casanostra 163 | November 2021
Steigende Immobilienpreise: Ursachen, Folgen und Gegenstrategien | Energievorschriften: Grundlagenforschung für effiziente Fördermassnahmen | Dunkler Himmel: Dank cleverer Beleuchtung | Grüne Hypotheken: Zinsvorteile auf dem Prüfstand
Steigende Immobilienpreise: Ursachen, Folgen und Gegenstrategien | Energievorschriften: Grundlagenforschung für effiziente Fördermassnahmen | Dunkler Himmel: Dank cleverer Beleuchtung | Grüne Hypotheken: Zinsvorteile auf dem Prüfstand
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thema__Immobilienpreise_7<br />
lichkeit, im mittleren und höheren Preissegment auf<br />
Mietwohnungen auszuweichen.» Es gebe «in diesen<br />
Segmenten des Mietwohnungsmarktes aktuell relativ<br />
hohe Leerstände zu verzeichnen». Eine teure<br />
Mietwohnung anstelle eines erschwinglichen Eigenheims?<br />
Eine andere Möglichkeit, die Situation ein<br />
wenig zu entschärfen, sieht Robert Weinert von<br />
Wüest Partner in der innovativen Umnutzung brachliegender<br />
Areale wie etwa des Kolibri-Areals in Lyss:<br />
«Darauf gab es eine attraktive Umnutzung mit Reiheneinfamilienhäusern,<br />
die im Nu weg waren.» Auch<br />
in den Wohnbaugenossenschaften, die als «dritter<br />
Weg» zwischen Miete und Eigentum gelten und die<br />
mit ihren Belegungskriterien einen regulierenden<br />
Hebel haben, sieht er eine Lösung – allein: Auch für<br />
die Wohnbaugenossenschaften ist es ja eben schwierig,<br />
überhaupt noch an Bauland zu kommen, jedenfalls<br />
in den Städten, wo Institutionelle mitbieten, die<br />
den hohen Kaufpreis auf die Mieten überwälzen –<br />
was bei Genossenschaften dem Prinzip, günstigen<br />
Wohnraum anzubieten, zuwiderlaufen würde.<br />
Gewinn ist nicht alles<br />
Natürlich sind die hohen Preise auch für Casafair ein<br />
Thema. Tanja Moser von Casafair Immobilien-Dienstleistungen<br />
berät und begleitet vonseiten des Verban-<br />
des Hausbesitzerinnen und -besitzer beim Verkauf.<br />
Nachhaltigkeit ist ihr ein grosses Anliegen – ökologische<br />
wie auch soziale. Es sei wichtig, dass die Kunden<br />
wissen, was der Marktpreis ihres Hauses sei, dass das<br />
transparent auf dem Tisch sei, sagt die Immobilientreuhänderin,<br />
«aber es ist auch wichtig, dass man<br />
sich fragt: Wieviel Zufriedenheit bringt mir der maximale<br />
Gewinn?» Zu den Verkäufern, die Tanja Moser<br />
für Casafair schon begleitet hat, zählt Heidi Bächtold*.<br />
Sie und ihre drei Geschwister verkauften das Haus<br />
ihrer Grosseltern, in das nach ihrer Pension die Eltern<br />
eingezogen waren. Ihre Mutter wurde 96 Jahre alt.<br />
Heidi Bächtold liebte dieses alte, helle, warme Haus.<br />
Für sie, die selber schon pensioniert und in einer andern<br />
Region der Schweiz verwurzelt ist, kam ein Umzug<br />
in das Haus nicht infrage, auch für ihre Geschwister<br />
nicht. Aber dass es weiter belebt und geschätzt<br />
sein würde, das war der Familie ein grosses Anliegen.<br />
Eines Tages, als ihre Mutter noch lebte, aber bereits<br />
im Altersheim war, fuhr sie per Autostopp zum Haus,<br />
um für die Mutter frische Kleider zu holen. Die Fahrerin,<br />
die sie mitgenommen hatte, meinte, als sie sie<br />
vor dem Haus absetzte: «Sie gehen jetzt wirklich zu<br />
diesem Haus, das mir so gut gefällt?» Es folgte eines<br />
aufs andere – und heute ist das Haus im Besitz der<br />
Tochter der Autofahrerin. Und Heidi Bächtold könnte<br />
glücklicher nicht sein: «Ich schätze die junge Frau<br />
sehr, auch ihren Partner. Sie sind mit zwei kleinen<br />
Kindern eingezogen. Sie halten Hühner, verbringen<br />
viel Zeit im Garten, es lebt richtig. Und ich spüre bei<br />
jedem Besuch eine grosse Wertschätzung.» Da sei eine<br />
grosse Innigkeit, sagt die pensionierte Primarlehrerin,<br />
«auch meine Eltern hätten Freude».<br />
Das Glück, andere glücklich zu machen und das<br />
Haus in besten Händen zu wissen, erlebt auch Hans<br />
Kern*. Er verkaufte im Berner Oberland das Haus, das<br />
er einst selbst gebaut hatte, die eigenen erwachsenen<br />
Kinder meldeten keinen Bedarf an. Er sagt: «Uns war<br />
wichtig, dass jemand das Haus bewohnt, den Garten<br />
pflegt, Freude hat. Wir wollten eine Familie mit Kind.»<br />
Und vor allem wollte er selber bestimmen, wer nach<br />
ihm in dem Haus leben würde. Wie es mit dem Haus<br />
weiter ginge. «Dieser selbstbestimmte Entscheid war<br />
wichtig. Und er zeigt Wirkung. Nie überfällt mich<br />
Wehmut oder Sehnsucht, wenn ich hinfahre.» Und<br />
Hans Kern fährt oft hin, denn die neuen Besitzer, für<br />
die er sich entschieden hat, freuen sich über seinen<br />
Besuch, laden ihn regelmässig ein. «So geht für mich<br />
die Buchhaltung auf», sagt der Rentner, der bewusst<br />
auf rund 200 000 Franken verzichtete. Im Alter, sagt<br />
er noch, «ist einem bewusster, was wirklich zufrieden<br />
macht.»__<br />
* Name geändert<br />
Text_Esther Banz<br />
<strong>casanostra</strong>_ / <strong>2021</strong>