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Bildbeschreibungen zu den Konfbildern aus dem Verlag SVKK

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Abendmahl — Bauernmalerei <strong>aus</strong> Nicaragua<br />

Bauern malen in Nicaragua<br />

Dieses farbige und klare Abendmahlsbild kommt <strong>aus</strong><br />

Nicaragua, einem kleinen Land in Mittelamerika. Ich<br />

weiss nicht, wer es gemalt hat, <strong>den</strong>n <strong>den</strong> Namen kann<br />

ich nicht entziffern. Darunter aber steht «Solentiname<br />

1980», und das sagt viel.<br />

Da hat also ein Bauer oder eine Bäuerin <strong>aus</strong> Solentiname<br />

<strong>zu</strong> Pinsel und Farbe gegriffen, ein Künstler <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />

Volk. Er wohnt auf einer der Inseln von Solentiname,<br />

mitten im grossen See von Nicaragua. Abgeschie<strong>den</strong><br />

von der Welt leben hier nur t<strong>aus</strong>end Menschen in ihren<br />

strohbedeckten Hütten am Ufer des Sees, fangen<br />

Fische, bebauen die Äcker, besuchen sich mit ihrem<br />

Boot. Kleine Inseln, wie die vor <strong>dem</strong> Fenster, sind<br />

unberührt: tropisches Paradies. Ich bin gewiss: unser<br />

Maler kennt Ernesto Car<strong>den</strong>al, <strong>den</strong> weltbekannten Priester und Dichter, heute Kulturminister des Landes. Denn<br />

Car<strong>den</strong>al hat viele Jahre in Solentiname gelebt, inmitten einer christlichen Lebensgemeinschaft, und mit <strong>den</strong><br />

Bauern das Evangelium neu entdeckt. Ich <strong>den</strong>ke, unser Maler war wohl auch dabei, in diesen Gottesdiensten<br />

unter <strong>dem</strong> Palmdach, voll offener Gespräche und froher Gemeinschaft. Ich fürchte aber, er hat auch das andere<br />

miterlebt: die Warnungen an Car<strong>den</strong>al, seine Abreise ins Exil und im Oktober 1977 <strong>den</strong> Überfall der Nationalgarde<br />

auf die Bruderschaft, jene Nacht, in der viele starben oder verschwan<strong>den</strong> und die Häuser in Flammen<br />

aufgingen. Ja, es ist noch nicht lange her, dass die Schreckensherrschaft einer einzigen Familie über Nicaragua<br />

ein Ende hat – <strong>dem</strong> Künstler sind die Nächte der Angst noch nahe, wo keiner sicher war vor Verhaftung,<br />

Folterung und Ermordung. Und ich bin gewiss: er erinnert sich in klaren Farben des 19. Juli 1979, als nach<br />

der Flucht des Diktators die Befreiungsarmee des Volks in der Hauptstadt einzog und <strong>den</strong> Sieg über Unrecht<br />

und Gewalt <strong>aus</strong>rief.1980, ein Jahr danach, malt er das Bild von der Familie Gottes auf Er<strong>den</strong>, das Abendmahl.<br />

Abendmahl, das Fest der Gerechtigkeit<br />

Auf der Insel im grossen See sitzen alle um einen Tisch. Die leeren Teller schauen uns wie grosse Augen fragend<br />

an: hat es für alle genug? Die Jünger Jesu wussten und die Bauern von Nicaragua wissen: Ja, es reicht für alle,<br />

wenn wir teilen. Jesus nahm damals in Jerusalem in jener Nacht das Brot und verteilte es unter alle, und so<br />

beginnt das Abendmahl bis heute. Unter Christen teilen wir das Brot, <strong>den</strong> Besitz, das Leben.<br />

Abendmahl, das Fest der Liebe<br />

Teilen gelingt nur, wenn wir einander lieben. Da<strong>zu</strong> brauchen wir Jesus in unserer Mitte, sagt der Maler mit<br />

seinem Bild. Am Abendmahl ist uns seine Gegenwart versprochen – <strong>den</strong>n damals sagte er doch bei Brot und<br />

Wein: «Das ist mein Leib, das ist mein Blut». Wenn wir Brot und Wein teilen, ist er unsichtbar da. Er hat uns alle<br />

geliebt, er war sogar bereit, sein Leben für uns <strong>zu</strong> opfern. Grössere Liebe gibt es nicht. Erinnern wir uns: sein<br />

Abendmahl war das letzte Mahl, am Tag danach starb er am Kreuz – ermordet wie ein Verbrecher.<br />

Davon re<strong>den</strong> seine Worte auch. Und was war <strong>den</strong>n sein Verbrechen? Er wollte die Welt verändern in ein Reich<br />

der Liebe, der Gerechtigkeit und der Verehrung Gottes. Das Tischtuch ist rot gemalt – das ist die Farbe des Blutes,<br />

aber auch der Liebe und des Kampfes. Dar<strong>aus</strong> soll auch unser Leben gewoben sein: <strong>aus</strong> Liebe und Kampf<br />

und <strong>dem</strong> Willen, das eigene Leben ein<strong>zu</strong>setzen.<br />

Abendmahl, die Sehnsucht nach <strong>dem</strong> Himmel<br />

Könnten wir, im Teilen und Lieben, nicht schon <strong>den</strong> Himmel auf Er<strong>den</strong> haben? Zu schön wäre es. Nein, auch<br />

Judas sitzt unter uns, leuchtend gelb, und sein Teller tanzt <strong>aus</strong> der Reihe. Bis heute wird unsere Gemeinschaft<br />

verwundet von <strong>dem</strong>, der enttäuscht ist, sich abwendet, Jesus und uns verrät.<br />

Den Himmel schon auf Er<strong>den</strong>? Greifen wir nicht <strong>zu</strong> hoch! Der Maler verweist uns unter <strong>den</strong> selbstgebauten<br />

Himmel <strong>aus</strong> Palmblättern, auf die Erde – der blaue Gotteshimmel bleibt weit und fern. Genügen muss uns die<br />

Gegenwart des unsichtbaren Jesus, das kleine weisse Licht mitten unter uns. Aber wir sind doch alle Teile des<br />

Lichts, jeder von uns mit seiner kräftigen Farbe, und bil<strong>den</strong> <strong>den</strong> Regenbogen Gottes auf dieser Welt! Genügen<br />

muss uns die Welt, die wir selber bauen können – mit der Kraft des lieben<strong>den</strong>, teilen<strong>den</strong> Gottes, der mit uns am<br />

Tische sitzt. Wir dürfen <strong>zu</strong>frie<strong>den</strong> sein: sie ist Abglanz des Gotteshimmels und leuchtet jetzt schon in allen Farben.<br />

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