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Eine fast normale<br />
Wohngemeinschaft<br />
Im SWD-Haus an der Langenfelder Straße gibt es seit einem Jahr eine<br />
Wohngemeinschaft für junge Menschen mit geistiger Einschränkung.<br />
Die Teamleiterin und einer der Bewohner erzählen, wie das Zusammenleben<br />
funktioniert.<br />
Im Sommer<br />
wollte<br />
Marvin nicht<br />
in den Urlaub<br />
fahren. Statt wie üblich<br />
mit der Großmutter<br />
einige Wochen in Polen zu<br />
verbringen, blieb der 20-Jährige lieber<br />
in Düsseldorf. „Marvin hat nun seinen Lebensmittelpunkt<br />
in seiner Wohngemeinschaft“, sagt die Großmutter. Ihr<br />
Enkel ist bei ihr aufgewachsen, im Januar aber zog Marvin in die WG<br />
an der Langenfelder Straße. Für einen jungen Mann eigentlich eine<br />
ganz alltägliche Sache, bei Marvin aber etwas ganz Besonderes.<br />
Marvin hat eine geistige Entwicklungsverzögerung.<br />
„Oma war wichtig, dass ich selbstständig werde“, sagt er und erzählt,<br />
dass er es richtig gut findet in der WG. Sie befindet sich im Erdgeschoss<br />
und in der ersten Etage des Hauses. Jeder der 15 jungen<br />
Bewohner hat sein eigenes, etwa 30 Quadratmeter großes Zimmer.<br />
Dazu gibt es eine große Gemeinschaftsküche und einen Esstisch<br />
für alle sowie ein Wohnzimmer mit Couch, Sessel und Fernseher.<br />
Die Bewohnerinnen und Bewohner mit geistigen Einschränkungen<br />
sind alle so um die 20 Jahre alt und organisieren ihren Haushalt fast<br />
allein. Sauber machen, Kochen, die Wäsche waschen – meistens<br />
klappt das gut, erzählt Marvin. Unterstützung bei ihrem Alltag bekommen<br />
die jungen Leute von einem Team aus vier Sozialarbeitern,<br />
vier Betreuungskräften, einem Praktikanten und WG-Hund Knut. Das<br />
Team wird geleitet von Carolina Hein. Träger der Wohngemeinschaft<br />
ist die AWO VITA gGmbH von der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Sie ist<br />
Mieter der zwei Etagen der WG, die Bewohner zahlen für ihre Zimmer<br />
eine Monatsmiete. „Um den Haushalt zu regeln, gibt es einen Plan,<br />
auf dem jeder Bewohner mit seinen Aufgaben steht“, sagt Carolina<br />
Hein. Das funktioniert meist gut, wie in jeder normalen Wohngemeinschaft<br />
auch.<br />
Zu den weiteren Aufgaben der Betreuer gehören, Freizeitangebote zu<br />
planen, bei persönlichen Krisen zu helfen und bei Konflikten zwischen<br />
den jungen Leuten zu vermitteln. Denn nicht immer läuft es rund in<br />
der WG. Manchmal erledigt einer der Bewohner zum Beispiel seine<br />
Aufgaben im Haushalt nicht. „Solche Herausforderungen besprechen<br />
wir zusammen und suchen nach einem Ausweg, um es in Zukunft besser<br />
zu machen“, sagt die 26-Jährige. Sie hat im Oktober 2020 direkt<br />
nach Abschluss ihres Studiums den Job als Teamleiterin der damals<br />
neu gegründeten WG übernommen. Die ersten Bewohner waren eingezogen,<br />
dann begann im November 2020 der Corona-Lockdown.<br />
Eine angespannte Situation, denn es schloss erst einmal fast alles,<br />
was das Leben der jungen Leute ausfüllte. „Einige unserer Bewohner<br />
sind Schüler, andere gehen in die Werkstatt für angepasste Arbeit“,<br />
sagt Carolina Hein. Auch Freizeitangebote waren im Lockdown dicht,<br />
da blieb nicht viel übrig, als zu Hause zu bleiben. „So haben wir uns<br />
gleich nach WG-Gründung richtig gut kennengelernt und konnten<br />
uns arrangieren“, sagt Hein. So erreichte die Gruppe schnell das<br />
übergreifende Ziel der Wohngemeinschaft, nach dem Auszug aus<br />
dem Elternhaus selbstständiger zu werden.<br />
Aber ganz ohne Betreuer sind die Bewohner nie, auch nachts ist<br />
immer eine Fachkraft anwesend. Weiteres Engagement kommt von<br />
den Eltern der jungen Männer und Frauen. „Wenn etwas im Haushalt<br />
fehlt, wenn irgendwelche Hilfe notwendig ist oder ein Ausflug<br />
geplant wird – immer ist eine Mutter oder ein Vater da und unterstützt<br />
uns“, sagt Carolina Hein. Kein Wunder also, dass Marvin sich<br />
in seinem neuen Zuhause so wohl fühlt und den Sommerurlaub mit<br />
der Grußmutter sausen ließ. Seine Aufgaben im Haushalt nimmt er<br />
sehr ernst. Gemüse klein schneiden, die Wäsche waschen – alles<br />
kein Problem mehr für ihn. Und auch für die Freizeit hat Marvin<br />
viele Möglichkeiten. Er spielt gern an der Playstation, schaut sich<br />
mit seinen Mitbewohnern gern Filme an und er ist außerdem großer<br />
Fan von Fortuna und der DEG. „Und am Wochenende muss auch mal<br />
Ausschlafen sein“, sagt er.<br />
6 HAUSPOST 3/<strong>2021</strong>