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moneyeditorial<br />

EDITORIAL<br />

Der Küchentisch<br />

als Wahllokal<br />

FRANK MERTGEN<br />

STELLV. CHEFREDAKTEUR<br />

FOCUS-MONEY<br />

Die Bundestagswahl am 26. September wird interessanter als gedacht.<br />

Das geht schon damit los, dass bereits jetzt Millionen „Wahllokale auf dem<br />

Küchentisch“ (DB Research) aufgestellt werden – und die Wähler wählen. Der<br />

Anteil der Briefwähler (2017: 29 Prozent) dürfte sich locker verdoppeln wie schon<br />

bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder Sachsen-Anhalt.<br />

Sechs von zehn Briefwählern wollen gleich wählen und die Briefe abschicken.<br />

Sie sehen derzeit die Union in Umfragen teils hinter der SPD, schwächelnde Grüne<br />

und immer stärkere Liberale. Diese Briefwähler stehen zudem stark unter dem Einfluss<br />

des Afghanistan-Desasters. Außenpolitik dürfte zumindest im Moment einen<br />

unerwartet starken Einfluss haben, das macht die Sache noch schwerer kalkulierbar.<br />

Ende vergangener Woche hatten jedenfalls nur Dreierkonstellationen die Chance<br />

auf die Mehrheit im Bundestag, Jamaika (Union/Grüne/FDP), die Ampel (SPD/FDP/<br />

Grüne) oder die Deutschland-Koalition (Union/SPD/FDP). Für Rot-Rot-Grün würde<br />

es derzeit nicht reichen. Kein Grund zum Bedauern, weder mit Blick auf eine verlässliche<br />

Außenpolitik noch etwa auf die Steuerpolitik, über die ich an dieser Stelle<br />

in Ausgabe 19/<strong>2021</strong> geschrieben habe („Paradies mit 75 Prozent Steuersatz“).<br />

Das Korrektiv<br />

Das ist zwar nur eine Momentaufnahme. Aber die FDP wäre ein interessantes Korrektiv<br />

in wichtigen Politikfeldern. In der Finanzpolitik dringen die Liberalen auf eine<br />

Abkehr vom Prinzip, alle Probleme mit Geld, aufgenommen über beliebig hohe neue<br />

Schulden, zuzukleistern. Das gilt auch für die EU-Ebene, wo die Liberalen verhindern<br />

wollen, dass aus dem angeblich einmaligen und der Corona-Krise geschuldeten<br />

europäischen 750-Milliarden-Euro-Paket „Next Generation EU“ eine Dauereinrichtung<br />

wird und der Euro-Stabilitätspakt für immer aufgeweicht wird. Im<br />

Klimaschutz setzen sie auf innovative Technologie und marktwirtschaftliche Instrumente,<br />

statt den Schwerpunkt auf Verbote zu setzen. Zudem treffe ich ständig<br />

Leute, die die FDP wegen ihrer ausgewogenen Corona-Politik wählen wollen, die die<br />

Risiken von Covid-19 nicht herunterspielt, aber zugleich nicht sofort dem permanenten<br />

Aussetzen von Grundrechten das Wort redet. Es hat der Partei überdies nicht<br />

geschadet, dass ihr Glaubwürdigkeit bei der Forderung nach einer Modernisierung<br />

des Staatsapparats zugesprochen wird – Millionen haben höchstpersönlich Bekanntschaft<br />

etwa mit den digitalen Defiziten der Gesundheitsämter gemacht.<br />

Interessant sind für Anleger auch die Positionen zu „kleineren“ Themen. So plädieren<br />

nur Union und FDP für einen höheren Sparerpauschbetrag und eine höhere<br />

Arbeitnehmersparzulage. Während die Grünen und die Linke die Abgeltungsteuer<br />

abschaffen wollen, votieren die Liberalen bei Gewinnen aus der Veräußerung von<br />

Wertpapieren für eine Spekulationsfrist von drei Jahren. Darüber urteile jeder selbst,<br />

doch schreiben jedenfalls die Verbraucherzentralen mit Blick auf die Altersvorsorge<br />

(gemeint ist hier ein Standardprodukt): „Eine breit gestreute Anlage in Aktien für<br />

die Altersvorsorge würde sich für Verbraucher lohnen und beträchtliche Renditen<br />

ermöglichen.“<br />

Ihr<br />

MEINE LESETIPPS<br />

DAS BESTE<br />

UNTER 10 EURO<br />

Wir stellen Ihnen 32 Aktien genauer<br />

vor, deren Kurs niedrig ist, die<br />

Bewertung günstig, der Name meist<br />

unbekannt – die Chancen aber nicht<br />

selten enorm. Von den besten<br />

Pennystocks der Wall Street bis zu<br />

weithin verkannten Dividendenwerten.<br />

Seite 8<br />

DAX 17 000?<br />

Wie belasten die zunehmenden<br />

Corona-Fälle die Weltwirtschaft? Was<br />

ist von der US-Notenbank zu<br />

erwarten? Was bedeutet das alles für<br />

Dax und MDax? Im Interview gibt<br />

Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege<br />

Privat- und Firmenkunden der<br />

Deutschen Bank, umfassend Antwort.<br />

Seite 40<br />

GESUNDE BASIS<br />

Die Pandemie hat jedem verdeutlicht,<br />

wie wichtig die Gesundheitsbranche<br />

ist. Die besten Fonds und ETFs für<br />

Healthcare-Aktien versammeln die<br />

Top-Unternehmen weltweit in einem<br />

Produkt. Seite 58<br />

FOCUS-MONEY <strong>36</strong> /<strong>2021</strong><br />

Foto: S. Ugurlu/FOCUS-MONEY Composing: FOCUS-MONEY<br />

3


moneyinhalt<br />

1. SEPTEMBER <strong>2021</strong> www.money.de<br />

moneykompakt<br />

6 Brennpunkt: Die kreativsten<br />

Companies an der Börse<br />

52 Krypto-Ticker: Der Bitcoin steht<br />

gerade am Scheideweg<br />

98 Andis Börsenbarometer: Bei<br />

Aktien aus der „Plattform-Ökonomie“<br />

ist noch immer Luft drin<br />

moneytitel<br />

8 Ambitionierte Analyse: Die Suche<br />

hat sich gelohnt – die besten<br />

Werte der Welt zu Spottpreisen<br />

10 Bestens und billig: Von Accentro<br />

über Deutz bis Schaeffler: Deutsche<br />

Aktien, die es in sich haben<br />

14 MCP Capital: Die Neuausrichtung<br />

des Hamburger Vermögensverwalters<br />

beginnt sich auszuzahlen<br />

16 Pennystocks: Ob es um Kurspotenzial,<br />

SmartScore oder Momentum<br />

geht – Top-Picks im Überblick<br />

20 Goldminen: Schlaue Schürfer zu<br />

unterirdisch günstigen Kursen<br />

22 Veon: Telekomgigant mit hohem<br />

Potenzial in Schwellenländern<br />

23 E-Sports: Mit diesen Aktien macht<br />

das Spielen so richtig Spaß<br />

24 Zynga: Der Entwickler des<br />

legendären „Farmville“-Games<br />

fährt immer reichere Ernten ein<br />

26 Buffett-Bedingungen: Aussichtsreiche<br />

Aktien nach Gusto des<br />

Star-Investors für wenige Euros<br />

8<br />

Starke Titel<br />

unter zehn Euro<br />

FOCUS-MONEY hat die<br />

heißesten Schnäppchen<br />

herausgefiltert, die kurz vor<br />

dem Durchbruch stehen<br />

44<br />

Hart am Wind<br />

Mit dem zügigen Ausbau regenerativer Energien will<br />

RWE seine Renditen nachhaltig steigern<br />

29 United Microelectronics: Die<br />

Chip-Knappheit spielt dem<br />

Halbleiterexperten in die Hände<br />

30 Biotech-Aktien: Einstelliger Preis,<br />

dreistelliges Kurspotenzial – Curis<br />

und Viking Therapeutics bieten es<br />

32 Top-Prämien: Die spendabelsten<br />

Dividenden-Papiere zu Minipreisen<br />

unter 6,70 Euro<br />

35 GoPro: Der US-Hersteller von<br />

Action-Kameras erfindet sich neu –<br />

mit Abo-Modellen aus der Cloud<br />

4<br />

Composing: FOCUS-MONEY FOCUS-MONEY <strong>36</strong>/<strong>2021</strong>


46<br />

Verlockende Frucht<br />

Cherry ist ein Hidden Champion. Branchenexperten rechnen bis<br />

2023 mit einem jährlichen Umsatzwachstum von 28 Prozent<br />

<strong>36</strong> Niiio Finance Group: Der digitale<br />

Vermögensverwalter plant mit<br />

100 Prozent Wachstum jährlich<br />

37 SGT: Die Gesellschaft wandelt<br />

sich zum Private-Equity-Manager<br />

38 Entsorger: Müllberge wachsen.<br />

Zwei Profiteure dieser Entwicklung<br />

moneymarkets<br />

40 Markt-Interview: Ulrich Stephan<br />

über günstige Aktien und die von<br />

ihm favorisierten Branchen<br />

44 RWE: Der Noch-Kohle-Gigant baut<br />

sich zum Ökostrom-Riesen um<br />

46 Cherry: Die Hightech-Firma liefert<br />

überzeugende Ergebnisse<br />

48 Top-Zertifikate: Sechs Renditeturbos<br />

mit leicht nachvollziehbaren<br />

Chance-Risiko-Profilen<br />

58 Gesundheit: Pharma und Medizintechnik<br />

sind sehr gefragt. Welche<br />

Fonds und ETFs an diesem Boom<br />

teilhaben<br />

64 Musterdepots: Jaensch geht von<br />

weiterer Hausse aus<br />

moneyyou<br />

54 Aktienanalyse: Firmen geben Milliarden<br />

für IT-Sicherheit aus – für<br />

Palo Alto gute Zukunftsaussichten<br />

57 Chartsignal: Klöckner – neue<br />

Gelegenheit nach Kurseinbruch<br />

57 Börsenwissen: Meme-Stocks sind<br />

der neue Hype – wie Sie mit den<br />

riskanten Aktien umgehen sollten<br />

moneyanlegerschutz<br />

66 Purpose-Diskussion: Über den<br />

Unternehmenszweck im Kontext<br />

der aktuellen ESG-Kriterien<br />

67 Experten-Tipp: Ein Faktor, auf den<br />

Anleger bei Börsengängen ganz<br />

besonders achten müssen<br />

moneyservice<br />

68 Kfz-Policen: Haftpflicht, Teil- und<br />

Vollkasko-Tarife von Direkt- und<br />

Serviceversicherern im Test<br />

72 Privathaftpflicht: Wo Versicherer<br />

fair mit der Klientel umgehen<br />

76 Substanzkraft: Welche Lebensversicherer<br />

finanziell gut dastehen<br />

moneyanalyse<br />

81 Fonds<br />

82 Deutsche Aktien<br />

90 Internationale Aktien<br />

96 ETFs<br />

97 Zertifikate<br />

moneyrubriken<br />

3 Editorial<br />

80 Leserbriefe – Impressum<br />

98 Termine<br />

48<br />

Der Sonderbonus<br />

Mit Top-Zertifikaten können<br />

Anleger im Hinblick auf Renditechancen<br />

noch mal eine Schippe<br />

drauflegen – auch wenn Kurse nur<br />

noch auf der Stelle treten. Sechs<br />

vielversprechende Kandidaten<br />

„Ich denke, der Dax könnte sich<br />

im kommenden Jahr in Richtung<br />

17 000 Punkte bewegen“<br />

40<br />

ULRICH STEPHAN, CHEF-ANLAGESTRATEGE<br />

DEUTSCHE BANK, PRIVAT- UND FIRMENKUNDEN<br />

FOCUS-MONEY <strong>36</strong>/<strong>2021</strong><br />

Fotos: Can Stock Photo (2), RWE, iStock,<br />

T. Wegner/Deutsche Bank<br />

5


TITEL<br />

DAS BESTE<br />

UNTER<br />

10 EURO<br />

Keine Ramschware, sondern die heißesten Schnäppchen der<br />

Börse! FOCUS-MONEY hat für Sie nach den besten Aktien<br />

gesucht, die noch vor ihrem großen Durchbruch stehen. Einzige<br />

Bedingung: Jede Aktie ist (noch) für unter zehn Euro zu haben<br />

Jeder Schein ist eine Chance!<br />

von SINAN KRIEGER<br />

Was würden sie dafür geben, um ins Jahr 2001 zurückzureisen,<br />

um Amazon-Aktien für acht Euro zu kaufen? Oder ins Jahr<br />

1998, um Apple-Aktien für ganze 13 Cent zu ordern? Vermutlich<br />

eine Menge! Die schlechte Nachricht: Sie werden in der Zeit<br />

nicht zurückreisen können. Die 98 000 Prozent, die Apple in<br />

der Zwischenzeit an der Börse hingelegt hat, sind an Ihnen vorbeigezogen.<br />

Die gute Nachricht: Geschichte kann sich wiederholen – es liegt nur in<br />

Ihrer Hand. Denn der Blick in die Vergangenheit zeigt: Auch Amazon, Apple & Co.<br />

waren mal bestenfalls Nebendarsteller der Börse, den meisten Menschen völlig unbekannt.<br />

Und an genau dieser Stelle befindet sich heute im Jahr <strong>2021</strong> wieder eine<br />

Vielzahl an Unternehmen. Logisch, vermutlich werden 98 Prozent dieser Werte<br />

nicht im Ansatz eine ähnliche Entwicklung nehmen. Aber was ist mit den anderen<br />

zwei Prozent? Was ist, wenn Sie heute schon in die Aktien investieren, die übermorgen<br />

die ganze Welt kennt?<br />

FOCUS-MONEY hat deshalb ein gigantisches Experiment gewagt. Die Aufgabe:<br />

die heißesten Aktien zu finden, die nicht mehr als zehn Euro kosten. Das Ergebnis:<br />

vielversprechend. Sehr vielversprechend! Lesen Sie, welche Pennystocks an der<br />

Wall Street von den besten Analysten der Welt geliebt werden. Erfahren Sie, welche<br />

Günstig-Aktien schon heute mit soliden Dividenden glänzen. Wie heißen die<br />

nächsten Kursraketen im Mega-Boom-Markt Biotechnologie? Und welche deutschen<br />

Aktien unter zehn Euro sind besonders attraktiv? Wir haben die Antworten<br />

– und die besten Schnäppchen-Aktien der Welt für Sie.<br />

FOCUS-MONEY <strong>36</strong>/<strong>2021</strong><br />

Illustration: VectorStock 9


moneytitel<br />

WINZIGE KRAFTPROTZE:<br />

Ameisen müssen nicht groß<br />

und Aktien nicht teuer sein,<br />

damit sie stark sind<br />

DEUTSCHE AKTIEN<br />

Kraftpakete für<br />

wenig Geld<br />

Hohe Qualität für wenig Geld findet sich<br />

im CDax zuhauf: Preis unter<br />

10 Euro, niedriges KGV und KBV,<br />

Kurspotenzial bis 65 Prozent.<br />

Die besten Günstig-Aktien<br />

von ANNA LENA LIPKA, BERND JOHANN<br />

Man braucht keine dicke Brieftasche,<br />

um investieren zu können.<br />

Vielleicht reicht es nicht für irrsinnig<br />

teure Aktien wie Lindt (eine einzige<br />

Namensaktie ist aktuell für rund 105 000<br />

Schweizer Franken zu haben, das entspricht<br />

etwas mehr als 98 000 Euro). Aber auch wer für<br />

eine Aktie nicht mehr als zehn Euro ausgeben<br />

will, hat noch reichlich Auswahl. Und dafür muss<br />

man nicht einmal in die Ferne blicken: Gute Aktien für<br />

unter zehn Euro gibt es auch in Deutschland. Und: Das<br />

sind nicht alles Unbekannte: Von thyssenkrupp, Schaeffler<br />

oder der Commerzbank hat wohl jeder schon einmal gehört,<br />

der sich auch nur ansatzweise mit Wirtschaft beschäftigt hat.<br />

Nur war vielleicht nicht jedem klar, dass man bei diesen Unternehmen<br />

auch schon mit kleinsten Beträgen einsteigen<br />

kann. Allerdings sollte man sich auch nicht nur auf die Bekannten<br />

beschränken: FOCUS-MONEY hat sich für Sie im<br />

CDax nach den besten U10-Aktien umgeschaut.<br />

Die Methode. Der CDax umfasst etwas mehr als 400 Aktien.<br />

Davon kosten noch einige weniger als zehn Euro, selbst<br />

wenn man die Aktien unberücksichtigt lässt, die nur noch<br />

Cent-Beträge kosten (Wirecard lässt grüßen). Anschließend<br />

hat FOCUS-MONEY die übrig gebliebenen Aktien durchs Analysetool<br />

des Informationsdienstleisters Bloomberg geschickt<br />

und die Titel herausgefiltert, die ein Kurs-Buchwert-Verhältnis<br />

von unter zehn haben.<br />

Das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) setzt den Aktienpreis<br />

ins Verhältnis zum Buchwert je Aktie, also dazu, wie viel das<br />

Unternehmen in der Bilanz wert ist – und zwar heute schon.<br />

Überlegungen, wie beispielsweise der Gewinn in fünf Jahren<br />

aussehen wird, sind fürs KBV irrelevant, es zählt nur, was<br />

10 Fotos: Can Stock Photo (2)<br />

Composing: FOCUS-MONEY<br />

FOCUS-MONEY <strong>36</strong>/<strong>2021</strong>


moneymarkets<br />

INTERVIEW<br />

Das<br />

Wachstum<br />

wird sich<br />

fortsetzen“<br />

von ARNO KONKEL<br />

40 FOCUS-MONEY <strong>36</strong>/<strong>2021</strong>


Vita<br />

Dr. Ulrich Stephan<br />

Dr. Ulrich Stephan,<br />

Chef-Anlagestratege<br />

Privat- und Firmenkunden<br />

bei der Deutschen<br />

Bank, spricht<br />

im großen FOCUS-<br />

MONEY-Interview über<br />

günstige Aktien,<br />

seine favorisierten<br />

Branchen und warum<br />

ihm trotz hoher<br />

Inflation die<br />

Fantasie für Gold fehlt<br />

Studium der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre.<br />

1997 Promotion an der<br />

Universität zu Köln und am Massachusetts<br />

Institute of Technology<br />

Ab 2001 als Chief Investment Officer für<br />

Anlagestrategien und Portfolio-Management<br />

für Privatkunden verantwortlich<br />

Von 2008 bis 2010 Leitung des Private<br />

Banking für Privat- und Geschäftskunden<br />

der Deutschen Bank<br />

Chef-Anlagestratege für Privat- und<br />

Firmenkunden der Deutschen Bank<br />

seit 2010. In dieser Funktion verantwortet<br />

er seit 2010 die Marktanalyse<br />

und die Anlagestrategie<br />

Im Juli <strong>2021</strong> zusätzlich Übernahme der<br />

Funktion des Chef-Anlagestrategen für<br />

vermögende Privatkunden (Wealth<br />

Management) in Deutschland<br />

Sie haben eine schwungvolle Erholung in Europa angekündigt. Nach den<br />

schwachen volkswirtschaftlichen Daten aus China und der Angst vor der<br />

Delta-Variante des Coronavirus ist die Luft allerdings zwischenzeitlich aus<br />

den europäischen Indizes gewichen. Worauf haben sich Anleger nun einzustellen?<br />

Dr. Ulrich Stephan: Es war und ist natürlich klar, dass sich die<br />

Wachstumsdynamik mit fortschreitender Zeit wieder verlangsamen<br />

würde. Die Entwicklung im ersten Halbjahr <strong>2021</strong> – und hier speziell<br />

im zweiten Quartal – ist im Vergleich zum Vorjahr vor allem<br />

durch Aufholeffekte gekennzeichnet. Daher ist die derzeitige Situation<br />

weder überraschend noch besonders erschreckend. Das bedeutet<br />

allerdings nicht, dass wir auf eine Rezession zusteuern – im Gegenteil.<br />

Das Wachstum wird sich im laufenden Jahr und auch 2022<br />

fortsetzen. Kürzlich gab die Bundesbank ihre BIP-Prognose heraus<br />

und geht für Deutschland für <strong>2021</strong> von 3,7 Prozent Zuwachs aus.<br />

Dabei soll die Dynamik im dritten Quartal <strong>2021</strong> gegenüber dem Vorquartal<br />

noch einmal zunehmen. Für 2022 sind es dann 5,2 Prozent.<br />

In den USA, in China und in Asien wird sich die Wachstumsgeschwindigkeit<br />

meiner Ansicht nach etwas reduzieren.<br />

Viele Volkswirtschaften sind eng mit der chinesischen verknüpft. Welche<br />

Folgen hat der schwache wirtschaftliche Ausblick Chinas für die Weltwirtschaft?<br />

Stephan: Frei nach dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton:<br />

„It’s the politics, stupid“. Wirtschaft und Konjunktur sind in China<br />

stark politisch getrieben. Beispiel Stahlproduktion: Chinas Regierung<br />

möchte den Ausstoß für <strong>2021</strong> auf dem Niveau von 2020 einfrieren.<br />

Nach einem Zuwachs von acht Prozent im ersten Halbjahr<br />

bedeutet das nun, dass im zweiten Halbjahr zehn Prozent weniger<br />

erzeugt werden sollen. Unmittelbar nach der Ankündigung sanken<br />

die Preise für Nickel und Eisenerz. Das sind aber, so gesehen,<br />

hausgemachte und gewollte Maßnahmen. Es ist denkbar, dass die<br />

People’s Bank of China, also die chinesische Zentralbank, im September<br />

noch einmal die Mindestreservesätze für die Banken senkt,<br />

um Liquidität zur Verfügung zu stellen. Wir rechnen im laufenden<br />

Jahr für China mit gut acht Prozent BIP-Wachstum und im kommenden<br />

Jahr mit mehr als fünf Prozent. Das ist also schon Jammern<br />

auf hohem Niveau.<br />

Da liegen Sie mit Ihrer Wachstumsprognose gleich zwei Prozentpunkte über<br />

der der chinesischen Regierung. Sind Chinas Volkswirte mit einem BIP-<br />

Wachstum von sechs Prozent einfach zu konservativ unterwegs?<br />

Stephan: Die sechs Prozent beziehen sich auf den Durchschnittswert.<br />

Wenn China das große Ziel erreichen möchte, Mitte der<br />

2030er-Jahre das Wohlstandsniveau eines mittleren Industriestaats<br />

aufzuweisen, braucht es Wachstumsraten von etwa fünf Prozent<br />

pro Jahr. Außerdem hat die gesamte chinesische Wirtschaft<br />

die ökologische Transformation noch vor sich. Dafür wird ebenfalls<br />

noch viel Geld fließen. Ich bin optimistisch, dass China weiterhin<br />

wachsen wird.<br />

Reißende Lieferketten in der Chip-Industrie und Warteschlangen vor Chinas<br />

Häfen bereiten Ihnen mit Blick auf die Weltwirtschaft kein Kopfzerbrechen?<br />

Stephan: Die Diskussion um Lieferketten und Häfen ist coronabedingt.<br />

Acht von zehn der weltgrößten Häfen liegen in China. Diese<br />

können aufgrund der No-Covid-Strategie allerdings nicht an der<br />

Kapazitätsgrenze arbeiten. Bei manchen Häfen ist auch die Infrastruktur<br />

nicht auf dem neuesten Stand. Anders als sonst bei kon-<br />

FOCUS-MONEY <strong>36</strong>/<strong>2021</strong><br />

Foto: Tim Wegner/Deutsche Bank 41


moneymarkets<br />

GESUNDHEITSAKTIEN<br />

Eine einmalige<br />

Mischung<br />

Aktien aus den Bereichen Pharma und Medizintechnik<br />

vereinen große Gewinnchancen durch Innovationen mit<br />

Standfestigkeit in Börsenkrisen. Mit den richtigen<br />

Fonds können Anleger diese Kombination nutzen<br />

von ANNA MARIA BORSE UND ULI KÜHN<br />

KRITISCHER BLICK DES<br />

SPEZIALISTEN: viele<br />

Wachstumsfelder – auch in<br />

der Diagnostik<br />

58 Foto: iStock<br />

FOCUS-MONEY <strong>36</strong>/<strong>2021</strong>

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