Die Kraft des Evangeliums 3/2023
Aus dem Inhalt • Wie gehst du mit deinen Sorgen um? • Geistliche Disziplin • Der verlorene Sohn • Behüte dein Herz • Eine Reise in die Kriegsgebiete • Freie Gnade – ein Motiv für freies Geben • Miteinander als Christen leben • Ratschläge für Bedrückte
Aus dem Inhalt
• Wie gehst du mit deinen Sorgen um?
• Geistliche Disziplin
• Der verlorene Sohn
• Behüte dein Herz
• Eine Reise in die Kriegsgebiete
• Freie Gnade – ein Motiv für freies Geben
• Miteinander als Christen leben
• Ratschläge für Bedrückte
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DIE KRAFT DES<br />
EVANGELIUMS<br />
Eine Ausgabe der Reformierten Baptistengemeinde Reichshof • 3/<strong>2023</strong><br />
• Wie gehst du mit deinen Sorgen um?<br />
• Geistliche Disziplin<br />
• Der verlorene Sohn<br />
• Behüte dein Herz<br />
• Eine Reise in die Kriegsgebiete<br />
• Freie Gnade –<br />
ein Motiv für freies Geben<br />
• Miteinander als Christen leben<br />
• Ratschläge für Bedrückte
INHALT<br />
4<br />
14<br />
17<br />
21<br />
26<br />
34<br />
38<br />
44<br />
Geistliche Disziplin<br />
D. Martyn Lloyd-Jones<br />
Der verlorene Sohn<br />
John MacArthur<br />
Behüte dein Herz<br />
John Flavel<br />
Eine Reise in die Kriegsgebiete<br />
Ukraine<br />
Freie Gnade – ein Motiv<br />
für freies Geben<br />
C.H. Spurgeon<br />
Miteinander als Christen leben<br />
R.C. Sproul<br />
Ratschläge für Bedrückte<br />
Christopher Catherwood<br />
Rezension zum Buch:<br />
Vom Arzt zum Prediger<br />
Henrik Mohn
WIE GEHST DU<br />
MIT DEINEN SORGEN UM?<br />
Wenn wir die Entwicklungen unserer<br />
Zeit sehen, sollten wir dann<br />
nicht besorgt sein? Gottlosigkeit<br />
und Unmoral nehmen überhand. Ehe und Familie<br />
werden untergraben. <strong>Die</strong> Gottesfurcht<br />
schwindet auch unter den Christen. Gleichgültigkeit<br />
und Selbstsucht greifen um sich.<br />
Statt sich der Verkündigung <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />
zu widmen, gibt man sich dem Humanismus,<br />
der Politik und allen vergänglichen, irdischen<br />
Dingen hin.<br />
Wenn wir all das beobachten, ergreifen<br />
uns dann nicht mancherlei Sorgen? Sind es<br />
für uns Christen nicht berechtigte Sorgen?<br />
Der Apostel Paulus schrieb, dass er neben<br />
den ständigen äußeren Bedrängnissen wie<br />
Verfolgung, Not und Gefangenschaft auch<br />
täglich innerlich bedrängt wurde, nämlich<br />
durch die Sorge um alle Gemeinden. Dennoch<br />
hatte er in seinem Herzen Raum, die<br />
Sorgen anderer mitzutragen, wie er in seinem<br />
Brief an die Korinther schreibt: »Wer ist<br />
schwach, und ich bin nicht auch schwach? Wem<br />
wird Anstoß bereitet, und ich empfinde nicht brennenden<br />
Schmerz?« (2.Kor. 11,29). Paulus kannte<br />
die Antwort auf Sorgen und Nöte.<br />
Es ist erschreckend, welche Auswege sich<br />
Christen heute suchen, um sich von den Sorgen<br />
zu befreien. Neben vielen oberflächlichen<br />
Versuchen zum Lösen dieses Problems<br />
zeigt sich eine Geringschätzung der Heiligen<br />
Schrift: Man geht davon aus, dass die Bibel<br />
ohne Vermischung mit der modernen Psychologie<br />
für den Umgang mit Sorgen, Ängsten<br />
und anderen Leiden, die das Leben heute mit<br />
sich bringt, ungeeignet sei. <strong>Die</strong>s widerspricht<br />
aber der biblischen Wahrheit, dass unser Herr<br />
Jesus Christus uns durch »Seine göttliche <strong>Kraft</strong> …<br />
alles geschenkt hat, was zum Leben und [zum Wandel<br />
in] Gottesfurcht dient« (2.Pt. 1,3; ELB).<br />
Wer Jesus Christus kennt und liebt, kann<br />
auch mit Sorgen richtig umgehen. Es ist<br />
falsch, mit den Belastungen <strong>des</strong> Lebens so<br />
umzugehen, dass sie zu erdrückenden Sorgen<br />
werden. Jesus Selbst sagte dreimal: »Sorgt<br />
euch nicht …« (Mt. 6,25). Paulus wiederholte dies<br />
später: »Sorgt euch um nichts« (Phil 4,6).<br />
Liebe Freunde, falsches Sorgen ist Sünde,<br />
weil es dem klaren biblischen Gebot unseres<br />
Herrn widerspricht. Wir lassen es leicht<br />
zu, dass uns unsere alltäglichen Bedürfnisse<br />
zum Sorgen treiben, und wir machen uns vor<br />
Gott schuldig, wenn unsere Gedanken vor allem<br />
darum kreisen, wie wir die Zukunft verändern<br />
könnten, anstatt unser Bestes zu geben,<br />
die gegenwärtige Situation zu meistern.<br />
Solche Gedanken sind nutzlos. Sie führen<br />
letztlich dazu, dass wir unsere Pflichten und<br />
Beziehungen vernachlässigen. Wenn wir mit<br />
notvollen Situationen nicht richtig umgehen<br />
und nicht zu unseren täglichen Pflichten zurückkehren,<br />
verlieren wir die Hoffnung und<br />
werden nutzlos für das Reich Gottes.<br />
Wenn wir unsere Haltung bezüglich Sorgen<br />
mit dem vereinbaren, was Gott uns in<br />
Seinem Wort dazu sagt, und wenn wir die<br />
göttlichen Gründe dafür kennen, werden wir<br />
zu anderen Menschen. Dann sind wir bereit,<br />
Sein kostbares Wort auf unser Leben anzuwenden.<br />
Und wir werden dann nicht nur wissen,<br />
dass wir aufhören sollen, uns zu sorgen.<br />
Vielmehr werden wir dann auch jeden Morgen<br />
voller Zuversicht die Gnade Gottes in<br />
Anspruch nehmen.<br />
In der Liebe zu Christus und zur Wahrheit<br />
Prediger und Lehrer der<br />
Reformierten Baptistengemeinde Reichshof
D. MARTYN LLOYD-JONES<br />
GEISTLICHE<br />
Disziplin<br />
4 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
»So setzt eben <strong>des</strong>halb allen Eifer daran und reicht in eurem Glauben<br />
die Tugend dar, in der Tugend aber die Erkenntnis, in der Erkenntnis aber<br />
die Selbstbeherrschung, in der Selbstbeherrschung aber das standhafte Ausharren,<br />
im standhaften Ausharren aber die Gottesfurcht, in der Gottesfurcht aber<br />
die Bruderliebe, in der Bruderliebe aber die Liebe.«<br />
2. PETRUS 1,5-7<br />
In diesem ersten Kapitel <strong>des</strong> zweiten Petrusbriefes<br />
behandelt der Apostel eine Ursache<br />
geistlicher Depression. In der Tat war es sein<br />
Ziel, als er den Brief schrieb, sich mit diesem<br />
Thema zu befassen. Er schrieb, um Menschen<br />
zu ermutigen, die entmutigt waren und an ihrem<br />
Glauben zu zweifeln schienen. Der Zustand<br />
geistlicher Depression kann zu einer echten Gefahr<br />
werden. Wenn dieser Zustand anhält, führt<br />
er immer wieder zu Zweifeln und Unsicherheiten<br />
und auch zu einer verstärkten Neigung, das<br />
alte Leben, von dem wir erlöst wurden, wieder<br />
ins Auge zu fassen.<br />
Erfreulicherweise gibt uns der Apostel in diesem<br />
Fall eine ausgezeichnete Beschreibung der<br />
Situation. Er lässt uns indirekt etwas über die<br />
Menschen erfahren, denen er schreibt. Nachdem<br />
er beispielsweise seine Briefempfänger ermahnt<br />
hat, sagt er in Vers 8: »Denn wenn diese Dinge bei euch<br />
vorhanden sind und zunehmen, so lassen sie euch nicht<br />
träge noch unfruchtbar sein für die Erkenntnis unseres<br />
Herrn Jesus Christus.« Er meint damit: »Wenn diese<br />
Dinge bei euch vorhanden sind und zunehmen«, werdet<br />
ihr das werden, was ihr im Augenblick noch<br />
nicht seid. Und was ist das? »[Sie] lassen … euch<br />
nicht träge noch unfruchtbar sein für die Erkenntnis<br />
unseres Herrn Jesus Christus«, was aussagt, dass der<br />
Zustand, in dem sich die Briefempfänger damals<br />
befanden, träge und unfruchtbar war. Aber nicht<br />
nur das. Petrus sagt, dass sie »blind und kurzsichtig<br />
[waren] und … die Reinigung von [ihren] früheren Sünden<br />
vergessen« haben.<br />
In der Tat gibt es einen weiteren Hinweis dafür,<br />
dass sie gestrauchelt waren; denn er sagt<br />
ihnen, dass sie »niemals zu Fall kommen« werden,<br />
wenn sie die Dinge tun, von denen er zuvor<br />
sprach. Und nicht nur das, sondern: Wenn sie<br />
jene Dinge praktizieren, werden sie ihre Berufung<br />
und Auserwählung festmachen (V. 10). Es<br />
ist deutlich, dass sich die Empfänger <strong>des</strong> Briefes<br />
darüber gelegentlich nicht so sicher waren.<br />
Dass diese Menschen Christen waren, steht<br />
außer Frage. Wir müssen das wiederholen, weil<br />
es manche gibt, die derartig falsche und unbiblische<br />
Vorstellungen von einem Christen haben.<br />
Sie meinen, dass ein solcher Mensch, wie ihn<br />
Petrus hier beschreibt, kein wirklicher Christ<br />
sei. Aber diese Menschen sind offenbar Christen,<br />
sonst würde Petrus ihnen nicht in dieser<br />
Weise schreiben. Viele haben die falsche Vorstellung,<br />
dass ein wahrer Christ immer auf den<br />
Höhen der Berge wandere. Manche meinen, dass<br />
man überhaupt kein Christ sei, wenn man sich<br />
nicht immer dort befinde. Das ist eine durch und<br />
durch unbiblische Vorstellung. <strong>Die</strong>se Briefempfänger<br />
sind Christen; aber sie sind unglücklich,<br />
sie sind gänzlich unfruchtbar; ihr Leben scheint<br />
zu nichts zu führen, und sie sind auch anderen<br />
Leuten keine Hilfe.<br />
Nicht nur das. Sie sind auch nicht sehr leistungsfähig,<br />
soweit es sie selbst betrifft, und ihr<br />
Glaube erfüllt sie nicht mit Freude und Zuversicht.<br />
Sie sind träge und unfruchtbar. <strong>Die</strong> Worte<br />
sind eine treffende Beschreibung – sie sind<br />
untauglich, anderen zu helfen, und es mangelt<br />
ihnen auch an Erkenntnis und Verständnis. Sie<br />
wachsen nicht in der Erkenntnis <strong>des</strong> Herrn.<br />
Es steht ihnen eine enorme Erkenntnis zur<br />
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Verfügung, aber sie ergreifen sie nicht, sind nicht<br />
dahin vorgedrungen, nicht darin gewachsen; sie<br />
sind in dieser Hinsicht unfruchtbar.<br />
Obwohl sie wirkliche Christen sind, scheinen<br />
sie in ihrem Leben wenig davon zu zeigen.<br />
Auch scheinen sie darin zu versagen, die wahre<br />
Bedeutung ihrer Bekehrung zu erfassen. Es ist,<br />
als hätten sie die Reinigung von ihren früheren<br />
Sünden vergessen, und sie leben so, als wäre<br />
das nicht geschehen. All diese Probleme treten<br />
zwangsläufig immer zusammen auf. Wenn<br />
es einem in dieser Frage an Verständnis und an<br />
Frucht mangelt, wird man gewöhnlich auch im<br />
Lebenswandel entsprechend versagen – sowohl<br />
in der Gottesfurcht als auch im Nutzen für sich<br />
selbst und für andere.<br />
Das nun ist die Beschreibung, die der Apostel<br />
von diesen Menschen gibt, und leider sind wir<br />
alle mit dieser Art vertraut. Es handelt sich um<br />
Menschen, bei denen man nicht leugnen kann,<br />
dass sie Christen sind, obwohl es in ihrem Leben<br />
nur wenig Anzeichen dafür gibt. Sie scheinen<br />
in Oberflächlichkeit und Elend verhaftet zu<br />
sein. Sie vermitteln nicht den Eindruck, den ein<br />
Christ, wie Jesus sagte, vermitteln sollte, wenn<br />
er den Heiligen Geist empfangen hat: »Aus seinem<br />
Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen« (Joh.<br />
7,38). Nein, der Eindruck, den sie vermitteln, ist<br />
der von Trägheit und Unfruchtbarkeit.<br />
In ihrem Leben gibt es offenbar keine Frucht;<br />
sie scheinen nichts an andere weiterzugeben.<br />
Und was sie selbst angeht, so ist ihr Leben ungefestigt;<br />
es scheint nicht zu wachsen und sich<br />
nicht zu entwickeln. Das ganze Leben scheint<br />
völlig unfruchtbar zu sein, und sie sind niedergeschlagen<br />
und unglücklich und werden von<br />
Zweifeln heimgesucht. Sie erwecken den Anschein,<br />
dass sie nicht fähig sind, anderen Rechenschaft<br />
abzulegen ȟber die Hoffnung, die in<br />
[ihnen] ist« (1.Pt. 3,15). Sie sagen, dass sie glauben,<br />
und dennoch befinden sie sich ständig in dieser<br />
Verfassung, in der gerade die Grundlage ihres<br />
Glaubens Erschütterungen ausgesetzt zu sein<br />
scheint.<br />
Das ist die Situation, die der Apostel hier anspricht<br />
und über die wir jetzt nachdenken wollen.<br />
1. DIE URSACHE DES ZUSTANDS<br />
Wie ist es möglich, dass jemand überhaupt in<br />
einen solchen Zustand gerät? Es gibt Christen,<br />
auf die diese Beschreibung zutrifft. Warum<br />
sind sie so? Warum gleichen sie nicht anderen<br />
Christen, deren Leben fruchtbar, wirkungsvoll<br />
und lebensspendend ist? Was ist der Unterschied?<br />
Das ist die Frage, die wir überdenken<br />
müssen. Es scheint völlig klar zu sein, dass der<br />
Apostel diesen Menschen hier sehr deutlich<br />
sagt, dass es nur eine wirkliche Ursache für all<br />
die Äußerungen einer Depression gibt, nämlich<br />
ein großer Mangel an Disziplin. Das ist das<br />
wirkliche Problem. Es handelt sich um das vollständige<br />
Fehlen von Disziplin und Ordnung in<br />
ihrem Leben.<br />
Aber glücklicherweise belässt es der Apostel<br />
nicht bei einer allgemeinen Diagnose. <strong>Die</strong><br />
neutestamentlichen Schreiber hören niemals<br />
bei allgemeinen Formulierungen auf; sie gehen<br />
immer darüber hinaus und arbeiten die Einzelheiten<br />
aus. Sie betrachten das Problem Punkt für<br />
Punkt, und das tut der Apostel hier auch.<br />
Warum mangelt es diesen Leuten an Disziplin?<br />
Warum gibt es in ihrem Leben offensichtlich<br />
eine solche Faulheit oder Trägheit?<br />
<strong>Die</strong> erste Ursache mag ein falsches Verständnis<br />
vom Glauben sein. <strong>Die</strong>s stelle ich am Anfang von<br />
Vers 5 fest, wo er sagt: »So setzt eben <strong>des</strong>halb« – gerade<br />
aus diesem Grund – »allen Eifer daran und<br />
reicht in eurem Glauben die Tugend dar.« Das heißt:<br />
Ergänzt euren Glauben, stattet euren Glauben<br />
mit den Dingen aus, die Petrus dann im weiteren<br />
Verlauf seines Briefes aufzählt.<br />
Hier liegt gewiss ein Hinweis darauf, dass diejenigen,<br />
an die der Brief adressiert war, ein falsches<br />
Verständnis vom Glauben hatten. Leider<br />
kommt das häufig vor. Ihre Sicht vom Glauben<br />
scheint magischer Art gewesen zu sein. Mit an-<br />
6 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
deren Worten: Sie waren der Ansicht, dass alles<br />
in Ordnung sei, solange man Glauben habe, und<br />
dass dieser im Leben automatisch funktioniere<br />
und der Christ nichts anderes zu tun habe, als<br />
der Wahrheit zu glauben. Man müsse nur den<br />
Glauben annehmen – und der Rest ergebe sich<br />
dann von allein. Man brauche nur einen Schritt<br />
zu tun, eine Entscheidung zu treffen, oder wie<br />
man es auch immer nennen möchte, und das sei<br />
alles, was notwendig sei.<br />
Ich nenne dies eine nahezu magische Auffassung<br />
vom Glauben oder ein Verständnis, dass er<br />
automatisch wirke. Aber vielleicht kann ich es<br />
auch eine mystische Sicht vom Glauben nennen.<br />
Das erklärt sicherlich das Problem vieler Leute.<br />
Unter einer mystischen Sicht verstehe ich ein<br />
Verständnis vom Glauben, dass man ihn immer<br />
als ein perfektes Ganzes ansieht. Menschen mit<br />
solch einem Glaubensverständnis sind sich nicht<br />
<strong>des</strong>sen bewusst, dass der Glaube mit Tugend,<br />
Erkenntnis, Selbstbeherrschung, standhaftem<br />
Ausharren, Gottesfurcht, Bruderliebe und Liebe<br />
zu allen Menschen ergänzt werden muss, wie es<br />
uns der Apostel hier aufzeigt.<br />
Man kennt nur die eine Devise, die lautet:<br />
»Schaue immer auf den Herrn!« Solange man<br />
nur »auf den Herrn schaut«, brauche man sich<br />
weiter um nichts zu kümmern. Man behauptet,<br />
dass jeder Versuch, etwas Zusätzliches zu tun,<br />
bedeute, man verfalle wieder in die Haltung, in<br />
der man sich sein Heil durch Werke erwerben<br />
wolle. Wenn du in deinem Christenleben also ein<br />
Problem hast, sagt man dir: »Schaue nur auf den<br />
Herrn, bleibe einfach im Herrn!« Doch genau<br />
das ist die wirkungsvollste Ursache für diese Art<br />
geistlicher Depression und Trägheit.<br />
<strong>Die</strong>, welche diesem Irrtum verfallen sind, verbringen<br />
ihr ganzes Leben in diesem unglücklichen<br />
Zustand. Sie versuchen die ganze Zeit, die<br />
Aufforderung, »nur auf den Herrn zu schauen«<br />
und »nur in Ihm zu bleiben«, in die Tat umzusetzen.<br />
Für kurze Zeit scheint es ihnen zu gelingen;<br />
aber dann läuft irgendetwas schief; sie scheinen<br />
nicht mehr zu »bleiben«, und schon sind sie wieder<br />
unglücklich. Das alte Problem kehrt zurück,<br />
und so verbringen sie ihr ganzes Leben in dem<br />
krampfhaften Versuch, diese Haltung, die sie als<br />
richtig anerkennen, in die Tat umzusetzen. Ohne<br />
Zweifel handelt es sich hierbei um eine sehr<br />
wichtige Sache, und wir müssen sicher sein, dass<br />
sich unser Glaubensverständnis auf das Neue<br />
Testament gründet. Dafür müssen wir erkennen,<br />
was der Apostel meint, wenn er fortfährt: »… und<br />
reicht in eurem Glauben … dar«; das bedeutet, dass<br />
wir dem Glauben gewisse andere Dinge hinzufügen<br />
oder ihn mit diesen ergänzen sollen.<br />
<strong>Die</strong> zweite allgemeine Ursache für den Zustand<br />
geistlicher Depression, den der Apostel hier andeutet,<br />
ist zweifellos nichts anderes als reine Faulheit<br />
oder Trägheit. Petrus ist sehr bestrebt, uns<br />
das einzuschärfen; <strong>des</strong>wegen wiederholt er seine<br />
Worte noch einmal in Vers 10. Ich glaube, dass wir<br />
alle uns <strong>des</strong>sen bewusst sind: Es gibt eine Trägheit<br />
oder Faulheit, die uns alle plagt und zweifelsohne<br />
vom Teufel selbst hervorgerufen wird.<br />
Haben wir nicht alle schon bemerkt, dass es<br />
uns, wenn es um Dinge <strong>des</strong> geistlichen Lebens<br />
geht, an Lust und Begeisterung zu mangeln<br />
scheint und wir nicht alle dieselbe Energie aufwenden,<br />
die wir bei unserem weltlichen Beruf,<br />
unserer Arbeit oder unseren Geschäften, unseren<br />
Vergnügungen oder anderen Interessen<br />
einsetzen? Haben wir nicht schon alle festgestellt,<br />
dass wir den ganzen Tag tüchtig arbeiten<br />
können, aber dann, wenn wir eine Gebetsstunde<br />
besuchen wollen, auf einmal todmüde und<br />
erschöpft sind? Ist es nicht eigenartig, dass wir<br />
immer müde und schläfrig werden, wenn wir die<br />
Bibel lesen wollen?<br />
Wir sind vollkommen davon überzeugt, dass<br />
die Ursache etwas rein Körperliches sei und wir<br />
nichts dafür könnten. Aber wir wissen auch, dass<br />
in dem Augenblick, in dem wir uns nach geistlichen<br />
Dingen ausstrecken, wir sofort vor diesem<br />
Problem der Trägheit und Faulheit stehen, das<br />
uns überfällt, wie munter und tatkräftig wir bis<br />
dahin auch waren.<br />
Das Problem kann auch die Form von Aufschub<br />
annehmen. Wir möchten in der Bibel<br />
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lesen, wir wollen sie studieren, wir möchten<br />
eine Auslegung lesen, aber wir sind im Augenblick<br />
gar nicht in der passenden Stimmung. Wir<br />
meinen, dass es schlecht sei, dies zu versuchen,<br />
wenn wir uns nicht entsprechend fühlen, und<br />
dass wir es besser aufschieben sollten, bis es uns<br />
besser gehe. Später werde sich bestimmt eine<br />
geeignetere Gelegenheit ergeben. Wie oft haben<br />
wir diese Erfahrung schon gemacht. Aber wenn<br />
dann der spätere Zeitpunkt kommt, meinen wir<br />
eigenartigerweise, dass wir immer noch nicht<br />
dazu in der Lage seien. Es steht außer Frage, dass<br />
die meisten von uns ein Leben führen, dem es erheblich<br />
an Disziplin und Ordnung fehlt.<br />
Das Leben war für einen Christen vielleicht<br />
noch nie so schwierig wie heute. <strong>Die</strong> Welt und<br />
ihr System machen es uns besonders schwer.<br />
Das Schwierigste im Leben ist es, sein eigenes<br />
Leben zu führen und zu ordnen. Der Grund dafür<br />
ist nicht, dass die äußeren Umstände uns<br />
diesbezüglich zwingen würden. Wenn wir uns<br />
der Gefahr <strong>des</strong> willenlosen Dahintreibens nicht<br />
bewusst sind und uns nicht dagegen wehren,<br />
werden wir schon versagt haben, ohne es zu<br />
merken. Es gibt so viele Dinge, die uns von geistlichen<br />
Zielen abzuhalten suchen. Man beginnt<br />
morgens den Tag, indem man die Nachrichten<br />
liest anstatt die Bibel, und es scheint nur einige<br />
Stunden zu dauern, bis die Abendnachrichten<br />
angehört werden »müssen«. <strong>Die</strong>se Dinge drängen<br />
sich uns regelrecht auf.<br />
Natürlich müssen wir die Nachrichten oder<br />
andere Dinge nicht unbedingt lesen; aber wir tun<br />
es aus Gewohnheit, und ohne es zu bemerken,<br />
nimmt dies unsere Zeit in Anspruch. Ich brauche<br />
meine Zeit nicht damit zu verschwenden, all die<br />
Dinge im Detail zu erläutern, die uns ablenken<br />
und uns wertvolle Zeit rauben.<br />
In der Tat kämpft heute jeder von uns um<br />
sein Leben; er kämpft darum, sein eigenes Leben<br />
zu gestalten und zu genießen. Alle Pastoren<br />
werden mit mir einer Meinung sein, wenn ich<br />
behaupte, dass es nichts gibt, das uns öfter gesagt<br />
wird als dies: »Ich weiß nicht, was ich machen<br />
soll. Ich scheine keine Zeit zu haben, meine<br />
Bibel zu lesen und zu beten, wie ich es gern<br />
möchte.«<br />
<strong>Die</strong> einfache Antwort darauf ist, dass es dabei<br />
lediglich um einen Mangel an Disziplin geht.<br />
Es handelt sich um ein Versagen darin, sein Leben<br />
richtig zu ordnen. Es hat keinen Zweck, über<br />
die Umstände zu klagen. Es läuft einfach darauf<br />
hinaus – und wir brauchen gar nicht darüber zu<br />
diskutieren –: Wir haben im Grunde alle Zeit!<br />
Wenn wir Zeit haben, andere Dinge zu tun, dann<br />
haben wir Zeit. Das ganze Geheimnis <strong>des</strong> Erfolges<br />
diesbezüglich besteht darin, sich Zeit zu<br />
nehmen und darauf zu bestehen, dass sie für die<br />
Stille mit dem Herrn verwendet wird anstatt für<br />
andere Dinge.<br />
Das ist die zweite Ursache <strong>des</strong> Problems: ein<br />
reiner Mangel an Disziplin in der Lebensführung;<br />
ein Versagen, sein Leben so zu ordnen, zu<br />
lenken und zu beherrschen, wie wir tief in unserem<br />
Herzen wissen, dass wir es tun sollten.<br />
2. DIE BEHANDLUNG<br />
Da wir nun die Ursache kennen, wollen wir uns<br />
jetzt der Behandlung dieses Problems zuwenden.<br />
Welche Behandlung empfiehlt uns der Apostel<br />
für diesen unseren Zustand? Etwas, was der<br />
Ursache <strong>des</strong> Problems genau entgegengesetzt ist.<br />
Erstens und vor allen Dingen betont er, »allen Eifer<br />
daran[zusetzen]«. Wir sind »dem Verderben entflohen<br />
…, das durch die Begierde in der Welt herrscht«<br />
und werden durch die kostbaren Verheißungen<br />
Gottes göttlicher Natur teilhaftig (V. 4). Eben <strong>des</strong>halb<br />
sollen wir mit allem Eifer diese großartigen<br />
Verheißungen ergreifen, die uns mitsamt allem,<br />
was wir für das Leben in Gottesfurcht benötigen,<br />
geschenkt wurden (V. 3). Ergreift sie, damit zu eurem<br />
Glauben Tugendhaftigkeit und geistliche Erkenntnis<br />
hinzukommen! Seid eifrig bestrebt, dies<br />
zu tun (V. 10)! Das ist die Behandlungsmethode<br />
<strong>des</strong> Problems: sich zu üben in Disziplin und Eifer.<br />
Unser Problem kann man vielleicht am besten<br />
anhand eines historischen Beispiels erklären.<br />
8 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
Wenn du die Biografie eines beliebigen Mannes<br />
Gottes liest, wirst du feststellen, dass sein Leben<br />
vor allen Dingen von Disziplin und Ordnung gekennzeichnet<br />
war. Das ist ausnahmslos das wesentliche<br />
Merkmal im Leben aller hervorragender<br />
Männer und Frauen Gottes. Lies einmal das<br />
Lebensbild von Henry Martyn, David Brainerd,<br />
Jonathan Edwards, George Whitefield und Amy<br />
Carmichael! Lies ihre Tagebücher! Im Leben aller<br />
dieser Menschen war Disziplin ein wesentliches<br />
Element, das sie stark hervorhoben. Disziplin<br />
ist offenbar etwas durch und durch Biblisches<br />
und absolut Wesentliches.<br />
Der Apostel Petrus erinnert uns daran, dass<br />
wir unserem Glauben diese verschiedenen anderen<br />
Tugenden hinzufügen und all unseren Eifer<br />
daran setzen sollen. »Seid umso eifriger bestrebt«<br />
(V. 10), sagt er; das heißt: Seid noch aktiver. Aber<br />
dabei handelt es sich nicht etwa um Werkgerechtigkeit.<br />
Der Irrtum der Werkgerechtigkeit besteht<br />
darin, dass man sich bezüglich seiner Errettung<br />
auf seine eigene Disziplin verlässt.<br />
Das Entgegengesetzte von dem, dass man auf<br />
seine eigenen Werke vertraut, ist aber nicht das<br />
Nichtstun, sondern alles zu tun, ohne dabei sein<br />
Vertrauen darauf zu setzen. Nicht das Tun dieser<br />
Werke ist falsch, sondern der Glaube an sie, das<br />
Vertrauen auf sie. Aber welch eine schleichende<br />
Gefahr liegt darin – mir scheint, darin liegt eine<br />
der Hauptgefahren für viele Christen –: in der<br />
Furcht vor dem Irrtum der Werkgerechtigkeit.<br />
Wir haben immer wieder gesagt, dass die Werke<br />
überhaupt nichts zur Sache der Errettung tun,<br />
sondern dass allein der Glaube zählt. Weil ich ein<br />
Mann <strong>des</strong> Glaubens bin, ist es scheinbar unwichtig,<br />
was ich tue – und so kann es in meinem Leben<br />
durchaus an Disziplin fehlen. Solches sollte<br />
uns nicht einmal in den Sinn kommen!<br />
Der Gegensatz zu dem falschen Vertrauen<br />
auf seine Werke ist eben nicht Trägheit, Mangel<br />
an Disziplin und Nichtstun, sondern Eifer,<br />
fleißig sein, seinen Glauben unter Beweis stellen.<br />
Aber du musst dir stets <strong>des</strong>sen bewusst sein,<br />
dass deine Tat allein nie genügt, sondern dass<br />
Gott diejenigen belohnen wird, welche Ihn mit<br />
Ernst suchen. Viele Menschen sagen, dass sie alles<br />
hingeben würden, um nur eine Spur der Erkenntnis<br />
zu erlangen, welche die wahren Christen<br />
damals besaßen. Du sagst vielleicht: »Hätte<br />
ich nur jene Freude, dann würde ich die ganze<br />
Welt dafür hergeben. Warum kann ich nicht die<br />
Erfahrung eines brennenden Herzens haben?«<br />
<strong>Die</strong> Antwort darauf ist, dass du sie nie wirklich<br />
gesucht hast. Schau dir das Leben jener Glaubensvorbilder<br />
an und die Zeit, die sie für ihr Bibelstudium<br />
und Gebet sowie für verschiedene<br />
andere Formen der Selbstprüfung und geistlichen<br />
Übungen einsetzten, um im geistlichen Leben<br />
Wachstum und Disziplin zu erlangen. Und<br />
weil sie dies taten, hat Gott es ihnen vergolten,<br />
indem Er ihnen solche wunderbaren Beweise<br />
Seiner Gegenwart und solche mächtigen Erfahrungen,<br />
die ihre Herzen erwärmten, zuteilwerden<br />
ließ.<br />
An erster Stelle steht also die unbedingte Notwendigkeit<br />
von Disziplin und Ordnung. Ich bin<br />
an dieser Stelle versucht, dies im Einzelnen zu<br />
behandeln. Wenn wir uns darüber einig sind, wie<br />
wichtig es ist, sich einfach Zeit zu nehmen im<br />
Ordnen seines Alltagslebens, dann müssen wir<br />
– koste es, was es wolle – darauf bestehen, dass<br />
gewisse Dinge getan werden. Mit anderen Worten:<br />
Wenn ich wirklich glaube, dass mir die Bibel<br />
wichtiger ist als die Zeitung, muss ich meine Bibel<br />
lesen, bevor ich zur Zeitung (oder wir heute:<br />
zum Smartphone) greife. Ich muss auf meiner<br />
Gebetszeit bestehen, ich muss Zeit zum Nachsinnen<br />
über das Wort haben – was auch immer<br />
statt<strong>des</strong>sen ungetan bleibt.<br />
Das ist der Anfang eines wesentlichen Teils<br />
der Ordnung, der seine Auswirkungen auf den<br />
Alltag hat. Viele Menschen versagen und werden<br />
traurig und depressiv, weil sie die Dinge<br />
einfach nicht entschlossen selbst in die Hand<br />
genommen haben. Du wirst das selbst tun müssen;<br />
keiner wird es für dich tun, ja, niemand<br />
ist fähig, das für dich zu tun. Wenn du nicht<br />
auf diese Dinge im Einzelnen achtest, dann<br />
versichere ich dir, dass du ein depressiver<br />
Christ bleiben wirst.<br />
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Den Glauben ausstatten<br />
Das zweite Prinzip ist, dass wir etwas in unserem<br />
Glauben darreichen sollen (V. 5). Eine andere<br />
Übersetzung besagt: »Ergänzt euren Glauben<br />
mit …!« Wieder eine andere besagt: »Stattet<br />
euren Glauben aus mit …!« <strong>Die</strong> Sprachforscher<br />
sagen uns, dass das griechische Wort epichoregeo<br />
»ausstatten« bedeute, das damals in Verbindung<br />
mit der Aufführung eines Theaterstückes<br />
verwendet wurde. Es bedeutet, dass man<br />
die Aufführung mit einer Art Orchester oder<br />
Chor ausstattet, sodass sie perfekt ist. Es ist etwas,<br />
das die Aufführung abrundet und sie zu<br />
einer perfekten Aufführung macht. Das ist die<br />
Bedeutung <strong>des</strong> Wortes »reicht dar«, »fügt hinzu«,<br />
»stattet aus«, »ergänzt«, »macht die Sache<br />
vollständig« »lasst es zu einem vollkommenen<br />
Glauben kommen«.<br />
Was fügst du deinem Glauben hinzu? Der Apostel<br />
zählt uns hier eine ganze Reihe von Dingen<br />
auf. Ich muss sie einfach erwähnen. Als erstes<br />
sagt er: »Reicht in eurem Glauben die Tugend dar«<br />
bzw. fügt eurem Glauben Tugend hinzu. Was<br />
meint er damit? Auch hier haben wir ein Wort,<br />
<strong>des</strong>sen Bedeutung sich im Laufe der Zeit verändert<br />
hat. Mit Tugend ist nicht das gemeint, was<br />
wir heute landläufig darunter verstehen, denn<br />
in diesem Sinne ist jeder einzelne Punkt in der<br />
Aufzählung <strong>des</strong> Petrus eine Tugend. <strong>Die</strong> Bedeutung<br />
ist hier eher: Energie, moralische Energie.<br />
Es bedeutet: <strong>Kraft</strong>, Stärke. Das ist nun sehr wichtig.<br />
Der Zustand, mit dem sich der Apostel hier<br />
befasst, ist jenes schlaffe, undisziplinierte, träge<br />
Christenleben, und er beginnt damit, dass er<br />
die Briefempfänger an Folgen<strong>des</strong> erinnert: »Ihr<br />
habt Glauben, ihr glaubt der Wahrheit; daran<br />
besteht kein Zweifel. Ihr habt denselben kostbaren<br />
Glauben wie wir.«<br />
Und nun – was sollten sie da noch mehr tun<br />
wollen? Er ruft sie dazu auf, zusätzlich zu dem<br />
Glauben, den sie haben, aufzuhören mit ihrer<br />
Trägheit. Mit anderen Worten: Fügt eurem Glauben<br />
moralische Energie hinzu! Auf jeden persönlich<br />
bezogen: Reiß dich zusammen! Schleppe<br />
dich nicht träge durch das Christenleben, sondern<br />
gehe aufrecht, wie du es tun solltest, mit Vitalität!<br />
Füge jene Art von Stärke und <strong>Kraft</strong> hinzu!<br />
Lass dich nicht hängen, denn so erweckst du<br />
immer den Eindruck, dass du jeden Augenblick<br />
in Ohnmacht fallen und versagen könntest!<br />
»Seid nicht träge«, sagt der Apostel, »sondern<br />
stattet euren Glauben mit Mannhaftigkeit und<br />
<strong>Kraft</strong> aus – mit Tugend!«<br />
Wie notwendig ist diese Aufforderung auch<br />
für uns heute! Vergleiche einmal den typischen<br />
Durchschnittschristen mit dem typischen<br />
Durchschnittsmenschen aus der Welt. Der Christ<br />
behauptet, an geistlichen Dingen, an dem Reich<br />
Gottes und an der Erkenntnis von Gott und Christus<br />
interessiert zu sein. Er sagt, dass er Glauben<br />
habe; und das ist es, was Glaube bedeutet.<br />
Aber vergleiche ihn einmal mit dem Durchschnittsmenschen,<br />
der sich für verschiedene<br />
Sportarten interessiert und für die Dinge, die<br />
sich in der Sportwelt ereignen. Du siehst den<br />
Unterschied: Der Mensch, der sich für jene Dinge<br />
interessiert, hat nichts Träges an sich. Schau dir<br />
einmal seine Begeisterung und seine Energie an.<br />
Und schaue dir anschließend zum Vergleich den<br />
Christen an: Wie träge ist er, wie unentschieden<br />
benimmt er sich! Der Grund dafür ist, dass diese<br />
Christen es versäumt haben, ihren Glauben zu<br />
beweisen bzw. ihm bestimmte Dinge beizufügen.<br />
Sie sagen, dass sie Christen seien, und dass<br />
sie der Wahrheit glauben; aber sie versagen darin,<br />
ihren Glauben entsprechend auszustatten.<br />
Tugend und Erkenntnis<br />
»Reicht in eurem Glauben die Tugend dar, in der Tugend<br />
aber die Erkenntnis.« Damit ist nicht einfach die Erkenntnis<br />
der Lehre gemeint. Wir haben diese bereits<br />
in gewissem Maße, sonst hätten wir keinen<br />
Glauben. Damit ist vielmehr eine gewisse Einsicht<br />
gemeint, ein Erfassen, eine Erleuchtung. In<br />
dem Augenblick, da wir an Jesus glauben, wissen<br />
wir noch nicht alles; wir begreifen dann noch<br />
nicht im vollen Maß, es ist nur der Anfang <strong>des</strong><br />
Glaubenslebens. Es stehen <strong>des</strong>halb in den neutestamentlichen<br />
Briefen fortwährend Aufrufe<br />
10 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
und Ermahnungen. So sagt Paulus: »Und um das<br />
bete ich, dass eure Liebe noch mehr und mehr überströme<br />
in Erkenntnis« (Phil. 1,9). Das ist es, was auch der<br />
Apostel Petrus hier sagen will. Er betont, dass sie<br />
nicht beim Beginn <strong>des</strong> Glaubens stehenbleiben<br />
dürfen.<br />
Sie sind bereits Christen, aber sie müssen das<br />
Christenleben recht erfassen. Sie müssen die<br />
heimtückischen Gefahren, von denen sie umgeben<br />
sind, zu erkennen beginnen. Sie müssen<br />
etwas von der Spitzfindigkeit Satans verstehen.<br />
Sie müssen begreifen, was jetzt nötig ist: »Fügt<br />
das und das eurem Glauben hinzu!« Lasst uns<br />
nach dieser Einsicht, nach diesem Erfassen, nach<br />
dieser Erleuchtung streben!<br />
Wie wesentlich ist es, dass du dich einem<br />
sorgfältigen Lesen der Bibel und der geistlichen<br />
Bücher sowie auch der Glaubenslehren widmest.<br />
Du wirst den Glauben niemals wirklich erfassen,<br />
wenn du dich um diese Dinge nicht persönlich<br />
kümmerst. Es ist manchmal ein mühsamer Weg,<br />
und es erfordert gewiss alle Disziplin, die du<br />
aufbringen kannst.<br />
Ohne harte Arbeit wird aus einem Studenten<br />
kein Fachmann. Das Gerede über jenen hochbegabten<br />
Menschentyp, der überhaupt nie arbeitet<br />
und doch beim Examen als Bester abschneidet,<br />
ist ein reines Märchen. Das geschieht nie; das ist<br />
eine Lüge. Ohne Erkenntnisse – und du wirst nie<br />
Erkenntnisse besitzen, wenn du nicht fleißig bist<br />
– kann ein Mensch nie wirklich etwas erfassen,<br />
kann er nie wahre Erkenntnis besitzen. Es erfordert<br />
Disziplin und Fleiß. Tatsächlich ist es harte<br />
Arbeit, seinen Glauben mit Erkenntnis auszustatten.<br />
Selbstbeherrschung<br />
Das nächste ist die Selbstbeherrschung. <strong>Die</strong>s bedeutet<br />
aber nicht einfach, dass du im Allgemeinen<br />
deinen Lebenswandel unter Kontrolle hast.<br />
<strong>Die</strong> Selbstbeherrschung bezieht sich vielmehr<br />
auf die Einzelheiten deines Wandels und bedeutet,<br />
dass du jeden einzelnen Zug darin wirst beherrschen<br />
müssen. Es bedeutet bei dir vielleicht,<br />
dass du deine Ess- und Trinkgewohnheiten beherrschen<br />
musst. <strong>Die</strong> Obrigkeit teilt uns fortwährend<br />
mit, dass der Gesundheitszustand vieler<br />
Menschen schlecht ist, weil sie zu viel essen<br />
und Alkohol trinken. Es steht außer Frage, dass<br />
das stimmt.<br />
Es gibt Menschen, die aus dem einfachen<br />
Grund an Müdigkeit und Trägheit leiden, weil<br />
es ihnen an Enthaltsamkeit oder Selbstbeherrschung<br />
fehlt. Sie zügeln weder ihren Appetit<br />
noch ihre Lust, ihre Leidenschaften und Begierden.<br />
Sie essen zu viel, trinken zu viel Alkohol<br />
oder schlafen sogar zu viel. Ein Weg, um hier<br />
zur Einsicht zu kommen, ist, dass man die Biografien<br />
und Tagebücher von Glaubensvorbildern<br />
liest, wie sie ihr Leben unter Kontrolle hatten.<br />
Wie peinlich genau achteten sie auf diese Aspekte,<br />
und wie sehr waren sie sich <strong>des</strong>sen bewusst,<br />
dass sie die Unmäßigkeit meiden müssen – koste<br />
es, was es wolle.<br />
Standhaftes Ausharren,<br />
Gottesfurcht und Liebe<br />
Standhaftes Ausharren bedeutet: geduldig zu<br />
sein, auch dann, wenn dich alles entmutigen will.<br />
Du musst das tun, du selbst! Du musst das deinem<br />
Glauben zufügen. Standhaftes Ausharren<br />
bedeutet nicht einfach, passiv »auf den Herrn zu<br />
schauen«. Du selbst musst standhaft ausharren,<br />
Geduld üben und Tag für Tag ununterbrochen<br />
damit fortfahren.<br />
Dann folgt die Gottesfurcht, womit der Apostel<br />
zweifellos die Ehrfurcht vor Gott und die sorgfältige<br />
Pflege unseres Verhältnisses zu Ihm meint.<br />
Bei den beiden letzten Punkten seiner Aufzählung<br />
richtet sich sein Interesse auf unsere<br />
Haltung zu den Mitmenschen. Mit »Bruderliebe«<br />
ist unsere Beziehung zu unseren Mitchristen<br />
gemeint. Mit »Liebe« meint Petrus die allgemeine<br />
Liebe, die sich über den Bruder hinaus<br />
zu den Menschen erstreckt, die keine Christen<br />
sind. Wir müssen diese Dinge im Einzelnen betrachten.<br />
Nachdem der Apostel diese verschiedenen<br />
Schritte oder Stufen besprochen hat, ermutigt<br />
er uns, all das zu tun, was er uns gesagt hat,<br />
voiceofhope.de | 11
indem er uns erstens an das erinnert, was wir<br />
sind. Er sagt uns, dass wir »göttlicher Natur teilhaftig«<br />
werden (2.Pt. 1,4). Wenn du meinst, dass ich<br />
eine harte Lehre verkündige und das Christenleben<br />
dadurch zu einer schweren Aufgabe werde<br />
– wenn du überhaupt zögerst und voller Zweifel<br />
bist –, dann möchte ich dir einige Fragen stellen.<br />
Bist du dir <strong>des</strong>sen bewusst, was du als Christ<br />
bist? Bist du dir <strong>des</strong>sen bewusst, dass du »göttlicher<br />
Natur teilhaftig« wirst? Bist du dir <strong>des</strong>sen bewusst,<br />
dass der Sohn Gottes den Himmel verließ,<br />
auf die Erde kam und sogar ans Kreuz ging, um<br />
dich zu retten, um dich von der Welt und ihrer<br />
Lust zu retten (1.Joh. 2,15-16)? <strong>Die</strong> Lust ist die Ursache<br />
<strong>des</strong> Verderbens (2.Pt. 1,4). Willst du etwa in<br />
diesem Zustand verbleiben? Willst du ihm nicht<br />
entfliehen?<br />
Seid euch darüber im Klaren, sagt Petrus, dass<br />
Christus gestorben ist, damit ihr aus diesem Zustand<br />
herausgerissen werden könnt und ihr auch<br />
tatsächlich herausgerissen worden seid. Aus eben<br />
diesem Grunde »setzt … allen Eifer daran« (V. 5). Gewiss,<br />
folgert er, habt ihr die Reinigung von euren<br />
früheren Sünden nicht vergessen (2.Pt. 1,9). Gewiss<br />
habt ihr nicht vergessen, dass ihr mit Christus<br />
gestorben und <strong>des</strong>wegen für das Gesetz und<br />
die Sünde tot seid. »Wie sollten wir, die wir der Sünde<br />
gestorben sind, noch in ihr leben?«, formuliert es Paulus<br />
(Röm. 6,2). Wir müssen uns <strong>des</strong>sen bewusst<br />
sein, welch eine außerordentliche Ermutigung<br />
diese Begründung ist, wenn wir uns mit dem<br />
Glaubenskampf konfrontiert sehen.<br />
Aber du darfst dort nicht stehenbleiben. Seid<br />
euch darüber im Klaren, sagt der Apostel, dass<br />
ihr nur dann, wenn ihr die oben beschriebenen<br />
Dinge tut, Freude und Glück in eurem jetzigen<br />
Leben haben werdet. »Darum, Brüder, seid umso<br />
eifriger bestrebt, eure Berufung und Auserwählung fest<br />
zu machen« (V. 10). Du kannst deine Berufung und<br />
Auserwählung festmachen, indem du diese Dinge<br />
tust. Du wirst sonst nie glücklich sein. Es ist<br />
nicht genug zu sagen: »Das Wort Gottes sagt: ›Jeder,<br />
der an Ihn glaubt, … [hat] ewiges Leben‹ (Joh. 3,16),<br />
und da ich glaube, habe ich es also.« Das stimmt,<br />
aber das ist nicht genug.<br />
Es ist richtig, dass wir so folgern sollten; das<br />
ist ein Teil unserer Glaubensgewissheit. Aber<br />
wenn wir meinen, dass die Gewissheit hier aufhöre,<br />
irren wir uns erheblich. Wenn wir unsere<br />
Berufung und Auserwählung festmachen wollen,<br />
müssen wir uns befleißigen, all die Dinge<br />
umzusetzen, die der Apostel aufzählt. Wenn wir<br />
das tun, werden wir in reichem Maße Freude,<br />
Frieden und Glück erfahren. Wir werden wissen,<br />
wo wir im Glauben stehen, und wir werden<br />
schon hier unten die Erstlingsfrüchte der Herrlichkeit,<br />
die uns bevorsteht, ernten.<br />
»Wenn ihr diese Dinge tut, werdet ihr niemals zu Fall<br />
kommen.« Nichts entmutigt mehr als dauern<strong>des</strong><br />
Hinfallen. Wenn wir fallen, fühlen wir uns miserabel<br />
und unglücklich, sodass uns Depressionen<br />
überfallen, die uns mit großer Hoffnungslosigkeit<br />
zurücklassen. Wir sollten also vermeiden, zu<br />
Fall zu kommen. Wenn wir die Anweisungen <strong>des</strong><br />
Petrus befolgen, wird das auch nicht geschehen.<br />
Das bedeutet jedoch keine Passivität! Beachten<br />
wir das!<br />
Zu guter Letzt sagt der Apostel – und wie wunderbar<br />
ist das! –: »... denn auf diese Weise wird euch<br />
der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Retters<br />
Jesus Christus reichlich gewährt werden« (2.Pt.<br />
1,11). Petrus spricht hier nicht über die Errettung,<br />
denn die Briefempfänger sind bereits errettet; er<br />
spricht über den letztendlichen Eingang in die<br />
Herrlichkeit. Beachte das Wort »gewährt«. Denn<br />
auf diese Weise, sagt Petrus, wird euch der Eingang<br />
»gewährt« werden. Das verwendete Wort<br />
ist genau dasselbe wie das, was im 5. Vers mit<br />
»darreichen« bzw. hinzufügen übersetzt wurde.<br />
Du fügst die obigen Dinge deinem Glauben hinzu,<br />
und dafür wird dir dann der Eingang reichlich<br />
gewährt werden. Es ist eine Wechselwirkung.<br />
Mit anderen Worten sagt Petrus: »Wenn ihr<br />
diese Dinge tut, wenn ihr in eurem Leben Disziplin<br />
übt, wenn ihr euer Leben ordnet und euren<br />
Glauben auf diese Weise und mit diesen verschiedenen<br />
anderen Eigenschaften ausstattet, werdet<br />
ihr nie straucheln.« Ihr werdet infolge eurer Gewissheit<br />
große Freude und großes Glück haben,<br />
12 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
und wenn das Ende kommt, werdet ihr dieses Leben<br />
verlassen und in das nächste eingehen, eure<br />
Segel gefüllt mit dem herrlichen Wind <strong>des</strong> Himmels.<br />
Es wird kein Zögern geben, es wird kein<br />
Eingang mit zerrissenen Segeln sein. Statt<strong>des</strong>sen<br />
wird euch der Eingang reichlich gewährt werden.<br />
Du wirst nicht mit Lord Tennyson bitten müssen:<br />
»Und möge es am Strand kein Wehklagen<br />
geben, wenn ich in See steche.« Denn es wird<br />
kein Hinausfahren auf ein unbekanntes Meer<br />
sein, sondern vielmehr das Ende der Lebensstürme<br />
und ein glorreicher Eingang in den Himmel<br />
der ewigen Ruhe und in die Herrlichkeit der<br />
Gegenwart Gottes.<br />
Wenn wir unglückliche und depressive Christen<br />
sind, ist es mehr als wahrscheinlich, dass das<br />
alles einem Mangel an Disziplin zuzuschreiben<br />
ist. Wir wollen dagegen ohne Furcht gegen alle<br />
Trägheit ankämpfen und arbeiten und allen Eifer<br />
daran setzen, dass unser Glaubensleben in<br />
Ordnung kommt. Wir wollen klare Vorstellungen<br />
haben und sie dann in die Tat umsetzen,<br />
indem wir unseren Glauben ausstatten mit dieser<br />
Tugend, mit dieser Erkenntnis, mit dieser<br />
Selbstbeherrschung, mit diesem standhaften<br />
Ausharren, mit dieser Gottesfurcht, Bruderliebe<br />
und Liebe zu allen Menschen. Wir wollen anfangen,<br />
uns unseres Christenlebens zu erfreuen<br />
und nützlich und hilfreich für andere zu sein.<br />
Wir wollen wachsen in der Gnade und in der<br />
Erkenntnis und solch eine Anziehungskraft auf<br />
alle haben, die uns kennen, sodass sie kommen,<br />
sich mit uns in dem überaus kostbaren Glauben<br />
vereinen und die Glückseligkeit dieser wunderbaren<br />
und herrlichen Verheißungen, die gewiss<br />
erfüllt werden, erfahren.<br />
Entnommen aus dem Buch »Geistliche Krisen und Depressionen«, Samenkorn Verlag.<br />
Bücher von Martyn Lloyd-Jones<br />
aus unserem Verlag<br />
Und Gott greift doch ein Biblische Erziehung Was ist biblische Verkündigung?<br />
Vom Handeln Gottes in der Geschichte<br />
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Art.-Nr.: 875.286 Art.-Nr.: 875.213<br />
Erscheint voraussichtlich<br />
Anfang Dezember
John MacArthur<br />
Der verlorene Sohn<br />
<strong>Die</strong> Wahrheit über die Errettung<br />
14 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
<strong>Die</strong> Schriftgelehrten und Pharisäer – die<br />
religiösen Führer in der Erdenzeit Jesu<br />
– erwarteten sicher, dass der Vater <strong>des</strong><br />
verlorenen Sohnes den Hammer über dem missratenen<br />
Jugendlichen hart niederschlagen würde.<br />
Darüber waren sie sich einig: Es konnte keine<br />
unverzügliche Vergebung geben. Der verlorene<br />
Sohn war wahrscheinlich auch überhaupt nicht<br />
der vollständigen Versöhnung mit seinem Vater<br />
würdig. Gewiss musste er seine Medizin in voller<br />
Dosierung einnehmen.<br />
In jener Ehrenkultur, insbesondere in einer<br />
Situation wie dieser, wäre es nicht außergewöhnlich<br />
gewesen, wenn der Vater sich<br />
einfach geweigert hätte, dem Jungen persönlich<br />
zu begegnen. Tatsächlich wäre es ziemlich<br />
charakteristisch gewesen, dass der Vater<br />
– auch wenn er geneigt gewesen wäre, ihm<br />
eine Audienz zu gewähren – den reumütigen<br />
Sohn zuerst damit bestraft hätte, dass er aus seiner<br />
Schande ein öffentliches Spektakel gemacht<br />
hätte. Zum Beispiel hätte er den Sohn für mehrere<br />
Tage außerhalb <strong>des</strong> Tores dem öffentlichen<br />
Anblick aussetzen können, um ihn einiges von<br />
der Unehre spüren zu lassen, die er über seine<br />
eigene Familie gebracht hatte. Der Junge wäre<br />
den Wetterbedingungen völlig ausgesetzt gewesen<br />
– und schlimmer noch, dem Gespött der<br />
ganzen Umgebung. Wenn der Vater sich nach<br />
einigen Tagen solcher Demütigung entschlossen<br />
hätte, ihm eine Audienz zu gewähren, und<br />
wenn er willig gewesen wäre, ein Maß an Erbarmen<br />
anzubieten, dann hätte der Sohn sich<br />
tief verbeugen und die Füße <strong>des</strong> Vaters küssen<br />
müssen. Keine Umarmung. Es wäre nicht einmal<br />
angemessen gewesen, wenn der Sohn stehen<br />
geblieben wäre, während er die Hand seines<br />
Vaters geküsst hätte.<br />
Höchstwahrscheinlich ist dies genau die Art<br />
von Behandlung, die der verlorene Sohn erwartete.<br />
Aber das Gleichnis Jesu nahm unvermittelt<br />
eine andere, dramatische und unvorhergesehene<br />
Wendung. »Als er aber noch fern war, sah ihn sein<br />
Vater und hatte Erbarmen; und er lief, fiel ihm um den<br />
Hals und küsste ihn« (Lk. 15,20).<br />
Offensichtlich hatte der Vater damals täglich<br />
nach seinem Sohn Ausschau gehalten – mit gebrochenem<br />
Herzen, dennoch hoffnungsvoll,<br />
während er insgeheim den unaussprechlichen<br />
Schmerz der leidenden Liebe um seinen Sohn<br />
mit sich herumtrug. Er hatte sicherlich gewusst,<br />
dass die Art <strong>des</strong> Lebens, wegen welcher sich der<br />
Sohn auf den Weg gemacht hatte, schließlich auf<br />
diese Weise enden würde, wie sie es tat. Er hoffte<br />
verzweifelt, der Junge würde überleben und<br />
nach Hause zurückkommen.<br />
<strong>Die</strong> Bildsymbolik, wie der Vater auf den verlorenen<br />
Sohn zuläuft, füllt die Details <strong>des</strong> Gesamtbil<strong>des</strong><br />
noch mehr aus. Im Rahmen jener Kultur<br />
wurde die Handlung <strong>des</strong> Vaters, zu dem Jungen<br />
zu laufen und ihn zu umarmen, noch bevor dieser<br />
überhaupt den ganzen Heimweg zurückgelegt<br />
hatte, als ein schändlicher Verstoß gegen die<br />
guten Sitten angesehen. Zuerst einmal rannte<br />
ein angesehener Mann nicht. Zu rennen war etwas<br />
für kleine Jungen und <strong>Die</strong>ner. Erwachsene<br />
Männer von Rang gingen majestätisch einher, in<br />
langsamer Gangart und bedachtsamen Schritten.<br />
Aber der Vater raffte sein Gewand zusammen<br />
und machte sich auf würdeloseste Weise<br />
auf den Weg.<br />
Als der Vater den missratenen Sohn erreichte,<br />
konnte er seine Zuneigung nicht in Grenzen halten,<br />
und er zögerte nicht, ihm Vergebung zu gewähren.<br />
Sofort umarmte er den verlorenen Sohn.<br />
Jesus sagte, dass der Vater ihm um den Hals fiel<br />
und ihn küsste. Das Verb, das an dieser Stelle im<br />
griechischen Grundtext steht, deutet an, dass er<br />
ihn mehrmals küsste. Er brach über dem Jungen<br />
in einer massiven Umarmung zusammen,<br />
vergrub seinen Kopf im Nacken seines Sohnes –<br />
stinkend und schmutzig und nicht gesellschaftsfähig,<br />
wie er war – und begrüßte ihn mit einer<br />
Offenbarung ungebremster Emotionen.<br />
Der verlorene Sohn war in der Bereitschaft gekommen,<br />
die Füße <strong>des</strong> Vaters zu küssen. Statt<strong>des</strong>sen<br />
küsste der Vater den nach Schweinen<br />
voiceofhope.de | 15
stinkenden Kopf <strong>des</strong> verlorenen Sohnes. Und der<br />
junge Mann kam überhaupt nicht zu dem Teil<br />
seiner einstudierten Rede, in welcher er darum<br />
bitten wollte, einer der Tagelöhner zu werden.<br />
<strong>Die</strong>s mag als ein fast unmerkliches Detail in dem<br />
Gleichnis erscheinen, aber es stellte einen nicht<br />
ganz so subtilen Punkt zu Gunsten der Pharisäer<br />
dar. Sie konnten auf keinen Fall übersehen, dass<br />
der Sohn nichts getan hatte, um seine eigene<br />
Sünde zu sühnen. Dennoch war die Vergebung<br />
<strong>des</strong> Vaters vollständig und überschwänglich,<br />
ohne dass etwas zurückgehalten wurde.<br />
Verlangte nicht der gesunde Menschenverstand,<br />
dass Sünden gesühnt werden müssen? Sagte<br />
nicht Gott Selbst, dass Er keinen Gottlosen gerecht<br />
sprechen wird (2.Mo. 23,7), und dass Er die<br />
Schuld keineswegs ungestraft lassen wird (2.Mo.<br />
34,7)? Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Was ist<br />
mit den Prinzipien <strong>des</strong> göttlichen Rechts?<br />
Es ist wohl wahr, dass Sünde gesühnt werden<br />
muss. Denke keinen Augenblick lang, dass Gott<br />
einfach wegschaut, wenn Er die Sünde vergibt,<br />
und so tut, als sei sie nicht geschehen. Allerdings<br />
kann kein Sünder jemals in vollem Maße seine<br />
eigene Sünde wiedergutmachen, und <strong>des</strong>halb<br />
betont die Bibel so häufig die Notwendigkeit eines<br />
Stellvertreters. Das Alte Testament veranschaulicht<br />
die Notwendigkeit und verheißt, dass<br />
Gott ein zweckmäßiges Opfer bereitstellen wird<br />
(1.Mo. 3,15; 22,7-8; Jes. 53,1-12). Das Neue Testament<br />
berichtet uns von der Erfüllung dieser Verheißung.<br />
Gott wurde in der Person von Jesus Christus<br />
ein Mensch, der ein Stellvertreter für die Gläubigen<br />
geworden ist. Das erklärt Paulus den Christen<br />
in seinen Briefen.<br />
»Der Lohn der Sünde ist der Tod; aber die Gnadengabe<br />
Gottes ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserem<br />
Herrn« (Röm. 6,23).<br />
»… Christus Jesus …, der, als Er in der Gestalt Gottes<br />
war, es nicht wie einen Raub festhielt, Gott gleich<br />
zu sein; sondern Er entäußerte sich Selbst, nahm die<br />
Gestalt eines Knechtes an und wurde wie die Menschen;<br />
und in Seiner äußeren Erscheinung als ein<br />
Mensch erfunden, erniedrigte Er sich Selbst und<br />
wurde gehorsam bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz«<br />
(Phil. 2,5-8).<br />
»Christus hat uns losgekauft von dem Fluch <strong>des</strong> Gesetzes,<br />
indem Er ein Fluch wurde um unsertwillen«<br />
(Gal. 3,13).<br />
»Denn [Gott] hat Den, der von keiner Sünde wusste,<br />
für uns zur Sünde gemacht, damit wir in Ihm [zur]<br />
Gerechtigkeit Gottes würden« (2.Kor. 5,21).<br />
Während es jeder von uns verdient, für seine<br />
Sünde zu sterben und die Ewigkeit getrennt<br />
von Gott zuzubringen – eine Existenz, die Jesus<br />
als unerträglich elend und leidgetränkt<br />
beschrieb (Mt. 13,41-50; Lk. 16,23-24) –, erduldete<br />
der Sohn Gottes für uns Kinder Gottes<br />
die Strafe. Weil Jesus als unser Stellvertreter<br />
die Strafe für die Sünde bezahlte,<br />
kann uns unser himmlischer Vater völlige<br />
Vergebung für die Sünde gewähren, ohne die<br />
Gerechtigkeit zurückzustellen oder Seine eigene<br />
völlig gerechte Natur zu verleugnen.<br />
Entnommen aus dem Buch<br />
»Gnade für dich«.<br />
8,90 €<br />
Bestell-Nr.:<br />
875.260<br />
88 Seiten<br />
Softcover-Bindung<br />
Klappenbroschur<br />
Goldprägung<br />
2-farbige<br />
Innenseiten<br />
16 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
John Flavel<br />
Behüte dein Herz –<br />
Was es bedeutet und beinhaltet<br />
Das Behüten <strong>des</strong> Herzens setzt notwendigerweise<br />
das Werk der Neugeburt voraus,<br />
wodurch das Herz erneuert wird.<br />
Es neigt sich daraufhin den geistlichen Belangen<br />
zu. Solange die Gesinnung <strong>des</strong> Herzens nicht<br />
durch die Gnade erneuert ist, kann es durch kein<br />
anderes Mittel in der richtigen Beziehung zu<br />
Gott stehen. Das nicht erneuerte Herz vertraut<br />
auf sich selbst; das eigene »Ich« beeinflusst alle<br />
Absichten und Handlungen. Und solange es sich<br />
so verhält, ist es unmöglich, das Herz durch äußeres<br />
Eingreifen nahe bei Gott zu halten.<br />
Ursprünglich besaß der Mensch eine beständig<br />
gleichbleibende Geistesgesinnung; er hielt<br />
sich auf einem ebenen und geraden Weg. Nicht<br />
ein einziger Gedanke oder ein Lebensbereich war<br />
fehlgeordnet. Sein Verstand verfügte über die<br />
vollkommene Kenntnis der Anordnungen Gottes,<br />
und sein Wille stimmte mit diesen völlig überein.<br />
Sein ganzes Begehren und seine <strong>Kraft</strong> ordneten<br />
sich ihnen im Gehorsam vollkommen unter.<br />
Aufgrund <strong>des</strong> Sündenfalls wurde der Mensch<br />
ein fehlgeleitetes und rebellisches Wesen, das<br />
sich mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit seinem<br />
Schöpfer, ja seinem eigenen Ursprung widersetzt.<br />
Durch seine Eigenliebe stellt er sich<br />
seinem Schöpfer, dem höchsten Gut, entgegen.<br />
Durch seinen Eigenwillen richtet er sich gegen<br />
seinen Schöpfer, den höchsten Herrn. Und durch<br />
die Selbstsucht wendet er sich gegen seinen<br />
Schöpfer, das letztgültige Ziel.<br />
Daher ist er vollkommen fehlgeleitet, und all<br />
seine Handlungen sind sprunghaft. Aber durch<br />
die Neugeburt – die Geburt von oben – erlangt die<br />
verirrte Seele wieder Klarheit. <strong>Die</strong>se großartige<br />
Veränderung ist – wie die Schrift es nennt – die<br />
Wiederherstellung der Seele nach dem Ebenbild<br />
Gottes. Nun wird der Wunsch nach Unabhängigkeit<br />
durch den Glauben, die Eigenliebe durch<br />
Unterordnung und Gehorsam gegenüber dem<br />
Willen Gottes und die Selbstsucht durch Selbstverleugnung<br />
ersetzt. Der verfinsterte Verstand<br />
wird erleuchtet, der Widerstand wird auf liebliche<br />
Weise bezwungen und das rebellische Verlangen<br />
allmählich überwunden. Auf diese Weise<br />
wird die Seele, die aufgrund der Sünde gänzlich<br />
verdorben war, durch die Gnade erneuert.<br />
Ist diese Voraussetzung gegeben, so können<br />
wir verstehen, was es bedeutet, das Herz zu behüten.<br />
Es beinhaltet nichts anderes, als dass der<br />
erneuerte Mensch seine Seele durch beständige<br />
Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit in diesem heiligen<br />
Zustand bewahrt, zu dem die Gnade ihn erhoben<br />
hat. Denn obgleich die Gnade die Seele in<br />
hohem Maß gebessert und ihr eine himmlische<br />
Gesinnung verliehen hat, so bringt die Sünde sie<br />
tatsächlich oftmals wieder aus der Fassung.<br />
Ein begnadigtes Herz ist wie eine Violine.<br />
Selbst wenn sie richtig gestimmt ist, kann eine<br />
kleine Störung sie wieder verstimmen. Ja, legt<br />
ihr sie nur einmal kurz zur Seite, so muss sie<br />
wieder gestimmt werden, bevor ihr das nächste<br />
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Lied darauf spielen könnt. Treten nun begnadigte<br />
Herzen an eine Pflicht mit der wünschenswerten<br />
Gesinnung heran, so können sie dennoch<br />
eine andere Pflicht träge, gefühllos und schwerfällig<br />
ausüben! »Wenn du nun dein Herz fest ausrichtest<br />
und zu Ihm deine Hände ausstreckst, …« (Hi. 11,13).<br />
Das Herz zu behüten bedeutet ganz einfach, es<br />
sorgfältig vor der Sünde zu bewahren, die es<br />
verwirrt, und es in einem geistlichen Zustand<br />
aufrechtzuerhalten, der es fähig macht, in Gemeinschaft<br />
mit Gott zu leben. Damit gehen sechs<br />
besondere Aufgaben einher:<br />
1. HÄUFIGES BEOBACHTEN DER<br />
GESINNUNG DES HERZENS<br />
Fleischlich gesinnte Menschen, die sich auf äußere<br />
Formen konzentrieren, schenken ihrer inneren<br />
Gesinnung keine Beachtung. Man kann<br />
sie nicht dazu bringen, mit ihrem eigenen Herzen<br />
Zwiesprache zu halten. Manche Leute leben<br />
schon vierzig oder fünfzig Jahre in dieser Welt,<br />
ohne jemals eine Stunde mit ihrem eigenen Herzen<br />
geredet zu haben. Es ist schwierig, einen<br />
Menschen mit sich selbst zu konfrontieren, um<br />
diese Aufgabe zu vollbringen.<br />
Doch Heilige wissen, dass diese Selbstgespräche<br />
sehr heilsam sind. Sogar Heiden sagten:<br />
»<strong>Die</strong> Seele wird weise, wenn man still und ruhig<br />
wird.« Obwohl bankrotte Leute keinen Blick in<br />
ihren Kontostand werfen, so wissen aufrichtige<br />
Herzen sehr wohl, ob sie Fortschritte oder Rückschritte<br />
machen. »Ich sinne in meinem Herzen nach«,<br />
schrieb David (Ps. 77,7). Das Herz kann niemals<br />
behütet werden, solange seine Absichten noch<br />
nicht geprüft und erkannt wurden.<br />
2. TIEFE DEMÜTIGUNG<br />
Das Behüten <strong>des</strong> Herzens beinhaltet eine tiefe<br />
Demütigung über seine Bosheit und Verirrungen.<br />
Wegen <strong>des</strong> Stolzes in seinem Herzen demütigte<br />
Hiskia sich (2.Chr. 32,26). Salomo betete<br />
zum Herrn vor dem Volk: »… wenn irgendeine Plage<br />
… auftritt, was immer dann irgendein Mensch von<br />
Deinem ganzen Volk Israel bittet und fleht, wenn jeder<br />
von ihnen die Plage seines Herzens erkennen wird, und<br />
sie ihre Hände ausbreiten zu diesem Haus hin, so höre<br />
Du es …« (1.Kö. 8,37-39). Das Volk sollte seine Hände<br />
im Gebet zu Gott erheben, wenn es die Plage<br />
seines eigenen Herzens erkannte. Aus diesem<br />
Grund wurde so manches aufrichtige Herz vor<br />
Gott gedemütigt, sodass es seufzte: »Oh, welch<br />
ein Herz habe ich doch!«<br />
Solche Menschen weisen auf ihr Herz hin,<br />
die schmerzende Stelle, und bekennen: »Herr,<br />
hier ist die offene Wunde, hier ist die Plage, der<br />
Schmerz.« Ein gut behütetes Herz verhält sich<br />
wie das Auge: Gelangt ein winziges Staubkorn<br />
hinein, hört es nicht auf zu blinzeln und zu tränen,<br />
bis es dieses herausgeweint hat. So kommt<br />
auch ein aufrichtiges Herz nicht zur Ruhe, bis es<br />
seinen Kummer und seine Klagen vor dem Herrn<br />
ausgeschüttet hat.<br />
3. ERNSTHAFTES FLEHEN UND<br />
UNVERZÜGLICHES GEBET<br />
Das Behüten <strong>des</strong> Herzens besteht auch aus<br />
ernsthaftem Flehen und unverzüglichem Gebet<br />
um reinigende und wiederherstellende Gnade,<br />
wenn die Sünde das Herz beschmutzt und verwirrt<br />
hat. »Verfehlungen – wer erkennt sie? Sprich<br />
mich los von denen, die verborgen sind!« (Ps. 19,13).<br />
»Richte mein Herz auf das eine, dass ich Deinen Namen<br />
fürchte!« (Ps. 86,11).<br />
Für wahre Christen gibt es immer viele solcher<br />
Bitten, die sie vor den Thron der Gnade Gottes<br />
bringen. Um diese Nöte flehen sie Gott am<br />
meisten an. Beim Flehen um rein äußere Gnadenerweise<br />
kann ihr Geist vielleicht nachlässig<br />
werden. Doch wenn es um die Belange <strong>des</strong> Herzens<br />
geht, dann strengen sie ihren Geist bis zum<br />
Äußersten an, sie bringen viele Argumente vor,<br />
weinen und flehen: »Oh, ich muss um ein besseres<br />
Herz bitten! Oh, ein Herz, das Gott mehr<br />
18 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
liebt, das die Sünde mehr hasst, das treuer in der<br />
Gemeinschaft mit Gott wandelt. Herr, verweigere<br />
mir ein solches Herz nicht, auch wenn Du mir<br />
vieles andere vorenthältst. Gib mir ein Herz, das<br />
Dich fürchtet, Dich liebt und seine Freude in Dir<br />
findet, auch wenn ich fern von meinen zerstörten<br />
Wohnungen nach Brot suchen muss« (vgl. Ps<br />
109,10).<br />
Von einem treuen Christen wird Folgen<strong>des</strong><br />
berichtet: Wenn er sich seine Sünde eingestand,<br />
wollte er nicht aufhören, sie zu bekennen, bis<br />
es ihm klar wurde, dass sein Herz wegen dieser<br />
Sünde endlich zerbrochen war. Und wenn er im<br />
Verlangen nach einer geistlichen Gnadenerweisung<br />
ins Gebet ging, hörte er nicht auf zu bitten,<br />
bis er sozusagen einen Geschmack dieser Gnadenerweisung<br />
erlangt hatte.<br />
4. EIN FESTER ENTSCHLUSS<br />
UNSERERSEITS<br />
Das Behüten <strong>des</strong> Herzens beinhaltet den festen<br />
Entschluss unsererseits, gewissenhafter in der<br />
Gemeinschaft mit Gott zu wandeln und alle Gelegenheiten<br />
zu meiden, durch welche unser Herz<br />
zur Sünde verleitet wird. Wohlüberlegte Gelöbnisse<br />
und Vorsätze erweisen sich in mancher<br />
Hinsicht als sehr nützlich, um das Herz gegenüber<br />
einer bestimmten Sünde zu bewahren. »Ich<br />
hatte einen Bund geschlossen mit meinen Augen«, sagt<br />
Hiob (Hi. 31,1). Mithilfe dieser Maßnahme haben<br />
wahre Christen auf ihre Seelen eingewirkt und<br />
sich selbst vor Verunreinigung bewahrt.<br />
5. EIN DAUERNDES UND HEILI-<br />
GES, EIFERSÜCHTIGES WACHEN<br />
Beständig und eifersüchtig über sich selbst zu<br />
wachen, ist ein hervorragen<strong>des</strong> Mittel, das vor<br />
der Sünde schützt. Derjenige, der sein Herz behütet,<br />
muss die Augen seiner Seele gegenüber<br />
allen unmäßigen und turbulenten Gefühlsregungen<br />
wach und offen halten. Sobald die Neigungen<br />
hervorbrechen und die Leidenschaften<br />
erwachen, muss die Seele es bemerken und diese<br />
im Keim ersticken, bevor sie sich weiter erheben.<br />
»O meine Seele, machst du deine Sache gut?<br />
Ihr aber, meine aufgebrachten Gedanken und<br />
Leidenschaften, habt ihr etwa die Autorität erlangt?«<br />
»Wohl dem Menschen, der beständig in der Furcht<br />
[Gottes] bleibt« (Spr. 28,14). Denn diese Furcht <strong>des</strong><br />
Herrn bringt Menschen dazu, vom Bösen zu<br />
weichen, jede Trägheit abzuschütteln und sich<br />
selbst vor dem Unrecht zu bewahren. Derjenige,<br />
der sein Herz behüten möchte, muss mit heiliger<br />
Furcht essen und trinken, sich mit Furcht erfreuen<br />
(Ps. 2,11) und, solange er noch hier verweilt,<br />
jeden Augenblick in Furcht verbringen. All dies<br />
ist das Min<strong>des</strong>te, was wir tun können, um unser<br />
Herz vor der Sünde zu behüten.<br />
6. BEWUSSTSEIN DER<br />
GEGENWART GOTTES<br />
Das Behüten <strong>des</strong> Herzens schließt mit ein, sich<br />
der Gegenwart Gottes bewusst zu sein und allezeit<br />
den Herrn vor Augen zu haben. Viele Menschen<br />
haben erfahren, dass sich dies als eine<br />
mächtige Hilfe erweist, um ihre Herzen in Rechtschaffenheit<br />
zu bewahren und sich vor der Sünde<br />
zu fürchten. Ist das Auge unseres Glaubens<br />
auf das Auge der Allwissenheit Gottes gerichtet,<br />
dann wagen wir es nicht, unsere Gedanken und<br />
Neigungen zu Nichtigem abschweifen zu lassen.<br />
Der rechtschaffene Hiob wollte nicht, dass sich<br />
sein Herz auf unreine, nichtige Gedanken einließ.<br />
Was führte ihn zu einer derart besonderen<br />
Vorsicht? Er erklärt uns: »Sieht Er denn nicht meine<br />
Wege und zählt alle meine Schritte?« (Hi. 31,4).<br />
In solch besonderen Situationen zeigen begnadigte<br />
Seelen, wie sehr sie um ihre Herzen bemüht<br />
sind. Sie wenden viel Sorgfalt an, um zu<br />
verhindern, dass in Zeiten der Versuchung das<br />
verderbte Wesen sich selbst überlassen bleibt.<br />
Sie sind sorgsam bemüht, die Lieblichkeit und<br />
voiceofhope.de | 19
den Trost im Herzen zu erhalten, den sie von<br />
Gott im Ausüben jeder Pflicht erlangen. Darin<br />
besteht nun unsere Aufgabe; und von allen Aufgaben<br />
<strong>des</strong> Glaubens ist dies die schwierigste, beständigste<br />
und wichtigste Arbeit.<br />
Erstens ist es die schwierigste Arbeit. <strong>Die</strong> Arbeit<br />
am Herzen ist wahrhaft überaus mühevoll. Über<br />
Verpflichtungen <strong>des</strong> Glaubens mit einer lässigen<br />
und leichtsinnigen Geisteshaltung hinwegzusehen,<br />
erfordert keine große Anstrengung. Doch<br />
alle eitlen und nichtigen Gedanken, die innerlich<br />
aufsteigen, vor dem Herrn auszubreiten, um<br />
sie Seinem beständigen und ernsthaften Blick zu<br />
überlassen – das wird euch wohl sehr viel kosten.<br />
Es ist einfach, im Gebet sprachgewandt eure<br />
Anliegen in treffende und angemessene Ausdrücke<br />
zu kleiden. Doch wegen der Sünde ein zerbrochenes<br />
Herz zu haben, während ihr sie bekennt;<br />
von der freien Gnade überwältigt zu sein, während<br />
ihr Gott dafür preist; aufrichtig beschämt<br />
und gedemütigt zu sein, weil ihr die unendliche<br />
Heiligkeit Gottes erkennt, und euer Herz in dieser<br />
Gesinnung zu bewahren – sowohl während<br />
wie auch nach der Ausübung der Pflicht –, wird<br />
euch ganz gewiss einige Seufzer und Mühe der<br />
Seele kosten.<br />
<strong>Die</strong> äußeren Ausbrüche der Sünde zurückzudrängen<br />
und die äußeren Bereiche eures Lebens<br />
lobenswert zu gestalten, ist keine große Sache.<br />
Das können sogar fleischlich gesinnte Menschen<br />
aufgrund der Stärke ihrer allgemeinen Prinzipien.<br />
Doch die Wurzel der innewohnenden Verderbtheit<br />
abzutöten, die Herrschaft über eure<br />
Gedanken zu behalten und zu erhalten, das Herz<br />
rein und wohlgeordnet zu bewahren, das ist keine<br />
einfache Sache.<br />
Zweitens ist es eine beständige Arbeit. Das Behüten<br />
<strong>des</strong> Herzens ist eine Arbeit, die niemals vollendet<br />
ist, bis das Leben sein Ende findet. Keine<br />
Zeit und kein Umstand im Leben eines Christen<br />
wird eine Unterbrechung dieser Arbeit zulassen.<br />
Wir müssen immer über unser Herz wachen, so<br />
wie Mose seine Hand immer oben halten musste,<br />
während Israel gegen Amalek kämpfte. Sobald<br />
die Hand von Mose schwer wurde und sank,<br />
hatte Amalek die Oberhand. Das Wachen über<br />
das eigene Herz nur einige Minuten zu unterbrechen,<br />
kostet – wie bei David und Petrus – so<br />
manch traurigen Tag und kummervolle Nacht.<br />
Drittens ist es die wichtigste Arbeit im Leben eines<br />
Christen. Ohne diese Aufgabe beruht unser<br />
Glaube nur auf äußeren Formen. Unser ganzes<br />
Bekenntnis, unsere Gaben und Pflichten sind<br />
dann bedeutungslos. »Gib Mir, Mein Sohn, dein<br />
Herz« (Spr. 23,26), lautet die Forderung Gottes.<br />
Es gefällt Gott, wenn wir etwas als ein Geschenk<br />
erachten, das wir Ihm schuldig sind. Er<br />
legt Seine Herrlichkeit auf die Geschöpfe, um<br />
sie von ihnen als ein Geschenk wieder zu erhalten.<br />
Wird Ihm jedoch die Ehre nicht erwiesen,<br />
dann betrachtet Er auch nichts anderes als ein<br />
Geschenk, was immer wir Ihm geben könnten.<br />
Der Wert <strong>des</strong>sen, was wir vollbringen, ist gerade<br />
so hoch, wie unser Herz daran beteiligt ist. Im<br />
Hinblick auf unser Herz scheint Gott – wie einst<br />
Joseph von Benjamin – zu sagen: »Ihr sollt mein<br />
Angesicht nicht sehen, wenn euer Bruder nicht bei euch<br />
ist!« (1.Mo. 43,3).<br />
Wenn bei den Heiden ein Tier als Opfer geschlachtet<br />
wurde, prüfte der Priester zuallererst<br />
das Herz <strong>des</strong> Tieres. War es krank und wertlos,<br />
dann wurde das Opfer nicht angenommen. Gott<br />
weist alle Pflichterfüllung ab, die Ihm ohne Beteiligung<br />
<strong>des</strong> Herzens erwiesen wird (wie ruhmreich<br />
sie in manch anderer Hinsicht auch sein<br />
mag). Der Mensch, der eine Pflicht herzlos – oder<br />
achtlos – erfüllt, wird von Gott nicht mehr angenommen<br />
als jene Person, die sie mit geteiltem<br />
Herzen – nämlich heuchlerisch – erfüllt.<br />
Entnommen aus dem Buch »Behüte dein Herz«, 3L Verlag.<br />
20 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
Mission – Ukraine<br />
Eine Reise in die<br />
KRIEGSGEBIETE<br />
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Bis unters Dach beladen machen wir uns<br />
mit zwei Transportern von Deutschland<br />
aus auf den Weg Richtung Osten. Unser<br />
Reiseziel: die Ukraine. Vorher gibt es noch einen<br />
Zwischenstopp in Rumänien, wo wir zwei weitere<br />
voll beladene Transporter mitnehmen. Es ist<br />
eine Reise auf eigene Gefahr, in dem Bewusstsein,<br />
dass wir vielleicht nicht mehr zurückkommen<br />
werden.<br />
RUSSLAND-UKRAINE-KRIEG<br />
Schon seit mehr als 19 Monaten herrscht Krieg<br />
in der Ukraine. Tausende Menschen haben in<br />
dieser Zeit mit wenigen Habseligkeiten ihre Heimat<br />
verlassen, um dem Tod und der Zerstörung<br />
zu entfliehen. <strong>Die</strong>jenigen, die im Kriegsgebiet<br />
wohnen und trotz <strong>des</strong> Krieges geblieben sind, leben<br />
in großer Gefahr und haben zudem täglich<br />
das Ausmaß der Zerstörung vor Augen. Ruinen,<br />
kaputte Straßen, klaffende Krater von Einschlägen,<br />
zerstörte Brücken.<br />
Viele Städte und Dörfer sind nahezu menschenleer;<br />
die Häuser sind zum Teil völlig zerstört<br />
oder einsturzgefährdet und damit nicht<br />
mehr bewohnbar. Zahlreiche Menschen mussten<br />
ihre Häuser verlassen und leben nun in Bunkern<br />
oder in Erdlöchern, die den Menschen vor<br />
dem Krieg als Keller dienten.<br />
Sie sind auf die Wasser- und Nahrungsversorgung<br />
durch andere angewiesen. Ihre Habseligkeiten<br />
beschränken sich auf das Nötigste.<br />
Auch mit Luftangriffen müssen sie immer wieder<br />
rechnen. Ihr Leben ist von Angst, Sorge und<br />
Armut erfüllt.<br />
Viele fragen sich: Wo ist Gott? Warum greift Er<br />
nicht ein? Warum lässt Er so viel Not und Zerstörung<br />
zu?<br />
Nun, Gott ist da. Er schaut nicht etwa nur zu<br />
– als ob Er untätig oder gar machtlos wäre. Er ist<br />
ein souveräner Gott, der zu jeder Zeit aktiv handelt.<br />
Vielleicht erkennen wir Sein Handeln nicht,<br />
doch eines ist klar: Gott handelt niemals ungerecht.<br />
Und Er wird verherrlicht werden, sei es<br />
durch Segen und Rettung, sei es durch Gericht!<br />
Betest du dafür, dass Gott Seinen Namen in<br />
der Ukraine groß macht? Z. B. indem Er Seine<br />
Gemeinde dort im Glauben stärkt und ihr und<br />
durch sie Seine Güte erweist? Vor allem, dass die<br />
Menschen in der Ukraine erkennen, dass es<br />
einen lebendigen Gott gibt, der sagt:<br />
22 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
»Ich habe kein Gefallen am Tod <strong>des</strong> Gottlosen, sondern<br />
daran, dass der Gottlose umkehre von seinem Weg und<br />
lebe!« (Hesekiel 33,11).<br />
HILFE IN DER NOT<br />
Inmitten dieser schweren und trostlosen Lage<br />
dürfen die Menschen dort die Liebe unseres<br />
Herrn erfahren. Einige Gemeinden in der Ukraine<br />
haben diese Situation als offene Tür und Auftrag<br />
vom Herrn erkannt und es sich zur Aufgabe<br />
gemacht, die Leute im Kriegsgebiet zu unterstützen.<br />
Hauptsächlich junge Geschwister dieser Gemeinden<br />
packen tatkräftig zu, um die vom Krieg<br />
Betroffenen mit unterschiedlichsten Hilfsgütern<br />
zu versorgen – und ihnen das Wertvollste und<br />
einzige wirklich Hoffnung-Spendende zu geben,<br />
was es gibt: das Evangelium.<br />
<strong>Die</strong> Mittel dafür erhalten sie aus vielen Quellen:<br />
Einzelne Christen, aber auch Gemeinden<br />
und christliche Organisationen beteiligen sich<br />
an dieser Arbeit. Sie spenden Wasser, Decken,<br />
Kissen, Matratzen, Kochgeschirr, Rollstühle,<br />
Medikamente, Wundversorgungsmaterial<br />
und Weiteres zur medizinischen Versorgung,<br />
Kleidung, Nudeln, Reis, Fertiggerichte, Snacks,<br />
Schokolade, Süßigkeiten und vieles mehr.<br />
<strong>Die</strong>se Hilfsgüter werden an vielen<br />
Orten und in mehreren Ländern<br />
gesammelt und von Brüdern<br />
mit Transportern in die Ukraine<br />
gebracht, um den Bedürftigen<br />
dort zu helfen.<br />
Anfang März 2022 haben wir uns die Frage gestellt,<br />
wie wir den Ukrainern in dieser so unsicheren<br />
und lebensbedrohlichen Zeit das Evangelium<br />
bringen können, das die <strong>Kraft</strong> hat, Menschen<br />
vor dem zu erretten, das schlimmer ist als der<br />
grausamste Krieg – vor der ewigen Verdammnis<br />
und Gottesferne. Der Herr gab uns in Seiner<br />
Gnade die Möglichkeit, über 70.000 evangelistische<br />
Broschüren und mehr als 10.000 Bibeln<br />
unter den Kriegsflüchtlingen in Deutschland zu<br />
verbreiten und in die Ukraine zu bringen. Wir<br />
dürfen unsere Glaubensgeschwister unterstützen,<br />
die sich der Verkündigung <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />
vor Ort verpflichtet haben.<br />
Wir danken dem Herrn, dass Er alles so wunderbar<br />
gefügt und uns dies ermöglicht hat!<br />
WAS MENSCHEN<br />
WIRKLICH BRAUCHEN<br />
<strong>Die</strong> Menschen in der Ukraine denken und sprechen<br />
heute ganz anders über das Leben und den<br />
Tod, als sie es vor dem Krieg getan haben. <strong>Die</strong><br />
meisten sind sich der Vergänglichkeit <strong>des</strong> Lebens<br />
bewusster als je zuvor. Viele stellen sich die Frage<br />
nach dem Sinn <strong>des</strong> Lebens. Umso wichtiger<br />
ist es, dass sie von der Hoffnung hören, die über<br />
dieses Leben hinausgeht: von Jesus Christus, der<br />
sie von ihren Sünden und der ewigen Verdammnis<br />
erretten kann.<br />
Alle Hilfsgüter können nur ihre leiblichen Bedürfnisse<br />
erfüllen, aber niemals ihre Seele. Nur<br />
Gott kann die Leere in ihnen ausfüllen. Wenn<br />
sie alles hätten, was sie sich wünschen, wäre es<br />
voiceofhope.de | 23
nichts, solange ihnen das Eine fehlt, worum es<br />
im Leben eigentlich geht. Wenn du Jesus nicht<br />
hast – als deinen Retter, als deine einzige Hoffnung<br />
im Leben und im Sterben, als deinen wertvollsten<br />
Schatz, als deinen Herrn –, dann fehlt<br />
dir das, worum es im Leben geht.<br />
Was bringt es den Menschen, wenn wir ihnen<br />
helfen, ihnen Nahrungsmittel und andere<br />
Hilfsgüter bringen und wenn sie vielleicht sogar<br />
den ganzen Krieg überleben, aber dann weiter in<br />
ihren Sünden leben und sterben?! <strong>Die</strong>ses Leben<br />
ist so kurz! Im Vergleich zur Ewigkeit ist es noch<br />
nicht einmal ein Schatten.<br />
Deshalb wünschen wir uns für dieses Volk<br />
nichts sehnlicher, als dass sie das Evangelium<br />
von Jesus Christus hören. Wir wünschen uns,<br />
dass die Güte <strong>des</strong> Herrn, die es möglich machte,<br />
all diese Hilfe ihnen zukommen zu lassen, ihre<br />
Herzen erweicht und sie zur Buße leitet.<br />
Und tatsächlich ist es so, dass Gemeindehäuser,<br />
die zuvor wie leergefegt waren, weil die<br />
meisten Christen in den Westen geflohen sind,<br />
wieder voll geworden sind, weil nun die Ungläubigen<br />
nach Hoffnung suchen – welch eine Gnade!<br />
Bete für die vielen Menschen, die Gott nicht<br />
kennen und nun das Evangelium hören dürfen!<br />
Bete für die Ausbreitung <strong>des</strong> Reiches Gottes in<br />
der Ukraine!<br />
UNSERE REISE<br />
DURCH DIE UKRAINE<br />
Als wir mit den vier Transportern nach einer<br />
Fahrt von etwa 2000 Kilometern – auf der wir<br />
kaum schlafen konnten – endlich am ersten Zielort<br />
unserer Reise ankamen, wurden wir von unseren<br />
Glaubensgeschwistern sehr freundlich<br />
aufgenommen.<br />
Man lud die vier Transporter aus und füllte<br />
sie neu. Von hier aus fuhren wir mit einheimischen<br />
Geschwistern durch die Ukraine bis in die<br />
Kriegsgebiete hinein.<br />
Während unsere Zeit dort legten wir mehrere<br />
Tausend Kilometer zurück. Unterwegs sahen wir<br />
schreckliche Bilder – Bilder der Zerstörung, der<br />
Grausamkeit und <strong>des</strong> To<strong>des</strong>. Wir sahen Soldaten,<br />
Militärkonvois, zerbombte Häuser, zerstörte<br />
Brücken und Straßen, verbrannte Panzer.<br />
Wenn jedoch ein Gebiet, beispielsweise wegen<br />
gesprengter Brücken, abgeschnitten und gar nicht<br />
mehr erreichbar ist, sind die Ukrainer schnell dabei,<br />
ein Provisorium zu bauen, damit auch die dort<br />
wohnenden Menschen versorgt werden können.<br />
<strong>Die</strong>s ist auch für die Arbeit der Gläubigen dort<br />
sehr nützlich und ein Grund, Gott zu danken.<br />
Unsere wichtigsten Ziele waren Gemeinden bzw.<br />
kleine Gruppen von Christen, um bei ihnen Güter<br />
zwischenzulagern, die in deren Umgebung<br />
benötigt wurden.<br />
24 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
<strong>Die</strong> Gläubigen haben eine Art Suppenküche<br />
im Freien eröffnet. Sie versorgen die Leute mit<br />
einer warmen Mahlzeit, geben ihnen Kleidung,<br />
Pflegeartikel und andere Dinge, die sie benötigen,<br />
verteilen Bibeln und evangelistische Schriften<br />
und nutzen diese Gelegenheiten, ihnen das<br />
Evangelium von Jesus Christus zu verkünden. Sie<br />
laden sie zum Gottesdienst ein und erzählen ihnen<br />
von dem Rettungsplan Gottes. Durch all die<br />
Not und all das Leid, die den Menschen in diesem<br />
Krieg begegnen, sind viele offen dafür, das Evangelium<br />
zu hören. Es lenkt ihren Blick weg von all<br />
der Trostlosigkeit, in der sie leben, hin zu Jesus<br />
Christus, dem Gekreuzigten, und es zeigt ihnen,<br />
dass nur Er wahre Hoffnung schenken kann.<br />
sie völlig erschöpft sind und nicht wissen, wie<br />
sie die Herausforderungen eines neuen Tages<br />
bewältigen können. Doch sie ermutigen sich gegenseitig,<br />
sehen die Not und werden von der Liebe<br />
zu Christus und zu ihrem Volk gedrängt. Betet<br />
für sie, liebe Geschwister!<br />
»Gnadenbeweise <strong>des</strong> HERRN sind’s, dass wir nicht<br />
gänzlich aufgerieben wurden, denn Seine Barmherzigkeit<br />
ist nicht zu Ende; sie ist jeden Morgen neu,<br />
und Deine Treue ist groß! Der HERR ist mein Teil!,<br />
spricht meine Seele; darum will ich auf Ihn hoffen.<br />
Der HERR ist gütig gegen die, welche auf Ihn hoffen,<br />
gegen die Seele, die nach Ihm sucht.«<br />
Klagelieder 3,22-25<br />
BETE FÜR DIE UKRAINE!<br />
Bete insbesondere für die Geschwister, die täglich<br />
in diesen <strong>Die</strong>nst involviert sind.<br />
Sie setzen ihre ganze Zeit für die Menschen<br />
ein, die Hilfe brauchen und das Evangelium<br />
noch nicht kennen. Sie fahren bereitwillig in<br />
Krisengebiete, um denen Hoffnung zu bringen,<br />
die sie schon längst aufgegeben haben. Gott wird<br />
es ihnen vergelten. Dessen sind wir gewiss.<br />
Viele Gegenden sind stark vermint, andere<br />
stehen unter Beschuss.<br />
Einige Geschwister haben in diesem <strong>Die</strong>nst<br />
für den Herrn ihr Leben gelassen, andere wurden<br />
schwer verwundet. Es gibt Zeiten, in denen<br />
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CHARLES H. SPURGEO N<br />
FREIE GNADE –<br />
ein Motiv für freies Geben<br />
26 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
Er Selbst aber,<br />
unser Herr Jesus Christus,<br />
und unser Gott und Vater,<br />
der uns geliebt hat und<br />
uns einen ewigen Trost<br />
und eine gute Hoffnung<br />
gegeben hat durch Gnade,<br />
Er tröste eure Herzen<br />
und stärke euch in<br />
jedem guten Wort<br />
und Werk!<br />
2. Thessalonicher 2,16-17<br />
<strong>Die</strong> Christen aus Thessalonich hatten in all<br />
ihren Verfolgungen und Bedrängnissen<br />
solch großen Glauben erwiesen, dass Paulus<br />
schrieb: »Sodass wir selbst uns im Hinblick auf euch rühmen<br />
in den Gemeinden Gottes wegen eures standhaften Ausharrens<br />
und eurer Glaubenstreue« (2.Thess. 1,4). Als hätten sie nicht<br />
schon von außen her genug Schwierigkeiten, erhoben<br />
sich auch noch in ihrer Mitte gewisse Lehrer, die hitzköpfig<br />
die Meinung vertraten, der Tag <strong>des</strong> Herrn stehe<br />
unmittelbar bevor. Das Kommen <strong>des</strong> Herrn ist die bedeutendste<br />
Hoffnung der wahren Gemeinde, und das<br />
Entstehen verkehrter Meinungen beweist, welch außergewöhnliche<br />
Macht der Irrtum besitzt, die Wahrheit<br />
zu vergiften und zu pervertieren, um damit unseren<br />
herrlichsten Trost völlig zu verdrehen und uns<br />
geistlich verwirren und beschweren zu können.<br />
So scheint es bei den Thessalonichern gewesen<br />
zu sein. Sie waren von geheimnisvollen Gerüchten<br />
durcheinandergebracht worden, die wahrscheinlich<br />
von den Zeloten unterstützt wurden und eine Fehlinterpretation<br />
der Wahrheiten waren, die der Apostel<br />
ihnen selbst in seinem ersten Brief mitgeteilt hatte.<br />
Es scheint, dass sie versucht waren, ihren normalen<br />
Lebensstil und sogar ihre Berufstätigkeit aufzugeben,<br />
weil die Welt angeblich schon so bald untergehen würde.<br />
Da diese Irrtümer unter den Gemeindemitgliedern<br />
Verwirrung auslösten, schrieb Paulus ihnen diesen<br />
zweiten Brief, um sie in der Wahrheit zu gründen und<br />
sie vor dem Bösen zu bewahren. Er selbst erkannte,<br />
wie äußerst wichtig es war, dass diese ehrbare Gemeinde<br />
Frieden habe und ihr kein Trost fehle, sowohl<br />
wegen ihrer harten Verfolgung als auch wegen ihrer<br />
internen Schwierigkeiten.<br />
WIE WICHTIG ES IST,<br />
DASS GLÄUBIGE TROST EMPFANGEN<br />
Wir dürfen nie meinen, es sei egal, ob wir zweifeln<br />
oder glauben, seufzen oder jubeln. Denn es macht sogar<br />
sehr viel aus. Jeder General weiß, dass weder die<br />
Anzahl der Soldaten noch deren Ausbildung Sieg in<br />
der Schlacht garantiert, wenn es ihnen innerlich nicht<br />
gut geht. Tapferkeit ist für Heldenmut von grundlegender<br />
Bedeutung. Das Wort <strong>des</strong> Herrn an Sein Volk<br />
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lautet immer: »Sei stark und mutig!« (Jos. 1,6). Er<br />
will, dass diejenigen, die Sein herrliches Evangelium<br />
kennen, ein gesegnetes Leben führen,<br />
sodass sie Ihm besser dienen können. Sagt nicht<br />
Sein Wort: »Freut euch im Herrn allezeit; abermals<br />
sage ich: Freut euch!« (Phil. 4,4)? Hat Er uns nicht<br />
den Tröster geschenkt, dass Er uns beständig<br />
tröste und ermutige? Gläubige, die mit Frieden<br />
und Freude erfüllt sind, bringen Seinem Namen<br />
viel mehr Ehre als solche, die niedergeschlagen<br />
und mutlos sind. »<strong>Die</strong> Freude am HERRN ist eure<br />
Stärke!« (Neh. 8,10), betonte Esra.<br />
Der Herr möchte, dass wir guten Mutes sind. Das<br />
ergibt sich allein schon daraus, dass die Verse in<br />
2. Thessalonicher 2,16-17 überhaupt niedergeschrieben<br />
wurden. Es ist der Wunsch eines inspirierten<br />
Mannes, mit dem er sich bittend auf den Herrn<br />
bezieht. Paulus schrieb dies unter der Leitung<br />
<strong>des</strong> Heiligen Geistes nieder: »Er Selbst aber, unser<br />
Herr Jesus Christus, und unser Gott und Vater, ... tröste<br />
eure Herzen und stärke euch in jedem guten Wort und<br />
Werk.« Gott will, dass alle Christen den Trost<br />
wertschätzen, so wie er von dem wertgeschätzt<br />
wurde, der die Herde Christi sehr liebte. Das gering<br />
zu achten, was der erfahrene Apostel der<br />
Heiden hochhielt, wäre wirklich überheblich<br />
von uns.<br />
Paulus drückt diesen Wunsch in einer tiefernsten<br />
Form aus, denn er schreibt: »Er Selbst<br />
aber, unser Herr Jesus Christus«. War die besondere<br />
Betonung der Person Christi mit den Worten<br />
»Er Selbst aber« nötig? Paulus legt einfach großen<br />
Wert auf den Wunsch, dass der Herr Jesus<br />
in Seiner eigenen Person und durch Seine eigene<br />
<strong>Kraft</strong> den Thessalonichern Trost geben möge.<br />
Handelt es sich dabei nicht um etwas sehr Gewichtiges,<br />
welches das Herz von Paulus so voller<br />
Ehrfurcht bitten ließ? Und damit nicht genug,<br />
denn er fährt fort: »… und unser Gott und Vater«. Es<br />
ist, als erfordere ihr Bedürfnis nach Ruhe (Kap.<br />
1,7), dass Gott der Vater Selbst das Werk ausführe,<br />
Sein Volk zu trösten. Kein anderer konnte<br />
ihnen den Trost spenden, den sie brauchten, als<br />
Gott allein.<br />
<strong>Die</strong>s ist nicht die einzige Stelle in dem Brief<br />
<strong>des</strong> Apostels, an der dieser Wunsch mit gleicher<br />
<strong>Kraft</strong> ausgedrückt wird: »Er aber, der Herr <strong>des</strong> Friedens,<br />
gebe euch den Frieden allezeit und auf alle Weise!«<br />
(2.Thess. 3,16). Ich weiß nicht, wie man in einen<br />
einzigen Satz einen stärkeren Wunsch hineinpressen<br />
könnte als den, dass sie Frieden erhalten<br />
sollten.<br />
Hier wird der Herr als »Herr <strong>des</strong> Friedens«<br />
bezeichnet, was all Seine göttliche Majestät<br />
und friedensstiftende Macht darstellt. Von<br />
dem Herrn <strong>des</strong> Friedens Selbst wird bittend erwünscht,<br />
Frieden zu geben, und das »allezeit«.<br />
Frieden in der Kühle <strong>des</strong> Abends ist nicht genug;<br />
der Friede wird zu jeder Tageszeit benötigt, an<br />
jedem Tag jeden Jahres und in jeder Lebensperiode,<br />
an jedem Ort und unter allen Umständen.<br />
<strong>Die</strong>sem Wunsch wird mit umfassenden Worten<br />
Ausdruck verliehen: »… gebe euch den Frieden allezeit<br />
und auf alle Weise«. Wenn nicht so, dann anders,<br />
aber auf irgendeine Weise sollt ihr euch<br />
an dem Frieden <strong>des</strong> Herrn erfreuen, den nur Er<br />
Selbst schaffen kann.<br />
Solch ein Segenswunsch wäre nicht in die<br />
Heilige Schrift eingegangen, bestände nicht äußerste<br />
Wichtigkeit darin, uns an diesem Herzensfrieden<br />
zu erfreuen.<br />
Ein kleiner Hinweis von Paulus gibt den Grund<br />
für diese außerordentliche Notwendigkeit. Denn<br />
mit den Worten »tröste eure Herzen« lässt er<br />
uns erkennen, dass dies ein lebenswichtiger Segen<br />
ist, weil er das Herz <strong>des</strong> Christen beeinflusst. Es ist<br />
wunderbar, einen gesunden Leib zu haben; aber<br />
was bedeutet das, verglichen mit einem gesunden<br />
Geist und Herzen?<br />
Unter einer Krankheit <strong>des</strong> Herzens leidet der<br />
ganze Mensch. <strong>Die</strong> ganze Menschheit hängt vom<br />
Zustand ihres Herzens ab; umso notwendiger ist<br />
also der Trost und umso wertvoller die Aufforderung:<br />
»Sei stark, und dein Herz fasse Mut …!« (Ps.<br />
27,14). Es ist ein Unglück, wenn die ursprüngliche<br />
Antriebskraft zu einer Tat schwindet und der<br />
Mut sinkt. »Ein männlicher Mut erträgt sein Leiden,<br />
wer aber kann einen niedergeschlagenen Geist aufrich-<br />
28 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
ten?« (Spr. 18,14). Wenn jemand im Geist bedrückt<br />
ist und den Mut sinken lässt, dringt das Wasser<br />
ein, bis an die Seele (Ps. 69,2). Deshalb sagte unser<br />
Herr zu Seinen Jüngern: »Euer Herz erschrecke<br />
nicht! Glaubt an Gott und glaubt an Mich!« (Joh. 14,1).<br />
Nur der Glaube hält das Herz aufrecht und macht<br />
es dem Menschen möglich, Druck auszuhalten.<br />
Der Kummer eines ungetrösteten Herzens<br />
beeinflusst die Taten <strong>des</strong> Menschen und vermindert<br />
seine ganze Lebenskraft. »Darum ›richtet wieder<br />
auf die schlaff gewordenen Hände und die erlahmten<br />
Knie‹« (Hebr. 12,12), indem ihr den Verzagten<br />
sagt: »Seid stark und mutig! Fürchtet euch nicht und<br />
erschreckt nicht …!« (2.Chr. 32,7). Bitte darum, dass<br />
sich dein Herz in Gott freuen möge; denn dann<br />
können die Unebenheiten <strong>des</strong> Weges und die Unwetter<br />
in den Hintergrund treten.<br />
<strong>Die</strong>se notwendige Herzenszuversicht beugt auch<br />
der Ungeduld sowie anderen Übeln vor. Möglicherweise<br />
war es der Mangel an Trost, der bestimmte<br />
Thessalonicher dazu verführte, zu verkündigen,<br />
das Kommen ihres Herrn stehe schon unmittelbar<br />
bevor. Vielleicht hat ihre Ungeduld diesen<br />
Wunsch geweckt, und sie hatten es <strong>des</strong>halb behauptet.<br />
Wenn Menschen den gegenwärtigen<br />
Trost der einfachen Lehren <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />
verlieren, ist es gut möglich, dass sie anfangen<br />
zu spekulieren und Behauptungen aufzustellen,<br />
besonders bezüglich <strong>des</strong> Kommens <strong>des</strong> Herrn.<br />
Um einer fieberhaften prophetischen Erwartungshaltung<br />
willen, zu der das Wort Gottes keineswegs<br />
ermutigt, haben sie das geduldige Warten<br />
aufgegeben, das unsere Pflicht ist.<br />
Beachte, dass der Apostel ihnen in Kapitel 3<br />
sagt: »Der Herr aber lenke eure Herzen zu der Liebe<br />
Gottes und zum standhaften Ausharren <strong>des</strong> Christus!«<br />
(V. 5). Niemand wartet geduldig, wenn er niedergeschlagen<br />
und bedrückt ist. Wenn alles in Aufruhr<br />
ist, unsere Hoffnung schwächer wird, unsere<br />
Gemeinschaft zerbrochen ist und unser Eifer<br />
auf Sparflamme brennt, dann öffnen wir uns für<br />
alles, was den Kampf scheinbar beendet und uns<br />
befähigt, weitere Anstrengungen zu vermeiden.<br />
Viele rufen aus Trägheit und Mutlosigkeit: »Warum<br />
kommt sein Streitwagen so lange nicht?« (Ri. 5,28).<br />
Du denkst, die Zeit und das Leben zieht sich zu<br />
lange hinaus, denn du bist dort nicht glücklich,<br />
wo dich der Herr hingestellt hat, und wartest<br />
nur darauf, endlich vom Arbeitsfeld in die Ruhekammer<br />
eilen zu können. Aber das geht nicht!<br />
Wir brauchen Trost, damit wir geduldig weiterarbeiten<br />
können, wie lange auch immer das<br />
Leben dauert und sich die Zeit bis zum Kommen<br />
unseres Herrn dahinziehen mag. Wenn wir ungeduldig<br />
werden, stürzen wir uns vielleicht in<br />
fanatische Handlungen, wie damals die Thessalonicher.<br />
Im Glauben, dass der Herr jetzt käme,<br />
verließen sie ihre täglichen Verantwortlichkeiten<br />
und wurden zu von Haus zu Haus ziehenden<br />
Wichtigtuern, die auf Kosten anderer Leute lebten,<br />
welche nicht vorzugeben versuchten, ganz<br />
so geistlich zu sein. Sie hingegen hatten praktisch<br />
ihren Blick zu den Sternen gewandt, indem<br />
sie mit offenem Mund und zum Himmel gerichteten<br />
Augen die Wiederkunft <strong>des</strong> Herrn erwarteten<br />
und dabei große Gefahr liefen, in eine Grube<br />
zu fallen. Paulus gebot ihnen <strong>des</strong>halb, zu arbeiten<br />
und ihr eigenes Brot zu verdienen. Wenn sie<br />
das hingegen unterließen, sollten die anderen<br />
keine Gemeinschaft mehr mit ihnen pflegen<br />
(2.Thess. 3,12.14).<br />
Wenn du den Tag <strong>des</strong> Herrn ungeduldig erwartest,<br />
dann bete ich darum, dass dein Herz getröstet<br />
und beruhigt werde. Geh deiner täglichen<br />
Arbeit nach, als käme Christus noch lange<br />
nicht; denn wenn Er dann kommt, wirst du in<br />
deiner Arbeit stehend, zu der du berufen bist,<br />
<strong>des</strong>to vorbereiteter weggenommen, um Ihm zu<br />
begegnen. Auch dann, wenn ich wüsste, dass<br />
der Herr morgen käme, würde ich heute meinen<br />
gewöhnlichen Pflichten nachgehen und sie<br />
nicht vernachlässigen, indem ich am Fenster<br />
stehe und nach dem Wunder Seiner Wiederkunft<br />
Ausschau halte. Ob der Meister morgen<br />
oder in tausend Jahren kommt – du verhältst<br />
dich immer am besten, wenn du in der Furcht<br />
<strong>des</strong> Herrn und um Seines Namens willen deiner<br />
Berufung folgst.<br />
voiceofhope.de | 29
Das Wissen darum, dass Er vielleicht bald<br />
kommen und uns an der Arbeit finden werde,<br />
sollte uns dazu bringen, diese umso besser<br />
auszurichten; aber wir dürfen unsere Pflicht<br />
nicht unter dem Vorwand Seiner baldigen Erscheinung<br />
vernachlässigen. Sei dir darüber im<br />
Klaren: Wenn dein Herz nicht bei Christus ist,<br />
wirst du nicht gewissenhaft mit deiner Arbeit<br />
fortfahren. Du wirst dieser und jener Neuigkeit<br />
und Idee nachlaufen, wenn deine Seele nicht<br />
in Christus ruht. Darum verstehen wir, warum<br />
Paulus in seinem Wunsch für die Thessalonicher<br />
so besorgt war.<br />
Ich bin sicher, dass dieser Trost zusätzlich äußerst<br />
erstrebenswert ist, denn er bringt Frucht<br />
hervor. <strong>Die</strong>s bedeutet noch mehr als ein zarter<br />
Hinweis <strong>des</strong> Apostels: »Er tröste eure Herzen und<br />
stärke euch in allem guten Wort und Werk.« Wenn<br />
wir nicht glücklich sind im Herrn, dann geben<br />
wir uns nicht von Herzen zu Seinem <strong>Die</strong>nst hin.<br />
Wir werden ungeduldig und benötigen dann die<br />
nachfolgende Ermahnung: »Ihr aber, Brüder, werdet<br />
nicht müde, Gutes zu tun!« (2.Thess. 3,13).<br />
Wenn wir wissen, dass wir zu Jesus gehören,<br />
dass uns alles zum Besten dient (Röm. 8,28) und<br />
dass aufgrund Seines unerschütterlichen Bun<strong>des</strong><br />
die ewige Herrlichkeit unser ist, dann bewegt<br />
uns die Dankbarkeit zu völliger Hingabe,<br />
denn die Liebe <strong>des</strong> Christus drängt uns (2.Kor.<br />
5,14). Zweifel und Ängste halten uns vom Werk<br />
<strong>des</strong> Meisters ab; aber wenn Er uns Ruhe schenkt,<br />
nehmen wir Sein Joch fröhlich auf uns und finden<br />
darin noch mehr Ruhe für unsere Seelen<br />
(Mt. 11,29-30). Wenn unser Herz singt, dann<br />
rühren sich unsere Hände, und wir können gar<br />
nicht genug für unseren Herrn und Erlöser tun.<br />
So stehen wir fest in unserer Arbeit und tun sie<br />
gern, so lange, bis Der kommt, der sagen wird:<br />
»Recht so, du guter und treuer Knecht! ... geh ein zur<br />
Freude deines Herrn!« (Mt. 25,23).<br />
Alles läuft darauf hinaus. Wir, die wir von<br />
Natur aus mutlos sind, dürfen keinen depressiven<br />
Gedanken Raum geben. Wir müssen zu Gott<br />
rufen, dass Er uns durch den göttlichen Tröster<br />
aufhilft, und müssen danach streben, fröhliche<br />
Christen zu sein. Wir haben eine Fülle von Gründen<br />
zum Fröhlichsein, denn Er Selbst, der Vater,<br />
hat uns lieb und hat uns einen ewigen Trost gegeben<br />
in Jesus Christus (Joh. 16,27; 2.Thess. 2,16).<br />
Wir wollen nicht so unklug und undankbar sein,<br />
diese Tröstungen <strong>des</strong> Geistes zu missachten.<br />
Wenn die Quelle so frei am Fließen ist, warum<br />
sollten wir dann durstig sein?<br />
Wenn wir mit bedrückter Miene herumlaufen,<br />
können wir die Schwachen in der Familie<br />
Gottes belasten und den Bazillus der Depression<br />
verbreiten. Wenn es sein muss, dann tragen wir<br />
ein Trauergewand um die Lenden; aber wir wollen<br />
damit nicht jedem vor dem Gesicht herumwedeln,<br />
damit wir dem Volk <strong>des</strong> Herrn keinen<br />
Anstoß geben. Geht nicht klar aus dem Wort hervor,<br />
dass wir Schaden erleiden, wenn wir Sorge<br />
und Verzweiflung zulassen? Wird es nicht deutlich,<br />
dass wir für den <strong>Die</strong>nst unseres Herrn gestärkt,<br />
ausgerüstet und zubereitet werden, wenn<br />
wir stark sind im Herrn und in der <strong>Kraft</strong> Seiner<br />
Stärke? Lasst uns <strong>des</strong>halb mit aller Ernsthaftigkeit<br />
dem Herrn unseren Wunsch zuflüstern,<br />
dass Sein ewiger Trost unseren Geist bereichern<br />
möge, und dass jetzt momentan unsere Herzen<br />
getröstet werden mögen.<br />
DER TROST DES EVANGELIUMS<br />
WIRD FREI GESCHENKT<br />
»Er Selbst aber, unser Herr Jesus Christus, und unser<br />
Gott und Vater, der uns geliebt hat und uns einen ewigen<br />
Trost und eine gute Hoffnung gegeben hat durch Gnade<br />
…« Merkt ihr, dass der Trost, den Gläubige erfahren,<br />
umsonst dargeboten wird? Er wird nämlich<br />
als Geschenk dargestellt. Ein altes Sprichwort drückt<br />
es ganz richtig aus: »Nichts ist freier als ein Geschenk.«<br />
Jeder Segen, den wir vom Herrn bekommen,<br />
kommt als Geschenk. Wir haben nichts verdient;<br />
was könnten wir also geben, um den Segen<br />
zu erwerben? Welches Werk könnten wir jemals<br />
verrichten, das uns ewige Tröstungen aus der<br />
Hand <strong>des</strong> großen Herrn verdienen könnte?<br />
30 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
Trost in Christus ist eine absolut freie Gabe der<br />
souveränen Gnade; denn der Herr hat das Recht<br />
zu handeln, wie Er will – aber sicherlich nicht<br />
um irgendeiner Sache willen, die wir getan hätten<br />
oder jemals tun könnten. Wenn du Trost<br />
oder Überwinderkraft in Gott fin<strong>des</strong>t, dann war<br />
es immer Gott, der dir deine heilige Freude geschenkt<br />
hat. <strong>Die</strong> Freiheit dieser Gabe ist in allen<br />
ihren Bereichen zu erkennen. Der Trost unseres<br />
Herrn ist absolut und allumfassend; aber er ist<br />
ebenso frei, wie er offensichtlich vollkommen<br />
ist. Er umfasst die Vergangenheit mit den herrlichen<br />
Worten: »… der uns geliebt hat«. Für die Gegenwart<br />
bereichert ihn uns die Wahrheit, dass Gott<br />
»uns einen ewigen Trost … gegeben hat«. Und für die<br />
Zukunft wird er mit dem Segen verherrlicht: »…<br />
und eine gute Hoffnung … durch Gnade«. Wir haben<br />
hier einen dreifachen Trost von unbeschreiblichem<br />
Wert.<br />
Er hat uns geliebt. Warum? Kommt, ihr Weisen,<br />
dringt in die uralten Zeiten vor und erklärt mir,<br />
warum Gott Seine Auserwählten liebte. Steht<br />
still und starrt, solange ihr wollt, in den ewigen<br />
Ratschluss; aber die einzige Antwort aus der erhabenen<br />
Herrlichkeit kommt von Jesu Lippen:<br />
»Ja, Vater, denn so ist es wohlgefällig gewesen vor Dir«<br />
(Mt. 11,26). Soll der König der Könige Seine Gunst<br />
nicht gewähren können, wie Er will und wem<br />
Er will? Er liebte uns »vor Grundlegung der Welt«<br />
(Eph. 1,4). Eine so vollkommene Liebe kann ihren<br />
Grund nicht in irgendetwas Menschlichem haben.<br />
Ewige Liebe ist eine Flamme, die sich selbst<br />
entzündet; sie borgt keinen Brennstoff, sondern<br />
lebt aus sich selbst. Er sagt: »Mit ewiger Liebe habe<br />
Ich dich geliebt; darum habe Ich dich zu Mir gezogen aus<br />
lauter Gnade« (Jer. 31,3).<br />
Warum es aber diese ewige Liebe gibt, das<br />
können wir nicht sagen. Durch göttliche Liebe<br />
leuchtet Gottes Herrlichkeit in der geheimnisvollen<br />
Vergangenheit, und ihr Licht ist wie ein<br />
kostbarer Edelstein, ja, wie ein Jaspis, klar wie<br />
Kristall. Früher sahen wir, wenn wir zurückblickten,<br />
das Dunkel unserer Schuld und den tiefen<br />
Abgrund, aus dem wir gekommen waren; jetzt<br />
aber erkennen wir einen hellen Gnadenstrom,<br />
der vom Thron Gottes und <strong>des</strong> Lammes ausgeht,<br />
und wir verfolgen ihn zurück bis zu der ewigen<br />
Bestimmung der Liebe und <strong>des</strong> Gnadenbun<strong>des</strong>.<br />
Blicke, so gut du kannst, in das unauslöschliche<br />
Licht; aber selbst mit dem Auge <strong>des</strong> Glaubens<br />
ist alles, was du in den vergangenen Zeiten<br />
ergründen kannst, die unvergleichliche Größe<br />
<strong>des</strong> Wortes LIEBE. Der Herr liebte uns von Ewigkeit<br />
her. Wie frei ist diese Liebe! Wie viel bleiben<br />
wir Ihm dafür schuldig! <strong>Die</strong> Vergangenheit ist<br />
erhellt von der Liebe – von Liebe, die ganz umsonst<br />
geschenkt ist.<br />
Für die Gegenwart hat Er uns einen ewigen Trost<br />
gegeben. Wir haben ihn jetzt. Wir haben die Vergebung<br />
unserer Sünde; uns wird die vollkommene<br />
Gerechtigkeit Christi angerechnet; wir haben<br />
Leben in Christus, eine Verbindung mit Christus<br />
– wir sind die Braut Christi. Wir werden mit<br />
Christus der Herrlichkeit teilhaftig sein; aber<br />
selbst schon jetzt haben wir eine Anzahlung davon<br />
im Geist, der in uns wohnt und ewig bei uns<br />
sein wird.<br />
All dies ist mit Sicherheit ein Geschenk. Wie<br />
könnte es anders sein?! Wenn du dies erkennst,<br />
dann lobe den Geber! All das wäre nie unser gewesen,<br />
wenn nicht freie Gnade und sterbende<br />
Liebe es uns gebracht hätten.<br />
Zur Zukunft: Was ist damit? <strong>Die</strong> Wolken ziehen<br />
dunkel herauf, in der Ferne donnert schon<br />
das Gewitter, und wir zittern in der Furcht, am<br />
Ende unseres Lebens, wenn unsere körperlichen<br />
Kräfte nachlassen, vom To<strong>des</strong>sturm eingeholt<br />
zu werden. Aber für all das gilt: Wir haben eine<br />
feste Zuversicht und Hoffnung durch Gnade. <strong>Die</strong><br />
Schrift versichert uns, dass der große Hirte im<br />
Tal der To<strong>des</strong>schatten bei uns sein wird (Ps. 23,4),<br />
dass nach dem Tod die Auferstehung kommt,<br />
und dass wir mit unseren verwandelten Leibern<br />
den König in Seiner Schönheit sehen werden,<br />
wenn Er wiederkommen und auf der Erde stehen<br />
wird. <strong>Die</strong>se Hoffnung ist so großartig, dass<br />
sie die ganze Zukunft mit Musik erfüllt.<br />
voiceofhope.de | 31
Auch dies ist Gnade. Keine Spur von rechtmäßigem<br />
Anspruch findet man darin; sie wird<br />
nicht auf dem Wege der Belohnung erlangt, sondern<br />
als göttliche Gunst geschenkt. Freie Gnade<br />
regiert durch die ganze Vergangenheit hindurch,<br />
in der Gegenwart und in die Zukunft hinein.<br />
Um jedem Missverständnis vorzubeugen, bezeichnet<br />
der Apostel Ihn Selbst aber, unseren Herrn<br />
Jesus Christus, als Denjenigen, von <strong>des</strong>sen Hand<br />
diese Tröstungen so frei geschenkt werden.<br />
Welch herrlicher Gedanke, dass Jesus Christus<br />
mich trösten soll! Wenn der Herr sich daran<br />
macht, Seine Brüder zu trösten, dann – <strong>des</strong>sen<br />
bin ich mir sicher – wird Er es auf göttliche Weise<br />
tun.<br />
Er wird darin nicht versagen oder entmutigt<br />
werden. Er wird das zerbrochene Herz heilen,<br />
wenn es verletzt ist. Damit wir nicht fallen, hält<br />
Er Seine ewigen Arme um uns, und damit wir<br />
nicht verwundet werden, breitet Er den Schatten<br />
Seiner Flügel über uns. Er schenkt uns Sein<br />
ganzes Wesen in aller Größe und Seine Menschlichkeit<br />
in all ihrer Zärtlichkeit. Er bemüht sich<br />
um uns und wird uns nicht ohne Trost belassen.<br />
Er kommt zu uns als der Mitfühlende in allem<br />
Kummer und als mächtiger Helfer in allen<br />
Schwierigkeiten.<br />
Welch eine Gnade wird uns zuteil! Ist Er nicht<br />
voller Gnade und Wahrheit? »Denn Gott hat Seinen<br />
Sohn nicht in die Welt gesandt, damit Er die Welt<br />
richte, sondern damit die Welt durch Ihn gerettet werde«<br />
(Joh. 3,17). Ein Tag <strong>des</strong> Gerichts wird kommen;<br />
aber jetzt sitzt der Sohn Gottes noch auf dem<br />
Gnadenthron, und Sein Zepter ist das der Liebe.<br />
Wir wissen, dass die Tröstungen <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />
gnädig geschenkt werden müssen, weil sie<br />
uns von Jesus Christus Selbst gebracht werden.<br />
Dann fügt der Apostel feierlich hinzu: »Und<br />
unser Gott und Vater.« Es scheint etwas besonders<br />
Liebliches darin zu liegen. Nicht »Gott, der Vater«,<br />
sondern »unser Gott und Vater«. Wir lieben<br />
Gott den Vater, aber als »unser Gott und Vater«<br />
kommt Er uns noch näher und macht unser Herz<br />
glücklich. Nun, ein Vater zahlt seinen Kindern<br />
keine Gehälter; die Gaben seines Vaterherzens<br />
werden ihnen geschenkt. So sehen wir, dass die<br />
ewigen Tröstungen <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> freiwillige<br />
Geschenke unseres großen Vaters sind, der denen,<br />
die Ihn bitten, gern gute Gaben gibt.<br />
Kannst du nicht gerade in diesem Moment<br />
aufblicken und rufen: »Unser Vater!«? Welche<br />
Herrlichkeit, das Zeugnis <strong>des</strong> Geistes in deiner<br />
Seele zu haben und zu rufen: »Abba, Vater!«<br />
Der Geist der Sohnschaft ist niemals ein Geist<br />
der Knechtschaft oder Gesetzlichkeit. Er prahlt<br />
nie mit menschlichen Verdiensten; vielmehr ist<br />
sein einziges Lied »freie Gnade und sterbende<br />
Liebe«. Möge die freie Gunst unseres Vaters dein<br />
Herz zur Anbetung bringen!<br />
Lies noch einmal 2. Thessalonicher 2,16-17, und<br />
du wirst sehen, wie deutlich sich Paulus hier ausdrückt.<br />
Um uns die Freiheit jener Tröstungen,<br />
die Gottes Volk in Schwierigkeiten erhält, vor<br />
Augen zu malen, schreibt er: »Er Selbst aber, unser<br />
Herr Jesus Christus, und unser Gott und Vater, der uns<br />
geliebt hat …«<br />
Göttliche Liebe ist eine so großartige Wahrheit,<br />
dass man über sie weniger mit der Zunge<br />
sprechen als sie vielmehr in der Stille <strong>des</strong> Herzen<br />
genießen kann. Ich kann durchaus verstehen,<br />
dass Gott mit mir in meinem Elend Mitleid<br />
hat; aber es füllt mich mit heiligem Erstaunen,<br />
wenn ich höre, dass Er mich liebt. Mich liebt!<br />
Was könnte in mir sein, das der Heilige Geist<br />
lieben sollte?! Warum sollte Jesus Christus ein<br />
Herz für dich haben?! Liebt der Töpfer Seinen<br />
eigenen Ton?<br />
Wunder über Wunder: Der Herr liebt uns<br />
arme, von Sünde verschmutzte Niemande mit<br />
solch üblem Charakter und solch verderbter Natur!<br />
Dass Er uns so sehr liebt, dass Er tatsächlich<br />
für uns, die wir an Ihn glauben, gestorben ist,<br />
ist das größte Wunder Seiner Macht. Ja, Seine<br />
Liebe ist die Quelle und der Ursprung aller uns<br />
geschenkten Gnadengaben. Keine Frage, dass<br />
Seine Liebe frei geschenkt wird, denn wahre<br />
Liebe ist nicht käuflich. Liebe geht nicht auf den<br />
Markt, sie weiß nichts von Preisen oder Tausch-<br />
32 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
geschäft. Liebe muss immer unbestechlich und<br />
unbezahlt sein, oder sie ist keine Liebe. Der göttlichen<br />
Liebe einen Preis geben, sie kaufen? Was<br />
wäre an einem solchen Vorhaben nicht schwärzeste<br />
Gotteslästerung?<br />
Achte darauf, dass der Apostel hinzufügt – weil<br />
er befürchtet, dass wir von dieser Lehre der Gnade<br />
abweichen könnten –: Er hat uns einen ewigen<br />
Trost gegeben und »eine gute Hoffnung … durch<br />
Gnade«. Manch einer kann das Wort Gnade nicht<br />
hören; es sei zu »calvinistisch«. Mir ist egal, wie<br />
du es nennst; aber es ist das allerbeste Wort in der<br />
Bibel neben dem Namen Gottes, unseres Retters.<br />
Von der Gnade Gottes geht all unsere Hoffnung<br />
aus. Entweder die Gnade muss regieren,<br />
oder der Mensch muss sterben. Alle anderen<br />
Straßen sind aufgebrochen; nur die Gnade überbrückt<br />
den Abgrund zum Menschen und bahnt<br />
dem Austausch zwischen Himmel und Erde den<br />
Weg. <strong>Die</strong> Gnade, und nur die Gnade, regiert unser<br />
geistliches Wohlergehen. Lasst uns Gott dafür<br />
die Ehre geben! Alle guten Werke, die den<br />
christlichen Charakter zieren, sind das Ergebnis<br />
der Gnade Gottes und nicht die Ursache dafür.<br />
Wir empfangen Gnade, damit wir Gott dienen<br />
können – nicht weil wir Gott dienen. Das Ziel<br />
göttlicher Gnade ist, uns heilig zu machen; die<br />
Gnade wartet nicht, bis sie uns heilig vorfindet.<br />
Deshalb sind die Tröstungen, die Gott schenkt,<br />
ewig. Wenn die Gnade auf unseren Verdiensten<br />
aufgebaut wäre, so wäre sie auf Nebel gegründet<br />
oder würde auf einem Schatten ruhen, der durch<br />
einen Traum gestützt wird. Wenn aber Gott uns<br />
aus reiner Gnade liebt, und wenn Jesus Christus<br />
uns aus reiner Liebe Trost schenkt, und wenn<br />
unser ganzes Wohlergehen auf der souveränen<br />
Gnade Gottes in Christus Jesus beruht, gibt es<br />
keinen Grund, dass sie je enden sollte.<br />
Verlass dich nie auf deine erhabenen Gefühle<br />
und deine heiligen Werke oder deinen Glauben,<br />
dass die Sünde in dir tot sei. Wer demütig vor den<br />
Füßen Gottes liegt, sich seiner Sünde bewusst<br />
ist, über sie trauert und sich in allen Dingen auf<br />
die souveräne Gnade und freie Barmherzigkeit<br />
in Christus Jesus stützt, kann sicher sein, gerade<br />
da, wo er sich befindet, denn seine Hoffnung<br />
wird nie versagen.<br />
WOHIN FÜHRT UNS DAS?<br />
Christen sollten von ganzem Herzen an jedem<br />
guten Werk interessiert sein. »Er tröste eure Herzen<br />
und stärke euch in jedem guten Werk und Wort.« Als<br />
Nachfolger Christi will ich zu allem, was anderen<br />
guttun kann, gern meinen Teil beitragen. <strong>Die</strong><br />
Sorgen meiner Mitmenschen gehen mich sehr<br />
wohl etwas an.<br />
Das sollte sich in direkten Taten ebenso wie<br />
in Worten niederschlagen. »In jedem guten Wort<br />
und Werk.« Manche Christen denken, das Wort<br />
sollte alles und das Werk nichts bedeuten; aber<br />
das ist nicht die Lehre der Schrift. Solche Menschen<br />
sprechen viel darüber, was sie tun wollen,<br />
und reden viel darüber, was andere tun sollten,<br />
und noch viel mehr darüber, was andere nicht<br />
tun. Sie machen immer weiter mit Wort, Wort,<br />
Wort, und nichts anderem als Wort. Sie kommen<br />
nie bis zum Werk; aber der Apostel hat Wort und<br />
Werk bewusst nebeneinandergestellt. Direkte<br />
praktische Hilfe sollte geleistet werden, denn<br />
unser Herr liebte nicht nur in Worten, sondern<br />
auch in Tat und Wahrheit.<br />
Das sollte ohne Druck getan werden. Wie Gott uns<br />
aus freien Stücken liebt, so sollten auch wir alles<br />
frei aus einem überfließenden Herzen heraus<br />
tun. Gib, weil du großzügig bist – nicht, weil du<br />
dich dazu verpflichtet fühlst. Wie kann sich ein<br />
liebevolles Herz mehr Freude bereiten als durch<br />
Gutestun? Gib, wie du einem König gibst; denn<br />
wenn wir dazu die Gelegenheit hätten, gäben wir<br />
ihm das Beste, was wir haben. Lass es so in allen<br />
<strong>Die</strong>nsten geschehen, die du Gott erweist. Lass<br />
Ihn dein Bestes, dein Edelstes, deine kostbarsten<br />
Besitztümer bekommen. Ach, dass doch die,<br />
die an die freie Gnade Gottes glauben, im Nachjagen<br />
dem <strong>Die</strong>nen an anderen ganz vorn lägen!<br />
Gib umsonst und frei, weil du umsonst und frei<br />
empfangen hast!<br />
voiceofhope.de | 33
R. C. SPROUL<br />
Miteinander als<br />
Christen leben<br />
(Römer 12,3-11)<br />
Ein Auszug aus dem Römerbrief-Kommentar<br />
34 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
Paulus erklärt nun, was es für die zwischenmenschlichen<br />
Beziehungen unter<br />
Gläubigen bedeutet, ein lebendiges Opfer<br />
zu sein. Denn ich sage kraft der Gnade, die mir gegeben<br />
ist, jedem unter euch … Welch eine wunderbare<br />
Aussage! Paulus hätte die volle Autorität<br />
seines Apostelamtes geltend machen können. Er<br />
sprach mit nichts Geringerem als mit der Autorität<br />
Jesu Christi, <strong>des</strong> Herrn der Gemeinde. Doch<br />
er hätte keinerlei Autorität gehabt, außer durch<br />
die Gabe, die Gott ihm gegeben hatte. Welche<br />
Führungskraft oder Fähigkeit er auch immer besaß<br />
– sie kam nur von daher, dass Gott ihm gnädig<br />
gewesen war.<br />
… dass er nicht höher von sich denke, als sich zu<br />
denken gebührt, sondern dass er auf Bescheidenheit<br />
bedacht sei, wie Gott jedem einzelnen das Maß <strong>des</strong><br />
Glaubens zugeteilt hat (V. 3). Wenn wir die richtige<br />
Sicht auf die Dinge behalten wollen, müssen<br />
wir immer zwei Faktoren im Sinn behalten.<br />
Zuallererst müssen wir uns daran erinnern, wer<br />
Gott ist, und zweitens müssen wir bedenken, wer<br />
wir sind. Wenn wir wirklich wissen, wer Gott ist,<br />
sollte es nicht allzu schwierig sein, herauszufinden,<br />
wer wir sind. Wenn wir wissen, wer Gott ist,<br />
dann wissen wir, dass wir in dieser Welt ohne<br />
die Gnade Gottes keinen nennenswerten Schritt<br />
tun können. Wenn wir wissen, dass wir für jede<br />
Errungenschaft, die wir in dieser Welt genießen,<br />
vollkommen von der Gnade abhängig sind, wie<br />
können wir dann anders als demütig sein? <strong>Die</strong>ser<br />
Vers verbietet Stolz und Arroganz, eine prahlerisch<br />
überhöhte Meinung von uns selbst.<br />
Doch die Tragweite <strong>des</strong> Textes geht noch tiefer.<br />
Was ebenfalls untersagt ist, ist eine zu geringe<br />
Meinung von uns selbst. Wenn wir nur den<br />
ersten Teil <strong>des</strong> Verses lesen, könnten wir denken,<br />
wir seien wertlos und unbedeutend. Doch unsere<br />
Bedeutung kommt von Gott, und alles, was<br />
Gott uns zuweist, ist wertvoll. Du bist vielleicht<br />
nicht so bedeutend, wie du gerne sein möchtest,<br />
aber du bist bedeutend. Ein nüchternes, vernünftiges<br />
Urteil bedeutet, eine vernünftige Bewertung<br />
unserer Gaben, unserer Stärken und<br />
unserer Schwächen vorzunehmen. Uns selbst<br />
nüchtern zu beurteilen, ist sehr schwierig, denn<br />
wir neigen dazu, uns selbst fünf Minuten lang<br />
durch eine rosarote Brille anzusehen, dann die<br />
rosarote Brille abzusetzen und vor Neid bitter zu<br />
werden!<br />
Während meiner mehrjährigen Arbeit in der<br />
Gemeinde habe ich festgestellt, dass es ein Fehler<br />
ist, Menschen zu Leistungen bewegen zu wollen,<br />
die nicht ihren Motivationen und Fähigkeiten<br />
entsprechen. Manchmal erweisen wir Menschen<br />
einen schrecklichen Bärendienst, indem wir versuchen,<br />
sie zu Leistungen in Bereichen zu zwingen,<br />
für die sie einfach nicht begabt sind.<br />
Zum Teil liegt dies an unserer eigenen Tendenz,<br />
mehr von uns selbst zu halten, als wir<br />
sollten. Wenn ich eine gewisse Kompetenz in<br />
einer bestimmten Tätigkeit erlangt habe, dann<br />
möchte ich das zum Maßstab machen. Wir neigen<br />
dazu, unsere eigenen Stärken hervorzuheben,<br />
weil wir glauben, dass sie die wichtigsten<br />
seien, nämlich diejenigen, die wirklich zählen.<br />
Das ist absolut todbringend für den Leib Christi.<br />
Wir müssen verstehen, dass Gott jeder Person<br />
ein gewisses Maß an Glauben zugeteilt hat, und<br />
dass die Menschen unterschiedliche Persönlichkeiten<br />
sind und unterschiedliche Stärken,<br />
unterschiedliche Schwächen und unterschiedliche<br />
Gaben besitzen. Es gibt eine Vielfalt im<br />
Leib Christi, und reifes Christsein beinhaltet,<br />
dies anzuerkennen. Tatsächlich wird uns an anderer<br />
Stelle gesagt, dass wir den anderen über<br />
uns selbst stellen sollten, dass wir in Ehrfurcht<br />
und Bewunderung andere Gaben betrachten<br />
sollen, welche Menschen haben und die wir<br />
nicht haben. Anstatt auf sie eifersüchtig zu sein<br />
oder sie abzulehnen, sollten wir sie ehren und<br />
respektieren.<br />
Paulus verwendet seine Lieblingsanalogie für die<br />
Gemeinde, den Leib Christi: Denn gleichwie wir an<br />
einem Leib viele Glieder besitzen, nicht alle Glieder<br />
aber dieselbe Tätigkeit haben, so sind auch wir, die<br />
vielen, ein Leib in Christus, und als einzelne untereinander<br />
Glieder (V. 4-5). Der menschliche Leib besteht<br />
aus verschiedenen Körperteilen, und jeder<br />
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Teil hat eine sehr wichtige Aufgabe zu erfüllen.<br />
Mein Leib wäre in seiner Gesamtheit beeinträchtigt,<br />
wenn ich mein Augenlicht verlieren würde.<br />
Meine Lebensqualität würde sich erheblich verschlechtern,<br />
wenn ich mein Gehör verlieren würde.<br />
Ich würde mich viel mehr als jetzt durchs Leben<br />
kämpfen müssen, wenn eines meiner Beine<br />
amputiert wäre. Jeder Körperteil arbeitet mit jedem<br />
anderen Teil zum Wohl <strong>des</strong> ganzen Körpers<br />
zusammen. So ist es auch in der Gemeinde. Alle<br />
Mitglieder bilden zusammen einen Leib, und der<br />
Einsatz je<strong>des</strong> einzelnen Mitglieds ist für eine gesunde<br />
Gemeinde unerlässlich.<br />
Wir haben aber verschiedene Gnadengaben gemäß<br />
der uns verliehenen Gnade (V. 6). Gott ist es,<br />
der uns verschieden macht, denn wir unterscheiden<br />
uns je nach der Gnade, die uns geschenkt<br />
wird, und es ist Gott, der uns die Gnade schenkt.<br />
So gibt Er der einen Person die Gnade und die<br />
Gabe, in der Evangelisation wirksam zu sein, die<br />
Er wiederum einer anderen Person nicht gibt. Der<br />
anderen Person wird eine andere Gabe verliehen.<br />
Was mich von anderen Menschen unterscheidet,<br />
ist nicht meine Größe, sondern die Gnade Gottes.<br />
Somit sollten wir uns an all diesen Unterschieden<br />
in den Fähigkeiten, Talenten und Gaben im Leib<br />
Christi erfreuen und sie würdigen.<br />
Wenn wir Weissagung haben, [so sei sie] in Übereinstimmung<br />
mit dem Glauben; wenn wir einen<br />
<strong>Die</strong>nst haben, [so geschehe er] im <strong>Die</strong>nen; wer lehrt,<br />
[diene] in der Lehre; wer ermahnt, [diene] in der Ermahnung;<br />
wer gibt, gebe in Einfalt; wer vorsteht,<br />
tue es mit Eifer; wer Barmherzigkeit übt, mit Freudigkeit!<br />
(V. 6-8). <strong>Die</strong> Weissagung, von der Paulus<br />
spricht, darf nicht mit der Vorhersage zukünftiger<br />
Ereignisse verwechselt werden, sondern ist<br />
vielmehr das, was ein Mensch von Gott zur Unterweisung,<br />
Ermahnung und Tröstung empfangen<br />
hat. <strong>Die</strong>jenigen, die sich als Empfänger dieser<br />
Gabe verstanden, sollten in ihrer Botschaft<br />
immer mit dem objektiven Maßstab <strong>des</strong> ein für<br />
alle Mal überlieferten Glaubens (Jud. 3) übereinstimmen,<br />
und sie sollten gemäß ihrer Konformität<br />
mit diesem Glaubensstandard beurteilt<br />
werden. In keinem Fall sollte ihre Weissagung<br />
der objektiven Offenbarung der Heiligen Schrift<br />
widersprechen.<br />
<strong>Die</strong> Lehre, auf die sich Paulus hier bezieht,<br />
basiert natürlich auf der Heiligen Schrift, und<br />
in diesem Fall besonders auf dem Alten Testament.<br />
Seit der Fertigstellung <strong>des</strong> gesamten Kanons<br />
müssen die wohldefinierten Grenzen <strong>des</strong>sen,<br />
was die Heilige Schrift ausmacht, sorgfältig<br />
beachtet werden. Lehrer dürfen nur das lehren,<br />
was im Alten und Neuen Testament zu finden ist<br />
und damit im Einklang steht. Wie Jakobus sagte:<br />
»Werdet nicht in großer Zahl Lehrer, meine Brüder, da<br />
ihr wisst, dass wir ein strengeres Urteil empfangen werden!«<br />
(Jak. 3,1). Zu viele üben heute diese Funktion<br />
aus, während sie gleichzeitig gegen die biblische<br />
Rechtgläubigkeit verstoßen und Christus Schande<br />
bringen. <strong>Die</strong>se falschen Lehrer waren niemals<br />
wirklich zum Lehren begabt und reißen somit<br />
die Rolle derer an sich, die lehren sollten.<br />
<strong>Die</strong> Gabe der Ermutigung oder Ermahnung<br />
betrifft in erster Linie eine Lehrtätigkeit, die<br />
auf das Gewissen und die Gefühle abzielt. Sie<br />
ist dazu gedacht, den Zuhörer zu praktischen,<br />
tröstlichen Ergebnissen zu führen. Lehre, die<br />
auf das Leben angewandt wird, bietet einen Anreiz,<br />
rechtschaffen zu leben, und wird zu einer<br />
positiven Ermahnung oder Ermutigung für das<br />
Volk Gottes.<br />
Wenn du eine Gabe hast, dann lautet der Befehl<br />
Gottes an dich: Übe diese Gabe aus! Gott<br />
gibt dir diese Gabe nicht, um sie unter den<br />
Scheffel zu stellen. Wenn du eine Gabe hast,<br />
dann sollst du sie gebrauchen. Doch dieser Befehl<br />
wird nicht nur dir gegeben, sondern er wird<br />
mir in Bezug auf dich gegeben. Ich soll dafür<br />
sorgen, dass dir der Platz und die Freiheit gegeben<br />
wird, deine Gabe einzusetzen. Ich soll alles<br />
in meiner Macht Stehende tun, um dir zu helfen<br />
und dich bei der Ausübung deiner Gabe zu<br />
unterstützen; und du sollst mir helfen, meine<br />
Gabe auszuüben.<br />
Was ist, wenn du nicht weißt, welche Gabe du<br />
hast? Ich würde sagen: Probiere unterschiedliche<br />
Bereiche <strong>des</strong> Gemeindelebens aus. Wenn du<br />
nicht weißt, welches deine Gabe ist, dann bemü-<br />
36 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
he dich darum, dich an der Evangelisation oder<br />
an der Sonntagsschularbeit zu beteiligen. Möglicherweise<br />
musst du erst ein paar Dinge ausprobieren,<br />
bevor du entdeckst, wo deine Begabung<br />
liegt. Und höre auf den Leib Christi. Der Leib<br />
Christi wird anfangen, dir zu vermitteln, wo deine<br />
Begabung liegt und wo du von Gott gebraucht<br />
werden kannst.<br />
Viele Menschen möchten gern die Gabe <strong>des</strong><br />
Lehrens oder die Gabe <strong>des</strong> Evangelisierens oder<br />
die Gabe <strong>des</strong> Predigens haben. Mir haben noch<br />
nicht allzu viele gesagt, dass das, was sie wirklich<br />
gern hätten, die Gabe <strong>des</strong> Gebens sei. Doch<br />
auch das ist eine Gabe. Es gibt einige Leute, die so<br />
außerordentlich großzügig sind. Sie sind großzügig<br />
in Bezug auf ihre Zeit, sie sind großzügig<br />
in Bezug auf ihren <strong>Die</strong>nst. Sie sind so umsichtig<br />
in der Rücksichtnahme auf andere Menschen,<br />
und sie sind sehr gütig bei ihren finanziellen<br />
Zuwendungen. Wenn sie Geld oder Zeit oder<br />
was auch immer verschenken, tun sie das nicht<br />
widerwillig, sondern freudig. Sie erfreuen sich<br />
daran! Was für eine Freude, eine solche Person<br />
zu treffen!<br />
Es ist eine Sache, ein Leiter zu sein, und eine<br />
andere Sache, ein eifriger Leiter zu sein.<br />
Ich mag es nicht, wenn man mir widerwillig<br />
Barmherzigkeit erweist. »Wer Barmherzigkeit übt,<br />
[der tue es] mit Freudigkeit.« Echte Barmherzigkeit<br />
drückt sich in einem Geist der Freude und<br />
Freundlichkeit aus – so, wie Gott uns Barmherzigkeit<br />
schenkt.<br />
RÖMERBRIEF-KOMMENTAR<br />
Das Evangelium Gottes<br />
Der Römerbrief ist einer der bekanntesten Briefe der Bibel<br />
und wahrscheinlich der einflussreichste in der Kirchengeschichte,<br />
da er eine systematische Darstellung vom Evangelium<br />
Gottes durch den Apostel Paulus enthält. Gott gebrauchte<br />
gerade diesen Brief, um viele Menschen zur Buße<br />
und zum Glauben an Jesus Christus zu führen, die Reformation<br />
auszulösen und große Erweckungen zu bewirken. Das<br />
Leben zahlreicher Christen und Gemeinden wurde durch<br />
den Römerbrief verändert – bis zum heutigen Tag.<br />
In diesem ausführlichen Kommentar zeigt R.C. Sproul unsere<br />
Sündhaftigkeit und Unfähigkeit, uns selbst zu erretten,<br />
die Gerechtigkeit Gottes und Seine wunderbare Gnade, das<br />
Heil in Christus, unsere Verantwortung, Gottes souveränes<br />
Handeln gegenüber Israel und das geheiligte Leben eines<br />
Christen.<br />
Lass Dich beim Lesen dieses Kommentars erbauen, indem<br />
Du die konsequente Art und Weise beobachtest, in welcher<br />
der Apostel Paulus die Herrlichkeit Jesu hervorhob, während<br />
er zum Gehorsam <strong>des</strong> Glaubens aufrief.<br />
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EIN AUSZUG AUS DEM BUCH<br />
VOM ARZT<br />
ZUM PREDIGER<br />
– D. Martyn Lloyd-Jones –<br />
EINE BIOGRAFIE FÜR JUNG UND ALT,<br />
geschrieben von Christopher Catherwood.<br />
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Ratschläge<br />
für Bedrückte<br />
Eine der großartigen Predigtreihen, die<br />
Martyn hielt, war »Geistliche Krisen und<br />
Depressionen« 1 . Denn oft kamen Leute<br />
nach dem Morgengottesdienst zu ihm in sein<br />
kleines Büro in der Chapel. »Ich fühle mich heute<br />
sehr bedrückt, Herr Doktor«, sagten sie gelegentlich.<br />
Einige fragte er dann: »Wie steht es denn derzeit<br />
mit deiner Beziehung zu Gott? Liest du täglich<br />
deine Bibel und betest du regelmäßig? Wenn<br />
du alles vernachlässigst, kannst du dann wirklich<br />
erwarten, dass du dich glücklich fühlst? Deine<br />
Traurigkeit kommt daher, dass du sündigst.«<br />
In manchen Fällen sagte er: »Weißt du, wir<br />
leben in einem geistlichen Kampf. Der Teufel<br />
will nicht, dass du in deinem Christenleben erfüllt<br />
und glücklich bist; also greift er dich an, damit<br />
du dich schlecht fühlst, um deine geistliche<br />
Wirksamkeit zu beeinträchtigen. Schau dir an,<br />
was die Heilige Schrift darüber sagt, wie man<br />
dem Teufel widersteht, wie Gott dir helfen kann,<br />
die geistliche Waffenrüstung anzulegen, die Er<br />
dir gegeben hat.«<br />
»Das Christenleben ist kein einfaches Leben.<br />
Es ist ein Kampf, genau wie die Bibel es sagt.«<br />
Bei anderen sagte er dagegen: »Eigentlich ist<br />
bei dir geistlich nichts verkehrt. Aber du solltest<br />
einen guten Arzt aufsuchen; denn was du hast,<br />
ist eine Form von psychischer Krankheit. Krankheit<br />
ist das Ergebnis davon, dass die Sünde in<br />
die Welt gekommen ist. Aber du bist jetzt krank,<br />
nicht wegen irgendwelcher Sünden, die du selbst<br />
begangen hast, sondern weil wir in einer gefallenen<br />
Welt leben.«<br />
1 »Geistliche Krisen und Depressionen«, Samenkorn Verlag.<br />
Wieder andere fragte er einfach: »Wann hattest<br />
du das letzte Mal einen schönen Urlaub? Du<br />
bist nicht depressiv. Gönn dir eine Pause, hol etwas<br />
Schlaf nach, und es geht dir bald wieder gut.«<br />
Er stellte den Leuten immer viele Fragen:<br />
»Wie kam es dazu, dass du dich so fühlst? Wie<br />
ist dein Gebetsleben? Hältst du dich an Gottes<br />
Prinzipien für unser Leben? Möchtest du geistlich<br />
wachsen? Hast du Albträume? Hast du zu<br />
hart gearbeitet?«<br />
Wir sind alle verschieden, alle komplex, jeder<br />
hat seine ganz eigenen Bedürfnisse und seine eigene<br />
Persönlichkeit. Das war ihm bewusst, und<br />
genauso auch, dass Gott uns alle unterschiedlich<br />
geschaffen hat.<br />
Wenn du das Buch »Geistliche Krisen und Depressionen«<br />
liest, wirst du sehen, was ich meine.<br />
Es ist ein sehr realitätsnahes und nahrhaftes<br />
Buch.<br />
Manchmal erwecken Menschen den Eindruck,<br />
dass man keine Probleme haben sollte oder dass<br />
man irgendwie nicht sehr geistlich sei, wenn<br />
man welche hat. Martyn ging nicht so mit den<br />
Menschen um. Auch er war manchmal niedergeschlagen<br />
und musste nach den Gründen suchen.<br />
War er müde? Hatte er gesündigt? War er traurig?<br />
Überarbeitet? Krank? Ich bin sicher, dass<br />
sich viele von euch schon einmal für längere Zeit<br />
niedergeschlagen oder traurig gefühlt haben,<br />
mehr als nur einen Nachmittag lang. Als ausgebildeter<br />
Arzt wusste Martyn über diese Dinge<br />
Bescheid. Er verstand die Menschen und ihre<br />
Gefühle; er verurteilte sie nicht, wenn sie traurig<br />
waren. Statt<strong>des</strong>sen half er ihnen herauszufinden,<br />
warum sie sich so fühlten.<br />
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Martyn sagte manchmal zu denjenigen, die<br />
ihn aufsuchten: »Man kann nicht einfach so davon<br />
loskommen. Manchmal ist die Ursache medizinisch<br />
bedingt. Aber manchmal lässt Gott es<br />
zu, dass der Teufel uns angreift, wie bei Hiob,<br />
damit wir geprüft und vorbereitet werden, weil<br />
Gott etwas wirklich Großes mit uns vorhat.«<br />
Martyn erlebte selbst schwierige Zeiten in<br />
seinem Leben. Manchmal dauerte es eine Weile,<br />
bis es ihm wieder besser ging. Eine Person, die<br />
ihm half, war Stuart Catherwood. <strong>Die</strong> Familien<br />
Lloyd-Jones und Catherwood wurden Freunde,<br />
und das Ergebnis war einige Jahre später die<br />
Heirat zwischen Frederick Catherwood und Elizabeth<br />
Lloyd-Jones, meinen Eltern.<br />
<strong>Die</strong> großen Dinge, die Gott für Martyn vorgesehen<br />
hatte, waren: erstens, die Arbeit in der<br />
Westminster Chapel fortzusetzen, und zweitens,<br />
mit Studenten zu arbeiten.<br />
Viele von euch, die dieses Buch lesen, haben<br />
vielleicht ein Studium im Sinn oder haben<br />
Freunde oder Geschwister, die darüber nachdenken,<br />
an eine Uni zu gehen.<br />
Oft bekommen Universitätsabsolventen nach<br />
ihrem Abschluss wichtige Jobs, in denen sie viele<br />
Menschen beeinflussen können: als Ärzte, Anwälte,<br />
Wissenschaftler, Lehrer oder Theologen.<br />
Einige meiner Freunde von der Universität<br />
üben jetzt wichtige Funktionen in der Gemeinde<br />
aus: als Pastoren, Missionare, Schriftsteller, Prediger<br />
und so weiter.<br />
Viele von uns sind zum wahren Glauben an<br />
Jesus Christus gekommen, bevor wir an die<br />
Universität gingen. Für viele von uns war die<br />
Zeit an der Universität eine Zeit besonderer Herausforderungen,<br />
die zu geistlichem Wachstum<br />
führten und in der wir wichtige Dinge lernen<br />
mussten. Wir wurden unweigerlich vor die Frage<br />
gestellt: Glauben wir dem Wort Gottes? Was<br />
glauben wir genau? Leben wir das aus, was wir<br />
glauben? Wie sieht unser Glaubensleben in Alltagssituationen<br />
aus?<br />
Wir werden noch sehen, wie wichtig dies für<br />
Martyns eigene Enkelkinder im Teenageralter<br />
war (wie auch für meinen Bruder, meine<br />
Schwester und für mich). Zuerst war es aber auch<br />
wichtig für Martyns und Bethans ältere Tochter<br />
Elizabeth, die nach dem Krieg drei Jahre lang an<br />
der Universität Oxford studierte.<br />
»Ich möchte englische Literatur studieren«,<br />
entschloss sie sich.<br />
Und Martyn ermutigte sie dazu, das zu tun.<br />
In ihrem Studium wurde Elizabeth von einigen<br />
sehr bekannten Leuten unterrichtet.<br />
Eine Lehrerin ließ sie ein berühmtes mittelalterliches<br />
Gedicht lesen. Elizabeth entgegnete<br />
ihr: »Warum sollte ich das lesen? Es mag berühmt<br />
sein, aber ich finde es abstoßend.«<br />
Natürlich fragte Elizabeth ihren Vater, was sie<br />
tun sollte. Seine Antwort war daraufhin: »Vergiss<br />
nicht, dass du es als Fachliteratur liest. Du bist<br />
dort, um akademisch zu studieren, und selbst<br />
wenn dir nicht alles gefällt, was du lesen musst,<br />
lernst du dadurch nachzudenken und das Gute<br />
zu behalten sowie Schlechtes zu verwerfen.«<br />
Zu den Gottesdiensten, die in der Universitätskirche<br />
stattfanden, gingen Elizabeth und einige<br />
ihrer gläubigen Mitstudenten jedoch nicht, weil<br />
sie dachten, dass die Lieder dort Gott nicht verherrlichten.<br />
»Und die Predigten, die dort gehalten<br />
werden, sind manchmal auch sehr seltsam«,<br />
schrieb Elizabeth. Es waren nicht die christuszentrierten,<br />
auf der Schrift basierenden Predigten,<br />
die Elizabeth von ihrem Vater gewohnt war.<br />
Und sie war ziemlich auf sich allein gestellt,<br />
denn das alles geschah zu einer Zeit, als es noch<br />
sehr teuer war zu telefonieren, und lange bevor<br />
E-Mails erfunden wurden oder man überhaupt<br />
an solches dachte.<br />
So nutzte Martyn die Zeit, wenn er mit den<br />
jungen Leuten arbeitete, ihnen das Wichtigste<br />
mitzugeben: »Wenn du ein Student oder Schüler<br />
bist, dann nur <strong>des</strong>halb, weil Gott dir einen Verstand<br />
gegeben hat. Und du musst ihn auch benutzen!<br />
Es ist ein schlechtes Zeugnis für Nichtchristen,<br />
wenn christliche Schüler ihre Arbeit<br />
nicht richtig machen.« Natürlich kann man nur<br />
die Noten bekommen, zu denen man auch fähig<br />
ist. Elizabeth hatte sich die Worte ihres Vaters<br />
40 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
zu Herzen genommen und erstklassige Noten<br />
erreicht. »Wir müssen unseren Glauben mit unserem<br />
Studium verbinden und dürfen nicht versuchen,<br />
bei<strong>des</strong> voneinander zu trennen«, pflegte<br />
er ihnen zu sagen.<br />
Außerdem besteht der christliche Glaube<br />
nicht nur aus warmen Gefühlen, sondern er ist<br />
auch wahr und vernünftig. (Martyn vernachlässigte<br />
die Gefühle allerdings nicht. Wenn das Predigen,<br />
um seine eigenen Worte zu gebrauchen,<br />
»feurige Logik« war, dann waren dabei auch jede<br />
Menge Gefühle im Spiel, wie wir später noch sehen<br />
werden.)<br />
»Das wahre Christentum besteht aus vielen<br />
großartigen Glaubensüberzeugungen, die alle<br />
perfekt zusammenpassen«, erklärte er. Das<br />
ist es, was Christen als Lehre bezeichnen: die<br />
Zusammenfassung der biblischen Lehre zu einem<br />
einheitlichen Ganzen.<br />
Eines Tages kam einer von Elizabeths Studienkollegen<br />
zum Tee. Dabei sah er die vielen alten<br />
Bücher in Martyns Bücherregalen.<br />
»Das sind die Puritaner«, erklärte ihm Martyn.<br />
Ein anderer Student, James I. Packer 2 , hatte<br />
ebenfalls die Bücher der puritanischen Autoren<br />
entdeckt.<br />
»Viele Leute missverstehen die Puritaner«,<br />
erzählte Martyn ihnen. »Dabei waren sie eine<br />
wundervolle Gruppe von Christen, die im 16.<br />
und 17. Jahrhundert lebten. Viele denken, dass<br />
sie langweilig gewesen seien, eine Gesellschaft<br />
von Spaßverderbern. Ganz und gar nicht! Sie<br />
liebten den Herrn und das Leben. Sie hatten auch<br />
allen Grund dazu: Sie liebten die Dinge, die Gott<br />
ihnen gab, und das brachte sie dazu, sich am Leben<br />
richtig zu erfreuen.«<br />
<strong>Die</strong> jungen Leute waren davon ganz begeistert.<br />
»Lasst uns zusammenkommen und je<strong>des</strong> Jahr<br />
die Puritaner studieren«, schlug Jim – wie James<br />
auch genannt wurde – vor.<br />
2 Sein Buch »Gott erkennen«<br />
solltest du unbedingt einmal lesen.<br />
Und das taten sie auch. Durch das Lesen dieser<br />
Bücher veränderte sich das Leben dieser jungen<br />
Leute. Martyn und Jim und viele andere trafen<br />
sich bis in die 1970er-Jahre einmal im Jahr. Das<br />
Treffen nannten sie »Puritan Conference«.<br />
»Wir dürfen auch nicht vergessen«, erinnerte<br />
Martyn seine Zuhörer, »die Dinge so zu sehen,<br />
wie Gott sie sieht – wie sie in der Heiligen Schrift<br />
beschrieben sind.« Und die Puritaner hatten genau<br />
das auch getan.<br />
Nachdem Elizabeth schon einige Jahre auf der<br />
Universität war, verließ auch Ann das Elternhaus.<br />
<strong>Die</strong> Lloyd-Jones’ waren eine sehr eng verbundene<br />
Familie. Martyn interessierte sich trotz<br />
der Entfernung sehr für alles, was seine Töchter<br />
taten – nichts war ihm zu unbedeutend oder unwichtig,<br />
was sie betraf. Ebenso war es ihm wichtig,<br />
die Gemeinde auch über diesen wichtigen<br />
Teil <strong>des</strong> Lebens zu belehren.<br />
»In der Bibel steht, dass Kinder ihren Eltern<br />
gehorchen sollen«, sagte Martyn. Aber das war<br />
nicht alles ... »Sie sagt auch, dass Väter ihre Kinder<br />
nicht zum Zorn reizen sollen, damit sie nicht<br />
unwillig werden.«<br />
»<strong>Die</strong> Bibel sagt, dass die Ehefrauen sich ihren<br />
Männern unterordnen sollen; aber der<br />
Ehemann muss seine Frau so lieben, wie Christus<br />
die Gemeinde geliebt hat.« Schau mal, was<br />
Christus für die Gemeinde getan hat: Er hat<br />
Sein Leben am Kreuz für sie hingegeben. Das ist<br />
wahre Liebe!<br />
»Das Christentum«, lehrte Martyn auch, »ist<br />
vernünftig. Gottes Gebote an uns sind nicht<br />
willkürlich, gemein oder ungerecht – sie sind<br />
immer vernünftig.« Unsere eigenen Eltern mögen<br />
ab und zu zornig oder unfreundlich werden.<br />
Aber Gott, unser himmlischer Vater, ist niemals<br />
unvernünftig. Er kennt uns! Seine Gebote sind<br />
nicht sinnlos. Er gab Seinen einzigen Sohn Jesus,<br />
um für die Sünden derer zu sterben, die an Ihn<br />
glauben. Das zeigt, wie sehr Gott Seine Gemeinde<br />
liebt.<br />
Weiter betonte Martyn: »Das Christenleben<br />
besteht nicht einfach aus einer Reihe von<br />
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willkürlichen Regeln. Es ist keine Liste voller<br />
›Du sollst nicht‹, mit endlosen Verboten.« Viele<br />
Eltern machen lange Listen von Dingen, die wir<br />
nicht tun dürfen. Aber was passiert, wenn wir<br />
unsere Eltern nicht mehr haben und mit etwas<br />
konfrontiert werden, das nicht »auf der Liste«<br />
steht? Woher wissen wir dann, ob wir es tun dürfen<br />
oder nicht?<br />
»Eltern müssen ihren Kindern biblische Prinzipien<br />
beibringen«, brachte Martyn daher seinen<br />
Zuhörern nahe. »Es ist nicht lediglich eine Frage<br />
von Regeln, sondern eine Frage deiner Beziehung<br />
zu Gott, deines Wunsches, Gott zu gefallen<br />
und zu tun, was Er will.« Regeln gibt es<br />
aus einem bestimmten Grund; sie wurden von<br />
unserem liebenden himmlischen Vater zu unserem<br />
Besten aufgestellt.<br />
Das Einhalten der Regeln ist nicht etwas, das<br />
wir um der Regeln willen tun, sondern weil wir<br />
Gott lieben; denn Er hat uns zuerst durch Jesus<br />
geliebt. Darum geben wir die Regeln nicht auf,<br />
wenn wir das Haus verlassen. Wir halten sie ein,<br />
weil Gott bei uns ist, wohin wir auch gehen.<br />
Als Christen müssen wir lernen, nach Prinzipien<br />
zu leben. Es gibt Dinge, die für uns einfach<br />
schädlich sind. Zum Beispiel gibt es Filme,<br />
die wir uns als Christen niemals ansehen sollten.<br />
Aber es gibt vielleicht auch Filme, die gut und<br />
lehrreich sind.<br />
Natürlich mag es einfacher sein zu sagen:<br />
»Schau keine Filme an«, als zu sagen: »Finde heraus,<br />
welcher Film gut ist und welcher nicht«. Es<br />
kommt jedoch gemäß der Bibel besonders darauf<br />
an, aus welcher Motivation wir etwas tun.<br />
»Alles ist mir erlaubt – aber nicht alles ist nützlich!<br />
Alles ist mir erlaubt – aber ich will mich von nichts beherrschen<br />
lassen!«, schreibt Paulus in 1. Korinther<br />
6,12. Martyn stellte über sich selbst fest, dass es<br />
zur Sünde führen kann, gute Dinge zu tun, wenn<br />
man sie aus falschen Motiven, aus Eigennutz<br />
oder aus einem Gefühl <strong>des</strong> Stolzes auf die eigenen<br />
guten Leistungen heraus tut. Oder, wie man<br />
so scherzhaft sagt: »Bin ich nicht wunderbar,<br />
dass ich so bescheiden bin …?«<br />
Deshalb müssen wir darüber nachdenken und<br />
ernsthaft beten und herausfinden, was Gott<br />
wirklich von uns will. Eines Tages stellte Elizabeth<br />
sich die Frage, ob sie nicht vielleicht Missionarin<br />
werden sollte. Manche Eltern würden vor<br />
Stolz platzen, wenn sie in der Gemeinde sagen<br />
könnten: »Meine Tochter ist Missionarin, wisst<br />
ihr. Deine hingegen arbeitet nur in einem Supermarkt.<br />
Na ja.«<br />
Das ist wohl kaum ein guter Grund, um Missionar<br />
zu werden, oder? Martyn engagierte sich<br />
sehr für die Missionsarbeit, insbesondere für die<br />
China Inland Mission.<br />
Doch andererseits wäre er auch sehr traurig<br />
gewesen, wenn seine ältere Tochter Tausende<br />
von Kilometern weit weg auf die andere Seite der<br />
Erde gegangen wäre, zumal das Reisen in jenen<br />
Tagen, als es noch keine Flugzeuge gab, wahrscheinlich<br />
bedeutet hätte, dass er sie jahrelang<br />
nicht mehr gesehen hätte.<br />
Was für ein Dilemma! Aber er beschloss, Elizabeth<br />
denselben Rat zu geben, den er jedem in<br />
dieser Situation geben würde.<br />
»Will Gott wirklich, dass du gehst?«, fragte<br />
er sie. »Lauf nicht herum und frage endlos viele<br />
Leute, ob du berufen seist. Das könnte dich nur<br />
verwirren. Nimm dir Zeit fürs Gebet und prüfe,<br />
ob deine Berufung wirklich von Gott kommt.«<br />
Einige Christen meinen, dass diejenigen, die<br />
als Missionare ins Ausland gehen, irgendwie<br />
geistlicher seien als solche, die im eigenen Land<br />
missionarisch tätig sind, oder als treue Mütter,<br />
die ihre Kinder in der Gottesfurcht erziehen.<br />
Gott beruft Menschen gleichermaßen zu den<br />
verschiedensten Aufgaben. Christen neigen jedoch<br />
dazu, einige Aufgaben als wichtiger zu betrachten<br />
als andere. Gott tut das nicht.<br />
Letztendlich ging Elizabeth nicht ins Ausland<br />
und wurde statt<strong>des</strong>sen Lehrerin. Sie war<br />
froh, dass sie auf den Rat ihrer Eltern gehört<br />
hatte und auf das, was Gott wollte, und nicht<br />
auf die Meinung derjenigen, welche die eine<br />
Aufgabe als wertvoller für Gott erachteten als<br />
eine andere.<br />
42 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
Martyn war erst zehn Jahre alt, als er den Brand seines Elternhauses hautnah miterlebte. Er und<br />
seine ganze Familie konnten noch rechtzeitig gerettet werden, mussten dann aber mit ansehen,<br />
wie ihr Haus mitsamt dem Geschäft <strong>des</strong> Vaters, also ihre ganze Lebensgrundlage, restlos<br />
niederbrannte. Wo sollten sie nun wohnen? Wie sollten sie sich ernähren? – Alles war zerstört.<br />
Doch Gott sorgte für die Familie und hatte für Martyn eine besondere Lebensaufgabe.<br />
In diesem Buch erzählt sein Enkel Christopher Catherwood von dem erstaunlichen Leben seines<br />
Großvaters Martyn Lloyd-Jones, der im Alter von sechzehn Jahren eine Ausbildung zum Arzt begann.<br />
Er war begabt und erfolgreich und wurde der Assistenzarzt <strong>des</strong> königlichen Leibarztes.<br />
Aber er gab alles auf, um Christus zu predigen. Warum tat er das? Es war Gottes Absicht, durch<br />
Martyns klare Verkündigung der biblischen Wahrheiten Gemeinden zur Bibel zurückzubringen.<br />
Martyn war voller Eifer und brannte für Gott, und er wurde nicht nur als treuer Prediger zum<br />
Vorbild, sondern auch als gottesfürchtiger und vorbildlicher Ehemann, Vater und Großvater.<br />
<strong>Die</strong>ses Buch ist der sechste Band der Buchreihe »Glaubensvorbilder« für Kinder und Jugendliche.<br />
Art.-Nr.: 875.436 | Hardcover mit Softtouch | 12,90 €<br />
www.voh-shop.de | Tel.: +49 2265 99749-22<br />
voiceofhope.de | 43
Rezension zum Buch<br />
HENRIK MOHN<br />
Nicht oft hören wir Geschichten über solche<br />
dramatischen Lebenswendungen –<br />
von einem erfolgreichen Arzt zu einem<br />
eifrigen Prediger. In seinem Buch erzählt Christopher<br />
Catherwood genau solch eine Geschichte.<br />
Es ist die Geschichte seines Großvaters, Martyn<br />
Lloyd-Jones.<br />
WER IST DER AUTOR?<br />
Catherwood, ein ehemaliges Mitglied <strong>des</strong><br />
Churchill College in Cambridge, hat dort Geschichte<br />
<strong>des</strong> 20. Jahrhunderts und Kirchengeschichte<br />
unterrichtet und bringt seine historische<br />
Expertise in die Erzählung ein.<br />
WORUM GEHT ES IN DEM BUCH?<br />
Seine Erzählung beginnt dramatisch mit einem<br />
Feuer, das mitten in der Nacht das Elternhaus<br />
von Martyn zerstört und die Familie ihrer Lebensgrundlage<br />
beraubt. Trotz dieser Tragödie<br />
wird schnell deutlich, dass Gott einen Plan für<br />
Martyn hat. »Gott schenkt Seinen Kindern auch<br />
schwierige Zeiten, um sie zu erziehen, zu heiligen<br />
und im Glauben zu stärken.«<br />
Mit sechzehn Jahren beginnt Martyn eine Ausbildung<br />
zum Arzt und erreicht bald beeindruckende<br />
Höhen in seiner Karriere. Er wird Assistent <strong>des</strong><br />
königlichen Leibarztes. Doch trotz seiner Erfolge<br />
spürt Martyn, dass er eine andere Berufung hat.<br />
Er gibt seine Karriere auf und widmet sein Leben<br />
der Predigt <strong>des</strong> Wortes Gottes. »Aber die eigentliche<br />
Frage ist: Will Gott, dass ich gehe? Wenn ja,<br />
dann wäre es richtig, Ihm zu folgen.«<br />
An diesem Punkt stellt sich die Frage, die viele<br />
Leser wahrscheinlich bewegt: Warum sollte<br />
jemand eine erfolgreiche medizinische Karriere<br />
aufgeben, um Prediger zu werden? Catherwood<br />
gibt auf diese Frage eine Antwort, die<br />
sowohl inspirierend als auch provokativ ist:<br />
Martyns Ziel war es, durch seine Predigten die<br />
Gemeinden zur Bibel zurückzuführen. Er war<br />
voller Eifer für Gottes Wort und wurde nicht<br />
nur als Prediger bekannt, sondern auch als gottesfürchtiger<br />
und vorbildlicher Ehemann, Vater<br />
und Großvater.<br />
WER SOLLTE DAS BUCH LESEN?<br />
Christopher Catherwood hat hiermit ein Buch<br />
geschrieben, das nicht nur für diejenigen von<br />
Interesse ist, die sich für Kirchengeschichte interessieren,<br />
sondern für jeden, der sich von einer<br />
wahren Geschichte inspirieren lassen möchte.<br />
Es geht hier um einen Mann, der die Welt hinter<br />
sich ließ, um dem Drang seines Herzens zu folgen<br />
und Gott zu dienen. Das Buch erzählt nicht<br />
nur die Geschichte eines außergewöhnlichen<br />
Mannes – es ist auch ein Zeugnis dafür, wie Gott<br />
in unserem Leben wirken kann, wenn wir bereit<br />
sind, Ihm zu folgen.<br />
WESHALB SOLLTE<br />
MAN DAS BUCH LESEN?<br />
<strong>Die</strong> Erzählung von Catherwood ist spannend<br />
und inspirierend. Sie skizziert das Leben eines<br />
Mannes, der sich entschied, seinem Herzen und<br />
seiner Berufung zu folgen, anstatt den Erwartungen<br />
der Gesellschaft zu entsprechen. Das<br />
Buch endet mit der unaussprechlichen Freude,<br />
die Martyn in seinem Leben als Prediger gefunden<br />
hat, und mit einem Aufruf für die Leser: Es<br />
lädt uns ein, über das Leben und die Berufung,<br />
die Gott für uns hat, nachzudenken.<br />
44 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>
VOH-KONFERENZ 2024<br />
11.– 12. Oktober<br />
Weitere<br />
Informationen<br />
folgen auf der<br />
Webseite<br />
Joel R. Beeke<br />
Eine Familie mit Gott im Zentrum<br />
THEMEN<br />
Sei ein echter Mann!<br />
Was ist ein geistlicher Ehemann und Vater?<br />
Kostbarer als Juwelen<br />
Was ist eine tugendhafte Ehefrau und Mutter?<br />
Gewinne sie für Jesus<br />
Kinderherzen in der Furcht Gottes erziehen<br />
Wie erziehe ich Kinder zur Verantwortung?<br />
Ein Gespräch mit Mary Beeke<br />
Ein Leben zur Ehre Gottes<br />
Als Single – besonnen, keusch und produktiv<br />
STANDORT<br />
Johannisberg 40<br />
42103 Wuppertal<br />
WEITERE<br />
REFERENTEN<br />
André Töws<br />
Peter Krell<br />
Mary Beeke
NEU<br />
Niko Derksen (Hrsg.)<br />
DIE KRAFT DES EVANGELIUMS<br />
Jubiläumsausgabe<br />
Zum 15-jährigen Jubiläum von Voice of Hope erscheint diese Jubiläumsausgabe<br />
»<strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong>« mit 36 ausgewählten Artikeln von 13 Autoren aus dem<br />
gleichnamigen Quartalsmagazin. Sie sind für viele eine Quelle <strong>des</strong> Trostes, der Ermutigung,<br />
der Belehrung und der Hoffnung geworden.<br />
<strong>Die</strong>ses Buch zeigt die verwandelnde <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> in unserer Errettung, in<br />
unserem Leben als Christen, in unserer Familie und Gemeinde und in unserem <strong>Die</strong>nst<br />
im Reich Gottes.<br />
Nimm es, lies es, erfreue dich an diesen kostbaren Wahrheiten, wende sie an und sei<br />
ein Zeugnis der verändernden <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> in deiner Umgebung!<br />
TEIL 1: ERRETTUNG, RECHTFERTIGUNG,<br />
HEILSGEWISSHEIT<br />
TEIL 2: DAS WORT GOTTES<br />
TEIL 3: GEMEINDE<br />
TEIL 4: LEBEN ALS CHRIST<br />
TEIL 5: FAMILIE, ERZIEHUNG<br />
TEIL 6: BIBLISCHE LEHRE<br />
TEIL 7: LEHREN, PREDIGEN
· IMPRESSUM ·<br />
Bestell-Nr.: 875.309<br />
Preis: 34,90 €<br />
Hardcover<br />
Goldprägung<br />
500 Seiten<br />
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Wenn ich wüsste,<br />
dass der Herr morgen kommt,<br />
würde ich heute meinen<br />
gewöhnlichen Pflichten nachgehen<br />
und sie nicht vernachlässigen.<br />
Ob der Herr morgen oder erst<br />
in tausend Jahren kommt,<br />
du wirst dich immer am besten<br />
verhalten, wenn du deiner Berufung<br />
in der Furcht <strong>des</strong> Herrn und um<br />
Seines Namens willen folgst.<br />
– C.H. Spurgeon