Andreas Wilts Ein Fest für die Neue <strong>Musik</strong> <strong>Die</strong> <strong>Donaueschinger</strong> Kammermusikaufführungen zur Förderung zeitgenössischer Tonkunst 1921–1926 Plakat zu den <strong>Donaueschinger</strong> Kammermusik-Aufführungen 1926 »THe Donaueschingen music festival is like none other in Europe.« The New York Times, 1924 Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs hat Thomas Mann im kalifornischen Exil Donaueschingen zu einem Sehnsuchtsort stilisiert. Adrian Leverkühn, der Held seines Romans Doktor Faustus, erinnert sich an eine »<strong>neue</strong> geistig-musika lische Haltung« in dem »badischen Festort« und an »die kostbare und musikalisch vollkommene Inszenierung« seines Hauptwerks, die dort auf ein »künstlerisch-›republikanisch‹ gesinntes Publikum« stieß.1 Damals existierte das Festival bereits seit Längerem nicht mehr. Es war 1927 zunächst nach Baden-Baden abgewandert und 1930, nach skandalösen Theaterpro duktionen und einem zweiten Neustart in Berlin, im unübersichtlichen <strong>Musik</strong>betrieb der Metropole untergegangen. Nicht erst Thomas Mann und sein musikalischer Ratgeber jener <strong>Jahre</strong>, Theodor W. Adorno, brachten die Kunde von Donaueschingen als Brennpunkt der musikalischen Moderne nach Amerika. Schon früher waren Kritiker aus den <strong>Musik</strong>zentren der Welt zu den Kammermusikaufführungen gereist und hatten nach Paris, London, Prag und Wien, nach New York, Buenos Aires und Moskau berichtet.2 <strong>Die</strong> New York Times etwa widmete ihnen in ihrer Sonntagsausgabe vom 17. August 1924 zwei Drittel der Seite 5. Unter der plakativen Überschrift »A Donaueschingen Chamber Music Festival. A Feudal Prince encourages Modern Radical Composers. Violent Dissonances Create a Longing for Quiet Pools« berichtete Olin Downes, ein Kritiker, dem Sibelius fraglos näherstand als Schönberg, dass er in Donaueschingen »chamber music of the wildest and most radical of German and Slavic composers« zu hören bekommen habe. Ins gleiche Horn stieß 1924 César Saerchinger im New Yorker Musical Courier. In Donaueschingen sei der Ultramodernismus zuhause und man munkele, der Fürst zu Fürstenberg habe von seinen hochadeligen Verwandten Brandbriefe bekommen, die ihn vor musikalischen Bolschewisten und Feinden der nationalen Ideale warnten und forderten, diese Schlangen nicht mehr länger an seiner fürstlichen Brust zu nähren – vergeblich, denn der offizielle Vertreter des Fürstenhauses und der <strong>Musik</strong>freunde habe auf dem Begrüßungsempfang ausdrücklich betont, man werde den bisherigen Weg unbeirrt weitergehen.3 Tatsächlich war es in kürzester Zeit gelungen, Donaueschingen zum Zentrum der Neuen <strong>Musik</strong> zu machen. Im Laufe der <strong>Jahre</strong> kamen alle, die in der Neuen <strong>Musik</strong> Rang und Namen hatten: Arnold Schönberg, Anton Webern, Alban Berg, Igor Strawinsky, Alfredo Casella und Hanns Eisler. Junge Komponisten wie Paul Hindemith, Ernst Krenek und Philipp Jarnach erlebten zwischen 1921 und 1926 in Donaueschingen ihren Durchbruch. Angesichts der enormen kulturellen Ausstrahlung überraschen die nüchternen Zahlen. <strong>Die</strong> <strong>Donaueschinger</strong> Kammermusikaufführungen für zeitgenössische <strong>Musik</strong> 1921–1926, das waren insgesamt gerade einmal 12 Tage mit 19 Konzerten, kein Vergleich also mit den
<strong>Die</strong> <strong>Donaueschinger</strong> Kammermusikaufführungen 1921–1926 12 / 13