„Der menschliche Fuß ist ein Kunstwerk und technisches Meisterwerk.“ Leonardo da Vinci deren zu übertreffen. Doch wer sagt schon nein, wenn die Laufschuhindustrie einem suggeriert: Nutze dieses Performance Enhancing Element - und werde vier Prozent schneller. Dass dieses technische Doping auch Gesundheitsrisiken mit sich bringt, wird hingegen aus keiner Marketingabteilung zu hören sein. Dabei hat Mutter Natur mit dem menschlichen Fuß ein wahres Meisterwerk an Ingenieurskunst hingelegt. Man muss sich den Fuß als eine Art verdrehte, federartige Platte vorstellen, an der vorne die Zehen befestigt sind, um die Platte am Boden zu verankern. Wenn der Fuß den Boden berührt, dreht sich die Platte auf und verlängert sich, um den Aufprall zu absorbieren, wodurch die Plantarfaszie die Zehen in den Boden zieht (umgekehrter Ankerwindenmechanismus), den Fuß verankert und eine stabile Basis bietet. Wenn das Gewicht des Läufers über den Fuß zu wandern beginnt, hebt sich die Ferse vom Boden ab, wobei die Zehengelenke als Drehpunkte verwendet werden (der Ankerwindenmechanismus). Jetzt sind die Zehen dran, an der Plantarfaszie zu ziehen, wodurch das Fußgewölbe angehoben und der Fuß verdreht und verkürzt wird, um eine straffere, steifere Feder zu werden, die sich auf die wichtige Abstoßphase beim Laufen vorbereitet. Es ist fast so, als würde sich der menschliche Fuß in eine eigene steife Carbonplatte verwandeln, wenn mehr Vortriebskraft benötigt wird. Ein altes Sprichtwort sagt: Use it or lose it In dieses Meisterstück von Mutter Natur greift nun die Schuhindustrie ein. Mit dem Vorsatz, Verletzungen zu vermeiden, entwickelt sie Innovationen, die Verletzungen gerade erst entstehen lassen. So hat der renommierte Harvard-Professor Daniel E. Liebermann zusammen mit Kollegen analysiert, wie die Zehensprengung die Zehenmuskulatur außer Kraft setzt und dadurch das Verletzungsrisiko steigert. Dieser Effekt lässt sich tagtäglich auf der Straße an Sneaker-Besitzern beobachten: Weil die Läufer über die Großzehe nicht mehr abrollen können, vermeiden sie dieses Drehmoment, das eigentlich über den großen Zeh gehen sollte, indem sie ihren Fuß nach außen drehen und deutlich überpronieren. Und was macht die Industrie? Sie baut eine Carbonplatte in die Mittelsohle, damit die Läufer ihre Zehenmuskulatur nicht mehr benutzen müssen. Der Fuß ist damit mehr oder weniger in eine Richtung eingegipst, was dazu führt, dass Wadenmuskulatur und Achillessehne keine Aufgabe mehr haben und immer schwächer werden. Diese Situation ist nahezu paradox. Dabei ist der Körper eigentlich eine feingetunte Maschine, die keine Unterstützung braucht. Sobald der Mensch an einer Stelle eingreift, bringt er den ganzen Mechanismus durcheinander, was irgendwann zu erhöhtem Verletzungsrisiko führt. „Use it or lose it“ heißt eine Redewendung, die im Sport häufig bemüht wird. Zumindest die vielen Hobby- und Freizeitläufer sollten dem „Use it“ den Vorzug geben - und ihre Schuhe sollten sie dabei unterstützen. Mehr Infos: www.joe-nimble.com/de/science 70
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