24.12.2012 Aufrufe

Literaturverfilmung als Wahrnehmungsprozeß narrativer Texte

Literaturverfilmung als Wahrnehmungsprozeß narrativer Texte

Literaturverfilmung als Wahrnehmungsprozeß narrativer Texte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

4. Einzelanalyse 4.2. Billard um halbzehn/Nicht versöhnt<br />

Roman in zwei unterschiedliche Handlungsebenen untergliedert werden. Dabei wird zunächst der Tagesablauf<br />

des Geburtstags von Heinrich Fähmel dargestellt, in dem dann die Figuren wechselnd von der<br />

Vergangenheit erzählen oder darüber berichten. So kann auch im Film die Ebene des Geburtstags einerseits<br />

aus dem gleichen Grund wie im Roman <strong>als</strong> handlungstragend bezeichnet werden. Andererseits<br />

steht diese Ebene im Film im Vergleich zu der im Roman deutlich mehr im Vordergrund, weil die andere<br />

Ebene der Vergangenheit weitläufig verkürzt oder weggelassen ist. 15 Da die Ebene des Geburtstags nicht<br />

nur im Roman, sondern auch im Film <strong>als</strong> handlungstragende Ebene die Handlungs- und Zeitkonstruktion<br />

maßgeblich bestimmt, kann sie nun <strong>als</strong> Kriterium für die Gliederung beider <strong>Texte</strong> angenommen werden,<br />

die in erster Linie <strong>als</strong> Vorarbeit für die Beschreibung der Merkmale bei der Sujetkonstruktion zu verstehen<br />

ist.<br />

Äußerlich besteht der Roman aus 13 Kapiteln, die wiederum jeweils nach dem festzustellenden Wechsel<br />

der erzählenden Perspektiven, Handlungsorte oder Zeitpunkte weiter in kleinere Teile untergliedert werden<br />

können.<br />

Als der erste Teil können m.E. das erste und zweite Kapitel betrachtet werden, weil in den beiden Teilen<br />

entsprechend der allgemeinen Rolle der Exposition die grundlegenden Informationen über die zu erzählende<br />

Geschichte gegeben werden. Zunächst werden der Ort und Zeitpunkt der Handlung festgelegt, die<br />

<strong>als</strong> Ausgangspunkt der Geschichte dienen (Modestgasse, am 6. Sept. 1958, der 80. Geburtstag von<br />

Heinrich Fähmel und Hotel „Prinz Heinrich“), und die zentralen Personen sind kurz eingeführt, die im<br />

folgenden näher erörtert werden bzw. persönlich in der Geschichte vorkommen (Robert Fähmel, seine<br />

Familienmitglieder, Schrella und Nettlinger). Damit werden die grundlegenden Informationen für die<br />

Ausgangssituation der Handlungen gegeben. Zugleich wird der ungefähre Umfang der zu erzählenden<br />

Geschichte angedeutet, und zwar an der Stelle, wo beschrieben wird, wie sich Heinrich in seine Erinnerung<br />

gerät. 16 Darüber hinaus werden in diesem Teil einige leitende Fragen gestellt, die sich auf die folgenden<br />

Handlungen beziehen, und mit denen sich der Rezipient im Laufe der Geschichte weiter beschäftigen<br />

wird: Was macht Robert im Hotel; was für ein Mensch ist er; wer ist der fremde Mann, der<br />

dringend nach Robert sucht, und warum; wer ist Herr Schrella usw.. Einige von ihnen werden dann im<br />

Laufe der Geschichte bald aufgeklärt (z.B. Robert spielt im Hotel Billard), während die anderen erst an<br />

späterer Stelle beantwortet werden können (z.B. Robert wurde von Nettlinger wegen Schrella dringend<br />

gesucht).<br />

Auch kompositorisch heben sich die beiden Kapitel von den folgenden ab, und zwar dadurch, daß die<br />

Geschichte hier nicht aus den Perspektiven der Mitglieder der Familie Fähmel, sondern aus den der sie<br />

umgebenden Personen beschrieben wird. So wird die Geschichte im ersten Kapitel aus der Perspektive<br />

von Roberts Sekretärin und im zweiten Kapitel aus den Perspektiven der Angestellten im Hotel erzählt.<br />

Darüber hinaus sind hier auch einige formale Grundprinzipien des Romans eingeführt, die sehr komplex<br />

und eigenwillig sind und die Gestaltung des gesamten Romans bestimmen. Diese formalen Grundprinzipien<br />

können, ohne an dieser Stelle auf ihre Einzelheiten einzugehen, <strong>als</strong> flüssiger Übergang zwischen<br />

den Handlungsebenen, ambivalente Erzählperspektive und „Monolog-Montage“ 17 zusammengefaßt<br />

15 Für die Einzelheiten dieses Aspekts siehe unten den Abschnitt über die Gliederung des Films ab Seite 129.<br />

16 Vgl. RuE 3, S.300f.<br />

17 Vgl. Jochen Vogt, a.a.O., S.70<br />

���

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!