig die Abzüge<br />
für die Gewinnungskosten, d. h. die Unterhaltskosten,<br />
die Kosten der Instandstellung<br />
von neu erworbenen Liegenschaften,<br />
die Versicherungsprämien sowie die Kosten<br />
der Verwaltung durch Dritte, aufzuheben.<br />
Auf Bundesebene sollen bei diesen<br />
Liegenschaften auch die ausserfiskalisch<br />
motivierten Abzüge für Energiesparen,<br />
Umweltschutz und Rückbau fallen, während<br />
die Kantone solche Abzüge in ihren<br />
Steuergesetzgebungen weiterhin zulassen<br />
können, wobei die Abzüge für Energiesparen<br />
und Umweltschutz bis zum Erreichen<br />
von CO2-Zielen zeitlich begrenzt wären.<br />
Die Kosten denkmalpflegerischer Arbeiten<br />
sollen abzugsfähig bleiben.<br />
AUSNAHME ZWEIT- UND<br />
RENDITELIEGENSCHAFTEN<br />
Selbstgenutzte Zweitliegenschaften sollen<br />
vom Systemwechsel ausgenommen<br />
sein, d. h. ihr Eigenmietwert soll aus fiskalischen<br />
Gründen sowohl auf Bundes- als<br />
auch auf Kantonsebene steuerbar bleiben.<br />
Das Gleiche gilt für die Erträge aus vermieteten<br />
oder verpachteten Liegenschaften.<br />
Entsprechend sollen bei solchen Liegenschaften<br />
auch die Gewinnungskosten auf<br />
Bundes- und auf Kantonsebene abzugsfähig<br />
bleiben. Die Abzüge für Energiesparen,<br />
Umweltschutz, Denkmalpflege und Rückbau<br />
sollen hingegen wie beim am Wohnsitz<br />
selbstbewohnten Wohneigentum auf Bundesebene<br />
aufgehoben werden, während die<br />
Kantone sie weiterhin gewähren können.<br />
Die grosse Ausnahme stellen die Schuldzinsen<br />
dar: Sie sollen nach der Kommissionsmehrheit<br />
nicht mehr in Abzug gebracht<br />
werden können. Sie begründet dies damit,<br />
dass angesichts der hohen Privatverschuldung,<br />
die in erster Linie auf Hypothekarschulden<br />
zurückzuführen ist, die Reduktion<br />
der Verschuldungsanreize ein zentrales<br />
Anliegen sei.<br />
Diesem Ansinnen stellt eine Minderheit<br />
unter Führung von Ständerat Erich<br />
Ettlin, Die Mitte, OW, und Mitglied des Politischen<br />
Beirats des SVIT Schweiz, den<br />
BILD: ÜBERBAUUNG IN CHAM ZG, 123RF.COM<br />
Antrag gegenüber, die zulässigen Schuldzinsenabzüge<br />
auf 70% der steuerbaren<br />
Vermögenserträge zu beschränken.<br />
Der SVIT hält die komplette Aufhebung<br />
des Schuldzinsabzugs für Zweitliegenschaften<br />
und namentlich für Renditeliegenschaften<br />
im Privatvermögen aus zwei<br />
Gründen für nicht akzeptabel. Erstens verstösst<br />
die Streichung des Schuldzinsabzugs<br />
bei gleichzeitiger Besteuerung des Eigenmietwerts<br />
von Zweitliegenschaften gegen<br />
den Grundsatz der Besteuerung nach der<br />
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Und<br />
zweitens werden private Vermieter mit<br />
Renditeliegenschaften im Privatvermögen<br />
gegenüber juristischen Personen steuerlich<br />
benachteiligt. Dass die Kommissionsmehrheit<br />
mit der Streichung jeglicher<br />
Schuldzinsabzüge den Grundsatz der Besteuerung<br />
nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit<br />
«strapaziert», wie die Kommission<br />
dies im Bericht schreibt, ist eine<br />
grobe Untertreibung. Sie ist schlicht rechtswidrig.<br />
Was die Renditeliegenschaften betrifft,<br />
so hat die Finanzmarktaufsicht die<br />
im Bereich der Hypothekarfinanzierung<br />
von Renditeliegenschaften angepasste,<br />
sprich: verschärfte Selbstregulierung der<br />
Schweizerischen Bankiervereinigung gerade<br />
eben anerkannt. Diese Selbstregulierung<br />
sieht neu vor, dass bei Hypothekarfinanzierungen<br />
von Renditeobjekten vom<br />
Kreditnehmer mindestens ein Viertel des<br />
Belehnungswerts als Eigenmittel eingebracht<br />
werden muss, statt nur die bisherigen<br />
zehn Prozent. Dabei gilt weiterhin das<br />
sogenannte Niederstwertprinzip, wonach<br />
eine mögliche Differenz zwischen höherem<br />
Kaufpreis und tieferem Belehnungswert<br />
vollständig mit Eigenmitteln zu finanzieren<br />
ist. Zudem muss die Hypothekarschuld<br />
neu innerhalb von maximal zehn (bisher<br />
fünfzehn) Jahren auf zwei Drittel des Belehnungswerts<br />
amortisiert werden. Dieser<br />
verschärften Selbstregulierung sollte nun<br />
einmal Zeit gegeben werden, ihre Wirkung<br />
zu entfalten.<br />
*IVO CATHOMEN<br />
Dr. oec. HSG, ist Herausgeber der<br />
Zeitschrift <strong>Immobilia</strong>.<br />
10<br />
IMMOBILIA / August 2021