Die Kraft des Evangeliums 1/2022
- Es ist Gnade, um Christi willen zu leiden (Niko Derksen) - Der Christ und Verfolgung (D. Martyn Lloyd-Jones) - Keine Kompromisse (Stuart Olyott) - Eine Familie mit Gott im Zentrum (Matthew Henry) - Sie preisen sie glücklich (Mary Beeke) - Das Gebot der Buße ist ein Gebot der Gnade (Mission) - Charles Haddon Spurgeon – Eine Biografie (Teil 2) - Die Gnadenlehre führt nicht in Sünde (Charles H. Spurgeon) - Die Evangelisch-Reformierte Baptistengemeinde Wetzlar: Ein Portrait
- Es ist Gnade, um Christi willen zu leiden (Niko Derksen)
- Der Christ und Verfolgung (D. Martyn Lloyd-Jones)
- Keine Kompromisse (Stuart Olyott)
- Eine Familie mit Gott im Zentrum (Matthew Henry)
- Sie preisen sie glücklich (Mary Beeke)
- Das Gebot der Buße ist ein Gebot der Gnade (Mission)
- Charles Haddon Spurgeon – Eine Biografie (Teil 2)
- Die Gnadenlehre führt nicht in Sünde (Charles H. Spurgeon)
- Die Evangelisch-Reformierte Baptistengemeinde Wetzlar: Ein Portrait
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DIE KRAFT DES<br />
EVANGELIUMS<br />
Eine Ausgabe <strong>des</strong> Missionswerks Voice of Hope • 1/<strong>2022</strong><br />
In der Welt habt ihr Bedrängnis;<br />
aber SEID GETROST,<br />
ich habe die Welt überwunden!<br />
Johannes 16,33<br />
• Der Christ und Verfolgung<br />
• Keine Kompromisse<br />
• Eine Familie mit Gott im Zentrum<br />
• Sie preisen sie glücklich<br />
• Aus der Missionsarbeit<br />
• Biografie:<br />
Charles Haddon Spurgeon<br />
• <strong>Die</strong> Gnadenlehre<br />
führt nicht in Sünde<br />
• Das Portrait einer Evangelisch-<br />
Reformierten Baptistengemeinde
INHALT<br />
4<br />
10<br />
16<br />
20<br />
22<br />
27<br />
34<br />
40<br />
Der Christ und Verfolgung<br />
Matthäus 5,10<br />
Keine Kompromisse (Teil 1)<br />
Daniel 3,1-18<br />
Eine Familie mit Gott<br />
im Zentrum<br />
Sie preisen sie glücklich<br />
Das Gebot der Buße ist<br />
ein Gebot der Gnade<br />
Aus der Missionsarbeit<br />
Charles Haddon Spurgeon<br />
Eine Biografie (Teil 2)<br />
<strong>Die</strong> Gnadenlehre<br />
führt nicht in Sünde<br />
<strong>Die</strong> Evangelisch-Reformierte<br />
Baptistengemeinde Wetzlar<br />
Ein Portrait
Es ist Gnade, um<br />
Christi willen zu leiden<br />
Ist es ein Privileg, für Christus zu leiden?<br />
Wenn wir Apostelgeschichte 5 lesen, dann<br />
sehen wir, wie die ersten Christen auf Leid<br />
reagierten. Als die Apostel vor dem Hohen Rat<br />
standen, wurde ihnen verboten, im Namen Jesu<br />
zu reden, und man ließ sie auspeitschen. Was war<br />
ihre Reaktion darauf? »Sie nun gingen voll Freude<br />
vom Hohen Rat hinweg, weil sie gewürdigt worden waren,<br />
Schmach zu leiden um Seines Namens willen« (Apg.<br />
5,41).<br />
Viele Christen von heute haben sich in einem<br />
»Wohlfühl-Christentum« eingenistet; dabei<br />
macht sich eine unbiblische Einstellung breit<br />
gegenüber Leid und Verfolgung in ihrem eigenen<br />
Leben. Zu der ganz natürlich vorhandenen Abneigung<br />
gegen Schmerz und Schwierigkeiten kommt<br />
bei vielen Christen noch die Ansicht hinzu, dass<br />
Nöte auf ihrem Lebensweg nicht einmal auftreten<br />
dürften. Tauchen dennoch wider Erwarten<br />
verschiedenartige Belastungsproben auf, so bringen<br />
sie diese keinesfalls mit Gott in Verbindung.<br />
Völlig anders war es bei den ersten Christen.<br />
Wenn wir als Nachfolger Jesu nicht damit<br />
rechnen, dass wir zum Leiden berufen sind, und<br />
wenn wir dies nicht als ein Privileg ansehen, dann<br />
werden wir versuchen, jedem Leid und jeder Verfolgung<br />
aus dem Weg zu gehen, oder wir werden<br />
schnell Kompromisse schließen. Auf der anderen<br />
Seite stehen wir in Gefahr, dass wir zwar bereit<br />
sind, Leid zu ertragen und uns für gewisse Dinge<br />
einzusetzen, doch wir müssen uns fragen: Ist<br />
es wirklich ein Leiden »um der Gerechtigkeit willen«<br />
(Mt. 5,10)? Martyn Lloyd-Jones sagt: »Wir können<br />
großes Leid über uns bringen – wir können uns<br />
große Schwierigkeiten bereiten, die völlig unnötig<br />
sind –, nur weil wir seltsame Vorstellungen<br />
haben, oder weil wir auf Grund einer falschen<br />
Selbstgerechtigkeit solches heraufbeschwören.«<br />
Manche sind bereit, für ihre eigenen Prinzipien<br />
oder für politische Überzeugung zu leiden, doch<br />
wir müssen verstehen: <strong>Die</strong> Verheißung unseres<br />
Herrn richtet sich nur an diejenigen, die um der<br />
Gerechtigkeit willen verfolgt werden.<br />
Der Apostel Paulus sagt, dass den Philippern<br />
»die Gnade verliehen [wurde], nicht nur an Ihn zu glauben,<br />
sondern auch um Seinetwillen zu leiden« (Phil. 1,29)<br />
– es ist also eine Gnade, die den Gläubigen verliehen<br />
wird. Und bei seinem Brief an Timotheus<br />
führt er es noch weiter aus: »Und alle, die gottesfürchtig<br />
leben wollen in Christus Jesus, werden Verfolgung<br />
erleiden« (2.Tim. 3,12). Auch Jesus lehrt uns,<br />
dass wir mit Schwierigkeiten zu rechnen haben:<br />
»In der Welt habt ihr Bedrängnis« (Joh. 16,33). Wir<br />
müssen lernen, Leid und Verfolgung aus Seiner<br />
Hand anzunehmen und sie geduldig zu ertragen<br />
– ohne zu murren oder um uns zu schlagen. Unser<br />
Herr möchte, dass uns diese Erfahrungen, so hart<br />
sie uns auch treffen mögen, zum Guten dienen –<br />
Er möchte, dass wir dadurch im Glauben gestärkt<br />
und geläutert werden.<br />
Liebe Geschwister, ich wünsche von ganzem Herzen,<br />
das dieses Magazin Sie ermutigt, belebt und<br />
Ihnen neue Einsichten schenkt bezüglich Verfolgung,<br />
Leid und der Frage, wie man als Christ<br />
kompromisslos in dieser Welt leben kann. Ich<br />
bete darum, dass alle falschen Vorstellungen verschwinden,<br />
damit wir erkennen, dass wir durch<br />
stilles Leiden immer mehr in das Bild Christi umgestaltet<br />
werden.<br />
In Christus grüßt Sie herzlich<br />
Niko Derksen<br />
Prediger und Lehrer der<br />
Reformierten Baptistengemeinde Reichshof<br />
voiceofhope.de | 3
D. MARTYN LLOYD-JONES<br />
DER CHRIST<br />
UND VERFOLGUNG<br />
»Glückselig sind, die um der Gerechtigkeit willen<br />
verfolgt werden, denn ihrer ist das Reich der Himmel!«<br />
Matthäus 5,10<br />
Mit den Seligpreisungen beschrieb der<br />
Herr Jesus die Merkmale eines wahren<br />
Christen, und mit den Versen 10-12<br />
wendet Er dann die letzte Aussage insbesondere<br />
auf Seine Jünger an.<br />
Zunächst scheint sich diese Seligpreisung von<br />
allen anderen zu unterscheiden. Sie beschreibt<br />
weniger den Charakter eines Christen, als das,<br />
was daraus resultieren wird, wenn er so ist, wie<br />
die Seligpreisungen ihn beschreiben. Er wird<br />
verfolgt, weil er ein besonderer Mensch ist und<br />
demnach auch ein besonderes Verhalten an den<br />
Tag legt. Mit anderen Worten sagt der Herr Jesus:<br />
»Wenn ihr wahre Christen seid, dann werdet ihr<br />
Verfolgung erleben.«<br />
An dieser Stelle können wir berechtigterweise<br />
sagen, dass wir es hier mit einem Test zu tun haben,<br />
der uns wie kein zweiter prüft. <strong>Die</strong>se Seligpreisung<br />
ist die tiefschürfendste: »Glückselig sind,<br />
die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden.« Alle<br />
Seligpreisungen gehen in die Tiefe und stellen uns<br />
auf die Probe. Aber in mehrfacher Weise geht diese<br />
Seligpreisung tiefer als alle andern. Sogleich will<br />
ich aber auch hinzufügen, dass wir bei keiner der<br />
Seligpreisungen so vorsichtig sein müssen wie bei<br />
dieser. Keine ist so anfällig für Missverständnisse<br />
wie diese. Wahrscheinlich ist keine der Seligpreisungen<br />
so häufig missverstanden und falsch angewandt<br />
worden. Ich bin daher der Meinung, dass<br />
es bei dieser Seligpreisung äußerst wichtig ist,<br />
die Worte »um der Gerechtigkeit willen« zu betonen.<br />
Es heißt nicht einfach: »Glückselig sind, die verfolgt<br />
werden«, sondern: »Glückselig sind, die um der<br />
Gerechtigkeit willen verfolgt werden.« Lasst uns daher<br />
sicherstellen, dass wir diesen Vers recht verstehen<br />
und auch wissen, was er wirklich aussagt.<br />
1. WAS »VERFOLGT WERDEN« NICHT BEDEUTET<br />
Es heißt nicht: »Glückselig sind, die verfolgt werden,<br />
weil sie so anstößig sind.« Es wird auch nicht<br />
gesagt: »Glückselig sind die, die es schwer in ihrem<br />
Christenleben haben, weil sie so schwierige<br />
4 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
Menschen sind.« Es heißt auch nicht: »Glückselig<br />
sind, die als Christen verfolgt werden, weil es ihnen<br />
einfach an Weisheit fehlt und sie in so törichter<br />
und plumper Art Zeugnis von ihrem Glauben<br />
ablegen.« Das wird an dieser Stelle nicht gesagt.<br />
Aber wie oft begegnet man Christen, die ein<br />
wenig »verfolgt« werden, doch nur ihrer eigenen<br />
Torheit wegen, oder weil etwas mit ihnen oder in<br />
ihrem Verhalten nicht stimmt. Aber diesen Menschen<br />
gilt jene Verheißung nicht. Es geht hier<br />
darum, »um der Gerechtigkeit willen verfolgt [zu] werden«.<br />
Wir sollten uns darüber im Klaren sein. Wir<br />
können großes Leid über uns bringen – wir können<br />
uns große Schwierigkeiten bereiten, die völlig<br />
unnötig sind –, nur weil wir seltsame Vorstellungen<br />
vom Zeugnisgeben haben, oder weil wir<br />
auf Grund einer falschen Selbstgerechtigkeit solches<br />
heraufbeschwören. In dieser Beziehung verhalten<br />
wir uns oft sehr töricht. Wir sind häufig ziemlich<br />
schwerfällig darin, den Unterschied zwischen<br />
Vorurteilen und Prinzipien zu erkennen. Und wir<br />
sind ebenso schwerfällig darin, den Unterschied<br />
zwischen einer natürlichen Anstößigkeit, die in<br />
unserer Eigenart beruht, und dem Anstoß »um der<br />
Gerechtigkeit willen« zu erkennen.<br />
LEIDEN UM DES EIGENEN<br />
FANATISMUS WILLEN<br />
Weiterhin steht da nicht: »Glückselig sind, die um<br />
ihres Fanatismus willen verfolgt werden«, noch<br />
heißt es: »Glückselig sind, die verfolgt werden,<br />
weil sie übereifrig sind.« Fanatismus kann auch<br />
zu Verfolgung führen; aber Fanatismus wird an<br />
keiner Stelle <strong>des</strong> Neuen Testaments befürwortet.<br />
Es gibt so viele Versuchungen, die uns in unserem<br />
geistlichen Leben als Christen behindern wollen.<br />
Besonders der Geist <strong>des</strong> Fanatismus hat schon<br />
manchen in große Schwierigkeiten gebracht.<br />
Ich erinnere mich an einen armen Menschen,<br />
der wegen seines Übereifers nicht nur Leid über<br />
sich selbst gebracht hat, sondern auch über seine<br />
Frau. Er war übereifrig und achtete nicht auf einige<br />
ausdrückliche Anweisungen unseres Herrn,<br />
weil er unbedingt darauf aus war, Zeugnis zu<br />
geben. Wir müssen auf der Hut sein, damit wir<br />
nicht unnötiges Leid über uns selbst bringen. Wir<br />
müssen dabei »klug [sein] wie die Schlangen und ohne<br />
Falsch wie die Tauben« (Mt. 10,16). Gott möge uns<br />
davor bewahren, aus dem Grund zu leiden, weil<br />
wir vergessen, diese Worte zu beherzigen. Mit<br />
anderen Worten, es heißt hier nicht: »Glückselig<br />
sind, die verfolgt werden, weil sie sich falsch verhalten«<br />
oder »eine falsche Einstellung haben«.<br />
Wir erinnern uns, wie weise es Petrus ausdrückt:<br />
»Keiner von euch soll daher als Mörder oder <strong>Die</strong>b oder<br />
Übeltäter leiden.« Wir dürfen aber nicht übersehen,<br />
wen er an dieser Stelle noch in einem Atemzug<br />
mit Mördern, <strong>Die</strong>ben und Übeltätern nennt,<br />
nämlich solche, die »sich in fremde Dinge« mischen<br />
(1.Pt. 4,15).<br />
LEIDEN UM DER EIGENEN<br />
PRINZIPIEN WILLEN<br />
Ich füge dem nun noch eine weitere Verneinung<br />
aus einer anderen Kategorie hinzu. <strong>Die</strong>ser Text<br />
sagt gewiss auch nicht: »Glückselig sind, die wegen<br />
eines ihrer Prinzipien verfolgt werden.« Ich<br />
sage, dass es einen Unterschied macht, ob ich »um<br />
der Gerechtigkeit willen« verfolgt werde oder um einer<br />
eigenen Sache, eines Prinzips willen. Es ist<br />
mir natürlich bewusst, dass sich diese zwei Dinge<br />
oft überschneiden. Viele der bekannten Märtyrer<br />
und Glaubenszeugen haben um der Gerechtigkeit<br />
willen und auch um einer Sache willen gelitten.<br />
Daraus darf man aber nicht schließen, dass beide<br />
Dinge zusammengehören. Ich denke, dass dies<br />
eine ganz wichtige Sache ist, die wir gerade in unserer<br />
Zeit nicht vergessen dürfen.<br />
Ich denke, dass in den letzten Jahren einige<br />
Christen aus religiösen Gründen in Gefängnissen<br />
gelitten haben. Sie haben aber nicht »um der Gerechtigkeit<br />
willen« gelitten. Wir müssen an diesem<br />
Punkt sehr genau unterscheiden. Es besteht<br />
immer die Gefahr, so etwas wie eine Märtyrermentalität<br />
zu entwickeln. Es gibt Menschen, die<br />
sich direkt nach einem Märtyrertum sehnen. Sie<br />
hofieren es förmlich. Davon redet unser Herr hier<br />
nicht.<br />
LEIDEN UM POLITISCH-<br />
RELIGIÖSER GRÜNDE WILLEN<br />
Wir müssen auch anerkennen, dass es auch nicht<br />
um Leid und Verfolgung aus politisch-religiösen<br />
Gründen geht. Wir müssen einfach zur Kenntnis<br />
voiceofhope.de | 5
nehmen, dass viele Christen unter dem Naziregime<br />
als Christen leben und wandeln konnten und<br />
auch das Evangelium in aller Öffentlichkeit verkündigten,<br />
ohne behelligt zu werden. Wir wissen<br />
aber auch von anderen Christen, die in Gefängnisse<br />
gekommen sind. Wir müssen nun genau<br />
hinsehen, was im Einzelfall die Ursache für ihre<br />
Inhaftierung war. Und ich bin davon überzeugt,<br />
dass wir feststellen werden, sofern man diese Unterscheidung<br />
berücksichtigt, dass es ganz allgemein<br />
politische Gründe waren. Ich brauche nicht<br />
zu unterstreichen, dass ich damit auf gar keinen<br />
Fall Hitler und seine Helfershelfer entschuldigen<br />
will. Ich möchte aber jedem Christen raten, auf<br />
diese wichtige Unterscheidung zu achten.<br />
Wenn du und ich Religion und Politik vermischen,<br />
dann sollten wir uns nicht wundern, wenn<br />
wir verfolgt werden. Aber es handelt sich nicht<br />
notwendigerweise um Verfolgung »um der Gerechtigkeit<br />
willen«, wie ich versuche zu verdeutlichen.<br />
<strong>Die</strong>s ist etwas ganz Besonderes und Eigenes, und<br />
eine der größten Gefahren, mit der wir es in der<br />
Gegenwart zu tun haben, ist, zwischen diesen beiden<br />
Dingen nicht zu unterscheiden.<br />
Gegenwärtig gibt es Christen in Nordkorea<br />
und anderen Ländern, für die dies ein sehr akutes<br />
Problem ist. Geht es ihnen um die Gerechtigkeit<br />
oder um eine Sache? Natürlich haben sie ihre politischen<br />
Vorstellungen und Ideen. Sie sind Bürger<br />
ihres Lan<strong>des</strong>. Ich will auch nicht sagen, dass man<br />
nicht für seine politische Meinung eintreten sollte.<br />
Ich muss nur an Folgen<strong>des</strong> erinnern: <strong>Die</strong> zu<br />
dieser Seligpreisung gehörende Verheißung bezieht<br />
sich nicht auf politische Einstellungen.<br />
Wenn du bereit bist, für deine politische Überzeugung<br />
zu leiden, dann tu es. Aber mach dann<br />
Gott keine Vorhaltungen, wenn sich die Segnungen<br />
dieser Seligpreisung in deinem Leben nicht<br />
einstellen. <strong>Die</strong>se Seligpreisung und ihre Verheißung<br />
richten sich an diejenigen, die um der Gerechtigkeit<br />
willen verfolgt werden. Möge Gott<br />
uns gnädig sein und uns Weisheit und Verstand<br />
schenken, damit wir unterscheiden können zwischen<br />
politischen Einstellungen und Vorurteilen<br />
und geistlichen Prinzipien.<br />
Momentan herrscht diesbezüglich viel Verwirrung.<br />
Viel Gerede, das sich christlich anhört und<br />
von dem behauptet wird, dass es christlich darin<br />
sei, dass es gewisse Dinge anprangert, die in dieser<br />
Welt geschehen, ist – und davon bin ich überzeugt<br />
– nichts weiter als ein Ausdruck politischer<br />
Einstellungen. Mein Wunsch ist es, uns vor einer<br />
solchen falschen Auslegung der Schrift zu bewahren,<br />
die zu ganz und gar unnötigem Leid führt.<br />
Eine weitere große Gefahr entsteht, wenn diese<br />
klare biblische Haltung von denen vereinnahmt<br />
wird, die gewisse politische und soziale Vorstellungen<br />
haben. Zwischen beiden Haltungen liegen<br />
Welten, und sie haben nichts miteinander zu tun.<br />
Lasst mich dies an einem Beispiel illustrieren:<br />
Der christliche Glaube ist an und für sich nicht<br />
gegen die Obrigkeit; und ich hoffe, niemand unter<br />
uns ist so töricht, es der römisch-katholischen<br />
Kirche oder einer anderen Richtung zu erlauben,<br />
uns diesbezüglich zu verwirren und in die Irre zu<br />
führen.<br />
Als Christen müssen wir um die Seelen und das<br />
Heil der Regierenden besorgt sein. Sie müssen uns<br />
genauso am Herzen liegen wie alle anderen Menschen<br />
auch. Hinterlassen wir aber bei ihnen erst<br />
einmal den Eindruck, dass der christliche Glaube<br />
sich nur gegen sie richte, verschließen und verbarrikadieren<br />
wir selbst die Tür zu ihnen und halten<br />
sie förmlich davon ab, die Heilsbotschaft <strong>des</strong><br />
<strong>Evangeliums</strong> anzuhören. Liebe Christen, lasst uns<br />
sehr vorsichtig sein und die Aussagen der Schrift<br />
so nehmen, wie sie dastehen.<br />
LEIDEN, WEIL WIR<br />
»GUTE MENSCHEN« SIND<br />
Nun noch eine letzte verneinende Bemerkung. In<br />
dieser Seligpreisung heißt es noch nicht einmal:<br />
»Glückselig sind, die verfolgt werden, weil sie so<br />
›gute Menschen‹ sind« – oder so großzügig, oder<br />
so opferbereit. Und hier haben wir es mit einer<br />
weiteren äußerst wichtigen Unterscheidung zu<br />
tun. <strong>Die</strong>se Seligpreisung sagt also nicht, dass wir<br />
gesegnet sind, wenn wir aus dem Grund leiden,<br />
weil wir gut und großzügig sind – denn aus diesem<br />
Grund wird mit höchster Wahrscheinlichkeit<br />
niemand verfolgt werden.<br />
Es ist doch eine unwiderlegbare Tatsache, dass<br />
die Welt normalerweise Menschen lobt, verehrt<br />
und liebt, die einfach nur gut und nobel sind. <strong>Die</strong><br />
Welt bedrängt und verfolgt nur die Gerechten.<br />
Es gibt Menschen, die große Opfer gebracht und<br />
Karrieren, Reichtum und eine rosige Zukunft aufgegeben<br />
haben, ja sogar ihr Leben opferten. Sol-<br />
6 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
che Menschen hält die Gesellschaft doch in hohen<br />
Ehren und macht sie zu ihren Helden.<br />
Wir sollten daher sofort vermuten, dass es sich<br />
bei ihrem Opfer oder bei ihren Leiden nicht um<br />
Verfolgung um der Gerechtigkeit willen handelt,<br />
von der in dieser Seligpreisung gesprochen wird.<br />
Es gibt berühmte Persönlichkeiten, die die Welt<br />
für großartige Christen hielt, nur weil sie große<br />
Opfer gebracht haben. Das, so meine ich, sollte<br />
bei uns sogleich die Frage aufwerfen, ob solche<br />
Menschen um der Gerechtigkeit willen verfolgt<br />
wurden, oder ob der Grund für ihr Opfer und ihre<br />
Leiden ein anderer ist – etwa ein allgemein nobler<br />
Charakter.<br />
2. WAS »VERFOLGT WERDEN« BEDEUTET<br />
Wie ist denn nun diese Seligpreisung zu verstehen?<br />
Ich möchte es folgendermaßen ausdrücken:<br />
Gerecht sein, also Gerechtigkeit zu üben heißt, so<br />
zu sein wie der Herr Jesus Christus. Glücklich gepriesen<br />
werden also diejenigen, die verfolgt werden,<br />
weil sie so sind wie der Herr. Es geht noch<br />
weiter: <strong>Die</strong>jenigen, die so sind wie ihr Herr, werden<br />
immer verfolgt werden. Ich möchte euch dies<br />
anhand <strong>des</strong>sen beweisen, was die Heilige Schrift<br />
lehrt.<br />
Hört auf das, was unser Herr darüber zu sagen<br />
hat: »Wenn euch die Welt hasst, so wisst, dass sie Mich<br />
vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt wärt, so hätte<br />
die Welt das Ihre lieb; weil ihr aber nicht von der Welt<br />
seid, sondern Ich euch aus der Welt heraus erwählt habe,<br />
darum hasst euch die Welt. Gedenkt an das Wort, das Ich<br />
zu euch gesagt habe: Der Knecht ist nicht größer als sein<br />
Herr. Haben sie Mich verfolgt, so werden sie auch euch<br />
verfolgen« (Joh. 15,18-20) – ohne Einschränkung;<br />
hier handelt es sich um eine kategorische Aussage.<br />
Hört auch auf das, was Paulus an Timotheus<br />
schreibt, der diese Lehre nicht verstand und unglücklich<br />
war, weil er verfolgt wurde: »Und alle, die<br />
gottesfürchtig leben wollen in Christus Jesus, werden Verfolgung<br />
erleiden« (2.Tim. 3,12). Das ist wiederum eine<br />
kategorische Aussage. Aus diesem Grunde habe<br />
ich anfangs gesagt, dass ich überzeugt bin, dass<br />
dies die tiefschürfendste aller Seligpreisungen ist.<br />
Lei<strong>des</strong>t du Verfolgung?<br />
MENSCHEN, DIE UM<br />
DER GERECHTIGKEIT WILLEN<br />
VERFOLGT WURDEN<br />
Da ist Abel, der von seinem Bruder verfolgt wurde.<br />
Mose war bitterer Verfolgung ausgesetzt. David<br />
wurde von Saul verfolgt. Und Elia und Jeremia<br />
mussten schreckliche Verfolgung erdulden.<br />
Erinnern wir uns an Daniel, und wie er verfolgt<br />
wurde. <strong>Die</strong>s sind einige der gerechtesten Männer<br />
<strong>des</strong> Alten Testaments, außergewöhnliche Persönlichkeiten,<br />
und jede von ihnen belegt diese biblische<br />
Lehre. Sie wurden nicht verfolgt, weil sie<br />
etwa schwierige, übereifrige Charaktere gewesen<br />
wären. Sie wurden verfolgt, weil sie gerecht<br />
waren.<br />
Im Neuen Testament finden wir genau den<br />
gleichen Sachverhalt vor. Erinnern wir uns an die<br />
Apostel, und welche Verfolgungen sie erdulden<br />
mussten. Ich bezweifle, ob es je eine Person gab,<br />
die mehr erlitten hat als der Apostel Paulus, trotz<br />
seiner Sanftmut und Güte und Freundlichkeit. Es<br />
sollte uns nicht überraschen, wenn er schreibt:<br />
»Alle, die gottesfürchtig leben wollen in Christus Jesus,<br />
werden Verfolgung erleiden.« Er hat das an so vielen<br />
Stellen seines Lebens erfahren.<br />
Das beste Beispiel ist aber unser Herr Selbst.<br />
Ihn sehen wir in all Seiner einzigartigen Vollkommenheit,<br />
Seiner Sanftmut und Freundlichkeit –<br />
Ihn, von dem gesagt werden kann: »Das geknickte<br />
Rohr wird Er nicht zerbrechen, und den glimmenden<br />
Docht wird Er nicht auslöschen« (Jes. 42,3). Niemals<br />
war irgendjemand so gütig und freundlich! Aber<br />
schauen wir, was Ihm widerfahren ist, und was<br />
die Welt Ihm angetan hat.<br />
Lest aber auch die lange Geschichte der Gemeinde<br />
Jesu. Ihr werdet herausfinden, dass sie<br />
eine endlose Bestätigung <strong>des</strong>sen ist, was wir hier<br />
feststellen. Lest Biographien wie jene von Johannes<br />
Hus oder den Vätern <strong>des</strong> Protestantismus.<br />
Oder informiert euch über die Erweckung im 18.<br />
Jahrhundert, wie die Prediger verfolgt wurden.<br />
Nicht viele haben so viel Verfolgung erlitten wie<br />
z. B. Hudson Taylor. Er wusste, was es heißt, von<br />
Zeit zu Zeit Verfolgung zu leiden. Er ist schlicht<br />
eine Bestätigung dieser Seligpreisung.<br />
voiceofhope.de | 7
Wer verfolgt die Gerechten? Wenn wir daraufhin<br />
die Schrift und die Kirchengeschichte durchforschen,<br />
dann werden wir herausfinden, dass<br />
Verfolgung nicht nur von Seiten der Welt ausgegangen<br />
ist. Einige der schlimmsten Verfolgungen,<br />
die die Gerechten erdulden mussten, gingen von<br />
der Kirche oder Gemeinde selbst aus, von religiösen<br />
Menschen also. Sehr oft geht Verfolgung von<br />
Namenschristen aus.<br />
Schauen wir wieder auf unseren Herrn. Wer<br />
waren Seine Hauptverfolger? <strong>Die</strong> Pharisäer, die<br />
Lehrer <strong>des</strong> Gesetzes. Auch die ersten Christen<br />
wurden aufs unerbittlichste von den Juden verfolgt.<br />
Und dann werfen wir einen Blick in die<br />
Kirchengeschichte, wie die römisch-katholische<br />
Kirche im Mittelalter nicht wenige von denen verfolgte,<br />
die die reine Wahrheit erkannt hatten und<br />
nun versuchten, in aller Stille danach zu leben. Sie<br />
wurden von sehr religiösen Menschen verfolgt.<br />
Das war auch die Geschichte der Väter <strong>des</strong> Puritanismus.<br />
Das ist die Lehre der Heiligen Schrift, bestätigt<br />
durch die Kirchengeschichte, dass Verfolgung<br />
nicht nur von außen zu kommen braucht, sondern<br />
aus den eigenen Reihen. Viele nehmen Vorstellungen<br />
über das Christentum an, die weit von dem<br />
entfernt sind, was die Schrift lehrt. Und aufgrund<br />
dieser Vorstellungen verfolgen sie dann diejenigen,<br />
die schlicht und aufrichtig ihrem Herrn auf<br />
dem schmalen Weg nachfolgen wollen.<br />
Vielleicht kannst du dies auch schon aus eigener<br />
Erfahrung bestätigen. Von Neubekehrten<br />
habe ich schon oft gehört, dass sie weit mehr<br />
Widerstand von angeblichen Christen erfahren<br />
haben als von Seiten der Welt, die oft erfreut ist,<br />
dass sie sich verändert haben, und etwas darüber<br />
wissen möchte. Nominelles, formales Christentum<br />
ist oft der größte Feind <strong>des</strong> biblischen Glaubens.<br />
WARUM WERDEN DIE<br />
GERECHTEN VERFOLGT?<br />
Warum werden gerade die Gerechten verfolgt<br />
und nicht die Guten und Anständigen? Ich meine,<br />
die Antwort darauf ist sehr einfach. <strong>Die</strong> Guten<br />
und Anständigen werden ganz selten verfolgt,<br />
weil man in ihrer Gegenwart das Gefühl<br />
hat, sie seien gerade so, wie man in den besten<br />
Momenten seines Lebens ist. Aber die Gerechten<br />
werden verfolgt, weil sie so ganz anders sind. Darum<br />
hassten die Pharisäer und Schriftgelehrten<br />
den Herrn Jesus Christus – und zwar nicht, weil<br />
Er solch ein guter Mensch war, sondern weil Er<br />
so anders war. Sie sahen am Herrn etwas, das sie<br />
verurteilte. Bei Ihm ahnten sie, dass ihre Gerechtigkeit<br />
sehr schäbig aussah – und das gefiel ihnen<br />
überhaupt nicht.<br />
<strong>Die</strong> Gerechten mögen gar nichts sagen, sie<br />
verurteilen die anderen nicht so sehr mit Worten.<br />
Aber indem sie das sind, was sie sind, verurteilen<br />
sie. In ihrer Gegenwart fühlen sich andere unleidlich<br />
und schrumpfen zu nichts zusammen. Darum<br />
werden sie gehasst, und man setzt alles daran,<br />
auch bei ihnen Fehler zu finden. Das ist auch die<br />
Erklärung für die Verfolgung, die Daniel erlitten<br />
hat. Er musste leiden, weil er gerecht war. Er<br />
machte keine Show daraus, sondern verhielt sich<br />
eigentlich still und unauffällig. Seine Widersacher<br />
aber sagten: »<strong>Die</strong>ser Mann verdammt uns in dem,<br />
was er tut. Wir müssen ihn ausschalten.« Das ist<br />
immer der Auslöser, auch bei unserem Herrn. <strong>Die</strong><br />
Pharisäer und andere hassten Ihn um Seiner absoluten<br />
Heiligkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit<br />
willen. Und das ist auch der Grund, warum solche<br />
freundlichen und liebevollen Menschen wie<br />
Martin Luther, Hudson Taylor usw. so unerbittlich<br />
und grausam verfolgt wurden, und das manchmal<br />
durch die Hände sogenannter Christen.<br />
3. SCHLUSSFOLGERUNGEN<br />
Ich denke, es ist nun klar, dass wir daraus gewisse<br />
Schlussfolgerungen ziehen können. Zum einen<br />
sagt uns das alles sehr viel über unsere Vorstellung<br />
von der Person <strong>des</strong> Herrn Jesus Christus. Wenn<br />
unser Verständnis über Ihn dahin tendiert, dass<br />
Er eigentlich von einem Nichtchristen bewundert<br />
und gefeiert werden könnte, dann haben wir<br />
ein falsches Verständnis über Ihn. Der Eindruck,<br />
den der Herr auf Seine Zeitgenossen machte, war<br />
derart, dass sie Steine nach Ihm warfen. Sie hassten<br />
Ihn; sie entschieden sich letztendlich für den<br />
Freispruch eines Mörders und töteten Ihn. Das<br />
ist die Wirkung, die der Herr immer auf die Welt<br />
ausübt.<br />
8 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
Aber es gibt noch andere Vorstellungen über<br />
Ihn. Es gibt weltliche Menschen, die uns sagen, sie<br />
bewunderten Jesus Christus. Aber sie tun das nur,<br />
weil sie Ihn nicht wirklich kennen. Würden sie<br />
Ihn kennen, so würden sie Ihn hassen wie Seine<br />
Zeitgenossen. Der Herr ändert sich nicht; und der<br />
Mensch ändert sich auch nicht.<br />
<strong>Die</strong>s führt zu meiner zweiten Schlussfolgerung:<br />
<strong>Die</strong>se Seligpreisung ist auch für unsere Vorstellungen<br />
über das Christsein ein Test. Ein Christ<br />
ist wie sein Herr; und solches sagte der Herr über<br />
Seine Nachfolger: »Wehe euch, wenn alle Leute gut von<br />
euch reden! Denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen<br />
Propheten gemacht« (Lk. 6,26). Ist das nicht gerade<br />
auch unsere Vorstellung von einem vorbildlichen<br />
Christen, dass er ein netter, beliebter Mensch<br />
sei, der niemals jemanden ärgert oder kränkt, und<br />
mit dem man sehr gut auskommt? Wenn diese Seligpreisung<br />
aber wahr ist, dann ist ein solcher kein<br />
echter Christ; denn der echte Christ wird nicht<br />
von allen Seiten verehrt und gelobt. Sie rühmten<br />
unseren Herrn nicht, und sie rühmen auch nicht<br />
die Menschen, die wie Er sind.<br />
Das führt uns zur letzten Folgerung: <strong>Die</strong> Wiedergeburt<br />
ist eine absolute Notwendigkeit, ehe<br />
überhaupt jemand Christ werden kann. Christsein<br />
bedeutet letztlich, so zu sein wie der Herr<br />
Selbst. Kein Mensch kann allerdings so sein, bevor<br />
er nicht völlig verändert wurde. Wir müssen<br />
das alte Wesen zuerst loswerden, das Christus<br />
und die Gerechtigkeit hasst. Wir benötigen das<br />
neue Wesen, das diese Dinge liebt und vor allem<br />
Ihn liebt und dann so wird wie Er. Wenn du versuchst,<br />
Christus lediglich zu imitieren, dann wird<br />
dich die Welt preisen. Wenn du aber so wirst wie<br />
Christus, dann wird sie dich hassen.<br />
WISSEN WIR, WAS ES HEISST,<br />
»UM DER GERECHTIGKEIT WILLEN«<br />
VERFOLGT ZU WERDEN?<br />
Um unserem Herrn ähnlich zu werden, müssen<br />
wir Licht werden (Jes. 60,1); Licht entlarvt immer<br />
die Finsternis, und darum hasst die Finsternis<br />
auch immer das Licht. Wir sollen nicht anstößig<br />
sein, nicht töricht, nicht unweise. Wir dürfen aus<br />
unserem Glauben auch nicht eine Show machen.<br />
Wir sollten auch nichts tun, das Verfolgung heraufbeschwört.<br />
Wenn wir aber so sind wie unser<br />
Herr, dann wird es unweigerlich zu Verfolgung<br />
kommen. Aber die herrliche Seite dieser Sache<br />
ist, wie Petrus und Jakobus sagen: »Freut euch<br />
darüber!« Und unser Herr sagt: »Glückselig seid<br />
ihr, wenn es euch so ergeht.« Denn wann immer<br />
wir um <strong>des</strong> Herrn und um der Gerechtigkeit willen<br />
verfolgt werden, ist das in der Tat ein Zeichen<br />
dafür, dass wir Christen und Bürger <strong>des</strong> Reiches<br />
Gottes sind. »Denn euch wurde«, sagt Paulus, »was<br />
Christus betrifft, die Gnade verliehen, nicht nur an Ihn zu<br />
glauben, sondern auch um Seinetwillen zu leiden« (Phil.<br />
1,29).<br />
Ich schaue auf jene ersten Christen, die von<br />
den Obrigkeiten verfolgt wurden. Ich höre, wie<br />
sie Gott dafür danken, dass sie für würdig erfunden<br />
wurden, um Seines Namens willen zu leiden.<br />
Möge der Herr uns durch Seinen Geist in diesen<br />
Dingen viel Weisheit verleihen und Unterscheidungsvermögen<br />
und Verstand, sodass wir, wenn<br />
wir zu leiden haben, auch gewiss sein können,<br />
dass es um der Gerechtigkeit willen geschieht.<br />
Dann werden wir auch die ganze Tröstung erfahren,<br />
die diese herrliche Seligpreisung verheißt.<br />
Entnommen aus dem Buch:<br />
BERGPREDIGT (Band 1)<br />
Predigten über Matthäus 5,3-48<br />
ZUM BUCH<br />
Martyn Lloyd-Jones gibt uns eine detaillierte und umfassende<br />
Auslegung <strong>des</strong> wohl bekanntesten, aber am häufigsten missverstandenen<br />
Bibeltextes – der Bergpredigt. <strong>Die</strong>se Predigt ist kein »Gesetzbuch« über<br />
Ethik oder Moral, sondern eine Beschreibung <strong>des</strong>sen, wozu wir als<br />
Menschen geschaffen sind.<br />
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STUART OLYOTT<br />
KEINE<br />
ompromisse<br />
Daniel 3,1-18<br />
In Daniel 3 lesen wir einen Bericht darüber, wie<br />
drei Männer sich mutig über den Befehl <strong>des</strong><br />
mächtigsten Mannes in der damaligen Welt<br />
hinwegsetzten, um dem lebendigen Gott zu gehorchen.<br />
Ihm zu gefallen, war ihnen sogar wichtiger<br />
als ihr eigenes Leben. Ihr Vorbild zeigt uns,<br />
was das Wesen der Gottseligkeit ist. Das Kapitel<br />
zeichnet uns auch auf, wie Gott eingegriffen und<br />
ihren Glauben bestätigt hatte.<br />
<strong>Die</strong> Hauptsache in diesem Kapitel ist jedoch<br />
nicht die wunderbare Errettung jener Männer.<br />
Wir haben mit dem Glauben an Wunder keine<br />
Probleme – das hoffe ich jedenfalls! Wenn wir<br />
erkennen, dass Gott allmächtig ist, und wenn wir<br />
erst einmal glauben, dass Er Seinen Sohn aus den<br />
Toten auferweckt hat, dann sind Wunder für uns<br />
kein Problem mehr. <strong>Die</strong> machtvolle Errettung,<br />
von der in diesem Kapitel berichtet wird, erfüllt<br />
unsere Herzen mit der Anbetung Gottes. Und<br />
doch ist diese Errettung nicht das Wichtigste, was<br />
wir beachten sollten.<br />
<strong>Die</strong> Hauptsache in diesem Kapitel ist, dass<br />
hier drei junge Gläubige versucht werden, Unrecht<br />
zu tun, und dass sie dieses Ansinnen ablehnen.<br />
Sie sind bereit, nicht im Einklang mit den<br />
anderen zu stehen, selbst wenn diese Haltung für<br />
TEIL<br />
10 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />
1<br />
1/<strong>2022</strong>
sie einen schrecklichen Tod bedeuten sollte. Das<br />
Wort »Kompromiss« gehört nicht zu ihrem Wortschatz.<br />
Unrecht bleibt Unrecht, und sie wollen es nicht<br />
tun, wie groß die Gefahr auch sein mag. Sie wollen<br />
keine Sünde tolerieren. Auf diesen Punkt sollten<br />
wir unsere Aufmerksamkeit richten, denn er<br />
lehrt uns einmal mehr, wie das Zeugnis für Gott<br />
in einer heidnischen Welt aufrechterhalten wird.<br />
Wenn wir Gott in einer gefallenen Welt treu bleiben<br />
wollen, dann müssen wir selbst den Weg Sadrachs,<br />
Mesachs und Abed-Negos gehen. <strong>Die</strong>ses<br />
Kapitel ruft uns die alte Frage in Erinnerung:<br />
Was geschieht, wenn eine unwiderstehliche <strong>Kraft</strong> auf<br />
ein unbewegliches Objekt prallt?<br />
(Wenn man davon absieht, dass es sich in diesem<br />
Fall um drei unbewegliche Objekte handelt!) Wir<br />
werden uns zunächst die unwiderstehliche <strong>Kraft</strong><br />
anschauen, danach die unbeweglichen Objekte.<br />
Schließlich werden wir sehen, was geschah, als die<br />
beiden aufeinanderprallten.<br />
DIE UNWIDERSTEHLICHE KRAFT<br />
<strong>Die</strong> unwiderstehliche <strong>Kraft</strong> ist der König Nebukadnezar.<br />
Wenn wir die Verse 1-7 genau betrachten,<br />
dann wird schnell deutlich werden, warum ich<br />
ihn so bezeichne. Der Bericht beginnt damit, dass<br />
er ein Bild aufrichten lässt. Es war unter babylonischen<br />
und syrischen Machthabern üblich, Bilder<br />
zu ihrer eigenen Ehre aufrichten zu lassen, und<br />
was Nebukadnezar tat, wurde nicht als besonders<br />
ungewöhnlich angesehen. Es handelte sich wahrscheinlich<br />
um ein Bild, das seine eigene Person<br />
darstellen sollte. Es ist auch sicher, dass er dabei<br />
nicht allein an seine eigene Ehre dachte, sondern<br />
auch an die Ehre der Götter, die er anbetete.<br />
<strong>Die</strong> Unkosten für die Herstellung und Aufrichtung<br />
eines solchen Bil<strong>des</strong> müssen riesig gewesen<br />
sein. Vergoldet stand es auf seinem Po<strong>des</strong>t<br />
und war über 27 Meter hoch; seine Breite betrug<br />
jedoch nur 2,7 Meter. <strong>Die</strong>se Proportionen sind<br />
ziemlich seltsam, sind aber typisch für babylonische<br />
Standbilder. <strong>Die</strong>ses riesige Standbild wurde<br />
dann in der Ebene Dura aufgerichtet. Es konnte<br />
wahrscheinlich aus vielen Kilometern Entfernung<br />
gesehen werden, insbesondere dann, wenn<br />
sein Goldüberzug die Sonne reflektierte.<br />
Als das Bild fertig war, fand eine Einweihungszeremonie<br />
statt. Hierauf wird in den Versen 2 und<br />
3 Bezug genommen. Bedeutende Beamte kamen<br />
aus den entferntesten Ecken <strong>des</strong> babylonischen<br />
Weltreiches, und ihre unterschiedlichen <strong>Die</strong>nstgrade<br />
werden uns vorgestellt. Wahrscheinlich<br />
hatte niemand in der damals bekannten Welt je<br />
einer solchen Feier beigewohnt. <strong>Die</strong> Menschenmenge<br />
war wohl riesig, und der ganze Prunk war<br />
großartig. Es war ein Bild, das vom mächtigen König<br />
von Babylon errichtet worden war, sowohl zu<br />
seiner eigenen Ehre als auch zu Ehren seiner Götter,<br />
und die Menschen waren bereit, von überall<br />
her zu kommen, um es zu sehen.<br />
In Vers 4 lesen wir, dass der Herold, der vor dieser<br />
großen Menschenmenge stand, »mit gewaltiger<br />
Stimme« rief. Was für eine Stimme muss er wohl<br />
gehabt haben! Der verstummenden Menschenmenge<br />
erteilte er einen Befehl im Namen <strong>des</strong> Königs.<br />
Niemand war von seinen Ansprüchen ausgenommen.<br />
Verschiedene Völker und Nationen und<br />
Sprachen aus dem gesamten babylonischen Weltreich<br />
waren anwesend, und was befohlen wurde,<br />
galt für sie alle. Auch ein Orchester war bei der<br />
Zeremonie anwesend, <strong>des</strong>sen Instrumente in den<br />
Versen 5, 7, 10 und 15 aufgeführt sind. Alle Arten<br />
von Musikinstrumenten waren dabei. Der Befehl<br />
<strong>des</strong> Herolds lautete, dass jeder, wer es auch immer<br />
sein und wo er sich gerade befinden mochte, niederzufallen<br />
und das neu aufgerichtete Bild anzubeten<br />
habe, sobald dieses Orchester spielen würde.<br />
Wenn Vers 6 – »Wer aber nicht niederfällt und anbetet,<br />
der soll augenblicklich in den glühenden Feuerofen<br />
geworfen werden!« – uns heute verwirrend und unvernünftig<br />
zu sein scheint, dann sollten wir uns<br />
an etwas erinnern. <strong>Die</strong>ses seltsame Standbild war<br />
zu Ehren <strong>des</strong> Königs und seiner Götter aufgerichtet<br />
worden. Wenn man nicht vor ihm niederfiel, so<br />
konnte dies nur als Untreue interpretiert werden.<br />
Es wäre eine Weigerung, sich dem Wort <strong>des</strong> Königs<br />
unterzuordnen – was einem Verrat gleichgekommen<br />
wäre. Solches Verhalten konnte nur mit<br />
einem schrecklichen Tod im glühenden Feuerofen<br />
bestraft werden.<br />
Vor solch einem Götzen niederzufallen, stellte<br />
für die große Mehrheit der Menschen im babylo-<br />
voiceofhope.de | 11
nischen Weltreich kein Problem dar, selbst wenn<br />
sie aus anderen Nationen kamen. Sie mussten<br />
einfach nur denken: »<strong>Die</strong> Götter Babylons sind offensichtlich<br />
stärker als unsere eigenen; ansonsten<br />
wären wir nicht besiegt worden. Wir sollten das<br />
durchaus anerkennen.«<br />
Selbst für die Juden in der Verbannung stellte<br />
ein solches Niederfallen kein Problem mehr dar.<br />
Seit Generationen hatten sie Gott nicht gehorcht<br />
und hatten sich im Götzendienst verstrickt. <strong>Die</strong><br />
harten Worte der Propheten hatten sie beständig<br />
ignoriert. Sie hatten wahrscheinlich keine Gewissensbisse,<br />
sich vor dem goldenen Standbild niederzuwerfen.<br />
Götzendienst war ihnen schon in<br />
Fleisch und Blut übergegangen. Warum sollten sie<br />
sich jetzt selbst zum sicheren Tod verurteilen, indem<br />
sie es ablehnten, etwas zu tun, was sie schon<br />
jahrelang getan hatten?!<br />
<strong>Die</strong> Unterordnung unter den Befehl <strong>des</strong> Königs<br />
konnte erwartet werden, denn niemand wurde<br />
dadurch in Verlegenheit gebracht oder verletzt.<br />
Niemand – außer natürlich der gottesfürchtige<br />
Überrest. Das Zeichen für <strong>des</strong>sen bleibende Treue<br />
zu Gott war, dass sie nichts mit der Anbetung falscher<br />
Götter zu tun hatten. Das »erste und größte<br />
Gebot« (Mt. 22,36-39) war für sie von allergrößter<br />
Bedeutung: Sie waren überzeugt, dass nichts<br />
wichtiger sei, als den Herrn, ihren Gott, mit ganzem<br />
Herzen, ganzer Seele, ganzem Denken und<br />
der ganzen <strong>Kraft</strong> zu lieben (Mk. 12,30; vgl. Mt.<br />
22,36-40).<br />
Sie hatten es sogar abgelehnt, Speise zu sich<br />
zu nehmen, die den Götzen geopfert worden war,<br />
so dass sie sich sicherlich nicht vor einem Götzen<br />
verbeugen würden. Jeder andere konnte sich<br />
wohl dem Befehl <strong>des</strong> Königs unterordnen, aber<br />
nicht sie. Es gibt eine höhere Macht, der sie gehorchen<br />
mussten. Sie allein wollten anders sein.<br />
Unrecht bleibt Unrecht, und sie konnten es nicht<br />
tun, selbst wenn die Konsequenz ihres Verhaltens<br />
der sichere Tod in einem glühenden Feuerofen<br />
war. Als alle anderen niederfielen, bleiben sie<br />
stehen!<br />
Seit 2 000 Jahren haben diktatorische Regierungen<br />
Christen befohlen, entweder gottlosen<br />
Forderungen zu entsprechen oder sterben zu<br />
müssen. In vielen Staaten der heutigen Welt erleidet<br />
das Volk <strong>des</strong> Herrn Verfolgung. Sie schmachten<br />
im Gefängnis, dürfen nur die niedrigsten Aufgaben<br />
in der Gesellschaft verrichten, ertragen das<br />
Herzeleid, dass ihnen ihre Kinder weggenommen<br />
werden, leiden unter der Folter und sterben einen<br />
qualvollen Tod. Doch sie geben nicht auf, denn<br />
sie wissen, dass allein Gott die Ehre gebührt. Ihr<br />
fester Entschluss ist: lieber leiden und sterben, als<br />
dem Herrn untreu zu sein.<br />
Wir leben nicht unter einer solchen Regierung.<br />
Und doch bleiben die Worte Samuel Rutherfords<br />
auch für uns wahr: »Du wirst nicht die Möglichkeit<br />
erhalten, dich still in den Himmel und die Gemeinschaft<br />
Christi hineinzustehlen, ohne einen Kampf kämpfen und<br />
ein Kreuz tragen zu müssen.« Der Staat versucht heute,<br />
die Kontrolle über die Gemeinden zu erlangen,<br />
und die Menschen um uns her setzen uns unter<br />
Druck, sich ihnen in ihren Sünden anzuschließen,<br />
indem sie immer wieder sagen: »Jeder andere tut<br />
es doch auch; warum tust du es nicht? Warum<br />
willst du anders sein? Los, gib dir einen Ruck –<br />
nur dieses eine Mal!«<br />
Manche jungen Christen werden dazu gedrängt,<br />
sich mit den Kameraden zu betrinken<br />
oder ihre Unschuld vor der Ehe preiszugeben. Sie<br />
werden unter Druck gesetzt, zu lügen, zu stehlen,<br />
schmutzige Bücher zu lesen und sich anstößige<br />
Serien und Filme anzuschauen. <strong>Die</strong> Entheiligung<br />
<strong>des</strong> Sonntags, Geldverschwendung, Unpünktlichkeit,<br />
Glücksspiel und tausend andere Sünden,<br />
Anstandslosigkeit und Stolz werden als Tugenden<br />
gepriesen.<br />
<strong>Die</strong> Welt hat ihren eigenen »Feuerofen«, der diejenigen<br />
erwartet, die sich nicht der Anbetung ihrer<br />
Götzen hingeben. Es ist der Feuerofen der Verspottung,<br />
<strong>des</strong> Belächeltwerdens, der Verachtung<br />
und Ignorierung.<br />
Gottesfürchtigen Menschen wird wegen ihrer<br />
Verweigerungshaltung gesagt, dass sie engstirnige,<br />
verkalkte Trottel seien, und ihnen wird die<br />
kalte Schulter gezeigt, indem sie vom Leben und<br />
der Zuneigung der Menschen in ihrer Umgebung<br />
ausgeschlossen werden. Vielen Gemeinden und<br />
einzelnen Christen erscheint der Druck heute unwiderstehlich.<br />
Sie fühlen sich zu einer Entscheidung<br />
gedrängt. Sie müssen entweder nachgeben<br />
und so sein wie andere auch, oder sie müssen<br />
sich dagegen wehren und alles verlieren. Das war<br />
die Entscheidung, vor die Sadrach, Mesach und<br />
Abed-Nego gestellt wurden!<br />
12 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
DREI UNBEWEGLICHE »OBJEKTE«<br />
Was taten diese drei jungen Männer, als sie vor diese direkte<br />
Entscheidung gestellt wurden?<br />
<strong>Die</strong> Verse 8-18 sagen es uns. Ihre Entscheidung<br />
war es, Gott zu gefallen – ganz gleich, welche Konsequenzen<br />
das mit sich bringen mochte. Von dieser<br />
Position rückten sie nicht einen Millimeter ab.<br />
<strong>Die</strong> unwiderstehliche <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> Befehls <strong>des</strong> Königs<br />
traf auf drei unbewegliche Objekte!<br />
Wir wollen versuchen, uns die in den Versen<br />
8-12 berichtete Szene vorzustellen. Versuchen<br />
wir, uns ein Bild von der riesigen Volksmenge zu<br />
machen, von der erregten und erwartungsvollen<br />
Atmosphäre. Schließlich spielt das Orchester, und<br />
die Volksmenge beugt sich, wie befohlen, zur Erde.<br />
Es sind – wie es auffälliger nicht gehen kann – nur<br />
drei Menschen, die immer noch aufrecht stehen!<br />
Zweifelsohne haben wir alle schon mal Gottesdienste<br />
besucht, bei denen wir erlebten, dass<br />
jemand stehen blieb, nachdem alle anderen Besucher<br />
sich gesetzt hatten. Jeder nimmt Notiz von<br />
ihm; je<strong>des</strong> Auge fixiert ihn. Wie viel auffälliger<br />
müssen Sadrach, Mesach und Abed-Nego wohl<br />
gewesen sein! Das ganze Weltreich fällt nieder,<br />
aber drei Männer – und zwar nur diese drei – besitzen<br />
die Frechheit, einfach stehen zu bleiben!?<br />
Im Lichte von Kapitel 1 war es wahrscheinlich<br />
weithin bekannt, dass diese drei jegliche Form<br />
von Götzendienst nicht gutheißen konnten. Aber<br />
diesmal scheint es, als ob ihre Haltung sie zugrunde<br />
richten würde. Sie werden dem König namentlich<br />
genannt. Gewiss hätten viele gute Dinge über<br />
sie gesagt werden können, um solch eine Anklage<br />
abzuschwächen. Aber nichts dergleichen wird zu<br />
ihrer Entlastung gesagt. Es wird direkt erklärt,<br />
dass diese drei Beamten keinen Respekt vor der<br />
Obrigkeit und dem König haben.<br />
<strong>Die</strong> Verse 13-15 berichten uns, wie der König in<br />
seinem wilden Zorn befiehlt, diese drei Männer<br />
sogleich zu ihm zu bringen.<br />
»Ist es wahr?«, fragt er sie. Er sichert ihnen<br />
dann zu – ebenso, wie die Welt um uns her es tut<br />
–, dass es, wenn die Kunde von ihrer Weigerung<br />
wahr sei, noch nicht zu spät sei, ihre Meinung zu<br />
ändern und sich so zu verhalten wie jeder andere<br />
auch: »Kommt schon, seid bereit!«, sagt der König.<br />
»Sobald ihr den Klang der Hörner, Flöten, Zithern,<br />
Lauten, Harfen und Sackpfeifen und aller Arten von Musik<br />
hören werdet, niederzufallen und das Bild anzubeten,<br />
das ich gemacht habe, [dann ist es gut!] Wenn ihr es aber<br />
nicht anbetet, so sollt ihr augenblicklich in den glühenden<br />
Feuerofen geworfen werden! Und wer ist der Gott, der<br />
euch aus meiner Hand erretten könnte?« (V. 15).<br />
<strong>Die</strong> Welt um uns her fordert sehr hartnäckig,<br />
Christen zu überreden, sich ihr anzupassen. Sie<br />
kann diejenigen nicht tolerieren, die damit auffallen,<br />
dass sie sich nicht anpassen. Und bevor<br />
die Welt es anstrebt, jemanden zu ruinieren, versucht<br />
sie, ihn zu überreden, genauso wie alle anderen<br />
zu werden. Es scheint etwas in der Welt zu<br />
geben, das sie sehr darauf bedacht sein lässt, dass<br />
das Volk <strong>des</strong> Herrn sich ihr in seinem Denken und<br />
Handeln anpasst. <strong>Die</strong>jenigen, die nicht vor ihren<br />
Götzen niederfallen, vor denen sie sich niederwirft,<br />
verwirren und beunruhigen sie. Sie kann<br />
Leute nicht verstehen, die andere Werte haben.<br />
Sie ärgert sich besonders über diejenigen, die den<br />
unsichtbaren Gott vor allem und jedem anderen<br />
verehren und lieben. Sie würde sie lieber überreden,<br />
als sie zu bestrafen; doch wenn es ihr nicht<br />
gelingt, sie zu überreden, dann wird die Welt die<br />
wahren Gläubigen eigentlich immer bestrafen.<br />
Tatsächlich ist die Androhung einer Strafe Bestandteil<br />
ihrer Argumentation, warum man sich<br />
ihr anpassen soll.<br />
Nebukadnezar ist sehr zornig. Wie können sie es<br />
wagen, ihn nicht als den Höchsten anzuerkennen?<br />
Wenn sie seine Herrschaft nicht auf diese<br />
Weise anerkennen, dann müssen sie es eben auf<br />
eine andere Weise tun – der Feuerofen würde beweisen,<br />
wo die wirkliche Macht liegt. Wenn er, der<br />
König, sie einmal hineingeworfen hätte, wer wäre<br />
der Gott, der fähig wäre, sie aus seiner Hand zu<br />
erretten?! Vers 16 zeigt uns, weshalb es zutreffend<br />
ist, Sadrach, Mesach und Abed-Nego als »unbewegliche<br />
Objekte« zu bezeichnen. Sie antworteten<br />
und sagten zum König Nebukadnezar: »Wir haben<br />
es nicht nötig, dir darauf ein Wort zu erwidern.«<br />
Damit gaben sie Folgen<strong>des</strong> zu verstehen: »<strong>Die</strong><br />
Anklage, die gegen uns erhoben wird, ist wahr.<br />
Wir wollen uns nicht verteidigen, nicht rechtfertigen<br />
oder entschuldigen. Fakten sind Fakten,<br />
und wir stehen zu ihnen. Es ist völlig wahr,<br />
voiceofhope.de | 13
dass wir uns nicht vor dem goldenen Bild niedergeworfen<br />
haben. Wenn du uns nun in den Feuerofen<br />
werfen willst, so geschehe es. Unser Gott<br />
kann uns erretten. In der Tat wird Er das tun.<br />
Wenn Er jedoch nach Seinem souveränen Wohlgefallen<br />
beschließt, uns nicht zu retten, dann wisse,<br />
dass wir immer noch nicht bereit wären, die<br />
Sünde zu tun, die du von uns verlangst.«<br />
Hier spricht der wahre Glaube! Es ist leicht,<br />
sich zu weigern, vor dem Standbild niederzufallen,<br />
wenn die Befreiung von der Strafe sicher ist.<br />
<strong>Die</strong>se drei Männer waren sich der Rettung bewusst.<br />
Aber ihre Entschiedenheit ging so weit,<br />
dass sie sich selbst dann nicht vor dem Bild niederwerfen<br />
würden, wenn sie nicht befreit würden.<br />
So handelt nur der wahre Glaube, so verhalten<br />
sich nur gottesfürchtige Christen. Im Christenleben<br />
gibt es ein großes Prinzip, an das wir uns immer<br />
erinnern sollten. Charles Haddon Spurgeon<br />
brachte es mit folgenden Worten zum Ausdruck:<br />
»Deine Pflicht ist es, das Richtige zu tun; die Konsequenzen<br />
liegen bei Gott ... Deine und meine Aufgabe<br />
ist es, das Richtige zu tun, selbst wenn der Himmel<br />
einstürzen würde, und dem Gebot Christi zu folgen,<br />
welche Konsequenzen das auch mit sich bringen mag<br />
... O meine Herren, was haben wir mit den Konsequenzen<br />
zu tun?! Der Himmel mag einstürzen, aber<br />
der gottesfürchtige Mann sollte seinem Herrn gehorsam<br />
und Seiner Wahrheit treu bleiben. O Mann Gottes,<br />
sei gerecht und fürchte dich nicht! <strong>Die</strong> Konsequenzen<br />
stehen bei Gott, und nicht bei dir.«<br />
<strong>Die</strong>ses biblische Prinzip wird durch Sadrach,<br />
Mesach und Abed-Nego veranschaulicht. Unsere<br />
Pflicht und das Limit unserer Pflicht ist es, das<br />
Rechte zu tun – nicht weniger, aber auch nicht<br />
mehr. Wenn ein gerechter Lebenswandel derartig<br />
tödliche Konsequenzen nach sich zieht wie in ihrem<br />
Fall, dann ist das Gottes Angelegenheit. <strong>Die</strong><br />
Konsequenzen liegen in Seinen Händen, doch die<br />
Pflicht liegt in den unseren. Unsere Aufgabe in<br />
diesem Leben ist es, das zu tun, was Ihm wohlgefällt,<br />
koste es, was es wolle, und ganz gleich, welche<br />
Folgen es mit sich bringen mag.<br />
Sadrach, Mesach und Abed-Nego lebten nach<br />
diesem Prinzip. Nie zuvor hatten sie, soweit wir<br />
wissen, willentlich den König von Babylon verärgert.<br />
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie derartiges<br />
gewollt hätten. Doch wenn man sich entscheiden<br />
muss, entweder dem mächtigsten Mann<br />
auf Erden oder dem ewigen Gott zu gefallen, dann<br />
hat man nur eine Wahl, nur einen Weg, den man<br />
gehen kann. Das »Schlimmste«, was die Welt uns<br />
antun kann, ist, uns zu töten.<br />
Das ist ein überwältigend tröstlicher Gedanke!<br />
Wir werden alle einmal sterben und früher oder<br />
später vor Gott stehen müssen. Sicher ist es besser,<br />
vorzeitig getötet zu werden und Frieden zu haben<br />
im Blick auf unsere Verantwortung vor Ihm, als<br />
ein bisschen länger zu leben und dann mit Schrecken<br />
vor Ihm zu stehen. Wir wissen, dass das Grab<br />
nicht das Ende ist. Warum also sollte denn die bloße<br />
To<strong>des</strong>gefahr für uns ein Grund sein, Dem nicht<br />
mehr gefallen zu wollen, dem wir nach dem Tod<br />
Rechenschaft zu geben haben? Wie viel weniger<br />
sollte uns daher die viel schwächere Androhung<br />
der Verhöhnung davon abhalten, unserem Herrn<br />
in dieser Welt nachzufolgen?<br />
Zu wenige Gläubige beschäftigen sich mit diesem<br />
Thema, über das wir gerade nachgedacht haben.<br />
<strong>Die</strong>s erklärt, warum so viele von ihnen dem<br />
Druck unserer Zeit nachgeben. Sie betrachten nur<br />
die kurzfristigen Konsequenzen, die es mit sich<br />
bringt, der Welt zu missfallen, und entscheiden<br />
dementsprechend darüber, was sie tun.<br />
Sadrach, Mesach und Abed-Nego taten das<br />
genaue Gegenteil. Wie die Konsequenzen auch<br />
immer aussehen mochten – Recht bleibt Recht<br />
und Unrecht bleibt Unrecht. Daher beschlossen<br />
sie, das Richtige zu tun und das Ergebnis Gott zu<br />
überlassen. Solche Überlegungen erhalten das<br />
Zeugnis für Gott in dieser Welt lebendig. Wenn<br />
wir aber Kompromisse schließen, verlieren wir all<br />
unsere <strong>Kraft</strong>, um die Menschen in unserer Umgebung<br />
für Christus zu gewinnen, beziehungsweise<br />
um ein wahres Zeugnis zu sein.<br />
<strong>Die</strong> unwiderstehliche <strong>Kraft</strong> war auf drei unbewegliche<br />
Objekte gestoßen. <strong>Die</strong> mächtigste <strong>Kraft</strong><br />
der damaligen Welt hatte befohlen: »Tut dies!« Ihr<br />
wurde mit der Antwort begegnet, die der Böse am<br />
meisten fürchtet: »Nein!«<br />
• Nebukadnezar wird jedoch nicht von dem Weg<br />
abrücken, den er gewählt hat.<br />
• Sadrach, Mesach und Abed-Nego werden auch<br />
nicht von dem Standpunkt abrücken, den sie<br />
eingenommen haben.<br />
• Welche Folgen wird ihre Haltung haben?<br />
»<br />
<strong>Die</strong> Fortsetzung folgt in »<strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong>« 2-<strong>2022</strong>.
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ihr in euren Häusern Gott ins Zentrum stellen<br />
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Namen Gottes zu sagen ist, was eurer Überlegung<br />
wert ist.<br />
Wenn Gott ins Zentrum eurer Familie kommt,<br />
wird Er mitten unter euch wohnen<br />
Unser Gott hat bezüglich Seines Volkes gesagt:<br />
»<strong>Die</strong>s ist für immer Meine Ruhestatt, hier will Ich wohnen;<br />
denn Ich habe sie begehrt« (Ps. 132,14). Es ist sehr<br />
wünschenswert, die gnadenreiche Gegenwart<br />
16 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
Gottes bei uns in unseren Familien zu haben,<br />
denn Er hat versprochen: »Wo zwei oder drei in Meinem<br />
Namen versammelt sind, da bin Ich in ihrer Mitte«<br />
(Mt. 18,20). Das war es auch, was sich David so<br />
sehr wünschte: »Wann wirst Du zu mir kommen?« (Ps.<br />
101,2).<br />
Für David wäre sein Palast, sein Hof, wie ein<br />
Gefängnis gewesen, wie ein Kerker, wenn Gott<br />
nicht in seinem Haus hätte wohnen wollen. Ist<br />
das nicht auch das Sehnen eurer Herzen? Ihr, die<br />
ihr eine Familie habt, möchtet ihr nicht, dass Gott<br />
mitten unter euch wohnt? Fleht Ihn an, bittet Ihn<br />
um Sein Wohlwollen und umwirbt Ihn um Seine<br />
bleibende Gegenwart. Er Selbst möchte gerne mitten<br />
unter Seinem Volk wohnen und Seine Gunst<br />
und Gnade jeden Morgen neu schenken. Wenn Er<br />
in eure Mitte kommt, so kommt Er friedfertig und<br />
bringt einen Segen mit, den Er auf den Wohnungen<br />
der Gerechtigkeit ruhen lässt (Hes. 44,30). Er<br />
wird einen Segen verheißen, der auf nicht weniger<br />
hinauslaufen soll als auf »Leben bis in Ewigkeit«<br />
(Ps. 133,3).<br />
<strong>Die</strong>ses Wohlgefallen und dieser Segen werden<br />
eure Beziehungen angenehm, eure Unternehmungen<br />
erfolgreich machen; eure Freuden<br />
werden sich vermehren, und dadurch werden für<br />
euch alle Dinge rein gemacht. Das wird eure familiären<br />
Annehmlichkeiten verdoppeln und eure<br />
familiären Leiden halbieren. Dadurch werden<br />
eure »Zelte« in Tempel und eure »Hütten« in Paläste<br />
verwandelt, so dass man dazu sagen kann:<br />
»Schön erhebt sich, die Freude der ganzen Erde, der Berg<br />
Zion« (Ps. 48,3) bzw. je<strong>des</strong> Haus, in dem Gott im<br />
Zentrum ist.<br />
Der Weg allerdings, um Gottes Wohlgefallen<br />
für euch und eure Häuser zu finden, besteht darin,<br />
sie zu Seiner Zufriedenheit einzurichten. So<br />
lud die gute Schunamitin den Propheten Elisa in<br />
ein Obergemach ein, das sie für ihn bereitet hatte,<br />
indem sie ihn dort mit einem Bett, einem Tisch,<br />
einem Stuhl und einer Lampe beherbergte (2.Kön.<br />
4,8-11).<br />
Wollt ihr eure Häuser so einrichten, wie es Gott<br />
wohlgefällt? Es wird von euch nicht erwartet, dass<br />
ihr sie so ausstattet wie ehemals Seine Stiftshütte,<br />
für die man »blauen und roten Purpur und Karmesin<br />
[und] weißes Leinen« verwenden musste (2.Mo.<br />
25,4). Aber richtet Ihm einen »Thron« und einen<br />
»Altar« auf und haltet bei<strong>des</strong> instand, damit die<br />
ganze Familie Ihm von dem »Altar« aus Ehre erweist<br />
und Er von dem »Thron« aus euch und euren<br />
Kindern das Gesetz und Evangelium kundtut.<br />
Dann könnt ihr Seines Wohlgefallens und Seines<br />
Segens gewiss sein und euch von Tag zu Tag über<br />
Seinen Trost trösten. Gott wird auf einem Weg der<br />
Gnade mit euch sein, während ihr auf dem Weg<br />
der Pflicht bei Ihm seid. Wenn ihr Ihn sucht, wird<br />
Er von euch gefunden werden. Über eurem »Zelt«<br />
wird der vertraute Umgang mit Gott walten, wie<br />
es bei Hiob der Fall war (Hi. 29,4) und wie es bei<br />
den Gerechten ist (Ps. 25,14; Spr. 3,32-33).<br />
Wenn Gott im Zentrum eurer Familie ist, wird<br />
euer Haus zu einem »Heiligtum«.<br />
Der Herr Selbst wird für euch wie ein Heiligtum<br />
sein (Hes. 11,16). Das Mittel zur Erfüllung dieser<br />
Verheißung in euren Häusern besteht darin, die<br />
Gottesfurcht in euren Häusern aufrechtzuerhalten.<br />
Dann werdet ihr ruhig und sicher leben wie<br />
auf einer hohen Burg, die von schützenden Felsen<br />
umgeben ist (nach Jes. 33,16).<br />
Das Gesetz Gottes betrachtet das Haus eines<br />
Mannes als seine Burg, und das Evangelium<br />
Christi macht es tatsächlich dazu. Wenn Gottes<br />
Gnade die Herrlichkeit im Zentrum dieses Hauses<br />
bildet, wird Seine Fürsorge »eine feurige Mauer um es<br />
her sein« (Sach. 2,9).<br />
Satan irritierte es, dass Gott den frommen<br />
Hiob, sein Haus und alles, was er besaß, ringsum<br />
eingehegt hatte, so dass er keine einzige Lücke<br />
finden konnte, durch die er bei ihm eindringen<br />
konnte (Hi. 1,10).<br />
Je<strong>des</strong> Haus, in dem der Herr wohnt, wird beschützt<br />
werden wie die Stiftshütte in der Wüste;<br />
denn Gott hat verheißen, darüber »bei Tag eine<br />
Wolke und Rauch [zu] schaffen und den Glanz einer<br />
Feuerflamme bei Nacht, denn über der ganzen Herrlichkeit<br />
wird ein Schutzdach sein« (Jes. 4,5). Wenn wir auf<br />
diese Weise unser »ganzes Leben lang [im Haus <strong>des</strong><br />
HERRN]« wohnen, indem wir unsere Häuser zu<br />
Seinen Wohnungen machen, dann wird Er uns »in<br />
Seiner Hütte … [und] im Schutz Seines Zeltes [verbergen]«<br />
(Ps. 27,4-5).<br />
Wo auch immer Familien mit Gott im Zentrum<br />
lagern, werden sich die Engel Gottes um sie herum<br />
lagern und ihre »Zelte dort aufschlagen«, wo sie<br />
die ihren aufbauen. Wir denken kaum daran, wie<br />
sehr wir es dem <strong>Die</strong>nst der guten Engel verdanken,<br />
dass unsere Familien vor der Niedertracht<br />
der bösen Engel bewahrt werden, die unablässig<br />
voiceofhope.de | 17
den gerechten Menschen Schaden zuzufügen versuchen.<br />
Es gibt sowohl den Schrecken der Nacht<br />
als auch Pfeile, die bei Tag fliegen, vor denen sich<br />
nur diejenigen bergen können, die unter dem<br />
Schatten <strong>des</strong> Allmächtigen bleiben (Ps. 91,1-5).<br />
Wenn ihr eure Häuser mit dem bestmöglichen<br />
Versicherungsvertrag versichern wollt, dann verwandelt<br />
sie in »Gotteshäuser«. Auf diese Weise<br />
werden sie unter den besonderen Schutz Dessen<br />
gestellt, welcher »der Hüter Israels« ist, der weder<br />
»schläft noch schlummert« (Ps. 121,4). Und wenn ihnen<br />
irgendein Schaden zugefügt wird, wird es in<br />
Gnade und Herrlichkeit wieder gutgemacht. Der<br />
Weg der Pflicht ist ohne Zweifel der sicherste Weg.<br />
Betende Familien werden vor mehr Übeln bewahrt,<br />
als ihnen selbst bewusst ist. Sie erkennen<br />
nicht immer den Unterschied, den Gottes Gnade<br />
zwischen ihnen und anderen macht. Doch Gott<br />
gefällt es, solchen Unterschied manchmal bemerkbar<br />
zu machen, wie in der Geschichte, die<br />
glaubhaft berichtet wurde: In der Schweiz gibt es<br />
im Kanton Bern ein gewisses Dorf, das aus neunzig<br />
Häusern besteht und das im Jahr 1584 durch<br />
ein Erdbeben völlig zerstört wurde – bis auf ein<br />
Haus. Dort wohnte ein gottesfürchtiger Mann,<br />
der zu jener Zeit gerade mit seiner Familie gemeinsam<br />
zum Herrn betete. <strong>Die</strong>se Verheißung<br />
ist dem ganzen Samen <strong>des</strong> glaubenden Abraham<br />
sicher (Röm. 4,16): »Fürchte dich nicht, … Ich bin dein<br />
Schild …« (1.Mo. 15,1).<br />
Der weise Salomo hat es so ausgedrückt: »Wer<br />
... auf Mich hört, der wird sicher wohnen; er kann ohne<br />
Sorge sein und muss kein Unheil fürchten« (Spr. 1,33).<br />
Das bedeutet: Wer auch immer auf Gott hört, ganz<br />
gleich, wo er wohnt – er wird in sicherer Weise<br />
wohnen und ruhig sein vor allem wahrhaft Bösen<br />
selbst und vor der erschreckenden und quälenden<br />
Furcht vor dem Bösen. Nichts kann dem schaden,<br />
nichts braucht den zu erschrecken, den Gott beschützt.<br />
Wenn ihr Gott nicht im Zentrum eurer Familie habt,<br />
dann ist zu befürchten, dass Satan dort einen Thron haben wird<br />
Wenn in euren Familien nicht die Gottesfurcht<br />
vorherrscht, werden dort Sünde und Bosheit<br />
herrschen. »Ich … [weiß,] wo du wohnst«, sagt Christus<br />
zu dem Engel der Gemeinde von Pergamus,<br />
»da, wo der Thron <strong>des</strong> Satans ist« (Off. 2,13). Das war<br />
deren Drangsal.<br />
Es gibt viele, deren Sünde darin besteht, dass<br />
sie wegen ihrer Gottlosigkeit und Unmoral dem<br />
Satan in ihrem Haus einen Sitz gewähren, und<br />
dieser Sitz ist ein Thron. Wie kann das verhindert<br />
werden? Nun, der sicherste Weg, das zu verhindern,<br />
besteht wohl darin, dass Gott durch Sein<br />
Wort ins Zentrum der Familie gelangt.<br />
Martin Luther sagte: »Wo Gott eine Kirche<br />
baut, da baut der Teufel eine Kapelle daneben.«<br />
Eher der Wahrheit entsprechend sollte es lauten:<br />
»Wo Gott keine Gemeinde baut (oder: in welchem<br />
Haus Gott nicht wohnt), da wird der Teufel seine<br />
Kapelle bauen.« Wenn der unreine Geist das Haus<br />
in diesem Sinn leer vorfindet – leer vom Geist<br />
Gottes, obwohl es »gesäubert und geschmückt [ist].<br />
Dann … nimmt [er] sieben andere Geister mit sich, die<br />
bösartiger sind als er, und sie ziehen ein und wohnen dort«<br />
(Mt. 12,44-45).<br />
Schreckliche Geschichten sind über Häuser<br />
erzählt worden, die vom Teufel geplagt wurden,<br />
und über die Angst der Leute, die in solchen Häusern<br />
wohnen. Das sind Häuser, in denen Aufruhr<br />
und Trunkenheit herrschen, Häuser, deren Sprache<br />
aus Schwören und Fluchen besteht, oder wo<br />
schlimmere Bosheiten wie Stolz, Arglist, Habsucht<br />
und Betrug die Oberhand haben. Von diesen<br />
Häusern kann man dann wahrlich urteilen, dass<br />
sie vom Teufel geplagt sind. Das sind die trostlosesten<br />
Häuser, in denen ein Mensch wohnen<br />
kann, und Behausungen böser Geister.<br />
<strong>Die</strong> Art und Weise, Sünde von unserem Haus<br />
fernzuhalten, besteht nun darin, die Gottesfurcht<br />
im Haus hochzuhalten. Sie wird das wirksamste<br />
Gegenmittel gegen das Gift Satans sein. Als Abraham<br />
hinsichtlich <strong>des</strong> Hauses Abimelechs dachte,<br />
dass es an diesem Ort keine Gottesfurcht gebe,<br />
kam er zu dem Schluss: »Darum werden sie mich<br />
wegen meiner Frau umbringen!« (1.Mo. 20,11). Wo es<br />
keine Gottesfurcht gibt, wo man nicht die Bibel<br />
liest, nicht betet, keine Familienandacht hält und<br />
keine geistlichen Lieder singt – was kann man<br />
da anderes erwarten als Böses?! Wo Gottlosigkeit<br />
herrscht, da wird es auch Unmoral, Streit<br />
und Zank, Unzufriedenheit und alles Böse geben.<br />
18 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
<strong>Die</strong>jenigen, die das ernstliche Gebet zurückhalten,<br />
machen die Gottesfurcht zunichte (Hi. 15,4).<br />
Wenn aber wahre Anbetung ihren Platz in der Familie<br />
hat, dann kann man hoffen, dass das Laster<br />
dort keinen Platz findet. Es liegt viel Wahrheit in<br />
dem Ausspruch <strong>des</strong> guten John Dod (1549-1645):<br />
»Entweder bringt das Beten einen Menschen<br />
dazu, das Sündigen aufzugeben, oder das Sündigen<br />
bringt einen Menschen dazu, das Beten aufzugeben.«<br />
Deshalb bleibt noch eine Hoffnung für solche,<br />
in deren Häusern Chaos herrscht, die jedoch Gott<br />
um Gnade bitten, dass Er bei ihnen einkehren<br />
möge. Dort wird es zunächst zwar Kämpfe zwischen<br />
Christus und Belial geben, und die Beleidigungen<br />
durch Sünde und Satan werden dreist und<br />
bedrohlich sein; doch ihr dürft trotzdem hoffen,<br />
dass der Feind an Boden verliert, solange Christus<br />
das Schlachtfeld verteidigt und ihr die Waffen Seiner<br />
Kriegsführung einsetzt.<br />
Wenn Gott im Zentrum eurer<br />
Familie ist, wird es bei euch an Trost nicht mangeln<br />
Nichts ist wohltuender für eine begnadete Seele,<br />
als ununterbrochene Gemeinschaft mit einem<br />
gnädigen Gott zu haben. <strong>Die</strong>s ist das Einzige,<br />
was sie begehrt: dass sie »bleiben darf im Haus <strong>des</strong><br />
HERRN« (Ps. 27,4). Hier befindet sie sich in ihrem<br />
Element. Das ist ihre Ruhe für immer.<br />
Wenn unsere Häuser somit Häuser sind, in denen<br />
der Herr wohnt und regiert, werden wir aus<br />
diesem Grund unser Heim lieben und unsere tägliche<br />
Familienandacht für die schönste und höchste<br />
unserer täglichen Freuden betrachten. Was sind<br />
Salomos Gärten und Parkanlagen und Wasserteiche<br />
und die anderen Vergnügungen der Menschen<br />
(Pred. 2,5.6.8) im Vergleich zu diesen Freuden, in<br />
Gemeinschaft mit unserem Herrn und der Familie<br />
zu sein?<br />
Wenn Gott also ins Zentrum eurer Familie kommt,<br />
wird es dazu führen, dass sich die familiären Beziehungen<br />
für euch angenehm gestalten, indem<br />
die Gottesfurcht die Liebe fördert, Streitigkeiten<br />
verhindert und hitzige Auseinandersetzungen,<br />
die jederzeit aufbrechen können, im Keim erstickt.<br />
Eine Familie, die in der Furcht Gottes lebt<br />
und sich täglich zur Familienandacht vereint, hat<br />
wirklich wahre Freude.<br />
Wenn die Einigkeit in der Familie durch die<br />
Gegenwart <strong>des</strong> Herrn zustande kommt, dann ist<br />
dies wie der Tau, der auf die Berge Zions, auf die<br />
heiligen Berge, herabfließt (Ps. 133,3). <strong>Die</strong> Gemeinschaft<br />
einer gottesfürchtigen Familie ist<br />
ohne Zweifel die angenehmste Gemeinschaft hier<br />
auf Erden. <strong>Die</strong>s ist die lebendigste Darstellung<br />
und der schönste Vorgeschmack auf die kommenden<br />
Freuden im Reich Gottes – für solche, die<br />
durch Christus gerecht gemacht wurden –, welche<br />
die große Hoffnung wahrer Christen in dieser unvollkommenen<br />
Welt sind.<br />
Das Familienleben in der Furcht Gottes zu gestalten,<br />
wird die Angelegenheiten der Familie zum<br />
Erfolg führen; und wenn auch nicht alles unserem<br />
Sinn entspricht, so können wir doch im Glauben<br />
voraussehen, dass es gewiss zu unserem Besten<br />
dienen wird. Wenn sich diese »Freundlichkeit <strong>des</strong><br />
Herrn, unseres Gottes, … über uns« und unseren Familien<br />
befindet, wird sie »das Werk unserer Hände<br />
[für uns fördern], ja, das Werk unserer Hände [wird sie]<br />
fördern!« (Ps. 90,17). Sie wird unsere Herzen damit<br />
trösten, dass alles, was geschieht, vom Herrn kontrolliert<br />
und gelenkt wird.<br />
Wir sollten nicht meinen, dass unser Berg (Ps.<br />
30,8) so fest stehe, dass er nicht bewegt werden<br />
könne. Als Christen müssen wir mit »Bedrängnis im<br />
Fleisch« (1.Kor. 7,28) rechnen. <strong>Die</strong>se Betrübnis kann<br />
gerade aus dem kommen, woraus wir unseren<br />
größten Trost schöpfen – aus unseren Häusern.<br />
Wenn Gott sie in Seiner Souveränität zu Häusern<br />
der Trauer macht (Pred. 7,2-4), dann wird es uns<br />
zum Trost sein, sie als Häuser <strong>des</strong> Gebets zu haben,<br />
und zwar schon, bevor die Trübsal kommt.<br />
Wenn Krankheit, Trauer und Tod in eure Familie<br />
gelangen (und früher oder später wird dies<br />
geschehen), dann ist es gut, dass ihr als Familie<br />
darin geübt seid, täglich Gott zu suchen im Gebet.<br />
Denn wenn ihr mit diesem guten Werk erst<br />
dann beginnt, wenn das Leid euch dazu zwingt,<br />
wird es euch reichlich schwerfallen, besonderen<br />
Trost zu finden. <strong>Die</strong>jenigen aber, die unablässig<br />
beten, wenn es ihnen gut geht, können auch dann<br />
trostreich beten, wenn sie in Not sind.<br />
voiceofhope.de | 19
Mary Beeke<br />
Sie preisen<br />
sie glücklich<br />
<strong>Die</strong> kulturellen Strömungen unserer Gesellschaft<br />
wirbeln um uns herum. Wenn<br />
wir uns von den derzeitigen Weltanschauungen<br />
mitreißen lassen, können wir uns<br />
zweier Dinge sicher sein: Es wird uns an Zufriedenheit<br />
fehlen, und die Trends werden sich auch<br />
wieder ändern. Es gibt einen besseren Weg. Liebe<br />
Schwestern, man mag uns als »unzeitgemäß«<br />
bezeichnen, aber der ursprüngliche Plan unseres<br />
Schöpfers ist immer noch sehr gut. Je mehr wir<br />
ihn annehmen, <strong>des</strong>to mehr Segen werden wir<br />
ernten.<br />
Lasst uns die Rolle der Ehefrau und Mutter<br />
untersuchen. Wir wollen einen Blick auf das große<br />
Ganze werfen, aber wir wollen uns auf unsere<br />
eigene Verantwortung konzentrieren. Wir wollen<br />
nicht fragen: »Erfüllt mein Mann seinen Teil?«,<br />
sondern wir wollen fragen: »Wie kann ich unsere<br />
Ehe bereichern, indem ich meinen Teil dazu beitrage?«<br />
Einige Grundprinzipien werden uns motivieren,<br />
Gottes Willen zu befolgen. Von Anfang<br />
an war Adam das Haupt seiner Frau Eva. Sie war<br />
seine »Gehilfin ..., die ihm entspricht« (1.Mo. 2,18), und<br />
sie waren beide glücklich. Nachdem die Sünde<br />
in die Welt gekommen war, widersetzte sich Eva<br />
Adams Führung. Das ist auch unsere natürliche<br />
Neigung. Aber es gibt eine gute Nachricht: So wie<br />
Jesus Christus Seine Gemeinde liebend erlöst hat,<br />
ist dein Mann dazu berufen, dich als seine Braut<br />
zu lieben, zu versorgen und sich für dich hinzugeben<br />
(Eph. 5,22-33). Du reagierst darauf, indem du<br />
deinen Mann ehrst und dich ihm unterordnest, so<br />
wie es die Gemeinde gegenüber Christus tut.<br />
20 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
Wir müssen aus dem Geist Gottes geboren<br />
sein, damit dieser wunderbare Plan gelingt. Ohne<br />
den Heiligen Geist können wir es einfach nicht<br />
schaffen. Der Geist pflanzt die Liebe zu Gott und<br />
zu unserer Familie in unsere Herzen. Wir schöpfen<br />
<strong>Kraft</strong>, Weisheit, Geduld und all das, was wir<br />
brauchen, wenn wir Zeit mit Gott verbringen, indem<br />
wir täglich die Heilige Schrift lesen und beten.<br />
Dann geben wir uns unserer Familie hin.<br />
Du bist aufgerufen, deinen Mann zu ehren.<br />
Das beginnt in deinem Herzen und überträgt<br />
sich auf deine Worte, deinen Tonfall und dein<br />
Handeln. Versetze dich in seine Welt, indem du<br />
Fragen zu seiner Arbeit und seinen Interessen<br />
stellst. Teile ihm deine geistlichen Gedanken und<br />
deine Empfindungen mit. Danke ihm dafür, dass<br />
er hart arbeitet und für eure Familie sorgt. Wenn<br />
ihr nicht einer Meinung seid, besprecht die Probleme<br />
unter vier Augen. Setze ihn nicht mit deinen<br />
Worten oder deinem Gesichtsausdruck herab.<br />
Respektiere seine Ansichten im Umgang mit den<br />
Kindern. Mach ihm privat und öffentlich Komplimente.<br />
Weise auf seine positiven Charaktereigenschaften<br />
hin. Dein Mann wird deine Liebe und<br />
Wertschätzung spüren, und das wird euch enger<br />
zusammenschweißen.<br />
»Ihr Frauen, ordnet euch euren eigenen Männern<br />
unter als dem Herrn« (Eph. 5,22). Es ist Gottes Plan<br />
für die Ehe, dass wir uns unseren Ehemännern<br />
bereitwillig unterordnen, so wie sie sich Gott unterordnen<br />
und Seinem Willen und Seinem Wort<br />
gehorchen. Unser Herr Jesus hat uns ein Vorbild<br />
gegeben, indem Er sich dem Vater unterordnete.<br />
Gott hat Männer und Frauen mit erstaunlichen,<br />
einander ergänzenden Unterschieden geschaffen<br />
– sowohl emotional, als auch körperlich und<br />
geistig. So wie unsere Körper zusammenpassen,<br />
wenn wir uns einander in der Ehe hingeben, so<br />
passt auch unser Leben im Alltag zusammen. Wir<br />
gehören zueinander. Sowohl die körperliche Intimität<br />
als auch das tägliche Leben verbinden uns<br />
zu einer Einheit. Wir sind gleichwertig, aber wir<br />
haben unterschiedliche Rollen. Wir sind ein Team.<br />
Wir setzen unsere Gaben und Fähigkeiten zum<br />
Wohle unserer Familien ein. Wir besprechen die<br />
Probleme; aber wenn wir uns nicht einig sind, hat<br />
Gott den Ehemann zum Entscheidungsträger bestimmt.<br />
Er führt, wir folgen. Schwestern, lasst uns<br />
danach streben, die Frau zu sein, auf die sich ihr<br />
Mann verlässt, dass sie ihm alle Tage ihres Lebens<br />
Gutes erweist (Spr. 31,11-12).<br />
Aber was ist, wenn du in einer schwierigen<br />
Ehe lebst? Dein Mann ist vielleicht ein Ungläubiger<br />
– oder ein Gläubiger mit einem schwierigen<br />
Charakter. Du hast die harte Aufgabe, den Königsweg<br />
<strong>des</strong> Gehorsams gegenüber Gott zu gehen. Du<br />
darfst Sünde nicht zulassen oder gar mitmachen.<br />
Du musst keinen Missbrauch erdulden. Aber zeige<br />
ihm auf jede andere mögliche Weise Liebe,<br />
Ehrerbietung und Unterordnung. Bete viel und<br />
erwarte, dass Gott deine Freundlichkeit und dein<br />
gottesfürchtiges Verhalten zu seiner Bekehrung<br />
und seinem Wachstum in der Gnade einsetzt (siehe<br />
1.Pt. 3,1-2).<br />
Gott hat uns speziell dafür ausgerüstet, unsere<br />
Kinder zu gebären, sie zu nähren und zu versorgen.<br />
<strong>Die</strong> Liebe einer Mutter wird mit der Liebe<br />
Gottes verglichen (Jes. 49,15; 66,13). Wir sollten<br />
unsere mütterlichen Fähigkeiten schätzen und<br />
die Gelegenheit wahrnehmen, unsere Kinder die<br />
Furcht und Liebe Gottes zu lehren (5.Mo. 6,4-7).<br />
Eine Hausfrau zu sein, ist wichtig und ehrenvoll.<br />
Kindererziehung kann man mit Goldwaschen vergleichen.<br />
Wir wühlen uns durch viel Schmutz und<br />
Unrat, um die Goldklumpen am Boden der Waschpfanne<br />
zu finden; es braucht viel geduldige Lehre<br />
und Zurechtweisung, um unsere Kinder zur Gottesfurcht<br />
zu erziehen. Gottesfürchtige Kinder sind<br />
die Bausteine der Gemeinde und der Gesellschaft.<br />
Eine gottesfürchtige Ehefrau und Mutter zu sein,<br />
ist ein Privileg und ein Segen. Zweifelst du daran?<br />
Fühlt sich die Frau aus Sprüche 31 etwa unterdrückt?<br />
Nein. Sie ist erfüllt. Sie dient ihrer Familie,<br />
indem sie kocht, putzt, näht, Waren einkauft, Produkte<br />
verkauft, Land kauft und Gartenarbeit betreibt.<br />
Sie hilft den Bedürftigen. Sie ist freundlich,<br />
stark, weise, fleißig, treu und tugendhaft. Aber<br />
manche mögen entgegnen, dass sie nur gibt; das<br />
klingt ziemlich deprimierend. Weit gefehlt. <strong>Die</strong><br />
Menschen um sie herum loben sie, und das Beste<br />
ist: »Ihre Söhne wachsen heran und preisen sie glücklich;<br />
ihr Mann rühmt sie ebenfalls« (Spr. 31,28). Preist Gott<br />
für eure hoch privilegierte Stellung und Berufung<br />
und freut euch darüber!<br />
Zuerst erschienen in Tabletalk<br />
voiceofhope.de | 21
MISSION<br />
Das Gebot der<br />
BUẞE ist ein Gebot<br />
der GNADE<br />
»… jetzt aber gebietet [Gott] allen Menschen überall,<br />
Buße zu tun, weil Er einen Tag festgesetzt hat, an dem Er den<br />
Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird …«<br />
Apostelgeschichte 17,30-31<br />
Paulus befand sich auf dem Areopag in Athen, als<br />
er den Griechen das Evangelium verkündete und<br />
dabei diese klaren Worte aussprach. Athen war<br />
das Zentrum von Kultur und Gelehrsamkeit und<br />
zugleich eine Hochburg der Satansanbetung. Es<br />
war ein zutiefst religiöser Ort, wo vielen Götzen<br />
gedient wurde, und genau an diesem Ort stellt<br />
Paulus den Griechen den einzig wahren Gott vor.<br />
Sie sollten Den erkennen, der allein aller Anbetung<br />
würdig ist, denn das ist der Sinn der Existenz<br />
<strong>des</strong> Menschen. Und sie sollten wissen, was dieser<br />
einzig wahre Gott und Schöpfer über ihr Leben<br />
sagt.<br />
Sie waren Götzendiener, rebellische und törichte<br />
Sünder, die keine Vorstellung davon hatten,<br />
wer Gott wirklich ist und wie Er handelt. Sie befanden<br />
sich in einem Zustand gefährlicher Unwissenheit.<br />
<strong>Die</strong> Gesellschaft von heute ist nicht intelligenter<br />
als die Menschen, die Paulus damals auf dem<br />
Areopag zuhörten. »Es ist keiner gerecht, auch nicht<br />
einer; es ist keiner, der verständig ist, der nach Gott fragt.<br />
Sie sind alle abgewichen, sie taugen alle zusammen nichts;<br />
da ist keiner, der Gutes tut, da ist auch nicht einer! Ihre<br />
Kehle ist ein offenes Grab, mit ihren Zungen betrügen sie;<br />
Otterngift ist unter ihren Lippen; ihr Mund ist voll Fluchen<br />
und Bitterkeit, ihre Füße eilen, um Blut zu vergießen;<br />
Verwüstung und Elend bezeichnen ihre Bahn, und<br />
den Weg <strong>des</strong> Friedens kennen sie nicht. Es ist keine Gottesfurcht<br />
vor ihren Augen« (Röm. 3,10-18). Das ist Gottes<br />
Urteil über alle Menschen bis heute: »Es ist keiner<br />
gerecht, auch nicht einer.«<br />
Gottes Heiligkeit setzt den Maßstab für uns Menschen.<br />
Und weil Gott unser Schöpfer ist, darf Er<br />
Ansprüche an uns stellen, nicht wahr? Sünde verdient<br />
den Tod. Somit sind wir alle <strong>des</strong> To<strong>des</strong> würdig.<br />
Und die Wahrheit ist, dass wir uns selbst aus<br />
diesem Zustand nicht befreien können. Aus diesem<br />
Grund ergreift Gott Selbst die Initiative und<br />
schickt einen Lichtstrahl in diese Dunkelheit und<br />
22 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
Hoffnungslosigkeit, einen Hoffnungsschimmer:<br />
»… jetzt aber gebietet [Gott] allen Menschen überall, Buße<br />
zu tun, weil Er einen Tag festgesetzt hat, an dem Er den<br />
Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird …« Jetzt ist die<br />
Zeit der Buße und Errettung. Gott erweist Gnade<br />
und gibt den Menschen bis zum heutigen Tag Zeit<br />
zur Buße. Sein Gebot ist ein Gebot der göttlichen<br />
Gnade.<br />
Wie fordert Gott zur Buße auf?<br />
Gott hat Sein Volk dazu beauftragt, diesen Befehl<br />
den Menschen zukommen zu lassen. Wir als Jünger<br />
Jesu sind diejenigen, die Gottes Aufruf zur<br />
Buße und zum Glauben an das Evangelium allen<br />
Menschen verkünden sollen. Gott sendet uns aus,<br />
um Menschen durch unser Handeln und Reden<br />
darauf aufmerksam zu machen, dass Er die Erde<br />
richten wird, dass Er aber jetzt noch Zeit zur Buße<br />
schenkt und Menschen errettet, die Seinen Namen<br />
im Glauben anrufen!<br />
Denken wir dabei an Römer 10: Sie können Seinen<br />
Namen nicht anrufen, wenn sie nicht an Ihn glauben;<br />
und sie können nicht an Ihn glauben, wenn<br />
sie nichts von Ihm gehört haben; und sie können<br />
nichts von Ihm hören, wenn niemand da ist, der<br />
ihnen die rettende Botschaft von Jesus Christus<br />
verkündigt.<br />
Das ist unser Vorrecht: Das Evangelium der Gnade<br />
Gottes zu verkündigen.<br />
Deshalb haben wir es uns als Gemeinde und<br />
Missionswerk zum Ziel gesetzt, dieses herrliche<br />
Evangelium zu verbreiten, zu predigen und solche<br />
zu unterstützen, die dasselbe tun.<br />
Im vergangenen Jahr durften wir – Dank der<br />
Gnade Gottes – mehrere Tausend Bibeln und<br />
evangelistische Schriften nach Sierra Leone<br />
schicken und an bedürftige Menschen verteilen.<br />
Missionar Daniel Lusenie fuhr von Dorf zu Dorf,<br />
ging von Haus zu Haus und predigte den Menschen<br />
vom kommenden Gericht Gottes über jeden,<br />
der nicht an Jesus Christus glaubt und Buße<br />
tut. Dort gab er jedem, der es wünschte, eine Bibel.<br />
Dem Herrn sei Dank für die offene Tür, das Evangelium<br />
zu verbreiten! Sierra Leone gehört zu den<br />
10 ärmsten Ländern der Welt. Der größte Teil der<br />
Bevölkerung wächst muslimisch auf, ein kleiner<br />
Teil ist katholisch oder charismatisch. <strong>Die</strong> Menschen<br />
kennen den wahren Gott nicht; <strong>des</strong>halb<br />
braucht dieses Land nicht an erster Stelle eine<br />
bessere Infrastruktur und Bildung, sondern viel<br />
mehr das Licht <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong>.<br />
voiceofhope.de | 23
<strong>Die</strong> Bevölkerung in Rumänien gehört zu<br />
den Ärmsten in ganz Europa. Fast die<br />
Hälfte der Einwohner lebt in ärmlichen<br />
Verhältnissen. Es gibt unzählige Waisenkinder<br />
und unerwünschte Kinder, die einfach ausgesetzt<br />
wurden und in Kinderheimen leben, in denen<br />
manchmal sehr erschreckende Zustände herrschen.<br />
Eltern sehen keine Möglichkeit, die Familie<br />
durchzubringen, und lassen ihre Kinder wie<br />
in kommunistischen Zeiten im Stich, oder sie<br />
führen ein chaotisches Leben, bringen behinderte<br />
Kinder zur Welt und legen diese irgendwo ab.<br />
Am Zustand der Kinder kann man meist den Zustand<br />
einer Nation ermessen; und die Kinder in<br />
Rumänien vermitteln ein herzzerreißen<strong>des</strong> Bild.<br />
Rumänien braucht Hoffnung. Rumänien braucht<br />
das lebendige Wort Gottes.<br />
Unsere Glaubensgeschwister aus Rumänien,<br />
die mit Hingabe für die Ehre Gottes und die Ausbreitung<br />
Seines Reiches leben und arbeiten, und<br />
denen die Menschen dort ans Herz gewachsen<br />
sind, nutzen unterschiedliche Wege, um diesem<br />
»Volk, das in der Finsternis wandelt« (Jes. 9,1), die rettende<br />
Botschaft von Jesus Christus zu verkündigen.<br />
Durch Gottes gnädige Führung, die auch die<br />
Unterstützung durch großzügige Spender mit<br />
einschließt, wurden rumänische sowie einige<br />
deutsche Bibeln und weitere Literatur dorthin geliefert.<br />
<strong>Die</strong> Geschwister vor Ort besuchen regelmäßig<br />
Kinderheime und bedürftige Familien, bauen<br />
Kontakte zu Obdachlosen auf und sprechen mit<br />
Leuten auf der Straße und mit LKW-Fahrern auf<br />
den Rastplätzen. Viele sind überglücklich, eine Bibel<br />
zu erhalten, da sie sich keine leisten können.<br />
Es gibt auch gläubige Familien, die nur eine oder<br />
zwei Bibeln für ihre ganze Familie haben und nun<br />
glücklich sind, dass jeder seine eigene Bibel hat. Es<br />
ist ermutigend, diesen Hunger nach Gottes Wort<br />
unter Gläubigen zu sehen und zu erfahren, dass<br />
junge Menschen, die aus zerrütteten Familienverhältnissen<br />
kommen, Jesus Christus kennen und<br />
lieben lernen.<br />
Eine Schwester, die Schüler und Studenten unterrichtet,<br />
nutzt diesen Kontakt, um ihnen vom<br />
Herrn Jesus zu erzählen, und manchen schenkt<br />
sie auch eine Bibel. Einige Pastoren ermutigen<br />
ihre Gemeindeglieder, Bibeln unter ihren Nachbarn<br />
zu verteilen.<br />
Ein Glaubensbruder aus Österreich bedankte<br />
sich bei uns für erhaltene Bibeln. Er war zu Besuch<br />
bei seinen Verwandten in Rumänien. Als er<br />
sah, dass sie so viele Bibeln auf Rumänisch hatten,<br />
bat er sie darum, Bibeln nach Österreich zu<br />
schicken, um sie an die dort ansässigen Rumänen<br />
zu verteilen. Allein in Wien wohnen über 36 000<br />
Rumänen!<br />
Wir sind gespannt, wie Gott all diese Geschwister<br />
gebraucht, um durch Sein kraftvolles<br />
Wort zu wirken, weil wir wissen, dass es nicht<br />
fruchtlos bleibt. Ein Pastor schrieb uns: »Das Bedürfnis<br />
nach dem Evangelium übersteigt unsere<br />
Erwartungen bei weitem; wir sind sehr froh über<br />
die Bibeln.«<br />
24 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
Mit der Unterstützung von Spendern und<br />
christlichen Organisationen konnten<br />
auch einige Tausend Bibeln und weitere<br />
Literatur nach Athen verschickt werden. Ein Teil<br />
ist bereits angekommen, und einiges ist noch unterwegs.<br />
Es gibt stets zwei entgegengesetzte Reaktionen<br />
auf die <strong>Evangeliums</strong>botschaft: Annahme<br />
und Ablehnung.<br />
Als Paulus in Athen predigte und die Menschen<br />
»von der Auferstehung der Toten hörten, spotteten<br />
die einen, die anderen aber sprachen: Wir wollen dich darüber<br />
nochmals hören!« (Apg. 17,32).<br />
Bei unseren Geschwistern, die heute in Athen<br />
wohnen, sieht das nicht anders aus.<br />
»Auf der einen Seite sind hier die orthodoxen<br />
Griechen, die Gottes rettende Botschaft ablehnen,<br />
und auf der anderen Seite gibt es hier Tausende<br />
von Flüchtlingen aus Syrien, dem Irak, aus Palästina,<br />
Somalia, Afghanistan, Pakistan, Bangla<strong>des</strong>ch<br />
und vielen anderen Ländern, die so glücklich<br />
sind, in ihrer Sprache das Wort Gottes zu<br />
bekommen«, berichten sie. <strong>Die</strong>sen Flüchtlingen<br />
dienen sie und freuen sich, dafür weitere Bibeln<br />
erhalten zu haben. Auf der Straße bauen sie Kontakte<br />
zu den Menschen auf und laden sie dann zu<br />
einem Hauskreis ein, um ihnen in der Gruppe das<br />
Evangelium von Christus zu predigen wie auch<br />
vom kommenden Gericht.<br />
»Demnach kommt der Glaube aus der Verkündigung,<br />
die Verkündigung aber durch Gottes Wort.«<br />
Römer 10,17<br />
voiceofhope.de | 25
Auch für Deutschland haben wir einige Tausend<br />
Bibeln im vergangenen Jahr erhalten<br />
und haben tausendfach unterschiedliche<br />
Schriften wie Traktate, Broschüren und erbauliche<br />
Bücher für Gläubige hergestellt. Vieles wurde<br />
unter Flüchtlingen, LKW-Fahrern, in den Flutgebieten,<br />
bei Stadteinsätzen und bei vielen weiteren<br />
Gelegenheiten verteilt. Wir haben vor zweieinhalb<br />
Jahren begonnen, Gemeinden je ein kostenfreies<br />
Exemplar der »Lektionen fürs Leben« zur<br />
Verfügung zu stellen, damit in Deutschland mehr<br />
evangelistische Sonntagsschulen gegründet werden<br />
können, die Kindern und Jugendlichen die<br />
wichtigsten Heilslehren vermitteln und sich insbesondere<br />
an junge Menschen aus ungläubigen<br />
Familien richten. Nun durften wir erfahren, dass<br />
dieses Anliegen bereits Früchte trägt und in Gemeinden<br />
umgesetzt wird. Zudem sind die Kinder<br />
zu Jugendlichen herangewachsen, die durch Gottes<br />
Gnade errettet wurden und sich taufen lassen<br />
möchten.<br />
Ende letzten Jahres durften wir auch das Traktat<br />
drucken: »<strong>Die</strong> wahre Geschichte der Geburt<br />
Christi«; auf der Rückseite haben wir auf unsere<br />
kostenfreie App hingewiesen, die mit zahlreichen<br />
bibeltreuen Predigten, der »Glaubenslehre<br />
für Kinder« und einigen Hörbüchern wertvolle<br />
Belehrung aus Gottes Wort enthält. Mehrere Tausend<br />
Menschen haben dieses Traktat in ihre Hände<br />
bekommen, und viele von ihnen profitieren<br />
von wertvollen Predigten, die ihnen dadurch zugänglich<br />
gemacht werden. Auch Geschwister aus<br />
anderen Gemeinden haben das Traktat verteilt<br />
und benutzen selbst die neue VOH-App.<br />
LIEBE MISSIONSFREUNDE,<br />
wir sind unserem Herrn unbeschreiblich dankbar,<br />
Ihm und so vielen Menschen dienen zu dürfen. Es ist für uns<br />
ein Vorrecht und zugleich eine kostbare Pflicht, die aus<br />
dem Wunsch erwächst, dass Menschen den einzig wahren Gott<br />
kennenlernen. Herzlichen Dank, dass auch Sie sich durch<br />
Gebete und Spenden an diesem Werk beteiligen!<br />
Ein großes Gebetsanliegen ist für uns unser Land.<br />
Wir dürfen es nicht vergessen, denn die meisten Menschen<br />
hier kennen Gott nicht. Aus diesem Grund sollten wir uns als<br />
Christen im Bereich der Evangelisation mehr einsetzen und<br />
die rettende Botschaft von Jesus Christus verbreiten.<br />
Bitte beten Sie:<br />
• für unsere Obrigkeit<br />
• für Erweckung in Deutschland<br />
• für die Länder Sierra Leone, Rumänien und Griechenland<br />
• für den Russland-Ukraine-Konflikt,<br />
für die Obrigkeiten Russlands und der Ukraine,<br />
für das ukrainische Volk<br />
• dass wir mehr Literatur drucken und verbreiten können<br />
26 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
TEIL 2<br />
Charles Haddon<br />
Spurgeon (1834-1892)<br />
Waterbeach war Spurgeons erste Festanstellung<br />
als Prediger. Da er kein theologisches<br />
Seminar oder College besucht<br />
hatte, wurde ihm von seinem Vater und<br />
anderen dazu geraten, an das Baptist College in<br />
Stepney zu gehen, um sich gründlicher auf das<br />
Predigtamt vorzubereiten. Nachdem sein Treffen<br />
mit dem Direktor <strong>des</strong> Colleges durch ein Missverständnis<br />
verhindert worden war, sah Spurgeon<br />
dies als Gottes Vorsehung an und entschied sich<br />
gegen eine theologische Ausbildung am College.<br />
Bei der Sonntagsschullehrer-Konferenz 1853<br />
wurde der junge Prediger aus Waterbeach aufgefordert,<br />
eine Ansprache zu halten. <strong>Die</strong>se hinterließ<br />
bleibenden Eindruck und machte die bekannte<br />
Baptistengemeinde in Southwark in der New<br />
Park Street Chapel, die keinen Prediger hatte, auf<br />
ihn aufmerksam. Bald darauf entschieden die Diakone,<br />
Spurgeon einzuladen.<br />
SEINE BERUFUNG<br />
NACH LONDON<br />
Als er diese Einladung bekam, hielt er das für einen<br />
Irrtum und nahm an, dass der Brief für irgendeine<br />
andere Person bestimmt sein müsse;<br />
aber die Diakone verstanden die Sache besser und<br />
sagten ihm, dass er tatsächlich eingeladen sei. Er<br />
reiste also nach London, um an einem Sonntag im<br />
Herbst 1853 auf der Kanzel der New Park Street<br />
Chapel zu predigen. <strong>Die</strong> Kirche, welche gut tausend<br />
Personen Platz bot, konnte kaum einen ermutigenden<br />
Eindruck auf den Prediger machen,<br />
denn die Vormittagsversammlung war nur von<br />
etwa 200 Zuhörern besucht worden. <strong>Die</strong> Predigt<br />
machte auf die wenigen Zuhörer einen gewaltigen<br />
Eindruck, sodass die Versammlung am Abend nahezu<br />
doppelt so groß war und die Leute sich über<br />
das, was sie hörten, verwunderten.<br />
<strong>Die</strong> Diakone luden Spurgeon infolge<strong>des</strong>sen<br />
ein, ihnen noch an drei weiteren Sonntagen zu<br />
predigen; nachher bat die Gemeinde ihn einmütig,<br />
für weitere sechs Monate zu bleiben, indem<br />
sie auf seine mögliche Wahl hindeutete. Das aber<br />
war überflüssig, da die Gemeinde ihn schon vor<br />
Ablauf dieser Zeit einstimmig zu ihrem Prediger<br />
wählte. In seinem Brief, in welchem er die Annahme<br />
der Wahl mitteilte, schrieb er: »Ich lege mich in<br />
die Hände unsres Bun<strong>des</strong>gottes, <strong>des</strong>sen Weisheit<br />
alle Dinge lenkt. Er soll für mich wählen, und soweit<br />
ich urteilen kann, ist dies Seine Wahl.«<br />
Ehe drei Monate vergangen waren, hatte sich<br />
der Ruf <strong>des</strong> jungen Predigers, der noch keine<br />
voiceofhope.de | 27
20 Jahre alt war, in ganz London verbreitet. Im<br />
Herbst dieses Jahres hielt er eine Predigt über<br />
die Worte: »Ist jetzt nicht die Weizenernte?« <strong>Die</strong><br />
Predigt wurde gedruckt und war die erste einer<br />
Reihe von Predigten, welche sich beständig vermehrten<br />
und immer weiter verbreitet wurden, so<br />
dass schlussendlich 63 Bände seiner Predigten herausgegeben<br />
wurden, ihren Weg über den ganzen<br />
Erdkreis fanden, in viele Sprachen übersetzt und<br />
millionenfach verbreitet worden sind. Insgesamt<br />
wurden etwa 3 500 seiner Predigten gedruckt.<br />
Über 50 Millionen Exemplare von Büchern mit<br />
seinen Predigten wurden weltweit verkauft; aber<br />
der durchschnittliche wöchentliche Verkauf belief<br />
sich auf ca. 25 000 Exemplare – ein Resultat,<br />
das in der Geschichte der Predigtliteratur einzig<br />
dasteht. Kein anderer Prediger in irgendeinem<br />
Land oder zu irgendeiner Zeit konnte ein solches<br />
Resultat verzeichnen. Aus diesem Grund wird<br />
Spurgeon »Der Fürst der Prediger« genannt.<br />
Innerhalb eines Jahres war die New Park Street<br />
Chapel nicht nur bis auf den letzten Platz gefüllt,<br />
sondern an jedem Sonntag mussten Hunderte<br />
enttäuscht umkehren, weil sie keinen Einlass<br />
mehr finden konnten. <strong>Die</strong> Kirche musste <strong>des</strong>halb<br />
vergrößert werden, und während dieser Vergrößerung<br />
wurde für die Zeit von etwa drei Monaten<br />
die Exeter Hall benutzt. Da nach der Eröffnung der<br />
vergrößerten Kirche die andrängenden Scharen<br />
größer waren als je zuvor, wurde es für notwendig<br />
erachtet, die sehr geräumige Surrey Gardens Music<br />
Hall zu mieten.<br />
Hier ereignete sich beim ersten Sonntagabend-Gottesdienst<br />
am 19. Oktober 1856 ein<br />
schrecklicher Zwischenfall. Von feindlich Gesinnten<br />
wurde plötzlich ein falscher Feueralarm ausgerufen,<br />
welcher einen derartig panischen Schrecken<br />
verbreitete, dass bei dem dadurch entstandenen<br />
Chaos sieben Personen getötet und 28 weitere<br />
verletzt wurden. Das Nervensystem <strong>des</strong> Predigers<br />
selbst wurde dadurch so mächtig erschüttert, dass<br />
er für eine Zeitlang unfähig war zu predigen. Durch<br />
Gottes große Barmherzigkeit wurde er jedoch wiederhergestellt,<br />
so dass er schon am 31. Oktober die<br />
Kanzel wieder betreten konnte. Um in Zukunft jeden<br />
blinden Alarm zu vermeiden, wurde beschlossen,<br />
dass die Gottesdienste in der Music Hall am<br />
Sonntagmorgen gehalten würden. Obgleich diese<br />
Tageszeit für große Versammlungen am wenigsten<br />
günstig ist, kamen die Leute doch Sonntag für<br />
Sonntag in Mengen bis zu zehntausend zusammen,<br />
um das freie Evangelium von der erlösenden<br />
Gnade Gottes zu hören. Das Beste von allem war,<br />
dass viele errettet wurden – sie wurden gläubig und<br />
taten Buße über ihre Sünden.<br />
Im Dezember <strong>des</strong> Jahres 1859 beschloss die<br />
Verwaltung der Music Hall, an den Sonntagabenden<br />
das Gebäude für Vergnügungen zu öffnen,<br />
und von da an sahen sich Spurgeon und seine<br />
Freunde aus Gewissensbedenken genötigt, dieses<br />
Gebäude aufzugeben und die Gottesdienste wieder<br />
nach Exeter Hall zu verlegen, bis das Metropolitan<br />
Tabernakel eröffnet werden konnte. Kurze<br />
Zeit, nachdem Spurgeon die Surrey Gardens Music<br />
Hall verlassen hatte, wurde fast das ganze Gebäude<br />
durch einen Brand zerstört. Der den Flammen<br />
entrissene Teil wurde zu einem Krankenhaus<br />
umgebaut.<br />
Als Spurgeon so außerordentlich populär geworden<br />
war, ohne dass er je danach gestrebt hätte,<br />
wurde häufig die Frage aufgeworfen: »Wer ist<br />
dieser Spurgeon eigentlich?« Mehrmals wurde<br />
er gebeten, einen kurzen Bericht über sein Leben<br />
zu veröffentlichen. Nach einigem Drängen gab<br />
er nach und verfasste unter Mithilfe seines Vaters<br />
und Großvaters die geforderte Auskunft in<br />
einem kurzen Abriss seines Lebens und Wirkens<br />
und fügte einen Auszug <strong>des</strong> Baptistischen Glaubensbekenntnisses<br />
hinzu. Fast 10 000 Exemplare<br />
wurden in nur einem Jahr verkauft. <strong>Die</strong>se Schrift<br />
diente dazu, die Neugierde hinsichtlich <strong>des</strong> bisherigen<br />
Lebens <strong>des</strong> jungen Predigers zu befriedigen.<br />
Seit dieser Zeit hat aber auch die Presse stets<br />
seine Werke bekannt gemacht. Jahrelang wurde er<br />
fast unbarmherzig mit Feder und Stift karikiert.<br />
Meistens waren es die Feinde, welche die Bedeutung<br />
seines Werkes nicht verstanden und die<br />
ihn lächerlich zu machen suchten; andererseits<br />
enthielten diese Skizzen einiges an Wahrheit. All<br />
diese Dinge trugen dazu bei, den Prediger bekannt<br />
zu machen, bis ganz England von ihm gehört<br />
hatte. Es gab nur wenige Zeitungen, in welchen<br />
nicht irgendein empfehlender Artikel enthalten<br />
war. Selbst die »Times« fühlte sich veranlasst, die<br />
Frage aufzuwerfen, wie es denn komme, dass die<br />
St Paul’s Cathedral und die Westminster Abbey<br />
verhältnismäßig leer blieben, während der junge<br />
Baptistenprediger jeden Sonntag 10 000 Leute<br />
um sich sammeln könne, um ihnen die rettende<br />
Botschaft von Christus zu predigen.<br />
28 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
voiceofhope.de | 29
Susannah Spurgeon<br />
DIE FRAU AN DER SEITE<br />
DES PREDIGERFÜRSTEN<br />
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ZUM HÖRBUCH<br />
All diese Umstände vermehrten die Anziehungskraft<br />
Spurgeons, so dass es notwendig<br />
wurde, für eine so große und stark anwachsende<br />
Gemeinde und für die großen Scharen, die sich<br />
herbeidrängten, seine Predigten zu hören, ein<br />
entsprechen<strong>des</strong> Gebäude zu beschaffen.<br />
SEINE EHE<br />
Das Jahr 1856 war ein besonderes Lebensjahr für<br />
Spurgeon. Es war das Jahr seiner Hochzeit und<br />
ebenso das Jahr, in welchem er bei dem Jubiläum<br />
seines Großvaters die Predigt hielt.<br />
Am Vormittag <strong>des</strong> 8. Januar heiratete Charles<br />
Spurgeon Susanna Thompson. Es waren so viele<br />
Menschen da, dass schätzungsweise 2 000 Personen<br />
keinen Platz mehr in der Kirche finden konnten.<br />
»Nie dürften zwei Personen einander Herz<br />
und Hand gereicht haben, welche so zueinander<br />
gepasst hätten wie diese beiden«, berichtete eine<br />
Zeitung. <strong>Die</strong> Zwillinge Charles und Thomas Spurgeon<br />
waren die einzigen Kinder, die das Ehepaar<br />
Spurgeon bekam.<br />
DAS »METROPOLITAN<br />
TABERNACLE«<br />
<strong>Die</strong> Geschichte <strong>des</strong> Metropolitan Tabernacles ist<br />
an und für sich ein sehr interessantes Thema, so<br />
dass man über die Umstände, die seine gesamte<br />
Bauphase und seine schuldenfreie Eröffnung begleiteten,<br />
viel zu berichten hätte. <strong>Die</strong> Dinge, die<br />
sich da zutrugen, waren sowohl für den Staat als<br />
auch für andere Gemeinden eine Ursache großen<br />
Erstaunens.<br />
Im Oktober 1856 wurde die erste große Versammlung<br />
gehalten, in welcher die notwendigen<br />
Schritte zur Errichtung <strong>des</strong> großen Tabernacles<br />
erwogen wurden. Der Vorschlag wurde von Spurgeons<br />
Freunden freudig begrüßt, und sehr bald<br />
zeigte sich in jedem Teil <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> unter vielen<br />
Christen große Sympathie dafür. <strong>Die</strong> reichlich<br />
fließenden Spenden von Reich und Arm, von dem<br />
einfachen Landmann bis zum Earl of Shaftesbury,<br />
zeugten von der christlichen Liebe. Es ist wahr, es<br />
gab viele, welche über die Idee, ein Bauwerk mit<br />
5 000 Sitzplätzen zu errichten, lächelten, und<br />
nicht wenige schüttelten den Kopf und »weissagten«<br />
den baldigen Verfall <strong>des</strong> Predigers und seines<br />
Planes. Aber ohne Rücksicht auf die sich zeigenden<br />
Hindernisse wurde das Werk in Angriff genommen.<br />
Am 16. August 1859 wurde von Sir Samuel Morton<br />
Peto der Grundstein gelegt. Im Jahre 1860 fand<br />
in dem Rohbau <strong>des</strong> neuen Gebäu<strong>des</strong> eine große<br />
Versammlung statt. <strong>Die</strong> Eröffnungsgottesdienste<br />
begannen im März 1861 und wurden fünf Wochen<br />
lang täglich fortgesetzt, und am Ende dieser Zeit<br />
hatte der Schatzmeister die Summe von 31.332<br />
Pfund Sterling (ca. 320.400 €) – von den freiwilligen<br />
Gaben <strong>des</strong> Volkes – in seinen Händen, und das<br />
herrliche Tabernacle mit 5 500 Sitzplätzen und<br />
30 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
weiteren 1 000 Stehplätzen war schuldenfrei. Als<br />
das Tabernacle eröffnet wurde, zählte die Gemeinde<br />
1 178 Mitglieder. Durch das beständige Predigen<br />
<strong>des</strong> Wortes und Wirken <strong>des</strong> Geistes Gottes wurden<br />
so viele Menschen errettet, dass die Zahl der Mitglieder<br />
bis Dezember 1886 auf 5 351 stieg – trotz<br />
der beständigen Gründungen von neuen Gemeinden<br />
durch die Studenten <strong>des</strong> Prediger-Seminars,<br />
trotz der vielen Sterbefälle und vielen Mitglieder,<br />
die London im Laufe der Zeit verließen.<br />
Das Metropolitan Tabernacle war ein wundervolles<br />
Bauwerk. Unter dem großen Versammlungsraum<br />
befanden sich zwei weitere Stockwerke,<br />
in denen sich ein Betsaal mit 900 Sitzplätzen,<br />
ein Sonntagsschulsaal, in welchem 1 000 Kinder<br />
unterrichtet wurden, verschiedene Klassenräume<br />
und eine Küche befanden. <strong>Die</strong> Gemeinde im<br />
Tabernacle hatte es sich zur Aufgabe gemacht, in<br />
den Dörfern durch Predigten im Freien und in den<br />
Häusern zu evangelisieren, und dadurch hat der<br />
Herr viel Frucht gewirkt. <strong>Die</strong> Evangelisten waren<br />
in öffentlichen Sälen tätig, in Wirtshäusern und<br />
an den Straßenecken und sandten Mitarbeiter<br />
dorthin, wo Hilfe benötigt wurde. <strong>Die</strong> Gemeinde<br />
trug bereitwillig zur Mission unter den Ungläubigen<br />
bei; ebenso waren sie für die Armen tätig, um<br />
bei Krankheiten und Sterbefällen für die Zahlung<br />
ihrer Unkosten aufzukommen.<br />
Gott wirkte in und durch die Gemeinde im Tabernacle<br />
so mächtig, dass sie 28 Missionsstationen,<br />
24 Sonntagsschulen und Schulen für verwahrloste,<br />
arme und vernachlässigte Kinder gründen<br />
konnte. Es wurde auch eine Bibliothek für junge<br />
Prediger und eine Kinder- und Lehrer-Bibliothek<br />
ins Leben gerufen. <strong>Die</strong> Frauen in der Gemeinde<br />
nahmen an dem Werk <strong>des</strong> Herrn großen Anteil;<br />
sie sorgten für Hilfsbedürftige und für verarmte<br />
Mütter, sie besuchten die Kranken und sammelten<br />
Kleider für mittellose Prediger mit ihren Familien;<br />
sie starteten eine Hilfsstation zur Förderung der<br />
Zenana-Mission in Indien und China.<br />
PREDIGER-SEMINAR<br />
Wohl von keinem Seminar kann man so bestimmt<br />
sagen, dass es durch die göttliche Vorsehung ins<br />
Leben gerufen worden sei, wie von dem Predigerseminar,<br />
das mit Spurgeon und der Gemeinde im<br />
Tabernacle in Verbindung steht. Es hatte seinen<br />
Ursprung in einem dringenden Bedürfnis, und<br />
dieses wurde dem jungen Charles Spurgeon auf<br />
folgende Weise bewusst. Ehe er drei Monate in der<br />
New Park Street Chapel gepredigt hatte, waren<br />
viele recht begabte junge Männer bekehrt, getauft<br />
und in die Gemeinde aufgenommen worden.<br />
voiceofhope.de | 31
Von der Liebe Christi gedrungen und von dem<br />
Eifer <strong>des</strong> Predigers angespornt, begannen einige<br />
von ihnen aufrichtig und eifrig, das Wohl anderer<br />
zu suchen. Einer dieser jungen Männer, namens<br />
Medhurst, fing mit der Straßenpredigt an. Darin<br />
ermutigt, als er sah, welcher Segen darauf lag,<br />
wandte er sich an Spurgeon und bat um Unterricht,<br />
um in diesem Werk fähiger zu werden. Der<br />
Prediger war bereit, ihn für diesen Zweck zu unterstützen.<br />
So wurde Medhurst Spurgeons erster<br />
Schüler, und so wurde das Prediger-Seminar – mit<br />
nur einem Schüler – ins Leben gerufen. In Spurgeon<br />
regte sich der Wunsch, noch mehr Männern<br />
für das Werk <strong>des</strong> Herrn behilflich sein zu können.<br />
Er hatte außer seinem eigenen Gehalt keine Mittel,<br />
das Werk zu fördern; aber eines Tages legten<br />
er und einige Freunde die Summe von 20 Pfund<br />
Sterling zusammen, um Bücher zu kaufen und die<br />
Männer unterrichten zu können. Es dauerte nicht<br />
lange, bis Medhurst zum Prediger berufen wurde,<br />
und er wirkte im Werk <strong>des</strong> Herrn in großem<br />
Segen. Er war der erste von 742 Schülern, welche<br />
unter Spurgeons Leitung für den Predigerdienst<br />
ausgerüstet worden sind.<br />
In Erwägung seiner eigenen vielen pastoralen<br />
Pflichten besuchte Spurgeon den Prediger George<br />
Rogers in Camberwell und teilte ihm seine Gedanken<br />
über die Ausbildung junger Männer mit.<br />
<strong>Die</strong>ser ging mit Herz und Seele darauf ein und<br />
nahm die ihm angebotene Stelle als theologischer<br />
Lehrer an. <strong>Die</strong> ersten Schüler wohnten in seinem<br />
Haus, kamen aber jede Woche einmal zu Spurgeon<br />
ins Haus, um Belehrungen und Anweisungen von<br />
ihm zu erhalten, die ihnen nützlich waren.<br />
Als die Zahl der Schüler sich mehrte, wurden<br />
auch größere Räumlichkeiten nötig, als die Klassenräume<br />
im Tabernacle sie bieten konnten, und<br />
im Jahre 1874 wurde das Seminargebäude errichtet.<br />
Spurgeon hatte von vornherein gewohnheitsmäßig<br />
einen großen Teil seines Einkommens der<br />
Unterstützung <strong>des</strong> Seminars zugewandt. Viele<br />
Leser seiner Predigten und anderer Werke erwiesen<br />
ihm ihre Liebe dadurch, dass sie ihn durch<br />
finanzielle Mittel unterstützten, und außerdem<br />
wurden die gewöhnlichen Kollekten bei den Versammlungen<br />
im Tabernacle demselben Zweck zugewandt.<br />
Von vornherein hat Spurgeon stets versucht,<br />
den jungen Predigern in der Gemeinde die Pflicht<br />
nahezulegen, die Grenzen <strong>des</strong> Reiches Gottes zu<br />
erweitern, indem sie die Gnadenbotschaft unseres<br />
Herrn in entfernte Länder und in unerreichte<br />
Völker und Stämme trugen. Durch das Lehren<br />
im Predigerseminar wuchsen junge Männer in<br />
der Erkenntnis Jesu Christi und wurden für den<br />
<strong>Die</strong>nst <strong>des</strong> Herrn zugerüstet. Der Herr berief viele<br />
junge Prediger, und sie gingen in 140 Länder der<br />
Welt, und 150 Prediger, die im Land geblieben waren,<br />
gründeten neue Gemeinden, während wieder<br />
andere an Orten das Interesse für die Sache <strong>des</strong><br />
Herrn neu beleben konnten, wo es beinahe erloschen<br />
war.<br />
Während dieser Segen <strong>des</strong> Herrn, der nicht<br />
überschätzt werden kann, ein beständiger Grund<br />
zur Dankbarkeit gegenüber Christus als dem<br />
Haupt der Gemeinde ist, hat er dem Leiter <strong>des</strong> Predigerseminars<br />
doch auch große Sorgenlasten auferlegt.<br />
Jede neu gegründete und heranwachsende<br />
Gemeinde machte die Errichtung von Kirchen<br />
und Schulen nötig, und so kamen sie stets mit der<br />
Bitte zu Spurgeon, finanziell zu helfen, und zwar<br />
wesentlich zu helfen, bis diese Gemeinden in der<br />
Lage waren, sich selbst zu erhalten. Doch unter<br />
all diesen Lasten wusste der Herr Jesus Seinen<br />
Knecht zu erhalten und ihm in Erhörung seiner<br />
ernsten Gebete und seines kindlichen Vertrauens<br />
die Mittel für die Bedürfnisse der Gemeinden zur<br />
Verfügung zu stellen.<br />
DAS WAISENHAUS<br />
IN STOCKWELL<br />
Hinsichtlich der Bedeutung und Wichtigkeit stehen<br />
die Waisenhäuser in Stockwell nur denen von<br />
Georg Müller in Bristol nach. Frau Hillyard, die<br />
Witwe eines Pastors, welche sich der Baptistengemeinde<br />
angeschlossen hatte, stellte Charles Spurgeon<br />
zur Gründung eines Jungen-Waisenhauses<br />
die Summe von 20.000 Pfund Sterling zur Verfügung.<br />
Anfangs schreckte Spurgeon vor einer solchen<br />
schweren Verantwortung zurück, aber infolge<br />
einer Unterredung mit der Dame kam er zu der<br />
Überzeugung, dass ihre Absichten gut waren. <strong>Die</strong><br />
Summe wurde angenommen, ein Schatzmeister<br />
wurde bestimmt, und das Werk konnte beginnen.<br />
Zunächst kaufte man ein großes Grundstück.<br />
Der Plan zu den Waisenhäusern war in einem<br />
Jahr gereift, und viele freigebige Freunde wirk-<br />
32 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
ten voller Freude mit dem Prediger zusammen<br />
und vermehrten die Gabe von Frau Hillyard. Verschiedene<br />
Familien trugen je 500 Pfund zum Bau<br />
dieser Häuser bei, die nach den Namen der Geber<br />
benannt wurden. Es gab kaum einen freudenreicheren<br />
Tag für Spurgeon, als am 9. August 1867<br />
der Grundstein zu diesen ersten Häusern gelegt<br />
wurde, denn es versammelten sich viele Freunde,<br />
um das Werk mit reichen Gaben zu unterstützen.<br />
Im Jahr 1879 wurden auch Gebäude für Mädchen<br />
errichtet, so dass schließlich 240 Jungen und 230<br />
Mädchen Platz finden konnten. <strong>Die</strong> Ausgaben beliefen<br />
sich jährlich auf ca. 10.000 Pfund Sterling,<br />
für die Gott gnädig sorgte. Auf vielfache Weise<br />
und oft durch ganz besondere Vorsehung sandte<br />
Er das Geld durch Seine Kinder.<br />
DIE ARMENHÄUSER<br />
Ganz in der Nähe <strong>des</strong> Tabernacles und nahe der<br />
Eisenbahnstation »Elephant and Castle« stand<br />
eine Reihe von Gebäuden, die aus Schulen und<br />
Armenhäusern bestand. In letzteren befanden<br />
sich Räume zur Aufnahme von Frauen, die über<br />
60 Jahre alt waren und deren Namen im Gemeindebuch<br />
<strong>des</strong> Tabernacles standen. In der New Park<br />
Street gab es sechs Armenhäuser. Nachdem die<br />
Gemeinde ins Tabernacle eingezogen war und ihr<br />
Eigentum in der New Park Street verkauft hatte,<br />
veranlasste Spurgeon, dass in den neuen Gebäuden<br />
nahe <strong>des</strong> Tabernacles Raum für mehr Bewohner<br />
geschaffen werde. Somit konnten die Bewohner<br />
aus der New Park Street umziehen und ohne<br />
große Mühe den Gottesdiensten beiwohnen.<br />
<strong>Die</strong> Schule, die mit den Armenhäusern in Verbindung<br />
stand, war ein wertvolles Werk, ein großer<br />
Segen für die Gemeinde und für die Kinder<br />
in der Umgebung. Der Unterricht, welcher dort<br />
erteilt wurde, war sehr gründlich und der Preis<br />
dafür sehr gering.<br />
Eltern sie und waren bemüht, ihre Gesinnung und<br />
Urteilsfähigkeit zu prägen. Und Gott berief sie<br />
durch Seine souveräne Gnade zu neuem Leben;<br />
sie wurden in die Gemeinde <strong>des</strong> Tabernacles aufgenommen,<br />
und beide gaben sich dem <strong>Die</strong>nst <strong>des</strong><br />
Herrn hin.<br />
Nachdem sie die Schule beendet hatten, widmeten<br />
sie ihre ganze Zeit und <strong>Kraft</strong> der Missionsarbeit.<br />
Ebenso nahmen sie häufig Einladungen an,<br />
um an verschiedenen Orten zu predigen. Im Jahre<br />
1879 wurde Charles Prediger in einer jungen Baptistengemeinde<br />
in der Nähe von London. Thomas<br />
ging als Missionar nach Australien, wo er unter<br />
Gottes Beistand ein großes Werk ausrichtete. Er<br />
baute in Auckland, Neu-Seeland, ein großes Tabernacle<br />
und war mehrere Jahre Pastor einer der<br />
größten Gemeinden in jener Kolonie.<br />
Wenn C.H. Spurgeon ab und zu auf Reisen war,<br />
vertrat ihn sein Sohn Charles oft im Metropolitan<br />
Tabernacle, wo man seine Predigten gerne hörte.<br />
Ebenso vertrat auch Thomas Spurgeon seinen<br />
Vater, wenn er krank war. Und nachdem der treue<br />
Gottesmann C.H. Spurgeon seine viel umfassende<br />
und reich gesegnete Arbeit im Werk <strong>des</strong> Herrn<br />
beendet und am Sonntag, den 31. Januar 1892, von<br />
seinem Herrn heimgeholt worden war, wurde<br />
Thomas Spurgeon im Jahre 1893 zum Prediger im<br />
Metropolitan Tabernacle gewählt. Er war 15 Jahre<br />
lang Pastor der Gemeinde und starb 1917.<br />
SPURGEONS<br />
ZWILLINGSSÖHNE<br />
<strong>Die</strong> beiden Söhne von Charles und Susannah<br />
waren eine Quelle großer Freude für ihre Eltern.<br />
Viele Gebete um ihre Bekehrung sind zum Herrn<br />
emporgestiegen. Mit großer Hingabe erzogen die<br />
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<strong>Die</strong> GNADEN-<br />
LEHRE führt<br />
nicht in SÜNDE<br />
Denn die Sünde wird nicht<br />
herrschen über euch, weil ihr nicht<br />
unter dem Gesetz seid,<br />
sondern unter der Gnade. Wie nun?<br />
Sollen wir sündigen, weil wir<br />
nicht unter dem Gesetz, sondern<br />
unter der Gnade sind? Das sei ferne!<br />
Römer 6,14-15
C. H. SPURGEON<br />
Substanz und Essenz <strong>des</strong> wahren <strong>Evangeliums</strong><br />
ist die Lehre von Gottes Gnade. Wenn<br />
du Gottes Gnade aus dem Evangelium herausnimmst,<br />
entfernst du Blut und Leben daraus,<br />
und nichts bleibt übrig, das es zu predigen lohnt,<br />
zu glauben lohnt, für das es sich zu kämpfen<br />
lohnt. Gnade ist die Seele und die Musik <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong>;<br />
ohne sie ist es stumm.<br />
<strong>Die</strong> Lehre von der Gnade Gottes besagt, dass<br />
Gott mit sündigen Menschen auf der Grundlage<br />
reiner Barmherzigkeit umgeht. <strong>Die</strong> Menschen<br />
sind vor Seinen Augen schuldig; <strong>des</strong>halb schafft<br />
Er mit dem Tod Seines geliebten Sohnes ein Sühneopfer,<br />
das von ihrer Vergangenheit oder irgendwelchen<br />
guten Werken, die sie vorzuweisen<br />
hätten, überhaupt nicht abhängig ist. Er nimmt all<br />
diejenigen an, die ihr Vertrauen auf diese Versöhnung<br />
setzen; Er wählt den Glauben als Weg zur Errettung,<br />
so dass diese ganz aus Gnaden sei. Darin<br />
handelt Gott aus einem Motiv heraus, das in Ihm<br />
Selbst zu finden ist. <strong>Die</strong>se Gnade Gottes fließt von<br />
alters her zum Sünder hin und beginnt, in ihm zu<br />
wirken, während nichts Gutes in ihm ist; sie wirkt<br />
das Gute und Angenehme in ihm und fährt fort,<br />
so in ihm zu wirken, bis das Werk der Gnade vollendet<br />
ist, wenn der Gläubige in die Herrlichkeit<br />
aufgenommen wird, für die er geschaffen ist. <strong>Die</strong><br />
Gnade beginnt zu retten und bleibt dabei, bis alles<br />
getan ist.<br />
Alles an der Errettung ist aus Gnade und nur<br />
aus Gnade. Alles ist aus freier Gunst, nichts aus<br />
Verdienst. »Denn aus Gnade seid ihr errettet durch<br />
den Glauben, und das nicht aus euch – Gottes Gabe ist<br />
es« (Eph. 2,8). <strong>Die</strong>se Lehre ist Zielscheibe für alle<br />
Schüsse fleischlicher Logik. Nicht errettete Herzen<br />
mögen sie nicht und werden sie nie mögen;<br />
sie ist so demütigend für den menschlichen Stolz<br />
und lässt das Edle an der menschlichen Natur so<br />
gering erscheinen. Dass Menschen wie verurteilte<br />
Kriminelle durch königliches Vorrecht Schuldenerlass<br />
empfangen oder in ihren Sünden verderben<br />
müssen, das ist eine Lehre, die sie nicht ertragen<br />
können. Statt das silberne Zepter von Gottes<br />
Barmherzigkeit zu berühren und unverdiente<br />
Gunst anzunehmen, nur weil Gott sie gewähren<br />
will, wenden sie sich ab und kämpfen gegen das<br />
Reich der Gnade.<br />
Fleischliche Menschen suchen sich Waffen, um<br />
gegen das Evangelium der Gnade zu kämpfen,<br />
und eine der größten Kanonen, die sie je an die<br />
Front brachten, ist die Erklärung, dass die Gnadenlehre<br />
zur Sünde verleite. Wenn schlimmen<br />
Sündern umsonst vergeben werde, würden die<br />
Menschen noch schlimmere Sünder werden. Und<br />
manche folgern: »Wenn Gottes Gnade den erlösten<br />
Sündern sicher ist, könnten sie dazu verleitet<br />
werden, so zu leben, wie es ihnen gefällt, und sich<br />
trotzdem als errettet ansehen.« Ich habe dieses<br />
immer und immer wieder angeführte Argument<br />
so oft gehört, dass ich es mit seiner Nichtsnutzigkeit<br />
und falschen Anklage nicht mehr hören<br />
kann. Es basiert zum einen auf einem großen Fehler,<br />
der von einem falschen Verständnis herrührt,<br />
und zum anderen auf einer großen Lüge, weil die<br />
Menschen es im Grunde besser wissen.<br />
Es mag so aussehen, dass die Lehre von der<br />
freien Gnade ein Freibrief für die Sünde sei; aber<br />
ein genaueres Verständnis vom menschlichen<br />
Wesen belehrt da eines Besseren. Gefallen, wie<br />
die menschliche Natur ist, ist sie immer noch<br />
menschlich und wendet sich leicht bestimmten<br />
Formen <strong>des</strong> Bösen, wie z. B. der Undankbarkeit,<br />
zu. Es ist kaum menschlich zu nennen, wenn man<br />
denjenigen immer wieder beleidigt, der nicht aufhört,<br />
mit Gutem zu reagieren.<br />
Ich muss leider sagen, dass ich Menschen kenne,<br />
die einen angeblich üblen Einfluss der Gnadenlehre<br />
anprangern, die aber selbst aufgrund<br />
ihrer unmoralischen Gesinnung in keiner Weise<br />
qualifiziert sind, über das Thema zu richten. Es<br />
ist schlecht um die Moral bestellt, wenn unmoralische<br />
Menschen sich als ihre Wächter darstellen.<br />
<strong>Die</strong>ser Lüge kann man ja nur mit der Frage begegnen:<br />
»Was hast du mit Moral zu tun oder die Moral<br />
mit dir?« <strong>Die</strong> Leute, die es mit guten Werken so<br />
peinlich genau nehmen, sind oft nicht diejenigen,<br />
die sie auch praktizieren. <strong>Die</strong> Gesetzlichen sollten<br />
doch auf ihre eigenen Hände und Zungen achten<br />
und das Evangelium der Gnade und seine Befürworter<br />
für sich selbst gera<strong>des</strong>tehen lassen.<br />
Wenn ich auf die Geschichte der Puritaner zurückschaue,<br />
lese ich in ihren Büchern eine Widerlegung<br />
dieser so oft wiederholten Verleumdung.<br />
Wer wagt zu behaupten, dass diejenigen, die an<br />
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die Gnade Gottes glaubten, sündiger gewesen<br />
wären als andere Sünder? Ich fordere diejenigen,<br />
die Steine werfen, heraus, zuerst ihre eigene<br />
charakterliche Überlegenheit zu beweisen. Wann<br />
waren die heiligen Puritaner Verteidiger der Ungerechtigkeit?<br />
<strong>Die</strong> Puritaner fand man so oft auf<br />
ihren Knien, wie sie zu Gott um Rettung aus der<br />
Versuchung schrien; und in Verfolgungszeiten<br />
konnte man sie im Gefängnis antreffen, weil sie<br />
es um der Wahrheit willen freudig ertrugen, dass<br />
man ihnen alles genommen hatte. <strong>Die</strong> Puritaner<br />
waren sehr gottesfürchtige Menschen. Kann man<br />
so widersprüchlich urteilen, dass man sie spöttisch<br />
nach ihrer Reinheit benennt – und auf der<br />
anderen Seite behauptet, ihre Lehren führten zur<br />
Sünde?<br />
<strong>Die</strong> Puritaner sind auch nicht der einzige Beweis<br />
dafür, dass dieser Vorwurf keine Grundlage<br />
hat. <strong>Die</strong> ganze Geschichte bestätigt diese Regel.<br />
Wenn gesagt wird, dass die Gnadenlehre zur<br />
Sünde verführe, weise ich auf die Fakten hin und<br />
überlasse die Antwort jedem selbst. Wenn wir<br />
je ein reines und gottesfürchtiges Land erleben<br />
wollen, ohne Trunkenheit und soziales Elend,<br />
kann das nur durch die Verkündigung der Gnade<br />
Gottes geschehen. <strong>Die</strong> Menschen brauchen Vergebung<br />
durch Gnade, Erneuerung durch Gnade,<br />
Umwandlung durch Gnade, Heiligung durch<br />
Gnade, Bewahrung durch Gnade. Aber solange<br />
man ihnen nur Pflichterfüllung beibringt und<br />
sie ihrer eigenen Stärke überlässt, ist alle Arbeit<br />
umsonst. Ein totes Pferd kannst du lange antreiben;<br />
es wird sich doch nicht rühren. Menschen<br />
das Laufen beizubringen, die keine Füße haben,<br />
ist ein schlechtes Unterfangen; und ebenso verhält<br />
es sich mit der Unterweisung in Moral, bevor<br />
die Gnade ein Herz geschenkt hat, das Heiligkeit<br />
liebt. Allein das Evangelium der Gnade<br />
Gottes gibt dem Menschen Motivation und <strong>Kraft</strong>,<br />
und <strong>des</strong>halb müssen wir das Evangelium als den<br />
wahren Reformer der Menschen erkennen.<br />
<strong>Die</strong> Gnadenlehre und der ganze Plan der Erlösung<br />
durch Gnade sind überaus förderlich zur<br />
Heiligkeit. Wann immer nötig, hilft sie uns zu<br />
antworten: »Das sei ferne!« auf die Frage: »Sollen<br />
wir sündigen, weil wir nicht unter dem Gesetz, sondern<br />
unter der Gnade sind?« (Röm. 6,15). Das sage ich in<br />
aller Klarheit und Deutlichkeit.<br />
ERLÖSUNG VON<br />
DER MACHT DER SÜNDE<br />
Mancher behauptet, wir würden unter der »Errettung«,<br />
die wir auch dem gemeinsten Menschen<br />
predigen, lediglich die Befreiung von der Hölle<br />
und den Zugang zum Himmel verstehen. Nun,<br />
das schließt sie mit ein, und darin resultiert sie;<br />
aber das ist es nicht, was wir damit meinen. Was<br />
wir unter Errettung verstehen, ist dies: <strong>Die</strong> Erlösung<br />
von der Liebe zur Sünde, die Rettung von<br />
der Gewohnheit der Sünde und die Befreiung von<br />
dem Wunsch zu sündigen. Wenn es wahr ist, dass<br />
die Gnade von Sünde befreit, wie sollte dieses<br />
Geschenk dann Sünde produzieren? Ich sehe darin<br />
überhaupt keine Gefahr. Ganz im Gegenteil!<br />
Dem Mann, der die gnadenreiche Verheißung <strong>des</strong><br />
Sieges über Sünde verkündigt, sage ich: »Beeile<br />
dich! Geh überall in der Welt umher und verkündige<br />
den übelsten Menschen, dass Gott sie durch<br />
Seine Gnade von der Liebe zur Sünde freisetzen<br />
und neue Geschöpfe aus ihnen machen will!« Das<br />
Evangelium bezeugt nirgends, dass die Gottlosen<br />
durch den Glauben ihre Sünden weiterhin genießen<br />
und der Strafe entgehen werden.<br />
Das Evangelium bezeugt statt<strong>des</strong>sen, dass die<br />
Gottlosen durch den Glauben an den Herrn Jesus<br />
in die Lage versetzt werden, ihr Leben zu ändern,<br />
so dass sie für Gott leben, statt der Sünde und dem<br />
Satan zu dienen. Sogar die toten, vertrockneten<br />
Knochen einer Seele können durch Seinen Geist<br />
zum Leben erweckt werden. <strong>Die</strong>se Erneuerung<br />
wird sich erweisen in heiligen Gedanken, reinen<br />
Worten und gerechten Taten zur Ehre Gottes. In<br />
Seiner großen Liebe ist Gott dazu bereit, all dies<br />
an allen Gläubigen zu bewirken. Welcher Schaden<br />
sollte denn daraus erwachsen? Das sollte<br />
doch ruhig einmal der allerschlaueste unter den<br />
Gegnern versuchen, aus moralischen Gründen zu<br />
missbilligen, dass Gott den Menschen ein neues<br />
Herz und einen gerechten Geist gibt, wie es Ihm<br />
wohlgefällt.<br />
LIEBE HAT GROSSE MACHT<br />
ÜBER DIE MENSCHEN<br />
Im 18. Jh. träumten die Menschen davon, dass<br />
Verbrechen mit Strenge bekämpft würden, und<br />
sie verließen sich auf den Nutzen härterer Strafen;<br />
aber die Erfahrung belehrte sie eines Besse-<br />
36 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
en. Unsere Vorväter fürchteten die Ausgabe von<br />
Falschgeld – ein Verbrechen, das häufig begangen<br />
wurde und tatsächlich ein schlimmer Betrug<br />
ist. Zudem fügt es dem Vertrauen unter den<br />
Menschen Schaden zu. Um damit aufzuräumen,<br />
stuften sie die Fälschung der aktuellen Silber-,<br />
Kupfer- und Messingmünzen sowie die Ausgabe<br />
oder Bezahlung mit ihnen als Hochverrat ein und<br />
erklärten ein dreifaches Vergehen zu einem Kapitalverbrechen:<br />
der Counterfeiting Coin Act. Wie<br />
viele Hinrichtungen hat es wegen dieses Gesetzes<br />
gegeben! Welch ein Jammer! Und doch reichte der<br />
ständige Gebrauch der Galgen nicht aus, um dieses<br />
Verbrechen auszurotten. Viele Vergehen wurden<br />
durch die Strafe geschaffen, die eigentlich zu<br />
ihrer Ausrottung gedacht war.<br />
Es ist bemerkenswert, dass der Mensch gerade<br />
dann, wenn man ihm etwas verbietet, den<br />
Wunsch verspürt, es zu tun, auch wenn er bis dahin<br />
nie daran gedacht hatte. Das Gesetz befiehlt<br />
Gehorsam, aber es fördert ihn nicht. Oft bewirkt<br />
das Gesetz Ungehorsam, und eine zu strenge Bestrafung<br />
hat schon häufig ein Vergehen herausgefordert.<br />
Das Gesetz versagt, aber die Liebe gewinnt.<br />
Liebe macht die Sünde auf jeden Fall unattraktiv.<br />
Jemanden zu bestehlen ist schlecht; aber einen<br />
Freund zu bestehlen, der einem oft aus der Not<br />
geholfen hat, ist ein schlimmes Verbrechen. Liebe<br />
versetzt der Sünde mit glühendem Eisen ein<br />
Brandmal auf die Stirn. Einen Feind zu töten ist<br />
eine schwerwiegende Straftat; aber seinen Vater<br />
zu erschlagen, dem man das Leben verdankt<br />
– eine solche Grauenhaftigkeit schreit zum Himmel.<br />
Das Licht der Liebe lässt die Sünde ganz besonders<br />
sündig erscheinen.<br />
Und das ist nicht alles. Liebe drängt zwingend<br />
und mächtig zur höchsten Form der Tugend. Taten, die<br />
man aufgrund <strong>des</strong> Gesetzes keinem Menschen<br />
zumuten könnte, werden aus Liebe voller Freude<br />
vollbracht. Wer sich weigern würde, durch den<br />
Zwang eines Gesetzes sein Leben aufs Spiel zu<br />
setzen, würde dies aus Liebe freiwillig tun, um<br />
Mitmenschen zu retten. »Nun stirbt kaum jemand<br />
für einen Gerechten; für einen Wohltäter entschließt sich<br />
vielleicht jemand zu sterben« (Röm. 5,7). Güte gewinnt<br />
das Herz, und man ist bereit, für einen Freundlichen<br />
und Großzügigen zu sterben. Seht doch, wie<br />
Menschen ihr Leben für ihre Staatsoberhäupter<br />
gelassen haben! Als ein Arzt tief in das Fleisch eines<br />
verwundeten französischen Soldaten schnitt,<br />
um an die Kugel zu gelangen, schrie der Patient<br />
auf: »Noch ein Stückchen tiefer, und sie verletzen<br />
den Kaiser!« Pflichtgefühl hält nur gerade eben<br />
die Festung; aber Liebe wirft den eigenen Körper<br />
der tödlichen Kugel in den Weg. Wer würde auf<br />
den Gedanken kommen, aufgrund eines Gesetzes<br />
sein Leben zu opfern? Nur die Liebe misst<br />
dem eigenen Leben weniger Bedeutung bei als<br />
dem <strong>Die</strong>nst an dem Geliebten. Liebe zu Jesus erzeugt<br />
ein Heldentum, von dem das Gesetz nichts<br />
weiß. <strong>Die</strong> ganze Geschichte der Gemeinde Jesu<br />
ist, solange sie ihrem Herrn treu war, ein Beweis<br />
dafür.<br />
Auch Güte hat, gemäß dem Gesetz der Liebe, schon<br />
oft die Unwürdigsten verändert und damit bewiesen,<br />
dass sie nicht zum Bösen reizt. Ein Trinker wachte<br />
eines Morgens aus seinem Rausch auf, voll bekleidet,<br />
eben wie er am Abend zuvor ins Bett gefallen<br />
war. Er sah, wie ihm sein einziges Kind, seine<br />
Tochter Millie, das Frühstück brachte. Während<br />
er zur Besinnung kam, fragte er: »Millie, warum<br />
bleibst du bei mir?« Sie antwortete: »Weil du mein<br />
Vater bist, und weil ich dich liebe.« Da erkannte er<br />
sich selbst als den zerlumpten Nichtsnutz, der er<br />
war, und antwortete: »Millie, liebst du mich wirklich?«<br />
Das Kind erwiderte: »Ja, Vater, und ich werde<br />
dich nie verlassen. Bevor Mutter starb, sagte<br />
sie: ›Millie, bleib bei deinem Vater und bete immer<br />
für ihn. Eines Tages wird er das Trinken aufgeben<br />
und dir ein guter Vater sein.‹ Also werde ich dich<br />
nie verlassen.« Es ist wunderbar, dass wir hinzufügen<br />
können, dass Millies Vater das Trinken ließ<br />
und ein gläubiger Mann wurde. Millie versuchte<br />
die selbstlose Liebe zu praktizieren, nicht wahr?<br />
Nach der Art unserer Moralisten hätte sie sagen<br />
müssen: »Vater, du bist ein furchtbarer Schuft!<br />
Jetzt habe ich es lange genug bei dir ausgehalten.«<br />
Aber die <strong>Kraft</strong> der Liebe machte einen besseren<br />
Mann aus ihm.<br />
<strong>Die</strong> Gnade Gottes hat eine seltsam unwiderstehliche<br />
Macht und führt Menschen zur Umkehr,<br />
indem sie sie »mit menschlichen Banden …, mit<br />
Seilen der Liebe [zieht]« (Hos. 11,4). Der Herr weiß,<br />
dass der Schlüssel zum Herzen der Menschen,<br />
wie schlecht sie auch sein mögen, die Liebe ist. Er<br />
weiß, dass Seine allmächtige Gnade, wenn auch<br />
auf oft unergründliche Weise, am Ende triumphieren<br />
wird.<br />
voiceofhope.de | 37
GNADE DECKT DIE<br />
BOSHEIT DER SÜNDE AUF<br />
<strong>Die</strong> Befürchtung, dass die Gnadenlehre Menschen<br />
zur Sünde führen werde, ist völlig unbegründet.<br />
Es ist nämlich so, dass jede Bosheit vor oder bei<br />
der Vergebung dem Menschen überaus bitter gemacht<br />
wird. Wenn Gott anfängt, an einem Menschen<br />
zu wirken, veranlasst Er ihn normalerweise<br />
dazu, sein böses Wesen in all seiner Hässlichkeit<br />
zu erkennen. Er lässt ihn seine Sünde erkennen,<br />
bis er mit David ausruft: »Meine Sünde ist allezeit vor<br />
mir« (Ps. 51,5).<br />
In meinem eigenen Fall sah meine Seele, als<br />
ich von Sünde überführt wurde, nur Finsternis<br />
und ein schreckliches Unwetter. Es war mir, als<br />
wären meine Augen bedeckt. <strong>Die</strong> Schuld legte sich<br />
so dicht um mich, dass ich vor der zu erwartenden<br />
Verdammnis keine Ruhe finden konnte. Ich fühlte,<br />
dass ich Gott beleidigt hatte und dass dies das<br />
Schrecklichste ist, was ein menschliches Wesen<br />
tun kann. Bis zu dieser Stunde ruft der Anblick<br />
von Sünde schlimmste Gefühle in mir hervor, gerade<br />
so, wie ein Kind, dass sich einmal verbrannt<br />
hat, tiefe Panik vor dem Feuer empfindet.<br />
<strong>Die</strong> Gnade bewirkt, dass wir der Sünde überdrüssig<br />
werden und sowohl die Sünde selbst als<br />
auch ihre vermeintlichen Freuden verabscheuen.<br />
Wir möchten sie völlig aus dem Herzensboden<br />
unseres Wesens ausreißen. Eine der Früchte <strong>des</strong><br />
Geistes ist ganz gewiss, Heiligkeit zu lieben und<br />
alle falschen Wege zu verabscheuen. Eine tiefe innere<br />
Verwandlung verbietet dem Kind Gottes zu<br />
sündigen. Es hat in sich das Gericht über die Sünde<br />
und ihre Verdammung erfahren, und <strong>des</strong>halb<br />
ist sie ihm ein Gräuel. <strong>Die</strong> Furcht, dass die Gnade<br />
missbraucht werden könnte, ist darum völlig unbegründet.<br />
DIE GNADE MACHT<br />
DEN MENSCHEN ZU EINER<br />
NEUEN KREATUR<br />
<strong>Die</strong> Gnadenlehre ist ungefährlich in den Händen<br />
eines Menschen, der vom Heiligen Geist bewegt<br />
und eine neue Schöpfung nach dem Bild Gottes<br />
geworden ist. Der Geist Gottes ist eingezogen und<br />
hat den Menschen umgewandelt, ihm die Unwissenheit<br />
weggenommen, seine Gefühle verändert,<br />
seinen Verstand erleuchtet, seinen Willen Ihm<br />
unterworfen, seine Wünsche veredelt, sein Leben<br />
verwandelt. Er ist jetzt tatsächlich ein im Geist<br />
Neugeborener. <strong>Die</strong>ser Wandel wird in der Schrift<br />
mit der Auferstehung von den Toten verglichen,<br />
mit einer Schöpfung und mit einer Neugeburt.<br />
»Ihr müsst von Neuem geboren werden«, sagte Christus<br />
zu Nikodemus (Joh. 3,7), und gottselige Menschen<br />
sind von Neuem geboren.<br />
Dem wahren Gläubigen ist die überfließende<br />
Gnade <strong>des</strong> Vaters ein Band zur Gerechtigkeit, das<br />
zu durchtrennen er nie in Betracht ziehen würde.<br />
Gottesfürchtige Menschen empfinden echte<br />
Dankbarkeit und streben nach vollkommener<br />
Heiligkeit in der Furcht <strong>des</strong> Herrn (2.Kor. 7,1). Alle<br />
Wesen leben gemäß ihrer Natur, und der errettete<br />
Mensch bildet in seinem veränderten Sinn heilige<br />
Instinkte aus. Er verlangt nach Heiligkeit, kämpft<br />
gegen Sünde, arbeitet daran, in allen Dingen rein<br />
zu sein, und bietet all seine <strong>Kraft</strong> für das auf, was<br />
rein und vollkommen ist. Das neue Herz macht<br />
den ganzen Unterschied. <strong>Die</strong> Segnungen <strong>des</strong> Allmächtigen<br />
führen nicht zur Sünde, sondern geben<br />
vielmehr erhabenste Ziele vor.<br />
REINIGUNG DURCH SÜHNE<br />
Das Blut Jesu Christi reinigt ebenso gut, wie es<br />
vergibt. Der Sünder erfährt, dass es das Leben seines<br />
besten Freun<strong>des</strong>, <strong>des</strong> Sohnes Gottes, gekostet<br />
hat, damit ihm freie Vergebung zuteil würde. Der<br />
Blick auf den Herrn, den er durchbohrt hatte, bewirkt<br />
eine heilige Reue über die Sünde. Im Herzen<br />
<strong>des</strong> Sünders, dem vergeben wurde, ist die Liebe<br />
zu Jesus entbrannt, und <strong>des</strong>halb fühlt er eine tiefe<br />
Abneigung gegen die abscheuliche Bosheit der<br />
Sünde; jede Art <strong>des</strong> Bösen ist ihm verhasst.<br />
Der bußfertige Sünder hört mit Entsetzen,<br />
wie der Sohn Gottes wegen seiner eigenen Sünde<br />
schrie: »Eli, Eli, lama sabachthani?« Aus dem Tod<br />
Jesu muss gefolgert werden, dass Sünde aus der<br />
Sicht <strong>des</strong> Herrn überaus sündig ist; denn wenn<br />
die ewige Gerechtigkeit nicht einmal den geliebten<br />
Sohn Jesus verschonen konnte, als die Sünde<br />
auf Ihm lag, wieviel weniger würde sie schuldige<br />
Menschen verschonen? Es muss etwas unaussprechlich<br />
Vergiftetes sein, das selbst den sündlosen<br />
Jesus zu solch furchtbaren Leiden veranlasste.<br />
38 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
Man kann sich nichts vorstellen, das größere<br />
Macht auf gottselige Menschen ausüben könnte<br />
als der Blick auf den gekreuzigten Erlöser, der mit<br />
allen Seinen Wunden und mit jedem Tropfen Blut,<br />
das aus Seinem Leib floss, die Sünde anprangert.<br />
Was? Leben in der Sünde, die Jesus umbrachte?<br />
Vergnügen finden an dem, was Ihm den Tod einbrachte?<br />
Unmöglich! Ihr seht also, wenn die freie<br />
Gnade von der durchbohrten Hand gereicht wird,<br />
verleitet sie wohl niemals zu Nachgiebigkeit gegenüber<br />
dem eigenen Ich, ganz im Gegenteil!<br />
TÄGLICHE HILFE<br />
VON GOTTES GEIST<br />
Gott der Heilige Geist wohnt in jedem Menschen,<br />
den Gott aus Gnade gerettet hat. Ist das nicht eine<br />
wunderbare Art und Weise der Heiligung? Wodurch<br />
sonst könnten die Menschen von der Sünde<br />
abgehalten werden als dadurch, dass Gott Selbst<br />
in ihren Herzen wohnt?! Der Heilige Geist leitet<br />
die Gläubigen an, viel zu beten; und welch eine<br />
heilige <strong>Kraft</strong> findet sich in dem Kind der Gnade,<br />
das mit seinem himmlischen Vater spricht!<br />
<strong>Die</strong> in Versuchung geratene Seele flieht zu ihrem<br />
Gott und äußert ihren Kummer, erblickt dabei<br />
die blutenden Wunden ihres Erlösers und geht<br />
gestärkt aus diesem Anblick hervor, um der Versuchung<br />
zu widerstehen. Auch das Wort Gottes ist<br />
mit seinen Grundsätzen und Verheißungen eine<br />
nie versiegende Quelle der Heiligung. Wenn wir<br />
nicht täglich in der Heiligen Schrift lesen, können<br />
wir bald schwach und unentschlossen werden.<br />
Aber die Gemeinschaft mit Gott erneuert uns im<br />
leidenschaftlichen Ringen mit der Sünde. Auch<br />
der Geist erquickt das Gewissen <strong>des</strong> Gläubigen<br />
oft, so dass er Dinge, die ihm in der Vergangenheit<br />
nicht sündig zu sein schienen, jetzt als Sünde erkennt,<br />
als ob er sie in klarerem Licht sähe. Das Gewissen<br />
ist von Natur aus hart und gefühllos; aber<br />
das gottselige Gewissen wird immer zarter, bis<br />
es schließlich so empfindsam ist wie eine offene<br />
Wunde. Wer am meisten Gnade erfahren hat, ist<br />
sich mehr als alle anderen <strong>des</strong>sen bewusst, dass er<br />
noch mehr Gnade braucht. Hast du diese Gnade in<br />
deinem Leben erfahren? Das ist das Mittel, durch<br />
das der Heilige Geist dich davor bewahrt, deine<br />
Freiheit jemals in Freizügigkeit zu verkehren.<br />
TEILHABER<br />
AN DER GNADE GOTTES<br />
Wer an die Gnadenlehre glaubt, ist über die<br />
Grundsorgen der Welt um Essen und Kleidung erhaben.<br />
Sein Sinn wird zur Betrachtung edler Themen<br />
geführt: der ewige Bund, seine Bestimmung,<br />
die unwandelbare Liebe, seine Berufung, Gott in<br />
Christus, das Werk <strong>des</strong> Geistes, die Rechtfertigung,<br />
die Heiligung, seine Annahme bei Gott. Andere<br />
spielen noch mit kleinen Sandhäufchen am<br />
Strand; aber der wahre Christ wandelt in der freien<br />
Gnade zwischen Hügeln und Bergen umher.<br />
<strong>Die</strong> Themen aus der Heiligen Schrift über Gott<br />
und Sein Wirken türmen sich auf wie die Alpen.<br />
<strong>Die</strong>s ist der Weg, von Bosheiten und erniedrigenden<br />
Lüsten befreit zu werden.<br />
Gedankenlosigkeit ist die fruchtbare Mutter<br />
von Missetaten. Es ist ein hoffnungsvolles Zeichen,<br />
wenn sich Menschen mit erhabenen Wahrheiten<br />
befassen. Der Mensch, der von Gott zu<br />
denken gelehrt wurde, wird nicht so bereitwillig<br />
sündigen wie derjenige, <strong>des</strong>sen Geist unter dem<br />
Fleisch begraben liegt. Jetzt lebt er in der Gegenwart<br />
Gottes, und das Leben ist Realität für ihn,<br />
ernst und erhaben. Er hat nicht im Sinn, mit dem<br />
Rechen der Begierde Gold zusammenzuraffen,<br />
denn er ist errettet und muss einfach nach dem<br />
ewigen Lohn streben. Er erkennt, dass er für göttliche<br />
Zwecke und Aufgaben geboren wurde; darum<br />
fragt er: »Herr, was willst Du, dass ich tun soll?«<br />
(Apg. 9,6). Er erkennt, dass die Liebe, mit der Gott<br />
ihn liebt, durch ihn weiterfließen kann zu andern.<br />
Wir alle sind wie leuchtende Lampen, die in der<br />
Finsternis scheinen und andere Lampen anzünden<br />
sollen.<br />
Viele neue Hoffnungen gewinnt der Mensch, der<br />
aus Gnade errettet ist. Seine neue Denkweise richtet<br />
sich auf die Ewigkeit. Wie Gott ihn schon in der<br />
Zeit liebt, wird ihn eben diese Liebe auch in der<br />
Ewigkeit segnen – das glaubt er. Er fürchtet die<br />
Zukunft nicht, weil er weiß, dass sein Erlöser lebt.<br />
Und so geht er mit freudigem Herzen und leichtem<br />
Schritt voran in die ewige Zukunft, so fröhlich<br />
wie zu einer Hochzeitsfeier.<br />
Streck deine Glaubenshand aus und ergreife diesen<br />
deinen Teil! Vertraue Jesus von ganzer Seele<br />
und empfange dein Erbe!<br />
voiceofhope.de | 39
Evangelisch-Reformierte<br />
Baptistengemeinde Wetzlar<br />
DER ALTE GLAUBE FÜR EINE NEUE ZEIT<br />
www.erb-wetzlar.de | Falltorstr. 23, 35614 Klein-Altenstädten<br />
EIN PORTRAIT<br />
»Dem aber, der weit über die Maßen mehr zu tun vermag, als wir bitten oder<br />
verstehen, gemäß der <strong>Kraft</strong>, die in uns wirkt, Ihm sei die Ehre in der Gemeinde in<br />
Christus Jesus, auf alle Geschlechter der Ewigkeit der Ewigkeiten! Amen.«<br />
Epheser 3,20-21<br />
Vor Grundlegung der Welt hatte Gott in<br />
Seiner unendlichen Weisheit geplant, die<br />
Herrlichkeit Seiner Gnade in der Gemeinde<br />
darzustellen. Ja, die Gemeinschaft der Erwählten<br />
soll sich in Ortsgemeinden zusammenfinden,<br />
um hier Gott anzubeten und den Segen zu empfangen,<br />
den Er zu Seinem Ruhm und dem Wohl<br />
der Gläubigen bestimmt hat.<br />
Warum ausgerechnet Gemeinden, die in vielerlei<br />
Hinsicht oft so schwach und unbedeutend<br />
erscheinen?<br />
Weil Gott so umso mehr Seine Macht und Gnade<br />
demonstriert. Gott ruft Seine Kinder auf, Seinem<br />
Wort in der Gemeinde zu folgen.<br />
40 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
Am 12. Juli 2009 schlossen sich darum einige<br />
von Gott begnadigte und geliebte Sünder zusammen,<br />
um im mittelhessischen Wetzlar die<br />
Evangelisch-Reformierte Baptistengemeinde zu<br />
gründen. Seither erleben wir Zeiten großer Ermutigung,<br />
aber auch herausfordernde und schmerzhafte<br />
Phasen. Letztendlich dient aber bei<strong>des</strong><br />
zur Ehre und Verherrlichung Christi. Der Erfolg<br />
drängt uns zum demütigen Lob Gottes, und die<br />
Rückschläge und Schwierigkeiten führen uns unsere<br />
Abhängigkeit vom Herrn vor Augen. Christus<br />
sei die Herrlichkeit in der Gemeinde!<br />
Seit 2015 hat uns Gott mit einem hübschen Gemeindegebäude<br />
beschenkt, in dem wir uns seither<br />
als Gemeinde versammeln und Ihm Gottesdienst<br />
feiern dürfen. Als einzelne Glieder durch Liebe<br />
untereinander verbunden, füllen wir diesen Raum<br />
mit Lob und Anbetung. Geleitet wird die Gemeinde<br />
dabei von den beiden Pastoren Nathanael Armisen<br />
und Robert Kunstmann, unterstützt von<br />
zwei Diakonen, Daniel Schneeberger und Samuel<br />
Schneeberger. Wir sind dankbar dafür, dass Nathanael<br />
Armisen der Gemeinde als vollzeitlicher<br />
Pastor dienen darf. Insbesondere die Missionsgesellschaft<br />
HeartCry hilft uns dabei, dies zu ermöglichen.<br />
So hat der Herr unsere beiden Unterhirten<br />
Christi dazu berufen, Seiner Gemeinde in Treue<br />
zu dienen, das Wort angemessen zu lehren und<br />
Gott in allem zu ehren. Wie sieht das nun in der<br />
ERB Wetzlar konkret aus?<br />
1. GEMEINDEGEBET<br />
Einmal in der Woche treffen wir uns mittwochabends<br />
als Gemeinde, um gemeinsam den Herrn<br />
anzubeten. Das ist die Herzkammer der Gemeinde.<br />
Unscheinbar und unspektakulär gehen wir<br />
vor Gott auf die Knie und schütten unser Herz<br />
vor Ihm aus. Wir sind ganz und gar von Ihm abhängig.<br />
Darüber hinaus haben wir etwa ein- bis zweimal<br />
im Jahr besondere Fast- und Bettage, an denen<br />
wir oft wegen besonderer Herausforderungen<br />
voiceofhope.de | 41
vor den Herrn kommen. Als Gemeinde erheben<br />
wir so einmütig die Stimme zu Gott (Apg. 4,24)<br />
und erleben dabei immer wieder, wie Er »weit über<br />
die Maßen mehr zu tun vermag als wir bitten oder verstehen«.<br />
Er erhält und trägt Seine Gemeinde, ja Er<br />
segnet uns überreich.<br />
2. GOTTES WORT GEPREDIGT<br />
Am Tag <strong>des</strong> Herrn versammeln wir uns als Gemeinde<br />
morgens und abends zu zwei Gottesdiensten<br />
1 , wie es in Psalm 92,2-3 heißt:<br />
»Gut ist’s, dem HERRN zu danken, und Deinem Namen<br />
zu lobsingen, Du Höchster; am Morgen Deine<br />
Gnade zu verkünden und in den Nächten Deine Treue.«<br />
Der Gottesdienst, den wir in der ERB Wetzlar feiern,<br />
ist schlicht und wenig »kreativ«, aber auf die<br />
direkte Begegnung mit dem lebendigen und dreieinigen<br />
Gott ausgerichtet. In den Gottesdienst gehören<br />
daher auch nur Dinge, die Gott in Seinem<br />
Wort geboten und so zum Segen bestimmt hat.<br />
Durch Schriftlesung und Predigt spricht der Herr<br />
zur Gemeinde, und durch Gebete und Lieder antwortet<br />
die Gemeinde dem Herrn. Da wir unseren<br />
Gesang – wie Johannes Calvin – als gemeinsam<br />
gesungene Gebete verstehen, singen wir am Ende<br />
der Lieder ein bekräftigen<strong>des</strong> »Amen«. Im Gottesdienst<br />
geht es nicht um die Verherrlichung oder<br />
Darstellung von Menschen, sondern es geht darum,<br />
dass wir gemeinsam hinzutreten zum Thron<br />
der Gnade in ehrfürchtiger Erwartung, dem<br />
Herrn zu begegnen und durch Christus gesegnet<br />
zu werden. Und genau dies dürfen wir auch auf<br />
wunderbare Weise immer wieder erleben: Gott ist<br />
herrlich gegenwärtig im Gottesdienst!<br />
Ein weiteres zentrales Element <strong>des</strong> Gottesdienstes<br />
ist die fortlaufende Schriftauslegung<br />
in der Predigt. Dabei geht es nicht in erster Linie<br />
darum, in moralischer Härte Missstände<br />
anzumahnen, sondern in liebevoll einladender<br />
Weise Sünder zur Buße zu rufen. So verstand<br />
auch der württembergische Pietist und Erweckungsprediger<br />
Ludwig Hofacker seinen Verkündigungsdienst:<br />
»Es erhellt dieses auch aus<br />
meiner Predigtweise, die wegen ihres erwecklichen<br />
Bußcharakters wohl nicht über zwei Jahre<br />
an einen Ort passt; denn auch das schärfste Anfassen<br />
werden die Leute nach und nach gewohnt<br />
und verderben sich zuletzt damit den Appetit, so<br />
dass sie endlich lauter Gewürz essen wollen.« Bereits<br />
Johannes Calvin empfiehlt diese weise Ausgewogenheit<br />
für den Hirtendienst: »Ein Pastor<br />
sollte zwei Stimmen haben: eine, um die Schafe<br />
zu sammeln, und eine andere, um die Wölfe und<br />
<strong>Die</strong>be abzuwehren und zu vertreiben. <strong>Die</strong> Heilige<br />
Schrift gibt ihm die Mittel, bei<strong>des</strong> zu tun; denn<br />
wer darin geübt ist, wird fähig sein, sowohl die<br />
zu leiten, die lernbereit sind, als auch die Feinde<br />
der Wahrheit zu widerlegen« (Kommentar zu Tit.<br />
1,7-9).<br />
<strong>Die</strong> Predigt, die die Gläubigen tröstend auferbaut<br />
und gleichzeitig von Sünde überführt und<br />
zurechtweist, ist das von Gott bestimmte Gnadenmittel,<br />
zu Seiner eigenen Verherrlichung, aber<br />
auch zur geistlichen Stärkung der Gemeinde, ja<br />
auch in unserer heutigen Zeit, »auf alle Geschlechter<br />
der Ewigkeit der Ewigkeiten!«<br />
3. GEMEINDE GELEBT<br />
Neben dem öffentlichen Gottesdienst am Tag<br />
<strong>des</strong> Herrn feiern die einzelnen Familien der Gemeinde<br />
zu Hause Familienandachten. Besonders<br />
die Ehemänner und Väter tragen dort die Verantwortung,<br />
ihre Frauen und Kinder täglich im Wort<br />
Gottes zu unterweisen. In den Familien wollen wir<br />
leben, was Gott uns geboten hat:<br />
»<strong>Die</strong>se Worte, die Ich dir heute gebiete, sollst du<br />
auf dem Herzen tragen, und du sollst sie deinen<br />
1<br />
In den Ferienzeiten findet zurzeit allerdings nur ein Gottesdienst statt.<br />
42 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in<br />
deinem Haus sitzt oder auf dem Weg gehst, wenn<br />
du dich niederlegst und wenn du aufstehst; und<br />
du sollst sie zum Zeichen auf deine Hand binden,<br />
und sie sollen dir zum Erinnerungszeichen über<br />
den Augen sein; und du sollst sie auf die Pfosten<br />
deines Hauses und an deine Tore schreiben« (5.Mo.<br />
6,6-9).<br />
Zu unserer Gemeinde gehören viele Familien<br />
mit kleinen Kindern, die so von Kin<strong>des</strong>beinen an<br />
tagtäglich zuhause in Gottes Wort unterwiesen<br />
werden. Um die wichtigsten biblischen Lehren zu<br />
verinnerlichen, lernen viele auch Bibelverse und<br />
einen Kinderkatechismus auswendig und, wenn<br />
sie älter sind, den Kleinen Katechismus. 2 Zuhause<br />
in den Familien lernen die Kinder, Gott zu ehren<br />
und anzubeten, so dass sie am Sonntag auch<br />
in den Gottesdiensten mit dabei sind. Dort gibt es<br />
nur für die ganz kleinen Kinder eine Übertragung<br />
<strong>des</strong> Gottesdienstes in einen separaten Raum.<br />
Vor allen Dingen aber sollen die Kinder auch<br />
am Sonntag lernen, mit Freude zusammen mit<br />
der ganzen Familie im Gottesdienst Gott anzubeten.<br />
Überhaupt wollen wir als Gemeinde auch Zeit<br />
miteinander verbringen. Wenn es möglich ist,<br />
versuchen wir wenigstens einmal im Monat am<br />
Sonntag gemeinsam Mittag zu essen. (Das war<br />
pandemiebedingt in den beiden letzten Jahren<br />
leider kaum möglich.) Außerdem laden wir uns<br />
gerne gegenseitig ein, besuchen einander und haben<br />
auch sonst einige informelle Mittel und Wege,<br />
wie wir einander in geschwisterlicher Liebe beistehen,<br />
einander helfen, in der Nachfolge ermutigen<br />
und im Glauben stärken.<br />
4. GOTT LEBT IN DER ORTSGEMEINDE<br />
<strong>Die</strong>se von Gott verordneten Gnadenmittel, samt<br />
Taufe und Abendmahl, gehören ausdrücklich<br />
in die Ortsgemeinde. Jesus spricht zwar von einer<br />
geistlichen Gabe der Ehelosigkeit, aber nicht<br />
von einer Gabe der Gemeindelosigkeit. Letzteres<br />
betrachten wir als eine sehr große Not in<br />
unserer Zeit. Wie viele Gläubige gehören keiner<br />
Ortsgemeinde an! Dabei fehlt es sowohl an biblisch<br />
geordneten Gemeinden als auch am nötigen<br />
geistlichen Verständnis, warum Christus in der<br />
Gemeinschaft der Heiligen verherrlicht werden<br />
will und in der Ortsgemeinde besonderen Segen<br />
wirkt. Nirgendwo wird Christus so verherrlicht,<br />
wie durch die liebevolle Einheit und Gemeinschaft<br />
von Glaubensgeschwistern.<br />
Wir sind sehr unterschiedlich in unserer Gemeinde;<br />
es gibt viele verschiedene Nationalitäten,<br />
soziale Schichten; wir haben unterschiedliche Interessen,<br />
doch stehen wir in dem einen fest verbunden<br />
zusammen: im Bekenntnis zu Christus<br />
und Seinem Wort, der der Herr ist über alles. Ist<br />
nicht genau das eine Darstellung der wirksamen<br />
<strong>Kraft</strong> Christi in den Menschen, der allein herzlich<br />
vereinen kann, was keine andere Bindung<br />
schafft?<br />
So haben wir als Gemeinde auch das große<br />
Anliegen, weitere biblisch geordnete Gemeinden<br />
zu gründen. Bisher durften wir dies einmal erleben,<br />
als Gott uns 2016 gebraucht hat, um die ERB<br />
Frankfurt zu gründen.<br />
Als Gemeinde wollen wir aber auch auf anderen<br />
Wegen Menschen mit dem Evangelium erreichen,<br />
die den Herrn noch nicht kennen oder keine<br />
Möglichkeit haben, eine gesunde Ortsgemeinde<br />
zu besuchen. Darum laden wir die Predigten auf<br />
Sermonaudio und anderen Plattformen hoch. Außerdem<br />
veranstalten wir gewöhnlich ein bis zwei<br />
Konferenzen pro Jahr, die sich als große Ermutigung<br />
erwiesen haben und auch brüderliche Beziehungen<br />
schaffen zu anderen gleichgesinnten<br />
Christen in Deutschland und Europa.<br />
Durch die Übersetzungen und Publikation einiger<br />
reformiert-baptistischer Schriften wollen<br />
wir auch Bücher bekannt machen, die uns selbst<br />
solch ein großer Segen waren, die biblischen Lehren<br />
zu erfassen und im Leben umzusetzen.<br />
2<br />
Biblische Glaubenslehre für Kinder – Kinderkatechismus (Edition ERB / Betanien 2014/2018²);<br />
Der Kleine Katechismus, Hg. Robert Kunstmann (Edition ERB / BoD, 2021).<br />
voiceofhope.de | 43
5. GLAUBENSBEKENNTNIS UND GEMEINDEORDNUNG<br />
Wir sind überzeugt, dass Christus besonders da<br />
»die Ehre in der Gemeinde« empfängt, wo wir bereit<br />
sind, all unsere Pläne und Formen im Lichte der<br />
Bibel zu prüfen, und wenn wir uns Ihm in allem<br />
unterordnen. Als Gemeinde brauchen wir auch<br />
eine tragfähige innere Struktur, die meist nach<br />
außen hin unsichtbar ist, wie das Skelett im Körper,<br />
und doch eine überlebenswichtige Funktion<br />
hat.<br />
Wir halten es für biblisch geboten, dass wir<br />
klar und offen darlegen, woran wir glauben, und<br />
den ein für alle Mal den Heiligen überlieferten<br />
Glauben bekennen und verteidigen. Dazu haben<br />
wir uns als Gemeinde vor allen Dingen auf das<br />
Baptistische Glaubensbekenntnis von 1689 verpflichtet.<br />
Darüber hinaus nutzen wir einen Katechismus,<br />
um in einfacher Weise die wichtigsten<br />
Lehren der Bibel zu verinnerlichen. 3<br />
Ebenso wichtig ist es, dass wir auch klar darlegen,<br />
wie wir als Gemeinde miteinander leben wollen.<br />
Mit Hilfe von bewährten Baptistengemeinden<br />
aus Nordirland und den USA konnten wir<br />
eine Gemeindeordnung verfassen, in der wir dies<br />
schriftlich festhalten. <strong>Die</strong>ses wertvolle Dokument<br />
ist gefüllt mit Querverweisen auf die Bibel als unsere<br />
höchste Richtschnur für Glauben und Leben.<br />
<strong>Die</strong> Bekenntnisgrundlage und Gemeindeordnung<br />
der Gemeinde haben sich über die Jahre hin<br />
als ein reicher Segen erwiesen, den wir auf keinen<br />
Fall missen möchten. Wir haben so in den wichtigsten<br />
Lehrfragen Klarheit und müssen uns nicht<br />
aneinander reiben. Ebenso sind die zentralen<br />
Fragen, wie wir als Gemeinde bestimmte Dinge<br />
handhaben, klar geordnet (z. B.: Wie wird jemand<br />
Gemeindeglied? Oder: Wie handhaben wir öffentliche<br />
Sünde und Gemeindezucht?).<br />
6. GLAUBENSKRAFT IN NEUER ZEIT<br />
Wie passt es zusammen, dass eine solch junge Gemeinde<br />
– jung vom Alter der Gemeindeglieder,<br />
aber auch vom Gemeindealter her – so stark auf<br />
alte Glaubensinhalte und -formen zurückgreift?<br />
Auf der einen Seite wollen wir den Glauben nicht<br />
als eine bloß rückwärtsgewandte Tradition weiterleben,<br />
als lebten wir heute noch immer im 17.<br />
oder 18. Jahrhundert. Auf der anderen Seite dürfen<br />
die biblische Lehre und bewährte, geistliche<br />
Formen der Gottesverehrung auch nicht von<br />
unbiblischen Trends und Einflüssen <strong>des</strong> jeweils<br />
vorherrschenden Zeitgeists verdrängt oder sogar<br />
erdrückt werden.<br />
Unser Anliegen ist es, in der Gegenwart die<br />
Vergangenheit mit der Zukunft zu verbinden.<br />
Wir leben altbewährtes, kraftvolles, ehrfürchtiges,<br />
biblisches Gemeindeleben auch in unserer<br />
Zeit authentisch und frisch, ja in gewisser Weise<br />
»modern« als Menschen <strong>des</strong> 21. Jahrhunderts,<br />
denn das alte Evangelium errettet auch bis heute<br />
jeden, der glaubt, »denn es ist Gottes <strong>Kraft</strong> zur<br />
Errettung« (Röm. 1,16). <strong>Die</strong>s charakterisiert uns als<br />
Evangelisch-Reformierte Baptistengemeinde in<br />
Wetzlar.<br />
So wollen wir auch weiterhin mit den bewährten<br />
und kostbaren biblischen Lehren und vom<br />
Herrn bestimmten Mitteln die Menschen heute<br />
erreichen und die Herrlichkeit Christi verkünden.<br />
Wir sind gespannt, was der Herr weiter in unserer<br />
Mitte wirkt zur Ehre Seines Namens und zum Segen<br />
Seiner Gemeinde in dieser Welt.<br />
Herzliche Einladung auch an jeden, der uns<br />
gerne einmal besuchen möchte. Wir freuen uns<br />
über jeden Gast, der mit uns zusammen Gott preisen<br />
möchte!<br />
3<br />
Das baptistische Glaubensbekenntnis von 1689, Hg. Robert Kunstmann (Edition ERB / BoD, 2002/2020²).<br />
Der Kleine Katechismus, Hg. Robert Kunstmann (Edition ERB / BoD, 2021). Wir bekennen uns ferner zu einigen<br />
1989 vorgenommenen Ergänzungen zum Bekenntnis von 1689, dem Apostolischen Glaubensbekenntnis und der<br />
Chicago Erklärung zur Irrtumslosigkeit der Bibel von 1978. In Abgrenzung zu der so genannten<br />
Pfingstbewegung schließen wir uns <strong>des</strong> Weiteren den Ausführungen der Berliner Erklärung von 1909 an.<br />
44 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 1/<strong>2022</strong>
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Über den Autor<br />
John MacArthur ist seit 1969<br />
leitender Pastor der Grace Community<br />
Church in Sun Valley, Kalifornien. Sein<br />
<strong>Die</strong>nst als Auslegungsprediger ist an<br />
Reichweite und Einfluss unübertroffen: In<br />
über 50 <strong>Die</strong>nstjahren auf derselben Kanzel<br />
hat er Vers für Vers über das gesamte<br />
Neue Testament (und viele Schlüsseltexte<br />
<strong>des</strong> Alten Testaments) gepredigt.<br />
Er ist Leiter der Master's University und<br />
deren Predigerseminar und ist täglich in<br />
der Radiosendung Grace to You<br />
zu hören (übertragen von hunderten von<br />
Radiosendern weltweit). Er ist Autor einer<br />
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Wenn wir um die Reinheit der Gemeinde nicht<br />
mehr besorgt sind als um weitere mögliche Probleme<br />
und Krisen, dann stellt das eine ernsthafte Frage an<br />
unser Christsein dar. Fragen wir uns doch mal:<br />
Was beunruhigt uns als Christen am meisten?<br />
Sind es die Vorgänge in der Welt um uns herum?<br />
Oder ist es der Name und die Ehre unseres<br />
allmächtigen Gottes, die geistliche Gesundheit und<br />
der Zustand Seiner Gemeinde, das Gedeihen und die<br />
Zukunft Seiner Sache unter den Menschen?<br />
Möge Gott uns die Gnade schenken, die biblische<br />
Wahrheit anzunehmen und zu lernen, die Dinge nicht<br />
politisch, sondern geistlich zu beurteilen!<br />
D. Martyn Lloyd-Jones