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akzent Magazin Oktober '21 BO

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54<br />

KULTUR<br />

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DER GANZE KRISTO<br />

Kristo Šagor ist Theaterautor und Regisseur. Er ist Autodidakt, studierte aber auch ein Jahr<br />

am altehrwürdigen Trinity College in Dublin Drama. Er war als Freischaffender bereits an<br />

zahlreichen Theatern in Deutschland und überzeugte mit seiner Regiearbeit. Seine Autorenwerke<br />

wurden in den vergangenen Jahren vielfach ausgezeichnet. Neu ist jedoch, dass<br />

er fest an einem Haus ist. Seit der Spielzeit 20/21 ist er Künstlerischer Leiter des Jungen<br />

Theater in Konstanz und dort auch Hausregisseur. Zuvor war er lieber wie ein Schmetterling<br />

von Blume zu Blume geflattert, wie er sagt. Er schätzt die Zusammenarbeit mit<br />

Intendantin Karin Becker und dem Team am Theater Konstanz und freut sich auf wiederkehrende<br />

Schauspielgesichter genauso wie auf den Kuchen im Rosgarten-Café.<br />

VON TANJA HORLACHER (TEXT); FOTOS: THEATER KONSTANZ ILJA MESS UND BJØRN JANSEN<br />

AUSGEZEICHNET<br />

<strong>akzent</strong>: Kristo, Du bist seit dem Intendantenwechsel<br />

in der vergangenen<br />

Spielzeit speziell als Leiter des Jungen<br />

Theater in Konstanz.<br />

Kristo Šagor: (lacht) Ja und nein. Karin<br />

Becker weiß, dass ich ein Tausendsassa<br />

bin und hat quasi den ganzen<br />

Kristo mit nach Konstanz genommen.<br />

Ich schreibe für Kinder und Jugendliche,<br />

ich inszeniere für sie – aber auch<br />

für Erwachsene. Der Plan ist, dass ich<br />

jede Spielzeit als Regisseur ein Stück im<br />

Abendspielplan mache plus eines in der<br />

Kristo Šagor ist seit der Spielzeit 20/21 ist Künstlerischer<br />

Leiter des Jungen Theater in Konstanz und auch Hausregisseur.<br />

Der 45-Jährige ist auch als Autor erfolgreich. Er<br />

sagt: „Schreiben ist etwas, was kommt und geht. Ich habe<br />

irgendwann angefangen zu schreiben und bislang nie aufgehört.“<br />

Er schrieb schon Stücke in nur vier Wochen – vom ersten<br />

Gedanken bis zum fertigen Werk. Andere Ideen schlummern<br />

seit 20 Jahren in der Schublade. Er wurde auch durch<br />

seine Mutter, die viel gelesen habe, schon früh inspiriert. Den<br />

ersten Theaterbesuch hatte er mit fünf Jahren: „Die Zauberflöte“<br />

als Weihnachtsmärchen. Viele seiner Stücke wurden<br />

vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Jugendtheaterpreis<br />

Baden-Württemberg, dem Förderpreis des Berliner<br />

Kindertheaterpreises und dem Jugendstückepreis beim<br />

Heidelberger Stückemarkt. Mit seinem Stück Nibelungenleader<br />

war er im vergangenen Jahr in seiner ersten Spielzeit<br />

am Theater Konstanz gestartet. Für die aktuelle Spielzeit<br />

bringt Kristo Šagor als Regisseur das Stück „Der fabelhafte<br />

Die“ von Sergej Gößner auf die Bühne in der Spiegelhalle. In<br />

dieser Konstellation erhielten sie jetzt eines der Stipendien<br />

des Autoren Förderprojekts „Nah dran! Neue Stücke für das<br />

Kindertheater“, die jährlich vom Deutschen Literaturfonds<br />

zusammen mit dem Kinder- und Jugendtheaterzentrum der<br />

Bundesrepublik Deutschland vergeben werden. Auf spielerische<br />

Weise wird in dem Stück eine Welt aus Jahrmarkt und<br />

Revue erschaffen, eine Geschichte über das Geschichtenerzählen.<br />

Sparte. Corona hat das zum Start aber<br />

etwas durcheinandergebracht. Neben<br />

der Eröffnungspremiere meines Jugendstückes<br />

„Niebelungenleader“ sollte<br />

noch unter meiner Regie „Wer hat Angst<br />

vor Virginia Wolf“ gezeigt werden – das<br />

ist nun in die zweite Spielzeit gerutscht.<br />

Dazu kommt jetzt noch unter meiner<br />

Regie „Königin Lear“ von Tom Lanoye<br />

nach Shakespeare und „Der fabelhafte<br />

Die“ von Sergej Gößner.<br />

<strong>akzent</strong>: Was hat der Lockdown aus<br />

Deiner Sicht mit den Kindern und Jugendlichen<br />

gemacht?<br />

Kristo Šagor: Ich glaube, dass es –<br />

egal in welcher Lebensphase man<br />

ist – bescheuert ist … Die einen stehen<br />

vor dem Berufseinstieg – und können<br />

nicht rein, die anderen stehen am Beginn<br />

ihres Studiums oder ihrer Ausbildung<br />

– und kommen nicht rein, andere<br />

machen gerade Abitur – und haben<br />

keinen schönen Abschluss, und und<br />

und … Es ist einfach in allen Phasen<br />

ein Tritt in die Kniekehle. Wenn man<br />

in einem sozusagen noch zarten, beeinflussbaren<br />

Alter ist, dann ist so eine<br />

‚Schockzeit‘ gefühlt länger. Mit 40 ist<br />

ein Jahr ein Jahr. Mit 12 hingegen ist<br />

ein Jahr gefühlt eine Ewigkeit …<br />

<strong>akzent</strong>: Ja, in der Relation rennt die Zeit<br />

mit dem Älterwerden immer schneller.<br />

Kristo Šagor: Ich erinnere mich an<br />

meine Sommerferien als Kind. Da<br />

wusste ich oft nicht, welcher Wochentag<br />

war. Die Zeit war ewig. Das<br />

verfliegt mit den Jahren, wenn man<br />

anfängt Terminkalender führen zu<br />

müssen. Daher glaube ich, dass für<br />

junge Menschen mit eben einem anderen<br />

Zeitempfinden dieser Lockdown<br />

schlimmer war. Wenn man gerade erst<br />

dabei ist, Spielregeln zu lernen – etwa<br />

wie doll darf ich im Sandkasten raufen,<br />

bevor das andere Kind heult – dann ist<br />

die Einschränkung der sozialen Kontakte<br />

noch krasser. Ich bin kein Psychologe,<br />

aber ich wette, dass wir mit<br />

Langzeitschäden rechnen müssen.<br />

<strong>akzent</strong>: Wie geht es Dir jetzt gerade in<br />

der Zeit nach dem Lockdown?<br />

Kristo Šagor: Ich selbst habe depressive<br />

Seiten an mir entdeckt, die ich nicht<br />

kannte. In der Betriebsamkeit, wenn<br />

die nächste Premiere ansteht, die nächsten<br />

Proben usw., dann muss man sich<br />

manche Fragen gar nicht stellen: Warum?<br />

Wohin? Woher? … Man genießt es<br />

aber auch, dass man sich diese Fragen<br />

nicht stellen muss. Im Lockdown gab<br />

es bei mir dann eine Sinnkrise. Wenn<br />

man merkt, wer systemrelevant ist: die<br />

Müllabfuhr, Ärzte, Apotheken, der öffentliche<br />

Nahverkehr, … Aber Kultur?<br />

Im Zweifelsfall leistet die kulturelle<br />

Grundversorgung dann Netflix und das<br />

lokale Theater ist etwas, ohne das es<br />

erstmal geht … Diese Abkömmlichkeit<br />

macht nachdenklich.<br />

„Traut den Jugendlichen etwas zu!“

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