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Literaturverfilmung als Wahrnehmungsprozeß narrativer Texte

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2. Theoretische Überlegungen 2.3. Narrationsmodell von David Bordwell<br />

Seite 10) So wurde in der strukturalistischen Narrativik die mikrostrukturelle Ebene in den Vordergrund<br />

gestellt und die makrostrukturelle Ebene, auf der der historische Aspekt behandelt werden soll, wurde nur<br />

selten erforscht. Diese Synchronität des Narrationsmodells gilt zunächst auch für das oben dargestellte<br />

Modell von Bordwell, in dem die Narration <strong>als</strong> ein phänomenaler Prozeß von Sujet- und Stilsystem betrachtet<br />

wird. Er unternimmt aber nach der Aufstellung dieses Modells darüber hinaus, sich aufgrund<br />

dieses Modells mit der diachronischen Ebene der Narrativik zu befassen. Als theoretische Grundlage<br />

dafür bezieht er sich wiederum auf die kognitivistischen Ansätze.<br />

Aus dem kognitionswissenschaftlichen Standpunkt, der seinem Modell zugrunde liegt, sind die Schemas,<br />

die die Grundlagen für die Aktivität des Rezipienten darstellen, zwar angeboren und mental, aber ein<br />

wesentlicher Teil von ihnen ist und wird in der Gesellschaft durch konkrete Erfahrungen angelernt. Dies<br />

macht die Erweiterung des Schemabegriffs auf die historische und gesellschaftliche Ebene möglich und<br />

notwendig. Unter dieser Voraussetzung führt er für die Erweiterung seines Modells auf die diachronische<br />

Ebene nun die Begriffe, „narrative Modi“ und „Norm“ ein.<br />

Die Merkmale der oben in seinem Modell eingeführten Kriterien bleiben auch in einem narrativen Text<br />

nicht konstant, sondern sie variieren. Diese Variation wird normalerweise durch Konventionen bestimmt,<br />

die genetische, realistische, kompositorische oder ästhetische Gründe haben können. Solche Konventionen<br />

entwickeln sich mit der Zeit schließlich zu festen Normen, nach denen der Rezipient die jeweils<br />

entsprechenden Schemas einsetzen kann. Bordwell bezeichnet diese Normen, die durch andere Faktoren<br />

wie Zeitalter, Nation usw. bestimmt und weiter gehalten werden und <strong>als</strong> solche relativ stabil und<br />

konsistent bleiben, <strong>als</strong> externe Normen, in dem Sinne, daß sie nicht allein intratextuell, sondern auch<br />

transtextuell bzw. intertextuell wirksam sind. Diese Stabilität und Konsistenz machen erst möglich, daß<br />

der Rezipient bestimmte Schemas unter vielen für das narrative Verstehen einsetzt. Als solche können<br />

sie darüber hinaus auch auf die Art und Weise der Produktion gewisse Einflüsse nehmen, indem sie<br />

Kompositionsmuster für den Produzierenden bilden. Aus diesem Standpunkt können sich alle narrativen<br />

<strong>Texte</strong> zunächst dadurch unterscheiden, ob sie insgesamt oder teilweise den zu dem Zeitpunkt herrschenden<br />

Normen folgen oder von ihnen abweichen. Dabei stellt solche Abweichung nicht nur Abweichung<br />

von den herrschenden Normen dar, sondern sie kann auch <strong>als</strong> gleichzeitige Aufstellung anderer<br />

neuer Normen betrachtet werden. Was den letzten Aspekt betrifft, kann ein <strong>narrativer</strong> Text neben der<br />

neuen externen Norm sogar solche Normen aufstellen, die aus ihm selbst entstehen. Solche Normen<br />

können dann im Gegensatz zu den externen Normen <strong>als</strong> „interne Normen“ bezeichnet werden, in dem<br />

Sinne, daß sie nur intratextuell wirksam sind. Diese internen Normen können auch innerhalb des <strong>Texte</strong>s<br />

gehalten oder gebrochen werden. So machen die beiden internen und externen Normen die Narration<br />

schließlich zu einem dynamischen, dialektischen Prozeß und bilden somit die Grundlage des narrativen<br />

Verstehens auf der diachronischen Ebene, indem sie sich einerseits widersprechen und andererseits<br />

zusammenkommen. Der Rezipient vergleicht bei seiner Rezeptionsaktivität ständig die beiden Normen<br />

und richtet sich nach dem Resultat dieses Vergleichs. Somit wurde die Dimension der Aktivität des Rezipienten,<br />

die in seinem Modell bis dahin nur auf der synchronischen Ebene beschrieben wurde, auf diachronische<br />

Ebene erweitert:<br />

„The spectator comes to a film with schemata, and these are derived in part from experience with<br />

extrinsic norms. The viewer applies these schemata to the film, matching the expectations appropriate<br />

to the norms with their fulfillment within the film. Greater or lesser deviations from these<br />

norms stand out as prominent. At the same time, the viewer is alert for any norms set up by the film<br />

itself; these intrinsic norms may coincide with or deviate from the conventions of the extrinsic set.<br />

Finally, the spectator may encounter foregrounded elements, the moments when the film diverges<br />

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