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Die Kraft des Evangeliums 3/2023

Aus dem Inhalt • Wie gehst du mit deinen Sorgen um? • Geistliche Disziplin • Der verlorene Sohn • Behüte dein Herz • Eine Reise in die Kriegsgebiete • Freie Gnade – ein Motiv für freies Geben • Miteinander als Christen leben • Ratschläge für Bedrückte

Aus dem Inhalt

• Wie gehst du mit deinen Sorgen um?
• Geistliche Disziplin
• Der verlorene Sohn
• Behüte dein Herz
• Eine Reise in die Kriegsgebiete
• Freie Gnade – ein Motiv für freies Geben
• Miteinander als Christen leben
• Ratschläge für Bedrückte

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DIE KRAFT DES<br />

EVANGELIUMS<br />

Eine Ausgabe der Reformierten Baptistengemeinde Reichshof • 3/<strong>2023</strong><br />

• Wie gehst du mit deinen Sorgen um?<br />

• Geistliche Disziplin<br />

• Der verlorene Sohn<br />

• Behüte dein Herz<br />

• Eine Reise in die Kriegsgebiete<br />

• Freie Gnade –<br />

ein Motiv für freies Geben<br />

• Miteinander als Christen leben<br />

• Ratschläge für Bedrückte


INHALT<br />

4<br />

14<br />

17<br />

21<br />

26<br />

34<br />

38<br />

44<br />

Geistliche Disziplin<br />

D. Martyn Lloyd-Jones<br />

Der verlorene Sohn<br />

John MacArthur<br />

Behüte dein Herz<br />

John Flavel<br />

Eine Reise in die Kriegsgebiete<br />

Ukraine<br />

Freie Gnade – ein Motiv<br />

für freies Geben<br />

C.H. Spurgeon<br />

Miteinander als Christen leben<br />

R.C. Sproul<br />

Ratschläge für Bedrückte<br />

Christopher Catherwood<br />

Rezension zum Buch:<br />

Vom Arzt zum Prediger<br />

Henrik Mohn


WIE GEHST DU<br />

MIT DEINEN SORGEN UM?<br />

Wenn wir die Entwicklungen unserer<br />

Zeit sehen, sollten wir dann<br />

nicht besorgt sein? Gottlosigkeit<br />

und Unmoral nehmen überhand. Ehe und Familie<br />

werden untergraben. <strong>Die</strong> Gottesfurcht<br />

schwindet auch unter den Christen. Gleichgültigkeit<br />

und Selbstsucht greifen um sich.<br />

Statt sich der Verkündigung <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />

zu widmen, gibt man sich dem Humanismus,<br />

der Politik und allen vergänglichen, irdischen<br />

Dingen hin.<br />

Wenn wir all das beobachten, ergreifen<br />

uns dann nicht mancherlei Sorgen? Sind es<br />

für uns Christen nicht berechtigte Sorgen?<br />

Der Apostel Paulus schrieb, dass er neben<br />

den ständigen äußeren Bedrängnissen wie<br />

Verfolgung, Not und Gefangenschaft auch<br />

täglich innerlich bedrängt wurde, nämlich<br />

durch die Sorge um alle Gemeinden. Dennoch<br />

hatte er in seinem Herzen Raum, die<br />

Sorgen anderer mitzutragen, wie er in seinem<br />

Brief an die Korinther schreibt: »Wer ist<br />

schwach, und ich bin nicht auch schwach? Wem<br />

wird Anstoß bereitet, und ich empfinde nicht brennenden<br />

Schmerz?« (2.Kor. 11,29). Paulus kannte<br />

die Antwort auf Sorgen und Nöte.<br />

Es ist erschreckend, welche Auswege sich<br />

Christen heute suchen, um sich von den Sorgen<br />

zu befreien. Neben vielen oberflächlichen<br />

Versuchen zum Lösen dieses Problems<br />

zeigt sich eine Geringschätzung der Heiligen<br />

Schrift: Man geht davon aus, dass die Bibel<br />

ohne Vermischung mit der modernen Psychologie<br />

für den Umgang mit Sorgen, Ängsten<br />

und anderen Leiden, die das Leben heute mit<br />

sich bringt, ungeeignet sei. <strong>Die</strong>s widerspricht<br />

aber der biblischen Wahrheit, dass unser Herr<br />

Jesus Christus uns durch »Seine göttliche <strong>Kraft</strong> …<br />

alles geschenkt hat, was zum Leben und [zum Wandel<br />

in] Gottesfurcht dient« (2.Pt. 1,3; ELB).<br />

Wer Jesus Christus kennt und liebt, kann<br />

auch mit Sorgen richtig umgehen. Es ist<br />

falsch, mit den Belastungen <strong>des</strong> Lebens so<br />

umzugehen, dass sie zu erdrückenden Sorgen<br />

werden. Jesus Selbst sagte dreimal: »Sorgt<br />

euch nicht …« (Mt. 6,25). Paulus wiederholte dies<br />

später: »Sorgt euch um nichts« (Phil 4,6).<br />

Liebe Freunde, falsches Sorgen ist Sünde,<br />

weil es dem klaren biblischen Gebot unseres<br />

Herrn widerspricht. Wir lassen es leicht<br />

zu, dass uns unsere alltäglichen Bedürfnisse<br />

zum Sorgen treiben, und wir machen uns vor<br />

Gott schuldig, wenn unsere Gedanken vor allem<br />

darum kreisen, wie wir die Zukunft verändern<br />

könnten, anstatt unser Bestes zu geben,<br />

die gegenwärtige Situation zu meistern.<br />

Solche Gedanken sind nutzlos. Sie führen<br />

letztlich dazu, dass wir unsere Pflichten und<br />

Beziehungen vernachlässigen. Wenn wir mit<br />

notvollen Situationen nicht richtig umgehen<br />

und nicht zu unseren täglichen Pflichten zurückkehren,<br />

verlieren wir die Hoffnung und<br />

werden nutzlos für das Reich Gottes.<br />

Wenn wir unsere Haltung bezüglich Sorgen<br />

mit dem vereinbaren, was Gott uns in<br />

Seinem Wort dazu sagt, und wenn wir die<br />

göttlichen Gründe dafür kennen, werden wir<br />

zu anderen Menschen. Dann sind wir bereit,<br />

Sein kostbares Wort auf unser Leben anzuwenden.<br />

Und wir werden dann nicht nur wissen,<br />

dass wir aufhören sollen, uns zu sorgen.<br />

Vielmehr werden wir dann auch jeden Morgen<br />

voller Zuversicht die Gnade Gottes in<br />

Anspruch nehmen.<br />

In der Liebe zu Christus und zur Wahrheit<br />

Prediger und Lehrer der<br />

Reformierten Baptistengemeinde Reichshof


D. MARTYN LLOYD-JONES<br />

GEISTLICHE<br />

Disziplin<br />

4 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


»So setzt eben <strong>des</strong>halb allen Eifer daran und reicht in eurem Glauben<br />

die Tugend dar, in der Tugend aber die Erkenntnis, in der Erkenntnis aber<br />

die Selbstbeherrschung, in der Selbstbeherrschung aber das standhafte Ausharren,<br />

im standhaften Ausharren aber die Gottesfurcht, in der Gottesfurcht aber<br />

die Bruderliebe, in der Bruderliebe aber die Liebe.«<br />

2. PETRUS 1,5-7<br />

In diesem ersten Kapitel <strong>des</strong> zweiten Petrusbriefes<br />

behandelt der Apostel eine Ursache<br />

geistlicher Depression. In der Tat war es sein<br />

Ziel, als er den Brief schrieb, sich mit diesem<br />

Thema zu befassen. Er schrieb, um Menschen<br />

zu ermutigen, die entmutigt waren und an ihrem<br />

Glauben zu zweifeln schienen. Der Zustand<br />

geistlicher Depression kann zu einer echten Gefahr<br />

werden. Wenn dieser Zustand anhält, führt<br />

er immer wieder zu Zweifeln und Unsicherheiten<br />

und auch zu einer verstärkten Neigung, das<br />

alte Leben, von dem wir erlöst wurden, wieder<br />

ins Auge zu fassen.<br />

Erfreulicherweise gibt uns der Apostel in diesem<br />

Fall eine ausgezeichnete Beschreibung der<br />

Situation. Er lässt uns indirekt etwas über die<br />

Menschen erfahren, denen er schreibt. Nachdem<br />

er beispielsweise seine Briefempfänger ermahnt<br />

hat, sagt er in Vers 8: »Denn wenn diese Dinge bei euch<br />

vorhanden sind und zunehmen, so lassen sie euch nicht<br />

träge noch unfruchtbar sein für die Erkenntnis unseres<br />

Herrn Jesus Christus.« Er meint damit: »Wenn diese<br />

Dinge bei euch vorhanden sind und zunehmen«, werdet<br />

ihr das werden, was ihr im Augenblick noch<br />

nicht seid. Und was ist das? »[Sie] lassen … euch<br />

nicht träge noch unfruchtbar sein für die Erkenntnis<br />

unseres Herrn Jesus Christus«, was aussagt, dass der<br />

Zustand, in dem sich die Briefempfänger damals<br />

befanden, träge und unfruchtbar war. Aber nicht<br />

nur das. Petrus sagt, dass sie »blind und kurzsichtig<br />

[waren] und … die Reinigung von [ihren] früheren Sünden<br />

vergessen« haben.<br />

In der Tat gibt es einen weiteren Hinweis dafür,<br />

dass sie gestrauchelt waren; denn er sagt<br />

ihnen, dass sie »niemals zu Fall kommen« werden,<br />

wenn sie die Dinge tun, von denen er zuvor<br />

sprach. Und nicht nur das, sondern: Wenn sie<br />

jene Dinge praktizieren, werden sie ihre Berufung<br />

und Auserwählung festmachen (V. 10). Es<br />

ist deutlich, dass sich die Empfänger <strong>des</strong> Briefes<br />

darüber gelegentlich nicht so sicher waren.<br />

Dass diese Menschen Christen waren, steht<br />

außer Frage. Wir müssen das wiederholen, weil<br />

es manche gibt, die derartig falsche und unbiblische<br />

Vorstellungen von einem Christen haben.<br />

Sie meinen, dass ein solcher Mensch, wie ihn<br />

Petrus hier beschreibt, kein wirklicher Christ<br />

sei. Aber diese Menschen sind offenbar Christen,<br />

sonst würde Petrus ihnen nicht in dieser<br />

Weise schreiben. Viele haben die falsche Vorstellung,<br />

dass ein wahrer Christ immer auf den<br />

Höhen der Berge wandere. Manche meinen, dass<br />

man überhaupt kein Christ sei, wenn man sich<br />

nicht immer dort befinde. Das ist eine durch und<br />

durch unbiblische Vorstellung. <strong>Die</strong>se Briefempfänger<br />

sind Christen; aber sie sind unglücklich,<br />

sie sind gänzlich unfruchtbar; ihr Leben scheint<br />

zu nichts zu führen, und sie sind auch anderen<br />

Leuten keine Hilfe.<br />

Nicht nur das. Sie sind auch nicht sehr leistungsfähig,<br />

soweit es sie selbst betrifft, und ihr<br />

Glaube erfüllt sie nicht mit Freude und Zuversicht.<br />

Sie sind träge und unfruchtbar. <strong>Die</strong> Worte<br />

sind eine treffende Beschreibung – sie sind<br />

untauglich, anderen zu helfen, und es mangelt<br />

ihnen auch an Erkenntnis und Verständnis. Sie<br />

wachsen nicht in der Erkenntnis <strong>des</strong> Herrn.<br />

Es steht ihnen eine enorme Erkenntnis zur<br />

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Verfügung, aber sie ergreifen sie nicht, sind nicht<br />

dahin vorgedrungen, nicht darin gewachsen; sie<br />

sind in dieser Hinsicht unfruchtbar.<br />

Obwohl sie wirkliche Christen sind, scheinen<br />

sie in ihrem Leben wenig davon zu zeigen.<br />

Auch scheinen sie darin zu versagen, die wahre<br />

Bedeutung ihrer Bekehrung zu erfassen. Es ist,<br />

als hätten sie die Reinigung von ihren früheren<br />

Sünden vergessen, und sie leben so, als wäre<br />

das nicht geschehen. All diese Probleme treten<br />

zwangsläufig immer zusammen auf. Wenn<br />

es einem in dieser Frage an Verständnis und an<br />

Frucht mangelt, wird man gewöhnlich auch im<br />

Lebenswandel entsprechend versagen – sowohl<br />

in der Gottesfurcht als auch im Nutzen für sich<br />

selbst und für andere.<br />

Das nun ist die Beschreibung, die der Apostel<br />

von diesen Menschen gibt, und leider sind wir<br />

alle mit dieser Art vertraut. Es handelt sich um<br />

Menschen, bei denen man nicht leugnen kann,<br />

dass sie Christen sind, obwohl es in ihrem Leben<br />

nur wenig Anzeichen dafür gibt. Sie scheinen<br />

in Oberflächlichkeit und Elend verhaftet zu<br />

sein. Sie vermitteln nicht den Eindruck, den ein<br />

Christ, wie Jesus sagte, vermitteln sollte, wenn<br />

er den Heiligen Geist empfangen hat: »Aus seinem<br />

Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen« (Joh.<br />

7,38). Nein, der Eindruck, den sie vermitteln, ist<br />

der von Trägheit und Unfruchtbarkeit.<br />

In ihrem Leben gibt es offenbar keine Frucht;<br />

sie scheinen nichts an andere weiterzugeben.<br />

Und was sie selbst angeht, so ist ihr Leben ungefestigt;<br />

es scheint nicht zu wachsen und sich<br />

nicht zu entwickeln. Das ganze Leben scheint<br />

völlig unfruchtbar zu sein, und sie sind niedergeschlagen<br />

und unglücklich und werden von<br />

Zweifeln heimgesucht. Sie erwecken den Anschein,<br />

dass sie nicht fähig sind, anderen Rechenschaft<br />

abzulegen ȟber die Hoffnung, die in<br />

[ihnen] ist« (1.Pt. 3,15). Sie sagen, dass sie glauben,<br />

und dennoch befinden sie sich ständig in dieser<br />

Verfassung, in der gerade die Grundlage ihres<br />

Glaubens Erschütterungen ausgesetzt zu sein<br />

scheint.<br />

Das ist die Situation, die der Apostel hier anspricht<br />

und über die wir jetzt nachdenken wollen.<br />

1. DIE URSACHE DES ZUSTANDS<br />

Wie ist es möglich, dass jemand überhaupt in<br />

einen solchen Zustand gerät? Es gibt Christen,<br />

auf die diese Beschreibung zutrifft. Warum<br />

sind sie so? Warum gleichen sie nicht anderen<br />

Christen, deren Leben fruchtbar, wirkungsvoll<br />

und lebensspendend ist? Was ist der Unterschied?<br />

Das ist die Frage, die wir überdenken<br />

müssen. Es scheint völlig klar zu sein, dass der<br />

Apostel diesen Menschen hier sehr deutlich<br />

sagt, dass es nur eine wirkliche Ursache für all<br />

die Äußerungen einer Depression gibt, nämlich<br />

ein großer Mangel an Disziplin. Das ist das<br />

wirkliche Problem. Es handelt sich um das vollständige<br />

Fehlen von Disziplin und Ordnung in<br />

ihrem Leben.<br />

Aber glücklicherweise belässt es der Apostel<br />

nicht bei einer allgemeinen Diagnose. <strong>Die</strong><br />

neutestamentlichen Schreiber hören niemals<br />

bei allgemeinen Formulierungen auf; sie gehen<br />

immer darüber hinaus und arbeiten die Einzelheiten<br />

aus. Sie betrachten das Problem Punkt für<br />

Punkt, und das tut der Apostel hier auch.<br />

Warum mangelt es diesen Leuten an Disziplin?<br />

Warum gibt es in ihrem Leben offensichtlich<br />

eine solche Faulheit oder Trägheit?<br />

<strong>Die</strong> erste Ursache mag ein falsches Verständnis<br />

vom Glauben sein. <strong>Die</strong>s stelle ich am Anfang von<br />

Vers 5 fest, wo er sagt: »So setzt eben <strong>des</strong>halb« – gerade<br />

aus diesem Grund – »allen Eifer daran und<br />

reicht in eurem Glauben die Tugend dar.« Das heißt:<br />

Ergänzt euren Glauben, stattet euren Glauben<br />

mit den Dingen aus, die Petrus dann im weiteren<br />

Verlauf seines Briefes aufzählt.<br />

Hier liegt gewiss ein Hinweis darauf, dass diejenigen,<br />

an die der Brief adressiert war, ein falsches<br />

Verständnis vom Glauben hatten. Leider<br />

kommt das häufig vor. Ihre Sicht vom Glauben<br />

scheint magischer Art gewesen zu sein. Mit an-<br />

6 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


deren Worten: Sie waren der Ansicht, dass alles<br />

in Ordnung sei, solange man Glauben habe, und<br />

dass dieser im Leben automatisch funktioniere<br />

und der Christ nichts anderes zu tun habe, als<br />

der Wahrheit zu glauben. Man müsse nur den<br />

Glauben annehmen – und der Rest ergebe sich<br />

dann von allein. Man brauche nur einen Schritt<br />

zu tun, eine Entscheidung zu treffen, oder wie<br />

man es auch immer nennen möchte, und das sei<br />

alles, was notwendig sei.<br />

Ich nenne dies eine nahezu magische Auffassung<br />

vom Glauben oder ein Verständnis, dass er<br />

automatisch wirke. Aber vielleicht kann ich es<br />

auch eine mystische Sicht vom Glauben nennen.<br />

Das erklärt sicherlich das Problem vieler Leute.<br />

Unter einer mystischen Sicht verstehe ich ein<br />

Verständnis vom Glauben, dass man ihn immer<br />

als ein perfektes Ganzes ansieht. Menschen mit<br />

solch einem Glaubensverständnis sind sich nicht<br />

<strong>des</strong>sen bewusst, dass der Glaube mit Tugend,<br />

Erkenntnis, Selbstbeherrschung, standhaftem<br />

Ausharren, Gottesfurcht, Bruderliebe und Liebe<br />

zu allen Menschen ergänzt werden muss, wie es<br />

uns der Apostel hier aufzeigt.<br />

Man kennt nur die eine Devise, die lautet:<br />

»Schaue immer auf den Herrn!« Solange man<br />

nur »auf den Herrn schaut«, brauche man sich<br />

weiter um nichts zu kümmern. Man behauptet,<br />

dass jeder Versuch, etwas Zusätzliches zu tun,<br />

bedeute, man verfalle wieder in die Haltung, in<br />

der man sich sein Heil durch Werke erwerben<br />

wolle. Wenn du in deinem Christenleben also ein<br />

Problem hast, sagt man dir: »Schaue nur auf den<br />

Herrn, bleibe einfach im Herrn!« Doch genau<br />

das ist die wirkungsvollste Ursache für diese Art<br />

geistlicher Depression und Trägheit.<br />

<strong>Die</strong>, welche diesem Irrtum verfallen sind, verbringen<br />

ihr ganzes Leben in diesem unglücklichen<br />

Zustand. Sie versuchen die ganze Zeit, die<br />

Aufforderung, »nur auf den Herrn zu schauen«<br />

und »nur in Ihm zu bleiben«, in die Tat umzusetzen.<br />

Für kurze Zeit scheint es ihnen zu gelingen;<br />

aber dann läuft irgendetwas schief; sie scheinen<br />

nicht mehr zu »bleiben«, und schon sind sie wieder<br />

unglücklich. Das alte Problem kehrt zurück,<br />

und so verbringen sie ihr ganzes Leben in dem<br />

krampfhaften Versuch, diese Haltung, die sie als<br />

richtig anerkennen, in die Tat umzusetzen. Ohne<br />

Zweifel handelt es sich hierbei um eine sehr<br />

wichtige Sache, und wir müssen sicher sein, dass<br />

sich unser Glaubensverständnis auf das Neue<br />

Testament gründet. Dafür müssen wir erkennen,<br />

was der Apostel meint, wenn er fortfährt: »… und<br />

reicht in eurem Glauben … dar«; das bedeutet, dass<br />

wir dem Glauben gewisse andere Dinge hinzufügen<br />

oder ihn mit diesen ergänzen sollen.<br />

<strong>Die</strong> zweite allgemeine Ursache für den Zustand<br />

geistlicher Depression, den der Apostel hier andeutet,<br />

ist zweifellos nichts anderes als reine Faulheit<br />

oder Trägheit. Petrus ist sehr bestrebt, uns<br />

das einzuschärfen; <strong>des</strong>wegen wiederholt er seine<br />

Worte noch einmal in Vers 10. Ich glaube, dass wir<br />

alle uns <strong>des</strong>sen bewusst sind: Es gibt eine Trägheit<br />

oder Faulheit, die uns alle plagt und zweifelsohne<br />

vom Teufel selbst hervorgerufen wird.<br />

Haben wir nicht alle schon bemerkt, dass es<br />

uns, wenn es um Dinge <strong>des</strong> geistlichen Lebens<br />

geht, an Lust und Begeisterung zu mangeln<br />

scheint und wir nicht alle dieselbe Energie aufwenden,<br />

die wir bei unserem weltlichen Beruf,<br />

unserer Arbeit oder unseren Geschäften, unseren<br />

Vergnügungen oder anderen Interessen<br />

einsetzen? Haben wir nicht schon alle festgestellt,<br />

dass wir den ganzen Tag tüchtig arbeiten<br />

können, aber dann, wenn wir eine Gebetsstunde<br />

besuchen wollen, auf einmal todmüde und<br />

erschöpft sind? Ist es nicht eigenartig, dass wir<br />

immer müde und schläfrig werden, wenn wir die<br />

Bibel lesen wollen?<br />

Wir sind vollkommen davon überzeugt, dass<br />

die Ursache etwas rein Körperliches sei und wir<br />

nichts dafür könnten. Aber wir wissen auch, dass<br />

in dem Augenblick, in dem wir uns nach geistlichen<br />

Dingen ausstrecken, wir sofort vor diesem<br />

Problem der Trägheit und Faulheit stehen, das<br />

uns überfällt, wie munter und tatkräftig wir bis<br />

dahin auch waren.<br />

Das Problem kann auch die Form von Aufschub<br />

annehmen. Wir möchten in der Bibel<br />

voiceofhope.de | 7


lesen, wir wollen sie studieren, wir möchten<br />

eine Auslegung lesen, aber wir sind im Augenblick<br />

gar nicht in der passenden Stimmung. Wir<br />

meinen, dass es schlecht sei, dies zu versuchen,<br />

wenn wir uns nicht entsprechend fühlen, und<br />

dass wir es besser aufschieben sollten, bis es uns<br />

besser gehe. Später werde sich bestimmt eine<br />

geeignetere Gelegenheit ergeben. Wie oft haben<br />

wir diese Erfahrung schon gemacht. Aber wenn<br />

dann der spätere Zeitpunkt kommt, meinen wir<br />

eigenartigerweise, dass wir immer noch nicht<br />

dazu in der Lage seien. Es steht außer Frage, dass<br />

die meisten von uns ein Leben führen, dem es erheblich<br />

an Disziplin und Ordnung fehlt.<br />

Das Leben war für einen Christen vielleicht<br />

noch nie so schwierig wie heute. <strong>Die</strong> Welt und<br />

ihr System machen es uns besonders schwer.<br />

Das Schwierigste im Leben ist es, sein eigenes<br />

Leben zu führen und zu ordnen. Der Grund dafür<br />

ist nicht, dass die äußeren Umstände uns<br />

diesbezüglich zwingen würden. Wenn wir uns<br />

der Gefahr <strong>des</strong> willenlosen Dahintreibens nicht<br />

bewusst sind und uns nicht dagegen wehren,<br />

werden wir schon versagt haben, ohne es zu<br />

merken. Es gibt so viele Dinge, die uns von geistlichen<br />

Zielen abzuhalten suchen. Man beginnt<br />

morgens den Tag, indem man die Nachrichten<br />

liest anstatt die Bibel, und es scheint nur einige<br />

Stunden zu dauern, bis die Abendnachrichten<br />

angehört werden »müssen«. <strong>Die</strong>se Dinge drängen<br />

sich uns regelrecht auf.<br />

Natürlich müssen wir die Nachrichten oder<br />

andere Dinge nicht unbedingt lesen; aber wir tun<br />

es aus Gewohnheit, und ohne es zu bemerken,<br />

nimmt dies unsere Zeit in Anspruch. Ich brauche<br />

meine Zeit nicht damit zu verschwenden, all die<br />

Dinge im Detail zu erläutern, die uns ablenken<br />

und uns wertvolle Zeit rauben.<br />

In der Tat kämpft heute jeder von uns um<br />

sein Leben; er kämpft darum, sein eigenes Leben<br />

zu gestalten und zu genießen. Alle Pastoren<br />

werden mit mir einer Meinung sein, wenn ich<br />

behaupte, dass es nichts gibt, das uns öfter gesagt<br />

wird als dies: »Ich weiß nicht, was ich machen<br />

soll. Ich scheine keine Zeit zu haben, meine<br />

Bibel zu lesen und zu beten, wie ich es gern<br />

möchte.«<br />

<strong>Die</strong> einfache Antwort darauf ist, dass es dabei<br />

lediglich um einen Mangel an Disziplin geht.<br />

Es handelt sich um ein Versagen darin, sein Leben<br />

richtig zu ordnen. Es hat keinen Zweck, über<br />

die Umstände zu klagen. Es läuft einfach darauf<br />

hinaus – und wir brauchen gar nicht darüber zu<br />

diskutieren –: Wir haben im Grunde alle Zeit!<br />

Wenn wir Zeit haben, andere Dinge zu tun, dann<br />

haben wir Zeit. Das ganze Geheimnis <strong>des</strong> Erfolges<br />

diesbezüglich besteht darin, sich Zeit zu<br />

nehmen und darauf zu bestehen, dass sie für die<br />

Stille mit dem Herrn verwendet wird anstatt für<br />

andere Dinge.<br />

Das ist die zweite Ursache <strong>des</strong> Problems: ein<br />

reiner Mangel an Disziplin in der Lebensführung;<br />

ein Versagen, sein Leben so zu ordnen, zu<br />

lenken und zu beherrschen, wie wir tief in unserem<br />

Herzen wissen, dass wir es tun sollten.<br />

2. DIE BEHANDLUNG<br />

Da wir nun die Ursache kennen, wollen wir uns<br />

jetzt der Behandlung dieses Problems zuwenden.<br />

Welche Behandlung empfiehlt uns der Apostel<br />

für diesen unseren Zustand? Etwas, was der<br />

Ursache <strong>des</strong> Problems genau entgegengesetzt ist.<br />

Erstens und vor allen Dingen betont er, »allen Eifer<br />

daran[zusetzen]«. Wir sind »dem Verderben entflohen<br />

…, das durch die Begierde in der Welt herrscht«<br />

und werden durch die kostbaren Verheißungen<br />

Gottes göttlicher Natur teilhaftig (V. 4). Eben <strong>des</strong>halb<br />

sollen wir mit allem Eifer diese großartigen<br />

Verheißungen ergreifen, die uns mitsamt allem,<br />

was wir für das Leben in Gottesfurcht benötigen,<br />

geschenkt wurden (V. 3). Ergreift sie, damit zu eurem<br />

Glauben Tugendhaftigkeit und geistliche Erkenntnis<br />

hinzukommen! Seid eifrig bestrebt, dies<br />

zu tun (V. 10)! Das ist die Behandlungsmethode<br />

<strong>des</strong> Problems: sich zu üben in Disziplin und Eifer.<br />

Unser Problem kann man vielleicht am besten<br />

anhand eines historischen Beispiels erklären.<br />

8 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


Wenn du die Biografie eines beliebigen Mannes<br />

Gottes liest, wirst du feststellen, dass sein Leben<br />

vor allen Dingen von Disziplin und Ordnung gekennzeichnet<br />

war. Das ist ausnahmslos das wesentliche<br />

Merkmal im Leben aller hervorragender<br />

Männer und Frauen Gottes. Lies einmal das<br />

Lebensbild von Henry Martyn, David Brainerd,<br />

Jonathan Edwards, George Whitefield und Amy<br />

Carmichael! Lies ihre Tagebücher! Im Leben aller<br />

dieser Menschen war Disziplin ein wesentliches<br />

Element, das sie stark hervorhoben. Disziplin<br />

ist offenbar etwas durch und durch Biblisches<br />

und absolut Wesentliches.<br />

Der Apostel Petrus erinnert uns daran, dass<br />

wir unserem Glauben diese verschiedenen anderen<br />

Tugenden hinzufügen und all unseren Eifer<br />

daran setzen sollen. »Seid umso eifriger bestrebt«<br />

(V. 10), sagt er; das heißt: Seid noch aktiver. Aber<br />

dabei handelt es sich nicht etwa um Werkgerechtigkeit.<br />

Der Irrtum der Werkgerechtigkeit besteht<br />

darin, dass man sich bezüglich seiner Errettung<br />

auf seine eigene Disziplin verlässt.<br />

Das Entgegengesetzte von dem, dass man auf<br />

seine eigenen Werke vertraut, ist aber nicht das<br />

Nichtstun, sondern alles zu tun, ohne dabei sein<br />

Vertrauen darauf zu setzen. Nicht das Tun dieser<br />

Werke ist falsch, sondern der Glaube an sie, das<br />

Vertrauen auf sie. Aber welch eine schleichende<br />

Gefahr liegt darin – mir scheint, darin liegt eine<br />

der Hauptgefahren für viele Christen –: in der<br />

Furcht vor dem Irrtum der Werkgerechtigkeit.<br />

Wir haben immer wieder gesagt, dass die Werke<br />

überhaupt nichts zur Sache der Errettung tun,<br />

sondern dass allein der Glaube zählt. Weil ich ein<br />

Mann <strong>des</strong> Glaubens bin, ist es scheinbar unwichtig,<br />

was ich tue – und so kann es in meinem Leben<br />

durchaus an Disziplin fehlen. Solches sollte<br />

uns nicht einmal in den Sinn kommen!<br />

Der Gegensatz zu dem falschen Vertrauen<br />

auf seine Werke ist eben nicht Trägheit, Mangel<br />

an Disziplin und Nichtstun, sondern Eifer,<br />

fleißig sein, seinen Glauben unter Beweis stellen.<br />

Aber du musst dir stets <strong>des</strong>sen bewusst sein,<br />

dass deine Tat allein nie genügt, sondern dass<br />

Gott diejenigen belohnen wird, welche Ihn mit<br />

Ernst suchen. Viele Menschen sagen, dass sie alles<br />

hingeben würden, um nur eine Spur der Erkenntnis<br />

zu erlangen, welche die wahren Christen<br />

damals besaßen. Du sagst vielleicht: »Hätte<br />

ich nur jene Freude, dann würde ich die ganze<br />

Welt dafür hergeben. Warum kann ich nicht die<br />

Erfahrung eines brennenden Herzens haben?«<br />

<strong>Die</strong> Antwort darauf ist, dass du sie nie wirklich<br />

gesucht hast. Schau dir das Leben jener Glaubensvorbilder<br />

an und die Zeit, die sie für ihr Bibelstudium<br />

und Gebet sowie für verschiedene<br />

andere Formen der Selbstprüfung und geistlichen<br />

Übungen einsetzten, um im geistlichen Leben<br />

Wachstum und Disziplin zu erlangen. Und<br />

weil sie dies taten, hat Gott es ihnen vergolten,<br />

indem Er ihnen solche wunderbaren Beweise<br />

Seiner Gegenwart und solche mächtigen Erfahrungen,<br />

die ihre Herzen erwärmten, zuteilwerden<br />

ließ.<br />

An erster Stelle steht also die unbedingte Notwendigkeit<br />

von Disziplin und Ordnung. Ich bin<br />

an dieser Stelle versucht, dies im Einzelnen zu<br />

behandeln. Wenn wir uns darüber einig sind, wie<br />

wichtig es ist, sich einfach Zeit zu nehmen im<br />

Ordnen seines Alltagslebens, dann müssen wir<br />

– koste es, was es wolle – darauf bestehen, dass<br />

gewisse Dinge getan werden. Mit anderen Worten:<br />

Wenn ich wirklich glaube, dass mir die Bibel<br />

wichtiger ist als die Zeitung, muss ich meine Bibel<br />

lesen, bevor ich zur Zeitung (oder wir heute:<br />

zum Smartphone) greife. Ich muss auf meiner<br />

Gebetszeit bestehen, ich muss Zeit zum Nachsinnen<br />

über das Wort haben – was auch immer<br />

statt<strong>des</strong>sen ungetan bleibt.<br />

Das ist der Anfang eines wesentlichen Teils<br />

der Ordnung, der seine Auswirkungen auf den<br />

Alltag hat. Viele Menschen versagen und werden<br />

traurig und depressiv, weil sie die Dinge<br />

einfach nicht entschlossen selbst in die Hand<br />

genommen haben. Du wirst das selbst tun müssen;<br />

keiner wird es für dich tun, ja, niemand<br />

ist fähig, das für dich zu tun. Wenn du nicht<br />

auf diese Dinge im Einzelnen achtest, dann<br />

versichere ich dir, dass du ein depressiver<br />

Christ bleiben wirst.<br />

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Den Glauben ausstatten<br />

Das zweite Prinzip ist, dass wir etwas in unserem<br />

Glauben darreichen sollen (V. 5). Eine andere<br />

Übersetzung besagt: »Ergänzt euren Glauben<br />

mit …!« Wieder eine andere besagt: »Stattet<br />

euren Glauben aus mit …!« <strong>Die</strong> Sprachforscher<br />

sagen uns, dass das griechische Wort epichoregeo<br />

»ausstatten« bedeute, das damals in Verbindung<br />

mit der Aufführung eines Theaterstückes<br />

verwendet wurde. Es bedeutet, dass man<br />

die Aufführung mit einer Art Orchester oder<br />

Chor ausstattet, sodass sie perfekt ist. Es ist etwas,<br />

das die Aufführung abrundet und sie zu<br />

einer perfekten Aufführung macht. Das ist die<br />

Bedeutung <strong>des</strong> Wortes »reicht dar«, »fügt hinzu«,<br />

»stattet aus«, »ergänzt«, »macht die Sache<br />

vollständig« »lasst es zu einem vollkommenen<br />

Glauben kommen«.<br />

Was fügst du deinem Glauben hinzu? Der Apostel<br />

zählt uns hier eine ganze Reihe von Dingen<br />

auf. Ich muss sie einfach erwähnen. Als erstes<br />

sagt er: »Reicht in eurem Glauben die Tugend dar«<br />

bzw. fügt eurem Glauben Tugend hinzu. Was<br />

meint er damit? Auch hier haben wir ein Wort,<br />

<strong>des</strong>sen Bedeutung sich im Laufe der Zeit verändert<br />

hat. Mit Tugend ist nicht das gemeint, was<br />

wir heute landläufig darunter verstehen, denn<br />

in diesem Sinne ist jeder einzelne Punkt in der<br />

Aufzählung <strong>des</strong> Petrus eine Tugend. <strong>Die</strong> Bedeutung<br />

ist hier eher: Energie, moralische Energie.<br />

Es bedeutet: <strong>Kraft</strong>, Stärke. Das ist nun sehr wichtig.<br />

Der Zustand, mit dem sich der Apostel hier<br />

befasst, ist jenes schlaffe, undisziplinierte, träge<br />

Christenleben, und er beginnt damit, dass er<br />

die Briefempfänger an Folgen<strong>des</strong> erinnert: »Ihr<br />

habt Glauben, ihr glaubt der Wahrheit; daran<br />

besteht kein Zweifel. Ihr habt denselben kostbaren<br />

Glauben wie wir.«<br />

Und nun – was sollten sie da noch mehr tun<br />

wollen? Er ruft sie dazu auf, zusätzlich zu dem<br />

Glauben, den sie haben, aufzuhören mit ihrer<br />

Trägheit. Mit anderen Worten: Fügt eurem Glauben<br />

moralische Energie hinzu! Auf jeden persönlich<br />

bezogen: Reiß dich zusammen! Schleppe<br />

dich nicht träge durch das Christenleben, sondern<br />

gehe aufrecht, wie du es tun solltest, mit Vitalität!<br />

Füge jene Art von Stärke und <strong>Kraft</strong> hinzu!<br />

Lass dich nicht hängen, denn so erweckst du<br />

immer den Eindruck, dass du jeden Augenblick<br />

in Ohnmacht fallen und versagen könntest!<br />

»Seid nicht träge«, sagt der Apostel, »sondern<br />

stattet euren Glauben mit Mannhaftigkeit und<br />

<strong>Kraft</strong> aus – mit Tugend!«<br />

Wie notwendig ist diese Aufforderung auch<br />

für uns heute! Vergleiche einmal den typischen<br />

Durchschnittschristen mit dem typischen<br />

Durchschnittsmenschen aus der Welt. Der Christ<br />

behauptet, an geistlichen Dingen, an dem Reich<br />

Gottes und an der Erkenntnis von Gott und Christus<br />

interessiert zu sein. Er sagt, dass er Glauben<br />

habe; und das ist es, was Glaube bedeutet.<br />

Aber vergleiche ihn einmal mit dem Durchschnittsmenschen,<br />

der sich für verschiedene<br />

Sportarten interessiert und für die Dinge, die<br />

sich in der Sportwelt ereignen. Du siehst den<br />

Unterschied: Der Mensch, der sich für jene Dinge<br />

interessiert, hat nichts Träges an sich. Schau dir<br />

einmal seine Begeisterung und seine Energie an.<br />

Und schaue dir anschließend zum Vergleich den<br />

Christen an: Wie träge ist er, wie unentschieden<br />

benimmt er sich! Der Grund dafür ist, dass diese<br />

Christen es versäumt haben, ihren Glauben zu<br />

beweisen bzw. ihm bestimmte Dinge beizufügen.<br />

Sie sagen, dass sie Christen seien, und dass<br />

sie der Wahrheit glauben; aber sie versagen darin,<br />

ihren Glauben entsprechend auszustatten.<br />

Tugend und Erkenntnis<br />

»Reicht in eurem Glauben die Tugend dar, in der Tugend<br />

aber die Erkenntnis.« Damit ist nicht einfach die Erkenntnis<br />

der Lehre gemeint. Wir haben diese bereits<br />

in gewissem Maße, sonst hätten wir keinen<br />

Glauben. Damit ist vielmehr eine gewisse Einsicht<br />

gemeint, ein Erfassen, eine Erleuchtung. In<br />

dem Augenblick, da wir an Jesus glauben, wissen<br />

wir noch nicht alles; wir begreifen dann noch<br />

nicht im vollen Maß, es ist nur der Anfang <strong>des</strong><br />

Glaubenslebens. Es stehen <strong>des</strong>halb in den neutestamentlichen<br />

Briefen fortwährend Aufrufe<br />

10 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


und Ermahnungen. So sagt Paulus: »Und um das<br />

bete ich, dass eure Liebe noch mehr und mehr überströme<br />

in Erkenntnis« (Phil. 1,9). Das ist es, was auch der<br />

Apostel Petrus hier sagen will. Er betont, dass sie<br />

nicht beim Beginn <strong>des</strong> Glaubens stehenbleiben<br />

dürfen.<br />

Sie sind bereits Christen, aber sie müssen das<br />

Christenleben recht erfassen. Sie müssen die<br />

heimtückischen Gefahren, von denen sie umgeben<br />

sind, zu erkennen beginnen. Sie müssen<br />

etwas von der Spitzfindigkeit Satans verstehen.<br />

Sie müssen begreifen, was jetzt nötig ist: »Fügt<br />

das und das eurem Glauben hinzu!« Lasst uns<br />

nach dieser Einsicht, nach diesem Erfassen, nach<br />

dieser Erleuchtung streben!<br />

Wie wesentlich ist es, dass du dich einem<br />

sorgfältigen Lesen der Bibel und der geistlichen<br />

Bücher sowie auch der Glaubenslehren widmest.<br />

Du wirst den Glauben niemals wirklich erfassen,<br />

wenn du dich um diese Dinge nicht persönlich<br />

kümmerst. Es ist manchmal ein mühsamer Weg,<br />

und es erfordert gewiss alle Disziplin, die du<br />

aufbringen kannst.<br />

Ohne harte Arbeit wird aus einem Studenten<br />

kein Fachmann. Das Gerede über jenen hochbegabten<br />

Menschentyp, der überhaupt nie arbeitet<br />

und doch beim Examen als Bester abschneidet,<br />

ist ein reines Märchen. Das geschieht nie; das ist<br />

eine Lüge. Ohne Erkenntnisse – und du wirst nie<br />

Erkenntnisse besitzen, wenn du nicht fleißig bist<br />

– kann ein Mensch nie wirklich etwas erfassen,<br />

kann er nie wahre Erkenntnis besitzen. Es erfordert<br />

Disziplin und Fleiß. Tatsächlich ist es harte<br />

Arbeit, seinen Glauben mit Erkenntnis auszustatten.<br />

Selbstbeherrschung<br />

Das nächste ist die Selbstbeherrschung. <strong>Die</strong>s bedeutet<br />

aber nicht einfach, dass du im Allgemeinen<br />

deinen Lebenswandel unter Kontrolle hast.<br />

<strong>Die</strong> Selbstbeherrschung bezieht sich vielmehr<br />

auf die Einzelheiten deines Wandels und bedeutet,<br />

dass du jeden einzelnen Zug darin wirst beherrschen<br />

müssen. Es bedeutet bei dir vielleicht,<br />

dass du deine Ess- und Trinkgewohnheiten beherrschen<br />

musst. <strong>Die</strong> Obrigkeit teilt uns fortwährend<br />

mit, dass der Gesundheitszustand vieler<br />

Menschen schlecht ist, weil sie zu viel essen<br />

und Alkohol trinken. Es steht außer Frage, dass<br />

das stimmt.<br />

Es gibt Menschen, die aus dem einfachen<br />

Grund an Müdigkeit und Trägheit leiden, weil<br />

es ihnen an Enthaltsamkeit oder Selbstbeherrschung<br />

fehlt. Sie zügeln weder ihren Appetit<br />

noch ihre Lust, ihre Leidenschaften und Begierden.<br />

Sie essen zu viel, trinken zu viel Alkohol<br />

oder schlafen sogar zu viel. Ein Weg, um hier<br />

zur Einsicht zu kommen, ist, dass man die Biografien<br />

und Tagebücher von Glaubensvorbildern<br />

liest, wie sie ihr Leben unter Kontrolle hatten.<br />

Wie peinlich genau achteten sie auf diese Aspekte,<br />

und wie sehr waren sie sich <strong>des</strong>sen bewusst,<br />

dass sie die Unmäßigkeit meiden müssen – koste<br />

es, was es wolle.<br />

Standhaftes Ausharren,<br />

Gottesfurcht und Liebe<br />

Standhaftes Ausharren bedeutet: geduldig zu<br />

sein, auch dann, wenn dich alles entmutigen will.<br />

Du musst das tun, du selbst! Du musst das deinem<br />

Glauben zufügen. Standhaftes Ausharren<br />

bedeutet nicht einfach, passiv »auf den Herrn zu<br />

schauen«. Du selbst musst standhaft ausharren,<br />

Geduld üben und Tag für Tag ununterbrochen<br />

damit fortfahren.<br />

Dann folgt die Gottesfurcht, womit der Apostel<br />

zweifellos die Ehrfurcht vor Gott und die sorgfältige<br />

Pflege unseres Verhältnisses zu Ihm meint.<br />

Bei den beiden letzten Punkten seiner Aufzählung<br />

richtet sich sein Interesse auf unsere<br />

Haltung zu den Mitmenschen. Mit »Bruderliebe«<br />

ist unsere Beziehung zu unseren Mitchristen<br />

gemeint. Mit »Liebe« meint Petrus die allgemeine<br />

Liebe, die sich über den Bruder hinaus<br />

zu den Menschen erstreckt, die keine Christen<br />

sind. Wir müssen diese Dinge im Einzelnen betrachten.<br />

Nachdem der Apostel diese verschiedenen<br />

Schritte oder Stufen besprochen hat, ermutigt<br />

er uns, all das zu tun, was er uns gesagt hat,<br />

voiceofhope.de | 11


indem er uns erstens an das erinnert, was wir<br />

sind. Er sagt uns, dass wir »göttlicher Natur teilhaftig«<br />

werden (2.Pt. 1,4). Wenn du meinst, dass ich<br />

eine harte Lehre verkündige und das Christenleben<br />

dadurch zu einer schweren Aufgabe werde<br />

– wenn du überhaupt zögerst und voller Zweifel<br />

bist –, dann möchte ich dir einige Fragen stellen.<br />

Bist du dir <strong>des</strong>sen bewusst, was du als Christ<br />

bist? Bist du dir <strong>des</strong>sen bewusst, dass du »göttlicher<br />

Natur teilhaftig« wirst? Bist du dir <strong>des</strong>sen bewusst,<br />

dass der Sohn Gottes den Himmel verließ,<br />

auf die Erde kam und sogar ans Kreuz ging, um<br />

dich zu retten, um dich von der Welt und ihrer<br />

Lust zu retten (1.Joh. 2,15-16)? <strong>Die</strong> Lust ist die Ursache<br />

<strong>des</strong> Verderbens (2.Pt. 1,4). Willst du etwa in<br />

diesem Zustand verbleiben? Willst du ihm nicht<br />

entfliehen?<br />

Seid euch darüber im Klaren, sagt Petrus, dass<br />

Christus gestorben ist, damit ihr aus diesem Zustand<br />

herausgerissen werden könnt und ihr auch<br />

tatsächlich herausgerissen worden seid. Aus eben<br />

diesem Grunde »setzt … allen Eifer daran« (V. 5). Gewiss,<br />

folgert er, habt ihr die Reinigung von euren<br />

früheren Sünden nicht vergessen (2.Pt. 1,9). Gewiss<br />

habt ihr nicht vergessen, dass ihr mit Christus<br />

gestorben und <strong>des</strong>wegen für das Gesetz und<br />

die Sünde tot seid. »Wie sollten wir, die wir der Sünde<br />

gestorben sind, noch in ihr leben?«, formuliert es Paulus<br />

(Röm. 6,2). Wir müssen uns <strong>des</strong>sen bewusst<br />

sein, welch eine außerordentliche Ermutigung<br />

diese Begründung ist, wenn wir uns mit dem<br />

Glaubenskampf konfrontiert sehen.<br />

Aber du darfst dort nicht stehenbleiben. Seid<br />

euch darüber im Klaren, sagt der Apostel, dass<br />

ihr nur dann, wenn ihr die oben beschriebenen<br />

Dinge tut, Freude und Glück in eurem jetzigen<br />

Leben haben werdet. »Darum, Brüder, seid umso<br />

eifriger bestrebt, eure Berufung und Auserwählung fest<br />

zu machen« (V. 10). Du kannst deine Berufung und<br />

Auserwählung festmachen, indem du diese Dinge<br />

tust. Du wirst sonst nie glücklich sein. Es ist<br />

nicht genug zu sagen: »Das Wort Gottes sagt: ›Jeder,<br />

der an Ihn glaubt, … [hat] ewiges Leben‹ (Joh. 3,16),<br />

und da ich glaube, habe ich es also.« Das stimmt,<br />

aber das ist nicht genug.<br />

Es ist richtig, dass wir so folgern sollten; das<br />

ist ein Teil unserer Glaubensgewissheit. Aber<br />

wenn wir meinen, dass die Gewissheit hier aufhöre,<br />

irren wir uns erheblich. Wenn wir unsere<br />

Berufung und Auserwählung festmachen wollen,<br />

müssen wir uns befleißigen, all die Dinge<br />

umzusetzen, die der Apostel aufzählt. Wenn wir<br />

das tun, werden wir in reichem Maße Freude,<br />

Frieden und Glück erfahren. Wir werden wissen,<br />

wo wir im Glauben stehen, und wir werden<br />

schon hier unten die Erstlingsfrüchte der Herrlichkeit,<br />

die uns bevorsteht, ernten.<br />

»Wenn ihr diese Dinge tut, werdet ihr niemals zu Fall<br />

kommen.« Nichts entmutigt mehr als dauern<strong>des</strong><br />

Hinfallen. Wenn wir fallen, fühlen wir uns miserabel<br />

und unglücklich, sodass uns Depressionen<br />

überfallen, die uns mit großer Hoffnungslosigkeit<br />

zurücklassen. Wir sollten also vermeiden, zu<br />

Fall zu kommen. Wenn wir die Anweisungen <strong>des</strong><br />

Petrus befolgen, wird das auch nicht geschehen.<br />

Das bedeutet jedoch keine Passivität! Beachten<br />

wir das!<br />

Zu guter Letzt sagt der Apostel – und wie wunderbar<br />

ist das! –: »... denn auf diese Weise wird euch<br />

der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Retters<br />

Jesus Christus reichlich gewährt werden« (2.Pt.<br />

1,11). Petrus spricht hier nicht über die Errettung,<br />

denn die Briefempfänger sind bereits errettet; er<br />

spricht über den letztendlichen Eingang in die<br />

Herrlichkeit. Beachte das Wort »gewährt«. Denn<br />

auf diese Weise, sagt Petrus, wird euch der Eingang<br />

»gewährt« werden. Das verwendete Wort<br />

ist genau dasselbe wie das, was im 5. Vers mit<br />

»darreichen« bzw. hinzufügen übersetzt wurde.<br />

Du fügst die obigen Dinge deinem Glauben hinzu,<br />

und dafür wird dir dann der Eingang reichlich<br />

gewährt werden. Es ist eine Wechselwirkung.<br />

Mit anderen Worten sagt Petrus: »Wenn ihr<br />

diese Dinge tut, wenn ihr in eurem Leben Disziplin<br />

übt, wenn ihr euer Leben ordnet und euren<br />

Glauben auf diese Weise und mit diesen verschiedenen<br />

anderen Eigenschaften ausstattet, werdet<br />

ihr nie straucheln.« Ihr werdet infolge eurer Gewissheit<br />

große Freude und großes Glück haben,<br />

12 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


und wenn das Ende kommt, werdet ihr dieses Leben<br />

verlassen und in das nächste eingehen, eure<br />

Segel gefüllt mit dem herrlichen Wind <strong>des</strong> Himmels.<br />

Es wird kein Zögern geben, es wird kein<br />

Eingang mit zerrissenen Segeln sein. Statt<strong>des</strong>sen<br />

wird euch der Eingang reichlich gewährt werden.<br />

Du wirst nicht mit Lord Tennyson bitten müssen:<br />

»Und möge es am Strand kein Wehklagen<br />

geben, wenn ich in See steche.« Denn es wird<br />

kein Hinausfahren auf ein unbekanntes Meer<br />

sein, sondern vielmehr das Ende der Lebensstürme<br />

und ein glorreicher Eingang in den Himmel<br />

der ewigen Ruhe und in die Herrlichkeit der<br />

Gegenwart Gottes.<br />

Wenn wir unglückliche und depressive Christen<br />

sind, ist es mehr als wahrscheinlich, dass das<br />

alles einem Mangel an Disziplin zuzuschreiben<br />

ist. Wir wollen dagegen ohne Furcht gegen alle<br />

Trägheit ankämpfen und arbeiten und allen Eifer<br />

daran setzen, dass unser Glaubensleben in<br />

Ordnung kommt. Wir wollen klare Vorstellungen<br />

haben und sie dann in die Tat umsetzen,<br />

indem wir unseren Glauben ausstatten mit dieser<br />

Tugend, mit dieser Erkenntnis, mit dieser<br />

Selbstbeherrschung, mit diesem standhaften<br />

Ausharren, mit dieser Gottesfurcht, Bruderliebe<br />

und Liebe zu allen Menschen. Wir wollen anfangen,<br />

uns unseres Christenlebens zu erfreuen<br />

und nützlich und hilfreich für andere zu sein.<br />

Wir wollen wachsen in der Gnade und in der<br />

Erkenntnis und solch eine Anziehungskraft auf<br />

alle haben, die uns kennen, sodass sie kommen,<br />

sich mit uns in dem überaus kostbaren Glauben<br />

vereinen und die Glückseligkeit dieser wunderbaren<br />

und herrlichen Verheißungen, die gewiss<br />

erfüllt werden, erfahren.<br />

Entnommen aus dem Buch »Geistliche Krisen und Depressionen«, Samenkorn Verlag.<br />

Bücher von Martyn Lloyd-Jones<br />

aus unserem Verlag<br />

Und Gott greift doch ein Biblische Erziehung Was ist biblische Verkündigung?<br />

Vom Handeln Gottes in der Geschichte<br />

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Erscheint voraussichtlich<br />

Anfang Dezember


John MacArthur<br />

Der verlorene Sohn<br />

<strong>Die</strong> Wahrheit über die Errettung<br />

14 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


<strong>Die</strong> Schriftgelehrten und Pharisäer – die<br />

religiösen Führer in der Erdenzeit Jesu<br />

– erwarteten sicher, dass der Vater <strong>des</strong><br />

verlorenen Sohnes den Hammer über dem missratenen<br />

Jugendlichen hart niederschlagen würde.<br />

Darüber waren sie sich einig: Es konnte keine<br />

unverzügliche Vergebung geben. Der verlorene<br />

Sohn war wahrscheinlich auch überhaupt nicht<br />

der vollständigen Versöhnung mit seinem Vater<br />

würdig. Gewiss musste er seine Medizin in voller<br />

Dosierung einnehmen.<br />

In jener Ehrenkultur, insbesondere in einer<br />

Situation wie dieser, wäre es nicht außergewöhnlich<br />

gewesen, wenn der Vater sich<br />

einfach geweigert hätte, dem Jungen persönlich<br />

zu begegnen. Tatsächlich wäre es ziemlich<br />

charakteristisch gewesen, dass der Vater<br />

– auch wenn er geneigt gewesen wäre, ihm<br />

eine Audienz zu gewähren – den reumütigen<br />

Sohn zuerst damit bestraft hätte, dass er aus seiner<br />

Schande ein öffentliches Spektakel gemacht<br />

hätte. Zum Beispiel hätte er den Sohn für mehrere<br />

Tage außerhalb <strong>des</strong> Tores dem öffentlichen<br />

Anblick aussetzen können, um ihn einiges von<br />

der Unehre spüren zu lassen, die er über seine<br />

eigene Familie gebracht hatte. Der Junge wäre<br />

den Wetterbedingungen völlig ausgesetzt gewesen<br />

– und schlimmer noch, dem Gespött der<br />

ganzen Umgebung. Wenn der Vater sich nach<br />

einigen Tagen solcher Demütigung entschlossen<br />

hätte, ihm eine Audienz zu gewähren, und<br />

wenn er willig gewesen wäre, ein Maß an Erbarmen<br />

anzubieten, dann hätte der Sohn sich<br />

tief verbeugen und die Füße <strong>des</strong> Vaters küssen<br />

müssen. Keine Umarmung. Es wäre nicht einmal<br />

angemessen gewesen, wenn der Sohn stehen<br />

geblieben wäre, während er die Hand seines<br />

Vaters geküsst hätte.<br />

Höchstwahrscheinlich ist dies genau die Art<br />

von Behandlung, die der verlorene Sohn erwartete.<br />

Aber das Gleichnis Jesu nahm unvermittelt<br />

eine andere, dramatische und unvorhergesehene<br />

Wendung. »Als er aber noch fern war, sah ihn sein<br />

Vater und hatte Erbarmen; und er lief, fiel ihm um den<br />

Hals und küsste ihn« (Lk. 15,20).<br />

Offensichtlich hatte der Vater damals täglich<br />

nach seinem Sohn Ausschau gehalten – mit gebrochenem<br />

Herzen, dennoch hoffnungsvoll,<br />

während er insgeheim den unaussprechlichen<br />

Schmerz der leidenden Liebe um seinen Sohn<br />

mit sich herumtrug. Er hatte sicherlich gewusst,<br />

dass die Art <strong>des</strong> Lebens, wegen welcher sich der<br />

Sohn auf den Weg gemacht hatte, schließlich auf<br />

diese Weise enden würde, wie sie es tat. Er hoffte<br />

verzweifelt, der Junge würde überleben und<br />

nach Hause zurückkommen.<br />

<strong>Die</strong> Bildsymbolik, wie der Vater auf den verlorenen<br />

Sohn zuläuft, füllt die Details <strong>des</strong> Gesamtbil<strong>des</strong><br />

noch mehr aus. Im Rahmen jener Kultur<br />

wurde die Handlung <strong>des</strong> Vaters, zu dem Jungen<br />

zu laufen und ihn zu umarmen, noch bevor dieser<br />

überhaupt den ganzen Heimweg zurückgelegt<br />

hatte, als ein schändlicher Verstoß gegen die<br />

guten Sitten angesehen. Zuerst einmal rannte<br />

ein angesehener Mann nicht. Zu rennen war etwas<br />

für kleine Jungen und <strong>Die</strong>ner. Erwachsene<br />

Männer von Rang gingen majestätisch einher, in<br />

langsamer Gangart und bedachtsamen Schritten.<br />

Aber der Vater raffte sein Gewand zusammen<br />

und machte sich auf würdeloseste Weise<br />

auf den Weg.<br />

Als der Vater den missratenen Sohn erreichte,<br />

konnte er seine Zuneigung nicht in Grenzen halten,<br />

und er zögerte nicht, ihm Vergebung zu gewähren.<br />

Sofort umarmte er den verlorenen Sohn.<br />

Jesus sagte, dass der Vater ihm um den Hals fiel<br />

und ihn küsste. Das Verb, das an dieser Stelle im<br />

griechischen Grundtext steht, deutet an, dass er<br />

ihn mehrmals küsste. Er brach über dem Jungen<br />

in einer massiven Umarmung zusammen,<br />

vergrub seinen Kopf im Nacken seines Sohnes –<br />

stinkend und schmutzig und nicht gesellschaftsfähig,<br />

wie er war – und begrüßte ihn mit einer<br />

Offenbarung ungebremster Emotionen.<br />

Der verlorene Sohn war in der Bereitschaft gekommen,<br />

die Füße <strong>des</strong> Vaters zu küssen. Statt<strong>des</strong>sen<br />

küsste der Vater den nach Schweinen<br />

voiceofhope.de | 15


stinkenden Kopf <strong>des</strong> verlorenen Sohnes. Und der<br />

junge Mann kam überhaupt nicht zu dem Teil<br />

seiner einstudierten Rede, in welcher er darum<br />

bitten wollte, einer der Tagelöhner zu werden.<br />

<strong>Die</strong>s mag als ein fast unmerkliches Detail in dem<br />

Gleichnis erscheinen, aber es stellte einen nicht<br />

ganz so subtilen Punkt zu Gunsten der Pharisäer<br />

dar. Sie konnten auf keinen Fall übersehen, dass<br />

der Sohn nichts getan hatte, um seine eigene<br />

Sünde zu sühnen. Dennoch war die Vergebung<br />

<strong>des</strong> Vaters vollständig und überschwänglich,<br />

ohne dass etwas zurückgehalten wurde.<br />

Verlangte nicht der gesunde Menschenverstand,<br />

dass Sünden gesühnt werden müssen? Sagte<br />

nicht Gott Selbst, dass Er keinen Gottlosen gerecht<br />

sprechen wird (2.Mo. 23,7), und dass Er die<br />

Schuld keineswegs ungestraft lassen wird (2.Mo.<br />

34,7)? Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Was ist<br />

mit den Prinzipien <strong>des</strong> göttlichen Rechts?<br />

Es ist wohl wahr, dass Sünde gesühnt werden<br />

muss. Denke keinen Augenblick lang, dass Gott<br />

einfach wegschaut, wenn Er die Sünde vergibt,<br />

und so tut, als sei sie nicht geschehen. Allerdings<br />

kann kein Sünder jemals in vollem Maße seine<br />

eigene Sünde wiedergutmachen, und <strong>des</strong>halb<br />

betont die Bibel so häufig die Notwendigkeit eines<br />

Stellvertreters. Das Alte Testament veranschaulicht<br />

die Notwendigkeit und verheißt, dass<br />

Gott ein zweckmäßiges Opfer bereitstellen wird<br />

(1.Mo. 3,15; 22,7-8; Jes. 53,1-12). Das Neue Testament<br />

berichtet uns von der Erfüllung dieser Verheißung.<br />

Gott wurde in der Person von Jesus Christus<br />

ein Mensch, der ein Stellvertreter für die Gläubigen<br />

geworden ist. Das erklärt Paulus den Christen<br />

in seinen Briefen.<br />

»Der Lohn der Sünde ist der Tod; aber die Gnadengabe<br />

Gottes ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserem<br />

Herrn« (Röm. 6,23).<br />

»… Christus Jesus …, der, als Er in der Gestalt Gottes<br />

war, es nicht wie einen Raub festhielt, Gott gleich<br />

zu sein; sondern Er entäußerte sich Selbst, nahm die<br />

Gestalt eines Knechtes an und wurde wie die Menschen;<br />

und in Seiner äußeren Erscheinung als ein<br />

Mensch erfunden, erniedrigte Er sich Selbst und<br />

wurde gehorsam bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz«<br />

(Phil. 2,5-8).<br />

»Christus hat uns losgekauft von dem Fluch <strong>des</strong> Gesetzes,<br />

indem Er ein Fluch wurde um unsertwillen«<br />

(Gal. 3,13).<br />

»Denn [Gott] hat Den, der von keiner Sünde wusste,<br />

für uns zur Sünde gemacht, damit wir in Ihm [zur]<br />

Gerechtigkeit Gottes würden« (2.Kor. 5,21).<br />

Während es jeder von uns verdient, für seine<br />

Sünde zu sterben und die Ewigkeit getrennt<br />

von Gott zuzubringen – eine Existenz, die Jesus<br />

als unerträglich elend und leidgetränkt<br />

beschrieb (Mt. 13,41-50; Lk. 16,23-24) –, erduldete<br />

der Sohn Gottes für uns Kinder Gottes<br />

die Strafe. Weil Jesus als unser Stellvertreter<br />

die Strafe für die Sünde bezahlte,<br />

kann uns unser himmlischer Vater völlige<br />

Vergebung für die Sünde gewähren, ohne die<br />

Gerechtigkeit zurückzustellen oder Seine eigene<br />

völlig gerechte Natur zu verleugnen.<br />

Entnommen aus dem Buch<br />

»Gnade für dich«.<br />

8,90 €<br />

Bestell-Nr.:<br />

875.260<br />

88 Seiten<br />

Softcover-Bindung<br />

Klappenbroschur<br />

Goldprägung<br />

2-farbige<br />

Innenseiten<br />

16 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


John Flavel<br />

Behüte dein Herz –<br />

Was es bedeutet und beinhaltet<br />

Das Behüten <strong>des</strong> Herzens setzt notwendigerweise<br />

das Werk der Neugeburt voraus,<br />

wodurch das Herz erneuert wird.<br />

Es neigt sich daraufhin den geistlichen Belangen<br />

zu. Solange die Gesinnung <strong>des</strong> Herzens nicht<br />

durch die Gnade erneuert ist, kann es durch kein<br />

anderes Mittel in der richtigen Beziehung zu<br />

Gott stehen. Das nicht erneuerte Herz vertraut<br />

auf sich selbst; das eigene »Ich« beeinflusst alle<br />

Absichten und Handlungen. Und solange es sich<br />

so verhält, ist es unmöglich, das Herz durch äußeres<br />

Eingreifen nahe bei Gott zu halten.<br />

Ursprünglich besaß der Mensch eine beständig<br />

gleichbleibende Geistesgesinnung; er hielt<br />

sich auf einem ebenen und geraden Weg. Nicht<br />

ein einziger Gedanke oder ein Lebensbereich war<br />

fehlgeordnet. Sein Verstand verfügte über die<br />

vollkommene Kenntnis der Anordnungen Gottes,<br />

und sein Wille stimmte mit diesen völlig überein.<br />

Sein ganzes Begehren und seine <strong>Kraft</strong> ordneten<br />

sich ihnen im Gehorsam vollkommen unter.<br />

Aufgrund <strong>des</strong> Sündenfalls wurde der Mensch<br />

ein fehlgeleitetes und rebellisches Wesen, das<br />

sich mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit seinem<br />

Schöpfer, ja seinem eigenen Ursprung widersetzt.<br />

Durch seine Eigenliebe stellt er sich<br />

seinem Schöpfer, dem höchsten Gut, entgegen.<br />

Durch seinen Eigenwillen richtet er sich gegen<br />

seinen Schöpfer, den höchsten Herrn. Und durch<br />

die Selbstsucht wendet er sich gegen seinen<br />

Schöpfer, das letztgültige Ziel.<br />

Daher ist er vollkommen fehlgeleitet, und all<br />

seine Handlungen sind sprunghaft. Aber durch<br />

die Neugeburt – die Geburt von oben – erlangt die<br />

verirrte Seele wieder Klarheit. <strong>Die</strong>se großartige<br />

Veränderung ist – wie die Schrift es nennt – die<br />

Wiederherstellung der Seele nach dem Ebenbild<br />

Gottes. Nun wird der Wunsch nach Unabhängigkeit<br />

durch den Glauben, die Eigenliebe durch<br />

Unterordnung und Gehorsam gegenüber dem<br />

Willen Gottes und die Selbstsucht durch Selbstverleugnung<br />

ersetzt. Der verfinsterte Verstand<br />

wird erleuchtet, der Widerstand wird auf liebliche<br />

Weise bezwungen und das rebellische Verlangen<br />

allmählich überwunden. Auf diese Weise<br />

wird die Seele, die aufgrund der Sünde gänzlich<br />

verdorben war, durch die Gnade erneuert.<br />

Ist diese Voraussetzung gegeben, so können<br />

wir verstehen, was es bedeutet, das Herz zu behüten.<br />

Es beinhaltet nichts anderes, als dass der<br />

erneuerte Mensch seine Seele durch beständige<br />

Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit in diesem heiligen<br />

Zustand bewahrt, zu dem die Gnade ihn erhoben<br />

hat. Denn obgleich die Gnade die Seele in<br />

hohem Maß gebessert und ihr eine himmlische<br />

Gesinnung verliehen hat, so bringt die Sünde sie<br />

tatsächlich oftmals wieder aus der Fassung.<br />

Ein begnadigtes Herz ist wie eine Violine.<br />

Selbst wenn sie richtig gestimmt ist, kann eine<br />

kleine Störung sie wieder verstimmen. Ja, legt<br />

ihr sie nur einmal kurz zur Seite, so muss sie<br />

wieder gestimmt werden, bevor ihr das nächste<br />

voiceofhope.de | 17


Lied darauf spielen könnt. Treten nun begnadigte<br />

Herzen an eine Pflicht mit der wünschenswerten<br />

Gesinnung heran, so können sie dennoch<br />

eine andere Pflicht träge, gefühllos und schwerfällig<br />

ausüben! »Wenn du nun dein Herz fest ausrichtest<br />

und zu Ihm deine Hände ausstreckst, …« (Hi. 11,13).<br />

Das Herz zu behüten bedeutet ganz einfach, es<br />

sorgfältig vor der Sünde zu bewahren, die es<br />

verwirrt, und es in einem geistlichen Zustand<br />

aufrechtzuerhalten, der es fähig macht, in Gemeinschaft<br />

mit Gott zu leben. Damit gehen sechs<br />

besondere Aufgaben einher:<br />

1. HÄUFIGES BEOBACHTEN DER<br />

GESINNUNG DES HERZENS<br />

Fleischlich gesinnte Menschen, die sich auf äußere<br />

Formen konzentrieren, schenken ihrer inneren<br />

Gesinnung keine Beachtung. Man kann<br />

sie nicht dazu bringen, mit ihrem eigenen Herzen<br />

Zwiesprache zu halten. Manche Leute leben<br />

schon vierzig oder fünfzig Jahre in dieser Welt,<br />

ohne jemals eine Stunde mit ihrem eigenen Herzen<br />

geredet zu haben. Es ist schwierig, einen<br />

Menschen mit sich selbst zu konfrontieren, um<br />

diese Aufgabe zu vollbringen.<br />

Doch Heilige wissen, dass diese Selbstgespräche<br />

sehr heilsam sind. Sogar Heiden sagten:<br />

»<strong>Die</strong> Seele wird weise, wenn man still und ruhig<br />

wird.« Obwohl bankrotte Leute keinen Blick in<br />

ihren Kontostand werfen, so wissen aufrichtige<br />

Herzen sehr wohl, ob sie Fortschritte oder Rückschritte<br />

machen. »Ich sinne in meinem Herzen nach«,<br />

schrieb David (Ps. 77,7). Das Herz kann niemals<br />

behütet werden, solange seine Absichten noch<br />

nicht geprüft und erkannt wurden.<br />

2. TIEFE DEMÜTIGUNG<br />

Das Behüten <strong>des</strong> Herzens beinhaltet eine tiefe<br />

Demütigung über seine Bosheit und Verirrungen.<br />

Wegen <strong>des</strong> Stolzes in seinem Herzen demütigte<br />

Hiskia sich (2.Chr. 32,26). Salomo betete<br />

zum Herrn vor dem Volk: »… wenn irgendeine Plage<br />

… auftritt, was immer dann irgendein Mensch von<br />

Deinem ganzen Volk Israel bittet und fleht, wenn jeder<br />

von ihnen die Plage seines Herzens erkennen wird, und<br />

sie ihre Hände ausbreiten zu diesem Haus hin, so höre<br />

Du es …« (1.Kö. 8,37-39). Das Volk sollte seine Hände<br />

im Gebet zu Gott erheben, wenn es die Plage<br />

seines eigenen Herzens erkannte. Aus diesem<br />

Grund wurde so manches aufrichtige Herz vor<br />

Gott gedemütigt, sodass es seufzte: »Oh, welch<br />

ein Herz habe ich doch!«<br />

Solche Menschen weisen auf ihr Herz hin,<br />

die schmerzende Stelle, und bekennen: »Herr,<br />

hier ist die offene Wunde, hier ist die Plage, der<br />

Schmerz.« Ein gut behütetes Herz verhält sich<br />

wie das Auge: Gelangt ein winziges Staubkorn<br />

hinein, hört es nicht auf zu blinzeln und zu tränen,<br />

bis es dieses herausgeweint hat. So kommt<br />

auch ein aufrichtiges Herz nicht zur Ruhe, bis es<br />

seinen Kummer und seine Klagen vor dem Herrn<br />

ausgeschüttet hat.<br />

3. ERNSTHAFTES FLEHEN UND<br />

UNVERZÜGLICHES GEBET<br />

Das Behüten <strong>des</strong> Herzens besteht auch aus<br />

ernsthaftem Flehen und unverzüglichem Gebet<br />

um reinigende und wiederherstellende Gnade,<br />

wenn die Sünde das Herz beschmutzt und verwirrt<br />

hat. »Verfehlungen – wer erkennt sie? Sprich<br />

mich los von denen, die verborgen sind!« (Ps. 19,13).<br />

»Richte mein Herz auf das eine, dass ich Deinen Namen<br />

fürchte!« (Ps. 86,11).<br />

Für wahre Christen gibt es immer viele solcher<br />

Bitten, die sie vor den Thron der Gnade Gottes<br />

bringen. Um diese Nöte flehen sie Gott am<br />

meisten an. Beim Flehen um rein äußere Gnadenerweise<br />

kann ihr Geist vielleicht nachlässig<br />

werden. Doch wenn es um die Belange <strong>des</strong> Herzens<br />

geht, dann strengen sie ihren Geist bis zum<br />

Äußersten an, sie bringen viele Argumente vor,<br />

weinen und flehen: »Oh, ich muss um ein besseres<br />

Herz bitten! Oh, ein Herz, das Gott mehr<br />

18 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


liebt, das die Sünde mehr hasst, das treuer in der<br />

Gemeinschaft mit Gott wandelt. Herr, verweigere<br />

mir ein solches Herz nicht, auch wenn Du mir<br />

vieles andere vorenthältst. Gib mir ein Herz, das<br />

Dich fürchtet, Dich liebt und seine Freude in Dir<br />

findet, auch wenn ich fern von meinen zerstörten<br />

Wohnungen nach Brot suchen muss« (vgl. Ps<br />

109,10).<br />

Von einem treuen Christen wird Folgen<strong>des</strong><br />

berichtet: Wenn er sich seine Sünde eingestand,<br />

wollte er nicht aufhören, sie zu bekennen, bis<br />

es ihm klar wurde, dass sein Herz wegen dieser<br />

Sünde endlich zerbrochen war. Und wenn er im<br />

Verlangen nach einer geistlichen Gnadenerweisung<br />

ins Gebet ging, hörte er nicht auf zu bitten,<br />

bis er sozusagen einen Geschmack dieser Gnadenerweisung<br />

erlangt hatte.<br />

4. EIN FESTER ENTSCHLUSS<br />

UNSERERSEITS<br />

Das Behüten <strong>des</strong> Herzens beinhaltet den festen<br />

Entschluss unsererseits, gewissenhafter in der<br />

Gemeinschaft mit Gott zu wandeln und alle Gelegenheiten<br />

zu meiden, durch welche unser Herz<br />

zur Sünde verleitet wird. Wohlüberlegte Gelöbnisse<br />

und Vorsätze erweisen sich in mancher<br />

Hinsicht als sehr nützlich, um das Herz gegenüber<br />

einer bestimmten Sünde zu bewahren. »Ich<br />

hatte einen Bund geschlossen mit meinen Augen«, sagt<br />

Hiob (Hi. 31,1). Mithilfe dieser Maßnahme haben<br />

wahre Christen auf ihre Seelen eingewirkt und<br />

sich selbst vor Verunreinigung bewahrt.<br />

5. EIN DAUERNDES UND HEILI-<br />

GES, EIFERSÜCHTIGES WACHEN<br />

Beständig und eifersüchtig über sich selbst zu<br />

wachen, ist ein hervorragen<strong>des</strong> Mittel, das vor<br />

der Sünde schützt. Derjenige, der sein Herz behütet,<br />

muss die Augen seiner Seele gegenüber<br />

allen unmäßigen und turbulenten Gefühlsregungen<br />

wach und offen halten. Sobald die Neigungen<br />

hervorbrechen und die Leidenschaften<br />

erwachen, muss die Seele es bemerken und diese<br />

im Keim ersticken, bevor sie sich weiter erheben.<br />

»O meine Seele, machst du deine Sache gut?<br />

Ihr aber, meine aufgebrachten Gedanken und<br />

Leidenschaften, habt ihr etwa die Autorität erlangt?«<br />

»Wohl dem Menschen, der beständig in der Furcht<br />

[Gottes] bleibt« (Spr. 28,14). Denn diese Furcht <strong>des</strong><br />

Herrn bringt Menschen dazu, vom Bösen zu<br />

weichen, jede Trägheit abzuschütteln und sich<br />

selbst vor dem Unrecht zu bewahren. Derjenige,<br />

der sein Herz behüten möchte, muss mit heiliger<br />

Furcht essen und trinken, sich mit Furcht erfreuen<br />

(Ps. 2,11) und, solange er noch hier verweilt,<br />

jeden Augenblick in Furcht verbringen. All dies<br />

ist das Min<strong>des</strong>te, was wir tun können, um unser<br />

Herz vor der Sünde zu behüten.<br />

6. BEWUSSTSEIN DER<br />

GEGENWART GOTTES<br />

Das Behüten <strong>des</strong> Herzens schließt mit ein, sich<br />

der Gegenwart Gottes bewusst zu sein und allezeit<br />

den Herrn vor Augen zu haben. Viele Menschen<br />

haben erfahren, dass sich dies als eine<br />

mächtige Hilfe erweist, um ihre Herzen in Rechtschaffenheit<br />

zu bewahren und sich vor der Sünde<br />

zu fürchten. Ist das Auge unseres Glaubens<br />

auf das Auge der Allwissenheit Gottes gerichtet,<br />

dann wagen wir es nicht, unsere Gedanken und<br />

Neigungen zu Nichtigem abschweifen zu lassen.<br />

Der rechtschaffene Hiob wollte nicht, dass sich<br />

sein Herz auf unreine, nichtige Gedanken einließ.<br />

Was führte ihn zu einer derart besonderen<br />

Vorsicht? Er erklärt uns: »Sieht Er denn nicht meine<br />

Wege und zählt alle meine Schritte?« (Hi. 31,4).<br />

In solch besonderen Situationen zeigen begnadigte<br />

Seelen, wie sehr sie um ihre Herzen bemüht<br />

sind. Sie wenden viel Sorgfalt an, um zu<br />

verhindern, dass in Zeiten der Versuchung das<br />

verderbte Wesen sich selbst überlassen bleibt.<br />

Sie sind sorgsam bemüht, die Lieblichkeit und<br />

voiceofhope.de | 19


den Trost im Herzen zu erhalten, den sie von<br />

Gott im Ausüben jeder Pflicht erlangen. Darin<br />

besteht nun unsere Aufgabe; und von allen Aufgaben<br />

<strong>des</strong> Glaubens ist dies die schwierigste, beständigste<br />

und wichtigste Arbeit.<br />

Erstens ist es die schwierigste Arbeit. <strong>Die</strong> Arbeit<br />

am Herzen ist wahrhaft überaus mühevoll. Über<br />

Verpflichtungen <strong>des</strong> Glaubens mit einer lässigen<br />

und leichtsinnigen Geisteshaltung hinwegzusehen,<br />

erfordert keine große Anstrengung. Doch<br />

alle eitlen und nichtigen Gedanken, die innerlich<br />

aufsteigen, vor dem Herrn auszubreiten, um<br />

sie Seinem beständigen und ernsthaften Blick zu<br />

überlassen – das wird euch wohl sehr viel kosten.<br />

Es ist einfach, im Gebet sprachgewandt eure<br />

Anliegen in treffende und angemessene Ausdrücke<br />

zu kleiden. Doch wegen der Sünde ein zerbrochenes<br />

Herz zu haben, während ihr sie bekennt;<br />

von der freien Gnade überwältigt zu sein, während<br />

ihr Gott dafür preist; aufrichtig beschämt<br />

und gedemütigt zu sein, weil ihr die unendliche<br />

Heiligkeit Gottes erkennt, und euer Herz in dieser<br />

Gesinnung zu bewahren – sowohl während<br />

wie auch nach der Ausübung der Pflicht –, wird<br />

euch ganz gewiss einige Seufzer und Mühe der<br />

Seele kosten.<br />

<strong>Die</strong> äußeren Ausbrüche der Sünde zurückzudrängen<br />

und die äußeren Bereiche eures Lebens<br />

lobenswert zu gestalten, ist keine große Sache.<br />

Das können sogar fleischlich gesinnte Menschen<br />

aufgrund der Stärke ihrer allgemeinen Prinzipien.<br />

Doch die Wurzel der innewohnenden Verderbtheit<br />

abzutöten, die Herrschaft über eure<br />

Gedanken zu behalten und zu erhalten, das Herz<br />

rein und wohlgeordnet zu bewahren, das ist keine<br />

einfache Sache.<br />

Zweitens ist es eine beständige Arbeit. Das Behüten<br />

<strong>des</strong> Herzens ist eine Arbeit, die niemals vollendet<br />

ist, bis das Leben sein Ende findet. Keine<br />

Zeit und kein Umstand im Leben eines Christen<br />

wird eine Unterbrechung dieser Arbeit zulassen.<br />

Wir müssen immer über unser Herz wachen, so<br />

wie Mose seine Hand immer oben halten musste,<br />

während Israel gegen Amalek kämpfte. Sobald<br />

die Hand von Mose schwer wurde und sank,<br />

hatte Amalek die Oberhand. Das Wachen über<br />

das eigene Herz nur einige Minuten zu unterbrechen,<br />

kostet – wie bei David und Petrus – so<br />

manch traurigen Tag und kummervolle Nacht.<br />

Drittens ist es die wichtigste Arbeit im Leben eines<br />

Christen. Ohne diese Aufgabe beruht unser<br />

Glaube nur auf äußeren Formen. Unser ganzes<br />

Bekenntnis, unsere Gaben und Pflichten sind<br />

dann bedeutungslos. »Gib Mir, Mein Sohn, dein<br />

Herz« (Spr. 23,26), lautet die Forderung Gottes.<br />

Es gefällt Gott, wenn wir etwas als ein Geschenk<br />

erachten, das wir Ihm schuldig sind. Er<br />

legt Seine Herrlichkeit auf die Geschöpfe, um<br />

sie von ihnen als ein Geschenk wieder zu erhalten.<br />

Wird Ihm jedoch die Ehre nicht erwiesen,<br />

dann betrachtet Er auch nichts anderes als ein<br />

Geschenk, was immer wir Ihm geben könnten.<br />

Der Wert <strong>des</strong>sen, was wir vollbringen, ist gerade<br />

so hoch, wie unser Herz daran beteiligt ist. Im<br />

Hinblick auf unser Herz scheint Gott – wie einst<br />

Joseph von Benjamin – zu sagen: »Ihr sollt mein<br />

Angesicht nicht sehen, wenn euer Bruder nicht bei euch<br />

ist!« (1.Mo. 43,3).<br />

Wenn bei den Heiden ein Tier als Opfer geschlachtet<br />

wurde, prüfte der Priester zuallererst<br />

das Herz <strong>des</strong> Tieres. War es krank und wertlos,<br />

dann wurde das Opfer nicht angenommen. Gott<br />

weist alle Pflichterfüllung ab, die Ihm ohne Beteiligung<br />

<strong>des</strong> Herzens erwiesen wird (wie ruhmreich<br />

sie in manch anderer Hinsicht auch sein<br />

mag). Der Mensch, der eine Pflicht herzlos – oder<br />

achtlos – erfüllt, wird von Gott nicht mehr angenommen<br />

als jene Person, die sie mit geteiltem<br />

Herzen – nämlich heuchlerisch – erfüllt.<br />

Entnommen aus dem Buch »Behüte dein Herz«, 3L Verlag.<br />

20 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


Mission – Ukraine<br />

Eine Reise in die<br />

KRIEGSGEBIETE<br />

voiceofhope.de | 21


Bis unters Dach beladen machen wir uns<br />

mit zwei Transportern von Deutschland<br />

aus auf den Weg Richtung Osten. Unser<br />

Reiseziel: die Ukraine. Vorher gibt es noch einen<br />

Zwischenstopp in Rumänien, wo wir zwei weitere<br />

voll beladene Transporter mitnehmen. Es ist<br />

eine Reise auf eigene Gefahr, in dem Bewusstsein,<br />

dass wir vielleicht nicht mehr zurückkommen<br />

werden.<br />

RUSSLAND-UKRAINE-KRIEG<br />

Schon seit mehr als 19 Monaten herrscht Krieg<br />

in der Ukraine. Tausende Menschen haben in<br />

dieser Zeit mit wenigen Habseligkeiten ihre Heimat<br />

verlassen, um dem Tod und der Zerstörung<br />

zu entfliehen. <strong>Die</strong>jenigen, die im Kriegsgebiet<br />

wohnen und trotz <strong>des</strong> Krieges geblieben sind, leben<br />

in großer Gefahr und haben zudem täglich<br />

das Ausmaß der Zerstörung vor Augen. Ruinen,<br />

kaputte Straßen, klaffende Krater von Einschlägen,<br />

zerstörte Brücken.<br />

Viele Städte und Dörfer sind nahezu menschenleer;<br />

die Häuser sind zum Teil völlig zerstört<br />

oder einsturzgefährdet und damit nicht<br />

mehr bewohnbar. Zahlreiche Menschen mussten<br />

ihre Häuser verlassen und leben nun in Bunkern<br />

oder in Erdlöchern, die den Menschen vor<br />

dem Krieg als Keller dienten.<br />

Sie sind auf die Wasser- und Nahrungsversorgung<br />

durch andere angewiesen. Ihre Habseligkeiten<br />

beschränken sich auf das Nötigste.<br />

Auch mit Luftangriffen müssen sie immer wieder<br />

rechnen. Ihr Leben ist von Angst, Sorge und<br />

Armut erfüllt.<br />

Viele fragen sich: Wo ist Gott? Warum greift Er<br />

nicht ein? Warum lässt Er so viel Not und Zerstörung<br />

zu?<br />

Nun, Gott ist da. Er schaut nicht etwa nur zu<br />

– als ob Er untätig oder gar machtlos wäre. Er ist<br />

ein souveräner Gott, der zu jeder Zeit aktiv handelt.<br />

Vielleicht erkennen wir Sein Handeln nicht,<br />

doch eines ist klar: Gott handelt niemals ungerecht.<br />

Und Er wird verherrlicht werden, sei es<br />

durch Segen und Rettung, sei es durch Gericht!<br />

Betest du dafür, dass Gott Seinen Namen in<br />

der Ukraine groß macht? Z. B. indem Er Seine<br />

Gemeinde dort im Glauben stärkt und ihr und<br />

durch sie Seine Güte erweist? Vor allem, dass die<br />

Menschen in der Ukraine erkennen, dass es<br />

einen lebendigen Gott gibt, der sagt:<br />

22 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


»Ich habe kein Gefallen am Tod <strong>des</strong> Gottlosen, sondern<br />

daran, dass der Gottlose umkehre von seinem Weg und<br />

lebe!« (Hesekiel 33,11).<br />

HILFE IN DER NOT<br />

Inmitten dieser schweren und trostlosen Lage<br />

dürfen die Menschen dort die Liebe unseres<br />

Herrn erfahren. Einige Gemeinden in der Ukraine<br />

haben diese Situation als offene Tür und Auftrag<br />

vom Herrn erkannt und es sich zur Aufgabe<br />

gemacht, die Leute im Kriegsgebiet zu unterstützen.<br />

Hauptsächlich junge Geschwister dieser Gemeinden<br />

packen tatkräftig zu, um die vom Krieg<br />

Betroffenen mit unterschiedlichsten Hilfsgütern<br />

zu versorgen – und ihnen das Wertvollste und<br />

einzige wirklich Hoffnung-Spendende zu geben,<br />

was es gibt: das Evangelium.<br />

<strong>Die</strong> Mittel dafür erhalten sie aus vielen Quellen:<br />

Einzelne Christen, aber auch Gemeinden<br />

und christliche Organisationen beteiligen sich<br />

an dieser Arbeit. Sie spenden Wasser, Decken,<br />

Kissen, Matratzen, Kochgeschirr, Rollstühle,<br />

Medikamente, Wundversorgungsmaterial<br />

und Weiteres zur medizinischen Versorgung,<br />

Kleidung, Nudeln, Reis, Fertiggerichte, Snacks,<br />

Schokolade, Süßigkeiten und vieles mehr.<br />

<strong>Die</strong>se Hilfsgüter werden an vielen<br />

Orten und in mehreren Ländern<br />

gesammelt und von Brüdern<br />

mit Transportern in die Ukraine<br />

gebracht, um den Bedürftigen<br />

dort zu helfen.<br />

Anfang März 2022 haben wir uns die Frage gestellt,<br />

wie wir den Ukrainern in dieser so unsicheren<br />

und lebensbedrohlichen Zeit das Evangelium<br />

bringen können, das die <strong>Kraft</strong> hat, Menschen<br />

vor dem zu erretten, das schlimmer ist als der<br />

grausamste Krieg – vor der ewigen Verdammnis<br />

und Gottesferne. Der Herr gab uns in Seiner<br />

Gnade die Möglichkeit, über 70.000 evangelistische<br />

Broschüren und mehr als 10.000 Bibeln<br />

unter den Kriegsflüchtlingen in Deutschland zu<br />

verbreiten und in die Ukraine zu bringen. Wir<br />

dürfen unsere Glaubensgeschwister unterstützen,<br />

die sich der Verkündigung <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />

vor Ort verpflichtet haben.<br />

Wir danken dem Herrn, dass Er alles so wunderbar<br />

gefügt und uns dies ermöglicht hat!<br />

WAS MENSCHEN<br />

WIRKLICH BRAUCHEN<br />

<strong>Die</strong> Menschen in der Ukraine denken und sprechen<br />

heute ganz anders über das Leben und den<br />

Tod, als sie es vor dem Krieg getan haben. <strong>Die</strong><br />

meisten sind sich der Vergänglichkeit <strong>des</strong> Lebens<br />

bewusster als je zuvor. Viele stellen sich die Frage<br />

nach dem Sinn <strong>des</strong> Lebens. Umso wichtiger<br />

ist es, dass sie von der Hoffnung hören, die über<br />

dieses Leben hinausgeht: von Jesus Christus, der<br />

sie von ihren Sünden und der ewigen Verdammnis<br />

erretten kann.<br />

Alle Hilfsgüter können nur ihre leiblichen Bedürfnisse<br />

erfüllen, aber niemals ihre Seele. Nur<br />

Gott kann die Leere in ihnen ausfüllen. Wenn<br />

sie alles hätten, was sie sich wünschen, wäre es<br />

voiceofhope.de | 23


nichts, solange ihnen das Eine fehlt, worum es<br />

im Leben eigentlich geht. Wenn du Jesus nicht<br />

hast – als deinen Retter, als deine einzige Hoffnung<br />

im Leben und im Sterben, als deinen wertvollsten<br />

Schatz, als deinen Herrn –, dann fehlt<br />

dir das, worum es im Leben geht.<br />

Was bringt es den Menschen, wenn wir ihnen<br />

helfen, ihnen Nahrungsmittel und andere<br />

Hilfsgüter bringen und wenn sie vielleicht sogar<br />

den ganzen Krieg überleben, aber dann weiter in<br />

ihren Sünden leben und sterben?! <strong>Die</strong>ses Leben<br />

ist so kurz! Im Vergleich zur Ewigkeit ist es noch<br />

nicht einmal ein Schatten.<br />

Deshalb wünschen wir uns für dieses Volk<br />

nichts sehnlicher, als dass sie das Evangelium<br />

von Jesus Christus hören. Wir wünschen uns,<br />

dass die Güte <strong>des</strong> Herrn, die es möglich machte,<br />

all diese Hilfe ihnen zukommen zu lassen, ihre<br />

Herzen erweicht und sie zur Buße leitet.<br />

Und tatsächlich ist es so, dass Gemeindehäuser,<br />

die zuvor wie leergefegt waren, weil die<br />

meisten Christen in den Westen geflohen sind,<br />

wieder voll geworden sind, weil nun die Ungläubigen<br />

nach Hoffnung suchen – welch eine Gnade!<br />

Bete für die vielen Menschen, die Gott nicht<br />

kennen und nun das Evangelium hören dürfen!<br />

Bete für die Ausbreitung <strong>des</strong> Reiches Gottes in<br />

der Ukraine!<br />

UNSERE REISE<br />

DURCH DIE UKRAINE<br />

Als wir mit den vier Transportern nach einer<br />

Fahrt von etwa 2000 Kilometern – auf der wir<br />

kaum schlafen konnten – endlich am ersten Zielort<br />

unserer Reise ankamen, wurden wir von unseren<br />

Glaubensgeschwistern sehr freundlich<br />

aufgenommen.<br />

Man lud die vier Transporter aus und füllte<br />

sie neu. Von hier aus fuhren wir mit einheimischen<br />

Geschwistern durch die Ukraine bis in die<br />

Kriegsgebiete hinein.<br />

Während unsere Zeit dort legten wir mehrere<br />

Tausend Kilometer zurück. Unterwegs sahen wir<br />

schreckliche Bilder – Bilder der Zerstörung, der<br />

Grausamkeit und <strong>des</strong> To<strong>des</strong>. Wir sahen Soldaten,<br />

Militärkonvois, zerbombte Häuser, zerstörte<br />

Brücken und Straßen, verbrannte Panzer.<br />

Wenn jedoch ein Gebiet, beispielsweise wegen<br />

gesprengter Brücken, abgeschnitten und gar nicht<br />

mehr erreichbar ist, sind die Ukrainer schnell dabei,<br />

ein Provisorium zu bauen, damit auch die dort<br />

wohnenden Menschen versorgt werden können.<br />

<strong>Die</strong>s ist auch für die Arbeit der Gläubigen dort<br />

sehr nützlich und ein Grund, Gott zu danken.<br />

Unsere wichtigsten Ziele waren Gemeinden bzw.<br />

kleine Gruppen von Christen, um bei ihnen Güter<br />

zwischenzulagern, die in deren Umgebung<br />

benötigt wurden.<br />

24 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


<strong>Die</strong> Gläubigen haben eine Art Suppenküche<br />

im Freien eröffnet. Sie versorgen die Leute mit<br />

einer warmen Mahlzeit, geben ihnen Kleidung,<br />

Pflegeartikel und andere Dinge, die sie benötigen,<br />

verteilen Bibeln und evangelistische Schriften<br />

und nutzen diese Gelegenheiten, ihnen das<br />

Evangelium von Jesus Christus zu verkünden. Sie<br />

laden sie zum Gottesdienst ein und erzählen ihnen<br />

von dem Rettungsplan Gottes. Durch all die<br />

Not und all das Leid, die den Menschen in diesem<br />

Krieg begegnen, sind viele offen dafür, das Evangelium<br />

zu hören. Es lenkt ihren Blick weg von all<br />

der Trostlosigkeit, in der sie leben, hin zu Jesus<br />

Christus, dem Gekreuzigten, und es zeigt ihnen,<br />

dass nur Er wahre Hoffnung schenken kann.<br />

sie völlig erschöpft sind und nicht wissen, wie<br />

sie die Herausforderungen eines neuen Tages<br />

bewältigen können. Doch sie ermutigen sich gegenseitig,<br />

sehen die Not und werden von der Liebe<br />

zu Christus und zu ihrem Volk gedrängt. Betet<br />

für sie, liebe Geschwister!<br />

»Gnadenbeweise <strong>des</strong> HERRN sind’s, dass wir nicht<br />

gänzlich aufgerieben wurden, denn Seine Barmherzigkeit<br />

ist nicht zu Ende; sie ist jeden Morgen neu,<br />

und Deine Treue ist groß! Der HERR ist mein Teil!,<br />

spricht meine Seele; darum will ich auf Ihn hoffen.<br />

Der HERR ist gütig gegen die, welche auf Ihn hoffen,<br />

gegen die Seele, die nach Ihm sucht.«<br />

Klagelieder 3,22-25<br />

BETE FÜR DIE UKRAINE!<br />

Bete insbesondere für die Geschwister, die täglich<br />

in diesen <strong>Die</strong>nst involviert sind.<br />

Sie setzen ihre ganze Zeit für die Menschen<br />

ein, die Hilfe brauchen und das Evangelium<br />

noch nicht kennen. Sie fahren bereitwillig in<br />

Krisengebiete, um denen Hoffnung zu bringen,<br />

die sie schon längst aufgegeben haben. Gott wird<br />

es ihnen vergelten. Dessen sind wir gewiss.<br />

Viele Gegenden sind stark vermint, andere<br />

stehen unter Beschuss.<br />

Einige Geschwister haben in diesem <strong>Die</strong>nst<br />

für den Herrn ihr Leben gelassen, andere wurden<br />

schwer verwundet. Es gibt Zeiten, in denen<br />

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CHARLES H. SPURGEO N<br />

FREIE GNADE –<br />

ein Motiv für freies Geben<br />

26 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


Er Selbst aber,<br />

unser Herr Jesus Christus,<br />

und unser Gott und Vater,<br />

der uns geliebt hat und<br />

uns einen ewigen Trost<br />

und eine gute Hoffnung<br />

gegeben hat durch Gnade,<br />

Er tröste eure Herzen<br />

und stärke euch in<br />

jedem guten Wort<br />

und Werk!<br />

2. Thessalonicher 2,16-17<br />

<strong>Die</strong> Christen aus Thessalonich hatten in all<br />

ihren Verfolgungen und Bedrängnissen<br />

solch großen Glauben erwiesen, dass Paulus<br />

schrieb: »Sodass wir selbst uns im Hinblick auf euch rühmen<br />

in den Gemeinden Gottes wegen eures standhaften Ausharrens<br />

und eurer Glaubenstreue« (2.Thess. 1,4). Als hätten sie nicht<br />

schon von außen her genug Schwierigkeiten, erhoben<br />

sich auch noch in ihrer Mitte gewisse Lehrer, die hitzköpfig<br />

die Meinung vertraten, der Tag <strong>des</strong> Herrn stehe<br />

unmittelbar bevor. Das Kommen <strong>des</strong> Herrn ist die bedeutendste<br />

Hoffnung der wahren Gemeinde, und das<br />

Entstehen verkehrter Meinungen beweist, welch außergewöhnliche<br />

Macht der Irrtum besitzt, die Wahrheit<br />

zu vergiften und zu pervertieren, um damit unseren<br />

herrlichsten Trost völlig zu verdrehen und uns<br />

geistlich verwirren und beschweren zu können.<br />

So scheint es bei den Thessalonichern gewesen<br />

zu sein. Sie waren von geheimnisvollen Gerüchten<br />

durcheinandergebracht worden, die wahrscheinlich<br />

von den Zeloten unterstützt wurden und eine Fehlinterpretation<br />

der Wahrheiten waren, die der Apostel<br />

ihnen selbst in seinem ersten Brief mitgeteilt hatte.<br />

Es scheint, dass sie versucht waren, ihren normalen<br />

Lebensstil und sogar ihre Berufstätigkeit aufzugeben,<br />

weil die Welt angeblich schon so bald untergehen würde.<br />

Da diese Irrtümer unter den Gemeindemitgliedern<br />

Verwirrung auslösten, schrieb Paulus ihnen diesen<br />

zweiten Brief, um sie in der Wahrheit zu gründen und<br />

sie vor dem Bösen zu bewahren. Er selbst erkannte,<br />

wie äußerst wichtig es war, dass diese ehrbare Gemeinde<br />

Frieden habe und ihr kein Trost fehle, sowohl<br />

wegen ihrer harten Verfolgung als auch wegen ihrer<br />

internen Schwierigkeiten.<br />

WIE WICHTIG ES IST,<br />

DASS GLÄUBIGE TROST EMPFANGEN<br />

Wir dürfen nie meinen, es sei egal, ob wir zweifeln<br />

oder glauben, seufzen oder jubeln. Denn es macht sogar<br />

sehr viel aus. Jeder General weiß, dass weder die<br />

Anzahl der Soldaten noch deren Ausbildung Sieg in<br />

der Schlacht garantiert, wenn es ihnen innerlich nicht<br />

gut geht. Tapferkeit ist für Heldenmut von grundlegender<br />

Bedeutung. Das Wort <strong>des</strong> Herrn an Sein Volk<br />

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lautet immer: »Sei stark und mutig!« (Jos. 1,6). Er<br />

will, dass diejenigen, die Sein herrliches Evangelium<br />

kennen, ein gesegnetes Leben führen,<br />

sodass sie Ihm besser dienen können. Sagt nicht<br />

Sein Wort: »Freut euch im Herrn allezeit; abermals<br />

sage ich: Freut euch!« (Phil. 4,4)? Hat Er uns nicht<br />

den Tröster geschenkt, dass Er uns beständig<br />

tröste und ermutige? Gläubige, die mit Frieden<br />

und Freude erfüllt sind, bringen Seinem Namen<br />

viel mehr Ehre als solche, die niedergeschlagen<br />

und mutlos sind. »<strong>Die</strong> Freude am HERRN ist eure<br />

Stärke!« (Neh. 8,10), betonte Esra.<br />

Der Herr möchte, dass wir guten Mutes sind. Das<br />

ergibt sich allein schon daraus, dass die Verse in<br />

2. Thessalonicher 2,16-17 überhaupt niedergeschrieben<br />

wurden. Es ist der Wunsch eines inspirierten<br />

Mannes, mit dem er sich bittend auf den Herrn<br />

bezieht. Paulus schrieb dies unter der Leitung<br />

<strong>des</strong> Heiligen Geistes nieder: »Er Selbst aber, unser<br />

Herr Jesus Christus, und unser Gott und Vater, ... tröste<br />

eure Herzen und stärke euch in jedem guten Wort und<br />

Werk.« Gott will, dass alle Christen den Trost<br />

wertschätzen, so wie er von dem wertgeschätzt<br />

wurde, der die Herde Christi sehr liebte. Das gering<br />

zu achten, was der erfahrene Apostel der<br />

Heiden hochhielt, wäre wirklich überheblich<br />

von uns.<br />

Paulus drückt diesen Wunsch in einer tiefernsten<br />

Form aus, denn er schreibt: »Er Selbst<br />

aber, unser Herr Jesus Christus«. War die besondere<br />

Betonung der Person Christi mit den Worten<br />

»Er Selbst aber« nötig? Paulus legt einfach großen<br />

Wert auf den Wunsch, dass der Herr Jesus<br />

in Seiner eigenen Person und durch Seine eigene<br />

<strong>Kraft</strong> den Thessalonichern Trost geben möge.<br />

Handelt es sich dabei nicht um etwas sehr Gewichtiges,<br />

welches das Herz von Paulus so voller<br />

Ehrfurcht bitten ließ? Und damit nicht genug,<br />

denn er fährt fort: »… und unser Gott und Vater«. Es<br />

ist, als erfordere ihr Bedürfnis nach Ruhe (Kap.<br />

1,7), dass Gott der Vater Selbst das Werk ausführe,<br />

Sein Volk zu trösten. Kein anderer konnte<br />

ihnen den Trost spenden, den sie brauchten, als<br />

Gott allein.<br />

<strong>Die</strong>s ist nicht die einzige Stelle in dem Brief<br />

<strong>des</strong> Apostels, an der dieser Wunsch mit gleicher<br />

<strong>Kraft</strong> ausgedrückt wird: »Er aber, der Herr <strong>des</strong> Friedens,<br />

gebe euch den Frieden allezeit und auf alle Weise!«<br />

(2.Thess. 3,16). Ich weiß nicht, wie man in einen<br />

einzigen Satz einen stärkeren Wunsch hineinpressen<br />

könnte als den, dass sie Frieden erhalten<br />

sollten.<br />

Hier wird der Herr als »Herr <strong>des</strong> Friedens«<br />

bezeichnet, was all Seine göttliche Majestät<br />

und friedensstiftende Macht darstellt. Von<br />

dem Herrn <strong>des</strong> Friedens Selbst wird bittend erwünscht,<br />

Frieden zu geben, und das »allezeit«.<br />

Frieden in der Kühle <strong>des</strong> Abends ist nicht genug;<br />

der Friede wird zu jeder Tageszeit benötigt, an<br />

jedem Tag jeden Jahres und in jeder Lebensperiode,<br />

an jedem Ort und unter allen Umständen.<br />

<strong>Die</strong>sem Wunsch wird mit umfassenden Worten<br />

Ausdruck verliehen: »… gebe euch den Frieden allezeit<br />

und auf alle Weise«. Wenn nicht so, dann anders,<br />

aber auf irgendeine Weise sollt ihr euch<br />

an dem Frieden <strong>des</strong> Herrn erfreuen, den nur Er<br />

Selbst schaffen kann.<br />

Solch ein Segenswunsch wäre nicht in die<br />

Heilige Schrift eingegangen, bestände nicht äußerste<br />

Wichtigkeit darin, uns an diesem Herzensfrieden<br />

zu erfreuen.<br />

Ein kleiner Hinweis von Paulus gibt den Grund<br />

für diese außerordentliche Notwendigkeit. Denn<br />

mit den Worten »tröste eure Herzen« lässt er<br />

uns erkennen, dass dies ein lebenswichtiger Segen<br />

ist, weil er das Herz <strong>des</strong> Christen beeinflusst. Es ist<br />

wunderbar, einen gesunden Leib zu haben; aber<br />

was bedeutet das, verglichen mit einem gesunden<br />

Geist und Herzen?<br />

Unter einer Krankheit <strong>des</strong> Herzens leidet der<br />

ganze Mensch. <strong>Die</strong> ganze Menschheit hängt vom<br />

Zustand ihres Herzens ab; umso notwendiger ist<br />

also der Trost und umso wertvoller die Aufforderung:<br />

»Sei stark, und dein Herz fasse Mut …!« (Ps.<br />

27,14). Es ist ein Unglück, wenn die ursprüngliche<br />

Antriebskraft zu einer Tat schwindet und der<br />

Mut sinkt. »Ein männlicher Mut erträgt sein Leiden,<br />

wer aber kann einen niedergeschlagenen Geist aufrich-<br />

28 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


ten?« (Spr. 18,14). Wenn jemand im Geist bedrückt<br />

ist und den Mut sinken lässt, dringt das Wasser<br />

ein, bis an die Seele (Ps. 69,2). Deshalb sagte unser<br />

Herr zu Seinen Jüngern: »Euer Herz erschrecke<br />

nicht! Glaubt an Gott und glaubt an Mich!« (Joh. 14,1).<br />

Nur der Glaube hält das Herz aufrecht und macht<br />

es dem Menschen möglich, Druck auszuhalten.<br />

Der Kummer eines ungetrösteten Herzens<br />

beeinflusst die Taten <strong>des</strong> Menschen und vermindert<br />

seine ganze Lebenskraft. »Darum ›richtet wieder<br />

auf die schlaff gewordenen Hände und die erlahmten<br />

Knie‹« (Hebr. 12,12), indem ihr den Verzagten<br />

sagt: »Seid stark und mutig! Fürchtet euch nicht und<br />

erschreckt nicht …!« (2.Chr. 32,7). Bitte darum, dass<br />

sich dein Herz in Gott freuen möge; denn dann<br />

können die Unebenheiten <strong>des</strong> Weges und die Unwetter<br />

in den Hintergrund treten.<br />

<strong>Die</strong>se notwendige Herzenszuversicht beugt auch<br />

der Ungeduld sowie anderen Übeln vor. Möglicherweise<br />

war es der Mangel an Trost, der bestimmte<br />

Thessalonicher dazu verführte, zu verkündigen,<br />

das Kommen ihres Herrn stehe schon unmittelbar<br />

bevor. Vielleicht hat ihre Ungeduld diesen<br />

Wunsch geweckt, und sie hatten es <strong>des</strong>halb behauptet.<br />

Wenn Menschen den gegenwärtigen<br />

Trost der einfachen Lehren <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />

verlieren, ist es gut möglich, dass sie anfangen<br />

zu spekulieren und Behauptungen aufzustellen,<br />

besonders bezüglich <strong>des</strong> Kommens <strong>des</strong> Herrn.<br />

Um einer fieberhaften prophetischen Erwartungshaltung<br />

willen, zu der das Wort Gottes keineswegs<br />

ermutigt, haben sie das geduldige Warten<br />

aufgegeben, das unsere Pflicht ist.<br />

Beachte, dass der Apostel ihnen in Kapitel 3<br />

sagt: »Der Herr aber lenke eure Herzen zu der Liebe<br />

Gottes und zum standhaften Ausharren <strong>des</strong> Christus!«<br />

(V. 5). Niemand wartet geduldig, wenn er niedergeschlagen<br />

und bedrückt ist. Wenn alles in Aufruhr<br />

ist, unsere Hoffnung schwächer wird, unsere<br />

Gemeinschaft zerbrochen ist und unser Eifer<br />

auf Sparflamme brennt, dann öffnen wir uns für<br />

alles, was den Kampf scheinbar beendet und uns<br />

befähigt, weitere Anstrengungen zu vermeiden.<br />

Viele rufen aus Trägheit und Mutlosigkeit: »Warum<br />

kommt sein Streitwagen so lange nicht?« (Ri. 5,28).<br />

Du denkst, die Zeit und das Leben zieht sich zu<br />

lange hinaus, denn du bist dort nicht glücklich,<br />

wo dich der Herr hingestellt hat, und wartest<br />

nur darauf, endlich vom Arbeitsfeld in die Ruhekammer<br />

eilen zu können. Aber das geht nicht!<br />

Wir brauchen Trost, damit wir geduldig weiterarbeiten<br />

können, wie lange auch immer das<br />

Leben dauert und sich die Zeit bis zum Kommen<br />

unseres Herrn dahinziehen mag. Wenn wir ungeduldig<br />

werden, stürzen wir uns vielleicht in<br />

fanatische Handlungen, wie damals die Thessalonicher.<br />

Im Glauben, dass der Herr jetzt käme,<br />

verließen sie ihre täglichen Verantwortlichkeiten<br />

und wurden zu von Haus zu Haus ziehenden<br />

Wichtigtuern, die auf Kosten anderer Leute lebten,<br />

welche nicht vorzugeben versuchten, ganz<br />

so geistlich zu sein. Sie hingegen hatten praktisch<br />

ihren Blick zu den Sternen gewandt, indem<br />

sie mit offenem Mund und zum Himmel gerichteten<br />

Augen die Wiederkunft <strong>des</strong> Herrn erwarteten<br />

und dabei große Gefahr liefen, in eine Grube<br />

zu fallen. Paulus gebot ihnen <strong>des</strong>halb, zu arbeiten<br />

und ihr eigenes Brot zu verdienen. Wenn sie<br />

das hingegen unterließen, sollten die anderen<br />

keine Gemeinschaft mehr mit ihnen pflegen<br />

(2.Thess. 3,12.14).<br />

Wenn du den Tag <strong>des</strong> Herrn ungeduldig erwartest,<br />

dann bete ich darum, dass dein Herz getröstet<br />

und beruhigt werde. Geh deiner täglichen<br />

Arbeit nach, als käme Christus noch lange<br />

nicht; denn wenn Er dann kommt, wirst du in<br />

deiner Arbeit stehend, zu der du berufen bist,<br />

<strong>des</strong>to vorbereiteter weggenommen, um Ihm zu<br />

begegnen. Auch dann, wenn ich wüsste, dass<br />

der Herr morgen käme, würde ich heute meinen<br />

gewöhnlichen Pflichten nachgehen und sie<br />

nicht vernachlässigen, indem ich am Fenster<br />

stehe und nach dem Wunder Seiner Wiederkunft<br />

Ausschau halte. Ob der Meister morgen<br />

oder in tausend Jahren kommt – du verhältst<br />

dich immer am besten, wenn du in der Furcht<br />

<strong>des</strong> Herrn und um Seines Namens willen deiner<br />

Berufung folgst.<br />

voiceofhope.de | 29


Das Wissen darum, dass Er vielleicht bald<br />

kommen und uns an der Arbeit finden werde,<br />

sollte uns dazu bringen, diese umso besser<br />

auszurichten; aber wir dürfen unsere Pflicht<br />

nicht unter dem Vorwand Seiner baldigen Erscheinung<br />

vernachlässigen. Sei dir darüber im<br />

Klaren: Wenn dein Herz nicht bei Christus ist,<br />

wirst du nicht gewissenhaft mit deiner Arbeit<br />

fortfahren. Du wirst dieser und jener Neuigkeit<br />

und Idee nachlaufen, wenn deine Seele nicht<br />

in Christus ruht. Darum verstehen wir, warum<br />

Paulus in seinem Wunsch für die Thessalonicher<br />

so besorgt war.<br />

Ich bin sicher, dass dieser Trost zusätzlich äußerst<br />

erstrebenswert ist, denn er bringt Frucht<br />

hervor. <strong>Die</strong>s bedeutet noch mehr als ein zarter<br />

Hinweis <strong>des</strong> Apostels: »Er tröste eure Herzen und<br />

stärke euch in allem guten Wort und Werk.« Wenn<br />

wir nicht glücklich sind im Herrn, dann geben<br />

wir uns nicht von Herzen zu Seinem <strong>Die</strong>nst hin.<br />

Wir werden ungeduldig und benötigen dann die<br />

nachfolgende Ermahnung: »Ihr aber, Brüder, werdet<br />

nicht müde, Gutes zu tun!« (2.Thess. 3,13).<br />

Wenn wir wissen, dass wir zu Jesus gehören,<br />

dass uns alles zum Besten dient (Röm. 8,28) und<br />

dass aufgrund Seines unerschütterlichen Bun<strong>des</strong><br />

die ewige Herrlichkeit unser ist, dann bewegt<br />

uns die Dankbarkeit zu völliger Hingabe,<br />

denn die Liebe <strong>des</strong> Christus drängt uns (2.Kor.<br />

5,14). Zweifel und Ängste halten uns vom Werk<br />

<strong>des</strong> Meisters ab; aber wenn Er uns Ruhe schenkt,<br />

nehmen wir Sein Joch fröhlich auf uns und finden<br />

darin noch mehr Ruhe für unsere Seelen<br />

(Mt. 11,29-30). Wenn unser Herz singt, dann<br />

rühren sich unsere Hände, und wir können gar<br />

nicht genug für unseren Herrn und Erlöser tun.<br />

So stehen wir fest in unserer Arbeit und tun sie<br />

gern, so lange, bis Der kommt, der sagen wird:<br />

»Recht so, du guter und treuer Knecht! ... geh ein zur<br />

Freude deines Herrn!« (Mt. 25,23).<br />

Alles läuft darauf hinaus. Wir, die wir von<br />

Natur aus mutlos sind, dürfen keinen depressiven<br />

Gedanken Raum geben. Wir müssen zu Gott<br />

rufen, dass Er uns durch den göttlichen Tröster<br />

aufhilft, und müssen danach streben, fröhliche<br />

Christen zu sein. Wir haben eine Fülle von Gründen<br />

zum Fröhlichsein, denn Er Selbst, der Vater,<br />

hat uns lieb und hat uns einen ewigen Trost gegeben<br />

in Jesus Christus (Joh. 16,27; 2.Thess. 2,16).<br />

Wir wollen nicht so unklug und undankbar sein,<br />

diese Tröstungen <strong>des</strong> Geistes zu missachten.<br />

Wenn die Quelle so frei am Fließen ist, warum<br />

sollten wir dann durstig sein?<br />

Wenn wir mit bedrückter Miene herumlaufen,<br />

können wir die Schwachen in der Familie<br />

Gottes belasten und den Bazillus der Depression<br />

verbreiten. Wenn es sein muss, dann tragen wir<br />

ein Trauergewand um die Lenden; aber wir wollen<br />

damit nicht jedem vor dem Gesicht herumwedeln,<br />

damit wir dem Volk <strong>des</strong> Herrn keinen<br />

Anstoß geben. Geht nicht klar aus dem Wort hervor,<br />

dass wir Schaden erleiden, wenn wir Sorge<br />

und Verzweiflung zulassen? Wird es nicht deutlich,<br />

dass wir für den <strong>Die</strong>nst unseres Herrn gestärkt,<br />

ausgerüstet und zubereitet werden, wenn<br />

wir stark sind im Herrn und in der <strong>Kraft</strong> Seiner<br />

Stärke? Lasst uns <strong>des</strong>halb mit aller Ernsthaftigkeit<br />

dem Herrn unseren Wunsch zuflüstern,<br />

dass Sein ewiger Trost unseren Geist bereichern<br />

möge, und dass jetzt momentan unsere Herzen<br />

getröstet werden mögen.<br />

DER TROST DES EVANGELIUMS<br />

WIRD FREI GESCHENKT<br />

»Er Selbst aber, unser Herr Jesus Christus, und unser<br />

Gott und Vater, der uns geliebt hat und uns einen ewigen<br />

Trost und eine gute Hoffnung gegeben hat durch Gnade<br />

…« Merkt ihr, dass der Trost, den Gläubige erfahren,<br />

umsonst dargeboten wird? Er wird nämlich<br />

als Geschenk dargestellt. Ein altes Sprichwort drückt<br />

es ganz richtig aus: »Nichts ist freier als ein Geschenk.«<br />

Jeder Segen, den wir vom Herrn bekommen,<br />

kommt als Geschenk. Wir haben nichts verdient;<br />

was könnten wir also geben, um den Segen<br />

zu erwerben? Welches Werk könnten wir jemals<br />

verrichten, das uns ewige Tröstungen aus der<br />

Hand <strong>des</strong> großen Herrn verdienen könnte?<br />

30 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


Trost in Christus ist eine absolut freie Gabe der<br />

souveränen Gnade; denn der Herr hat das Recht<br />

zu handeln, wie Er will – aber sicherlich nicht<br />

um irgendeiner Sache willen, die wir getan hätten<br />

oder jemals tun könnten. Wenn du Trost<br />

oder Überwinderkraft in Gott fin<strong>des</strong>t, dann war<br />

es immer Gott, der dir deine heilige Freude geschenkt<br />

hat. <strong>Die</strong> Freiheit dieser Gabe ist in allen<br />

ihren Bereichen zu erkennen. Der Trost unseres<br />

Herrn ist absolut und allumfassend; aber er ist<br />

ebenso frei, wie er offensichtlich vollkommen<br />

ist. Er umfasst die Vergangenheit mit den herrlichen<br />

Worten: »… der uns geliebt hat«. Für die Gegenwart<br />

bereichert ihn uns die Wahrheit, dass Gott<br />

»uns einen ewigen Trost … gegeben hat«. Und für die<br />

Zukunft wird er mit dem Segen verherrlicht: »…<br />

und eine gute Hoffnung … durch Gnade«. Wir haben<br />

hier einen dreifachen Trost von unbeschreiblichem<br />

Wert.<br />

Er hat uns geliebt. Warum? Kommt, ihr Weisen,<br />

dringt in die uralten Zeiten vor und erklärt mir,<br />

warum Gott Seine Auserwählten liebte. Steht<br />

still und starrt, solange ihr wollt, in den ewigen<br />

Ratschluss; aber die einzige Antwort aus der erhabenen<br />

Herrlichkeit kommt von Jesu Lippen:<br />

»Ja, Vater, denn so ist es wohlgefällig gewesen vor Dir«<br />

(Mt. 11,26). Soll der König der Könige Seine Gunst<br />

nicht gewähren können, wie Er will und wem<br />

Er will? Er liebte uns »vor Grundlegung der Welt«<br />

(Eph. 1,4). Eine so vollkommene Liebe kann ihren<br />

Grund nicht in irgendetwas Menschlichem haben.<br />

Ewige Liebe ist eine Flamme, die sich selbst<br />

entzündet; sie borgt keinen Brennstoff, sondern<br />

lebt aus sich selbst. Er sagt: »Mit ewiger Liebe habe<br />

Ich dich geliebt; darum habe Ich dich zu Mir gezogen aus<br />

lauter Gnade« (Jer. 31,3).<br />

Warum es aber diese ewige Liebe gibt, das<br />

können wir nicht sagen. Durch göttliche Liebe<br />

leuchtet Gottes Herrlichkeit in der geheimnisvollen<br />

Vergangenheit, und ihr Licht ist wie ein<br />

kostbarer Edelstein, ja, wie ein Jaspis, klar wie<br />

Kristall. Früher sahen wir, wenn wir zurückblickten,<br />

das Dunkel unserer Schuld und den tiefen<br />

Abgrund, aus dem wir gekommen waren; jetzt<br />

aber erkennen wir einen hellen Gnadenstrom,<br />

der vom Thron Gottes und <strong>des</strong> Lammes ausgeht,<br />

und wir verfolgen ihn zurück bis zu der ewigen<br />

Bestimmung der Liebe und <strong>des</strong> Gnadenbun<strong>des</strong>.<br />

Blicke, so gut du kannst, in das unauslöschliche<br />

Licht; aber selbst mit dem Auge <strong>des</strong> Glaubens<br />

ist alles, was du in den vergangenen Zeiten<br />

ergründen kannst, die unvergleichliche Größe<br />

<strong>des</strong> Wortes LIEBE. Der Herr liebte uns von Ewigkeit<br />

her. Wie frei ist diese Liebe! Wie viel bleiben<br />

wir Ihm dafür schuldig! <strong>Die</strong> Vergangenheit ist<br />

erhellt von der Liebe – von Liebe, die ganz umsonst<br />

geschenkt ist.<br />

Für die Gegenwart hat Er uns einen ewigen Trost<br />

gegeben. Wir haben ihn jetzt. Wir haben die Vergebung<br />

unserer Sünde; uns wird die vollkommene<br />

Gerechtigkeit Christi angerechnet; wir haben<br />

Leben in Christus, eine Verbindung mit Christus<br />

– wir sind die Braut Christi. Wir werden mit<br />

Christus der Herrlichkeit teilhaftig sein; aber<br />

selbst schon jetzt haben wir eine Anzahlung davon<br />

im Geist, der in uns wohnt und ewig bei uns<br />

sein wird.<br />

All dies ist mit Sicherheit ein Geschenk. Wie<br />

könnte es anders sein?! Wenn du dies erkennst,<br />

dann lobe den Geber! All das wäre nie unser gewesen,<br />

wenn nicht freie Gnade und sterbende<br />

Liebe es uns gebracht hätten.<br />

Zur Zukunft: Was ist damit? <strong>Die</strong> Wolken ziehen<br />

dunkel herauf, in der Ferne donnert schon<br />

das Gewitter, und wir zittern in der Furcht, am<br />

Ende unseres Lebens, wenn unsere körperlichen<br />

Kräfte nachlassen, vom To<strong>des</strong>sturm eingeholt<br />

zu werden. Aber für all das gilt: Wir haben eine<br />

feste Zuversicht und Hoffnung durch Gnade. <strong>Die</strong><br />

Schrift versichert uns, dass der große Hirte im<br />

Tal der To<strong>des</strong>schatten bei uns sein wird (Ps. 23,4),<br />

dass nach dem Tod die Auferstehung kommt,<br />

und dass wir mit unseren verwandelten Leibern<br />

den König in Seiner Schönheit sehen werden,<br />

wenn Er wiederkommen und auf der Erde stehen<br />

wird. <strong>Die</strong>se Hoffnung ist so großartig, dass<br />

sie die ganze Zukunft mit Musik erfüllt.<br />

voiceofhope.de | 31


Auch dies ist Gnade. Keine Spur von rechtmäßigem<br />

Anspruch findet man darin; sie wird<br />

nicht auf dem Wege der Belohnung erlangt, sondern<br />

als göttliche Gunst geschenkt. Freie Gnade<br />

regiert durch die ganze Vergangenheit hindurch,<br />

in der Gegenwart und in die Zukunft hinein.<br />

Um jedem Missverständnis vorzubeugen, bezeichnet<br />

der Apostel Ihn Selbst aber, unseren Herrn<br />

Jesus Christus, als Denjenigen, von <strong>des</strong>sen Hand<br />

diese Tröstungen so frei geschenkt werden.<br />

Welch herrlicher Gedanke, dass Jesus Christus<br />

mich trösten soll! Wenn der Herr sich daran<br />

macht, Seine Brüder zu trösten, dann – <strong>des</strong>sen<br />

bin ich mir sicher – wird Er es auf göttliche Weise<br />

tun.<br />

Er wird darin nicht versagen oder entmutigt<br />

werden. Er wird das zerbrochene Herz heilen,<br />

wenn es verletzt ist. Damit wir nicht fallen, hält<br />

Er Seine ewigen Arme um uns, und damit wir<br />

nicht verwundet werden, breitet Er den Schatten<br />

Seiner Flügel über uns. Er schenkt uns Sein<br />

ganzes Wesen in aller Größe und Seine Menschlichkeit<br />

in all ihrer Zärtlichkeit. Er bemüht sich<br />

um uns und wird uns nicht ohne Trost belassen.<br />

Er kommt zu uns als der Mitfühlende in allem<br />

Kummer und als mächtiger Helfer in allen<br />

Schwierigkeiten.<br />

Welch eine Gnade wird uns zuteil! Ist Er nicht<br />

voller Gnade und Wahrheit? »Denn Gott hat Seinen<br />

Sohn nicht in die Welt gesandt, damit Er die Welt<br />

richte, sondern damit die Welt durch Ihn gerettet werde«<br />

(Joh. 3,17). Ein Tag <strong>des</strong> Gerichts wird kommen;<br />

aber jetzt sitzt der Sohn Gottes noch auf dem<br />

Gnadenthron, und Sein Zepter ist das der Liebe.<br />

Wir wissen, dass die Tröstungen <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />

gnädig geschenkt werden müssen, weil sie<br />

uns von Jesus Christus Selbst gebracht werden.<br />

Dann fügt der Apostel feierlich hinzu: »Und<br />

unser Gott und Vater.« Es scheint etwas besonders<br />

Liebliches darin zu liegen. Nicht »Gott, der Vater«,<br />

sondern »unser Gott und Vater«. Wir lieben<br />

Gott den Vater, aber als »unser Gott und Vater«<br />

kommt Er uns noch näher und macht unser Herz<br />

glücklich. Nun, ein Vater zahlt seinen Kindern<br />

keine Gehälter; die Gaben seines Vaterherzens<br />

werden ihnen geschenkt. So sehen wir, dass die<br />

ewigen Tröstungen <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> freiwillige<br />

Geschenke unseres großen Vaters sind, der denen,<br />

die Ihn bitten, gern gute Gaben gibt.<br />

Kannst du nicht gerade in diesem Moment<br />

aufblicken und rufen: »Unser Vater!«? Welche<br />

Herrlichkeit, das Zeugnis <strong>des</strong> Geistes in deiner<br />

Seele zu haben und zu rufen: »Abba, Vater!«<br />

Der Geist der Sohnschaft ist niemals ein Geist<br />

der Knechtschaft oder Gesetzlichkeit. Er prahlt<br />

nie mit menschlichen Verdiensten; vielmehr ist<br />

sein einziges Lied »freie Gnade und sterbende<br />

Liebe«. Möge die freie Gunst unseres Vaters dein<br />

Herz zur Anbetung bringen!<br />

Lies noch einmal 2. Thessalonicher 2,16-17, und<br />

du wirst sehen, wie deutlich sich Paulus hier ausdrückt.<br />

Um uns die Freiheit jener Tröstungen,<br />

die Gottes Volk in Schwierigkeiten erhält, vor<br />

Augen zu malen, schreibt er: »Er Selbst aber, unser<br />

Herr Jesus Christus, und unser Gott und Vater, der uns<br />

geliebt hat …«<br />

Göttliche Liebe ist eine so großartige Wahrheit,<br />

dass man über sie weniger mit der Zunge<br />

sprechen als sie vielmehr in der Stille <strong>des</strong> Herzen<br />

genießen kann. Ich kann durchaus verstehen,<br />

dass Gott mit mir in meinem Elend Mitleid<br />

hat; aber es füllt mich mit heiligem Erstaunen,<br />

wenn ich höre, dass Er mich liebt. Mich liebt!<br />

Was könnte in mir sein, das der Heilige Geist<br />

lieben sollte?! Warum sollte Jesus Christus ein<br />

Herz für dich haben?! Liebt der Töpfer Seinen<br />

eigenen Ton?<br />

Wunder über Wunder: Der Herr liebt uns<br />

arme, von Sünde verschmutzte Niemande mit<br />

solch üblem Charakter und solch verderbter Natur!<br />

Dass Er uns so sehr liebt, dass Er tatsächlich<br />

für uns, die wir an Ihn glauben, gestorben ist,<br />

ist das größte Wunder Seiner Macht. Ja, Seine<br />

Liebe ist die Quelle und der Ursprung aller uns<br />

geschenkten Gnadengaben. Keine Frage, dass<br />

Seine Liebe frei geschenkt wird, denn wahre<br />

Liebe ist nicht käuflich. Liebe geht nicht auf den<br />

Markt, sie weiß nichts von Preisen oder Tausch-<br />

32 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


geschäft. Liebe muss immer unbestechlich und<br />

unbezahlt sein, oder sie ist keine Liebe. Der göttlichen<br />

Liebe einen Preis geben, sie kaufen? Was<br />

wäre an einem solchen Vorhaben nicht schwärzeste<br />

Gotteslästerung?<br />

Achte darauf, dass der Apostel hinzufügt – weil<br />

er befürchtet, dass wir von dieser Lehre der Gnade<br />

abweichen könnten –: Er hat uns einen ewigen<br />

Trost gegeben und »eine gute Hoffnung … durch<br />

Gnade«. Manch einer kann das Wort Gnade nicht<br />

hören; es sei zu »calvinistisch«. Mir ist egal, wie<br />

du es nennst; aber es ist das allerbeste Wort in der<br />

Bibel neben dem Namen Gottes, unseres Retters.<br />

Von der Gnade Gottes geht all unsere Hoffnung<br />

aus. Entweder die Gnade muss regieren,<br />

oder der Mensch muss sterben. Alle anderen<br />

Straßen sind aufgebrochen; nur die Gnade überbrückt<br />

den Abgrund zum Menschen und bahnt<br />

dem Austausch zwischen Himmel und Erde den<br />

Weg. <strong>Die</strong> Gnade, und nur die Gnade, regiert unser<br />

geistliches Wohlergehen. Lasst uns Gott dafür<br />

die Ehre geben! Alle guten Werke, die den<br />

christlichen Charakter zieren, sind das Ergebnis<br />

der Gnade Gottes und nicht die Ursache dafür.<br />

Wir empfangen Gnade, damit wir Gott dienen<br />

können – nicht weil wir Gott dienen. Das Ziel<br />

göttlicher Gnade ist, uns heilig zu machen; die<br />

Gnade wartet nicht, bis sie uns heilig vorfindet.<br />

Deshalb sind die Tröstungen, die Gott schenkt,<br />

ewig. Wenn die Gnade auf unseren Verdiensten<br />

aufgebaut wäre, so wäre sie auf Nebel gegründet<br />

oder würde auf einem Schatten ruhen, der durch<br />

einen Traum gestützt wird. Wenn aber Gott uns<br />

aus reiner Gnade liebt, und wenn Jesus Christus<br />

uns aus reiner Liebe Trost schenkt, und wenn<br />

unser ganzes Wohlergehen auf der souveränen<br />

Gnade Gottes in Christus Jesus beruht, gibt es<br />

keinen Grund, dass sie je enden sollte.<br />

Verlass dich nie auf deine erhabenen Gefühle<br />

und deine heiligen Werke oder deinen Glauben,<br />

dass die Sünde in dir tot sei. Wer demütig vor den<br />

Füßen Gottes liegt, sich seiner Sünde bewusst<br />

ist, über sie trauert und sich in allen Dingen auf<br />

die souveräne Gnade und freie Barmherzigkeit<br />

in Christus Jesus stützt, kann sicher sein, gerade<br />

da, wo er sich befindet, denn seine Hoffnung<br />

wird nie versagen.<br />

WOHIN FÜHRT UNS DAS?<br />

Christen sollten von ganzem Herzen an jedem<br />

guten Werk interessiert sein. »Er tröste eure Herzen<br />

und stärke euch in jedem guten Werk und Wort.« Als<br />

Nachfolger Christi will ich zu allem, was anderen<br />

guttun kann, gern meinen Teil beitragen. <strong>Die</strong><br />

Sorgen meiner Mitmenschen gehen mich sehr<br />

wohl etwas an.<br />

Das sollte sich in direkten Taten ebenso wie<br />

in Worten niederschlagen. »In jedem guten Wort<br />

und Werk.« Manche Christen denken, das Wort<br />

sollte alles und das Werk nichts bedeuten; aber<br />

das ist nicht die Lehre der Schrift. Solche Menschen<br />

sprechen viel darüber, was sie tun wollen,<br />

und reden viel darüber, was andere tun sollten,<br />

und noch viel mehr darüber, was andere nicht<br />

tun. Sie machen immer weiter mit Wort, Wort,<br />

Wort, und nichts anderem als Wort. Sie kommen<br />

nie bis zum Werk; aber der Apostel hat Wort und<br />

Werk bewusst nebeneinandergestellt. Direkte<br />

praktische Hilfe sollte geleistet werden, denn<br />

unser Herr liebte nicht nur in Worten, sondern<br />

auch in Tat und Wahrheit.<br />

Das sollte ohne Druck getan werden. Wie Gott uns<br />

aus freien Stücken liebt, so sollten auch wir alles<br />

frei aus einem überfließenden Herzen heraus<br />

tun. Gib, weil du großzügig bist – nicht, weil du<br />

dich dazu verpflichtet fühlst. Wie kann sich ein<br />

liebevolles Herz mehr Freude bereiten als durch<br />

Gutestun? Gib, wie du einem König gibst; denn<br />

wenn wir dazu die Gelegenheit hätten, gäben wir<br />

ihm das Beste, was wir haben. Lass es so in allen<br />

<strong>Die</strong>nsten geschehen, die du Gott erweist. Lass<br />

Ihn dein Bestes, dein Edelstes, deine kostbarsten<br />

Besitztümer bekommen. Ach, dass doch die,<br />

die an die freie Gnade Gottes glauben, im Nachjagen<br />

dem <strong>Die</strong>nen an anderen ganz vorn lägen!<br />

Gib umsonst und frei, weil du umsonst und frei<br />

empfangen hast!<br />

voiceofhope.de | 33


R. C. SPROUL<br />

Miteinander als<br />

Christen leben<br />

(Römer 12,3-11)<br />

Ein Auszug aus dem Römerbrief-Kommentar<br />

34 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


Paulus erklärt nun, was es für die zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen unter<br />

Gläubigen bedeutet, ein lebendiges Opfer<br />

zu sein. Denn ich sage kraft der Gnade, die mir gegeben<br />

ist, jedem unter euch … Welch eine wunderbare<br />

Aussage! Paulus hätte die volle Autorität<br />

seines Apostelamtes geltend machen können. Er<br />

sprach mit nichts Geringerem als mit der Autorität<br />

Jesu Christi, <strong>des</strong> Herrn der Gemeinde. Doch<br />

er hätte keinerlei Autorität gehabt, außer durch<br />

die Gabe, die Gott ihm gegeben hatte. Welche<br />

Führungskraft oder Fähigkeit er auch immer besaß<br />

– sie kam nur von daher, dass Gott ihm gnädig<br />

gewesen war.<br />

… dass er nicht höher von sich denke, als sich zu<br />

denken gebührt, sondern dass er auf Bescheidenheit<br />

bedacht sei, wie Gott jedem einzelnen das Maß <strong>des</strong><br />

Glaubens zugeteilt hat (V. 3). Wenn wir die richtige<br />

Sicht auf die Dinge behalten wollen, müssen<br />

wir immer zwei Faktoren im Sinn behalten.<br />

Zuallererst müssen wir uns daran erinnern, wer<br />

Gott ist, und zweitens müssen wir bedenken, wer<br />

wir sind. Wenn wir wirklich wissen, wer Gott ist,<br />

sollte es nicht allzu schwierig sein, herauszufinden,<br />

wer wir sind. Wenn wir wissen, wer Gott ist,<br />

dann wissen wir, dass wir in dieser Welt ohne<br />

die Gnade Gottes keinen nennenswerten Schritt<br />

tun können. Wenn wir wissen, dass wir für jede<br />

Errungenschaft, die wir in dieser Welt genießen,<br />

vollkommen von der Gnade abhängig sind, wie<br />

können wir dann anders als demütig sein? <strong>Die</strong>ser<br />

Vers verbietet Stolz und Arroganz, eine prahlerisch<br />

überhöhte Meinung von uns selbst.<br />

Doch die Tragweite <strong>des</strong> Textes geht noch tiefer.<br />

Was ebenfalls untersagt ist, ist eine zu geringe<br />

Meinung von uns selbst. Wenn wir nur den<br />

ersten Teil <strong>des</strong> Verses lesen, könnten wir denken,<br />

wir seien wertlos und unbedeutend. Doch unsere<br />

Bedeutung kommt von Gott, und alles, was<br />

Gott uns zuweist, ist wertvoll. Du bist vielleicht<br />

nicht so bedeutend, wie du gerne sein möchtest,<br />

aber du bist bedeutend. Ein nüchternes, vernünftiges<br />

Urteil bedeutet, eine vernünftige Bewertung<br />

unserer Gaben, unserer Stärken und<br />

unserer Schwächen vorzunehmen. Uns selbst<br />

nüchtern zu beurteilen, ist sehr schwierig, denn<br />

wir neigen dazu, uns selbst fünf Minuten lang<br />

durch eine rosarote Brille anzusehen, dann die<br />

rosarote Brille abzusetzen und vor Neid bitter zu<br />

werden!<br />

Während meiner mehrjährigen Arbeit in der<br />

Gemeinde habe ich festgestellt, dass es ein Fehler<br />

ist, Menschen zu Leistungen bewegen zu wollen,<br />

die nicht ihren Motivationen und Fähigkeiten<br />

entsprechen. Manchmal erweisen wir Menschen<br />

einen schrecklichen Bärendienst, indem wir versuchen,<br />

sie zu Leistungen in Bereichen zu zwingen,<br />

für die sie einfach nicht begabt sind.<br />

Zum Teil liegt dies an unserer eigenen Tendenz,<br />

mehr von uns selbst zu halten, als wir<br />

sollten. Wenn ich eine gewisse Kompetenz in<br />

einer bestimmten Tätigkeit erlangt habe, dann<br />

möchte ich das zum Maßstab machen. Wir neigen<br />

dazu, unsere eigenen Stärken hervorzuheben,<br />

weil wir glauben, dass sie die wichtigsten<br />

seien, nämlich diejenigen, die wirklich zählen.<br />

Das ist absolut todbringend für den Leib Christi.<br />

Wir müssen verstehen, dass Gott jeder Person<br />

ein gewisses Maß an Glauben zugeteilt hat, und<br />

dass die Menschen unterschiedliche Persönlichkeiten<br />

sind und unterschiedliche Stärken,<br />

unterschiedliche Schwächen und unterschiedliche<br />

Gaben besitzen. Es gibt eine Vielfalt im<br />

Leib Christi, und reifes Christsein beinhaltet,<br />

dies anzuerkennen. Tatsächlich wird uns an anderer<br />

Stelle gesagt, dass wir den anderen über<br />

uns selbst stellen sollten, dass wir in Ehrfurcht<br />

und Bewunderung andere Gaben betrachten<br />

sollen, welche Menschen haben und die wir<br />

nicht haben. Anstatt auf sie eifersüchtig zu sein<br />

oder sie abzulehnen, sollten wir sie ehren und<br />

respektieren.<br />

Paulus verwendet seine Lieblingsanalogie für die<br />

Gemeinde, den Leib Christi: Denn gleichwie wir an<br />

einem Leib viele Glieder besitzen, nicht alle Glieder<br />

aber dieselbe Tätigkeit haben, so sind auch wir, die<br />

vielen, ein Leib in Christus, und als einzelne untereinander<br />

Glieder (V. 4-5). Der menschliche Leib besteht<br />

aus verschiedenen Körperteilen, und jeder<br />

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Teil hat eine sehr wichtige Aufgabe zu erfüllen.<br />

Mein Leib wäre in seiner Gesamtheit beeinträchtigt,<br />

wenn ich mein Augenlicht verlieren würde.<br />

Meine Lebensqualität würde sich erheblich verschlechtern,<br />

wenn ich mein Gehör verlieren würde.<br />

Ich würde mich viel mehr als jetzt durchs Leben<br />

kämpfen müssen, wenn eines meiner Beine<br />

amputiert wäre. Jeder Körperteil arbeitet mit jedem<br />

anderen Teil zum Wohl <strong>des</strong> ganzen Körpers<br />

zusammen. So ist es auch in der Gemeinde. Alle<br />

Mitglieder bilden zusammen einen Leib, und der<br />

Einsatz je<strong>des</strong> einzelnen Mitglieds ist für eine gesunde<br />

Gemeinde unerlässlich.<br />

Wir haben aber verschiedene Gnadengaben gemäß<br />

der uns verliehenen Gnade (V. 6). Gott ist es,<br />

der uns verschieden macht, denn wir unterscheiden<br />

uns je nach der Gnade, die uns geschenkt<br />

wird, und es ist Gott, der uns die Gnade schenkt.<br />

So gibt Er der einen Person die Gnade und die<br />

Gabe, in der Evangelisation wirksam zu sein, die<br />

Er wiederum einer anderen Person nicht gibt. Der<br />

anderen Person wird eine andere Gabe verliehen.<br />

Was mich von anderen Menschen unterscheidet,<br />

ist nicht meine Größe, sondern die Gnade Gottes.<br />

Somit sollten wir uns an all diesen Unterschieden<br />

in den Fähigkeiten, Talenten und Gaben im Leib<br />

Christi erfreuen und sie würdigen.<br />

Wenn wir Weissagung haben, [so sei sie] in Übereinstimmung<br />

mit dem Glauben; wenn wir einen<br />

<strong>Die</strong>nst haben, [so geschehe er] im <strong>Die</strong>nen; wer lehrt,<br />

[diene] in der Lehre; wer ermahnt, [diene] in der Ermahnung;<br />

wer gibt, gebe in Einfalt; wer vorsteht,<br />

tue es mit Eifer; wer Barmherzigkeit übt, mit Freudigkeit!<br />

(V. 6-8). <strong>Die</strong> Weissagung, von der Paulus<br />

spricht, darf nicht mit der Vorhersage zukünftiger<br />

Ereignisse verwechselt werden, sondern ist<br />

vielmehr das, was ein Mensch von Gott zur Unterweisung,<br />

Ermahnung und Tröstung empfangen<br />

hat. <strong>Die</strong>jenigen, die sich als Empfänger dieser<br />

Gabe verstanden, sollten in ihrer Botschaft<br />

immer mit dem objektiven Maßstab <strong>des</strong> ein für<br />

alle Mal überlieferten Glaubens (Jud. 3) übereinstimmen,<br />

und sie sollten gemäß ihrer Konformität<br />

mit diesem Glaubensstandard beurteilt<br />

werden. In keinem Fall sollte ihre Weissagung<br />

der objektiven Offenbarung der Heiligen Schrift<br />

widersprechen.<br />

<strong>Die</strong> Lehre, auf die sich Paulus hier bezieht,<br />

basiert natürlich auf der Heiligen Schrift, und<br />

in diesem Fall besonders auf dem Alten Testament.<br />

Seit der Fertigstellung <strong>des</strong> gesamten Kanons<br />

müssen die wohldefinierten Grenzen <strong>des</strong>sen,<br />

was die Heilige Schrift ausmacht, sorgfältig<br />

beachtet werden. Lehrer dürfen nur das lehren,<br />

was im Alten und Neuen Testament zu finden ist<br />

und damit im Einklang steht. Wie Jakobus sagte:<br />

»Werdet nicht in großer Zahl Lehrer, meine Brüder, da<br />

ihr wisst, dass wir ein strengeres Urteil empfangen werden!«<br />

(Jak. 3,1). Zu viele üben heute diese Funktion<br />

aus, während sie gleichzeitig gegen die biblische<br />

Rechtgläubigkeit verstoßen und Christus Schande<br />

bringen. <strong>Die</strong>se falschen Lehrer waren niemals<br />

wirklich zum Lehren begabt und reißen somit<br />

die Rolle derer an sich, die lehren sollten.<br />

<strong>Die</strong> Gabe der Ermutigung oder Ermahnung<br />

betrifft in erster Linie eine Lehrtätigkeit, die<br />

auf das Gewissen und die Gefühle abzielt. Sie<br />

ist dazu gedacht, den Zuhörer zu praktischen,<br />

tröstlichen Ergebnissen zu führen. Lehre, die<br />

auf das Leben angewandt wird, bietet einen Anreiz,<br />

rechtschaffen zu leben, und wird zu einer<br />

positiven Ermahnung oder Ermutigung für das<br />

Volk Gottes.<br />

Wenn du eine Gabe hast, dann lautet der Befehl<br />

Gottes an dich: Übe diese Gabe aus! Gott<br />

gibt dir diese Gabe nicht, um sie unter den<br />

Scheffel zu stellen. Wenn du eine Gabe hast,<br />

dann sollst du sie gebrauchen. Doch dieser Befehl<br />

wird nicht nur dir gegeben, sondern er wird<br />

mir in Bezug auf dich gegeben. Ich soll dafür<br />

sorgen, dass dir der Platz und die Freiheit gegeben<br />

wird, deine Gabe einzusetzen. Ich soll alles<br />

in meiner Macht Stehende tun, um dir zu helfen<br />

und dich bei der Ausübung deiner Gabe zu<br />

unterstützen; und du sollst mir helfen, meine<br />

Gabe auszuüben.<br />

Was ist, wenn du nicht weißt, welche Gabe du<br />

hast? Ich würde sagen: Probiere unterschiedliche<br />

Bereiche <strong>des</strong> Gemeindelebens aus. Wenn du<br />

nicht weißt, welches deine Gabe ist, dann bemü-<br />

36 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


he dich darum, dich an der Evangelisation oder<br />

an der Sonntagsschularbeit zu beteiligen. Möglicherweise<br />

musst du erst ein paar Dinge ausprobieren,<br />

bevor du entdeckst, wo deine Begabung<br />

liegt. Und höre auf den Leib Christi. Der Leib<br />

Christi wird anfangen, dir zu vermitteln, wo deine<br />

Begabung liegt und wo du von Gott gebraucht<br />

werden kannst.<br />

Viele Menschen möchten gern die Gabe <strong>des</strong><br />

Lehrens oder die Gabe <strong>des</strong> Evangelisierens oder<br />

die Gabe <strong>des</strong> Predigens haben. Mir haben noch<br />

nicht allzu viele gesagt, dass das, was sie wirklich<br />

gern hätten, die Gabe <strong>des</strong> Gebens sei. Doch<br />

auch das ist eine Gabe. Es gibt einige Leute, die so<br />

außerordentlich großzügig sind. Sie sind großzügig<br />

in Bezug auf ihre Zeit, sie sind großzügig<br />

in Bezug auf ihren <strong>Die</strong>nst. Sie sind so umsichtig<br />

in der Rücksichtnahme auf andere Menschen,<br />

und sie sind sehr gütig bei ihren finanziellen<br />

Zuwendungen. Wenn sie Geld oder Zeit oder<br />

was auch immer verschenken, tun sie das nicht<br />

widerwillig, sondern freudig. Sie erfreuen sich<br />

daran! Was für eine Freude, eine solche Person<br />

zu treffen!<br />

Es ist eine Sache, ein Leiter zu sein, und eine<br />

andere Sache, ein eifriger Leiter zu sein.<br />

Ich mag es nicht, wenn man mir widerwillig<br />

Barmherzigkeit erweist. »Wer Barmherzigkeit übt,<br />

[der tue es] mit Freudigkeit.« Echte Barmherzigkeit<br />

drückt sich in einem Geist der Freude und<br />

Freundlichkeit aus – so, wie Gott uns Barmherzigkeit<br />

schenkt.<br />

RÖMERBRIEF-KOMMENTAR<br />

Das Evangelium Gottes<br />

Der Römerbrief ist einer der bekanntesten Briefe der Bibel<br />

und wahrscheinlich der einflussreichste in der Kirchengeschichte,<br />

da er eine systematische Darstellung vom Evangelium<br />

Gottes durch den Apostel Paulus enthält. Gott gebrauchte<br />

gerade diesen Brief, um viele Menschen zur Buße<br />

und zum Glauben an Jesus Christus zu führen, die Reformation<br />

auszulösen und große Erweckungen zu bewirken. Das<br />

Leben zahlreicher Christen und Gemeinden wurde durch<br />

den Römerbrief verändert – bis zum heutigen Tag.<br />

In diesem ausführlichen Kommentar zeigt R.C. Sproul unsere<br />

Sündhaftigkeit und Unfähigkeit, uns selbst zu erretten,<br />

die Gerechtigkeit Gottes und Seine wunderbare Gnade, das<br />

Heil in Christus, unsere Verantwortung, Gottes souveränes<br />

Handeln gegenüber Israel und das geheiligte Leben eines<br />

Christen.<br />

Lass Dich beim Lesen dieses Kommentars erbauen, indem<br />

Du die konsequente Art und Weise beobachtest, in welcher<br />

der Apostel Paulus die Herrlichkeit Jesu hervorhob, während<br />

er zum Gehorsam <strong>des</strong> Glaubens aufrief.<br />

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EIN AUSZUG AUS DEM BUCH<br />

VOM ARZT<br />

ZUM PREDIGER<br />

– D. Martyn Lloyd-Jones –<br />

EINE BIOGRAFIE FÜR JUNG UND ALT,<br />

geschrieben von Christopher Catherwood.<br />

38 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


Ratschläge<br />

für Bedrückte<br />

Eine der großartigen Predigtreihen, die<br />

Martyn hielt, war »Geistliche Krisen und<br />

Depressionen« 1 . Denn oft kamen Leute<br />

nach dem Morgengottesdienst zu ihm in sein<br />

kleines Büro in der Chapel. »Ich fühle mich heute<br />

sehr bedrückt, Herr Doktor«, sagten sie gelegentlich.<br />

Einige fragte er dann: »Wie steht es denn derzeit<br />

mit deiner Beziehung zu Gott? Liest du täglich<br />

deine Bibel und betest du regelmäßig? Wenn<br />

du alles vernachlässigst, kannst du dann wirklich<br />

erwarten, dass du dich glücklich fühlst? Deine<br />

Traurigkeit kommt daher, dass du sündigst.«<br />

In manchen Fällen sagte er: »Weißt du, wir<br />

leben in einem geistlichen Kampf. Der Teufel<br />

will nicht, dass du in deinem Christenleben erfüllt<br />

und glücklich bist; also greift er dich an, damit<br />

du dich schlecht fühlst, um deine geistliche<br />

Wirksamkeit zu beeinträchtigen. Schau dir an,<br />

was die Heilige Schrift darüber sagt, wie man<br />

dem Teufel widersteht, wie Gott dir helfen kann,<br />

die geistliche Waffenrüstung anzulegen, die Er<br />

dir gegeben hat.«<br />

»Das Christenleben ist kein einfaches Leben.<br />

Es ist ein Kampf, genau wie die Bibel es sagt.«<br />

Bei anderen sagte er dagegen: »Eigentlich ist<br />

bei dir geistlich nichts verkehrt. Aber du solltest<br />

einen guten Arzt aufsuchen; denn was du hast,<br />

ist eine Form von psychischer Krankheit. Krankheit<br />

ist das Ergebnis davon, dass die Sünde in<br />

die Welt gekommen ist. Aber du bist jetzt krank,<br />

nicht wegen irgendwelcher Sünden, die du selbst<br />

begangen hast, sondern weil wir in einer gefallenen<br />

Welt leben.«<br />

1 »Geistliche Krisen und Depressionen«, Samenkorn Verlag.<br />

Wieder andere fragte er einfach: »Wann hattest<br />

du das letzte Mal einen schönen Urlaub? Du<br />

bist nicht depressiv. Gönn dir eine Pause, hol etwas<br />

Schlaf nach, und es geht dir bald wieder gut.«<br />

Er stellte den Leuten immer viele Fragen:<br />

»Wie kam es dazu, dass du dich so fühlst? Wie<br />

ist dein Gebetsleben? Hältst du dich an Gottes<br />

Prinzipien für unser Leben? Möchtest du geistlich<br />

wachsen? Hast du Albträume? Hast du zu<br />

hart gearbeitet?«<br />

Wir sind alle verschieden, alle komplex, jeder<br />

hat seine ganz eigenen Bedürfnisse und seine eigene<br />

Persönlichkeit. Das war ihm bewusst, und<br />

genauso auch, dass Gott uns alle unterschiedlich<br />

geschaffen hat.<br />

Wenn du das Buch »Geistliche Krisen und Depressionen«<br />

liest, wirst du sehen, was ich meine.<br />

Es ist ein sehr realitätsnahes und nahrhaftes<br />

Buch.<br />

Manchmal erwecken Menschen den Eindruck,<br />

dass man keine Probleme haben sollte oder dass<br />

man irgendwie nicht sehr geistlich sei, wenn<br />

man welche hat. Martyn ging nicht so mit den<br />

Menschen um. Auch er war manchmal niedergeschlagen<br />

und musste nach den Gründen suchen.<br />

War er müde? Hatte er gesündigt? War er traurig?<br />

Überarbeitet? Krank? Ich bin sicher, dass<br />

sich viele von euch schon einmal für längere Zeit<br />

niedergeschlagen oder traurig gefühlt haben,<br />

mehr als nur einen Nachmittag lang. Als ausgebildeter<br />

Arzt wusste Martyn über diese Dinge<br />

Bescheid. Er verstand die Menschen und ihre<br />

Gefühle; er verurteilte sie nicht, wenn sie traurig<br />

waren. Statt<strong>des</strong>sen half er ihnen herauszufinden,<br />

warum sie sich so fühlten.<br />

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Martyn sagte manchmal zu denjenigen, die<br />

ihn aufsuchten: »Man kann nicht einfach so davon<br />

loskommen. Manchmal ist die Ursache medizinisch<br />

bedingt. Aber manchmal lässt Gott es<br />

zu, dass der Teufel uns angreift, wie bei Hiob,<br />

damit wir geprüft und vorbereitet werden, weil<br />

Gott etwas wirklich Großes mit uns vorhat.«<br />

Martyn erlebte selbst schwierige Zeiten in<br />

seinem Leben. Manchmal dauerte es eine Weile,<br />

bis es ihm wieder besser ging. Eine Person, die<br />

ihm half, war Stuart Catherwood. <strong>Die</strong> Familien<br />

Lloyd-Jones und Catherwood wurden Freunde,<br />

und das Ergebnis war einige Jahre später die<br />

Heirat zwischen Frederick Catherwood und Elizabeth<br />

Lloyd-Jones, meinen Eltern.<br />

<strong>Die</strong> großen Dinge, die Gott für Martyn vorgesehen<br />

hatte, waren: erstens, die Arbeit in der<br />

Westminster Chapel fortzusetzen, und zweitens,<br />

mit Studenten zu arbeiten.<br />

Viele von euch, die dieses Buch lesen, haben<br />

vielleicht ein Studium im Sinn oder haben<br />

Freunde oder Geschwister, die darüber nachdenken,<br />

an eine Uni zu gehen.<br />

Oft bekommen Universitätsabsolventen nach<br />

ihrem Abschluss wichtige Jobs, in denen sie viele<br />

Menschen beeinflussen können: als Ärzte, Anwälte,<br />

Wissenschaftler, Lehrer oder Theologen.<br />

Einige meiner Freunde von der Universität<br />

üben jetzt wichtige Funktionen in der Gemeinde<br />

aus: als Pastoren, Missionare, Schriftsteller, Prediger<br />

und so weiter.<br />

Viele von uns sind zum wahren Glauben an<br />

Jesus Christus gekommen, bevor wir an die<br />

Universität gingen. Für viele von uns war die<br />

Zeit an der Universität eine Zeit besonderer Herausforderungen,<br />

die zu geistlichem Wachstum<br />

führten und in der wir wichtige Dinge lernen<br />

mussten. Wir wurden unweigerlich vor die Frage<br />

gestellt: Glauben wir dem Wort Gottes? Was<br />

glauben wir genau? Leben wir das aus, was wir<br />

glauben? Wie sieht unser Glaubensleben in Alltagssituationen<br />

aus?<br />

Wir werden noch sehen, wie wichtig dies für<br />

Martyns eigene Enkelkinder im Teenageralter<br />

war (wie auch für meinen Bruder, meine<br />

Schwester und für mich). Zuerst war es aber auch<br />

wichtig für Martyns und Bethans ältere Tochter<br />

Elizabeth, die nach dem Krieg drei Jahre lang an<br />

der Universität Oxford studierte.<br />

»Ich möchte englische Literatur studieren«,<br />

entschloss sie sich.<br />

Und Martyn ermutigte sie dazu, das zu tun.<br />

In ihrem Studium wurde Elizabeth von einigen<br />

sehr bekannten Leuten unterrichtet.<br />

Eine Lehrerin ließ sie ein berühmtes mittelalterliches<br />

Gedicht lesen. Elizabeth entgegnete<br />

ihr: »Warum sollte ich das lesen? Es mag berühmt<br />

sein, aber ich finde es abstoßend.«<br />

Natürlich fragte Elizabeth ihren Vater, was sie<br />

tun sollte. Seine Antwort war daraufhin: »Vergiss<br />

nicht, dass du es als Fachliteratur liest. Du bist<br />

dort, um akademisch zu studieren, und selbst<br />

wenn dir nicht alles gefällt, was du lesen musst,<br />

lernst du dadurch nachzudenken und das Gute<br />

zu behalten sowie Schlechtes zu verwerfen.«<br />

Zu den Gottesdiensten, die in der Universitätskirche<br />

stattfanden, gingen Elizabeth und einige<br />

ihrer gläubigen Mitstudenten jedoch nicht, weil<br />

sie dachten, dass die Lieder dort Gott nicht verherrlichten.<br />

»Und die Predigten, die dort gehalten<br />

werden, sind manchmal auch sehr seltsam«,<br />

schrieb Elizabeth. Es waren nicht die christuszentrierten,<br />

auf der Schrift basierenden Predigten,<br />

die Elizabeth von ihrem Vater gewohnt war.<br />

Und sie war ziemlich auf sich allein gestellt,<br />

denn das alles geschah zu einer Zeit, als es noch<br />

sehr teuer war zu telefonieren, und lange bevor<br />

E-Mails erfunden wurden oder man überhaupt<br />

an solches dachte.<br />

So nutzte Martyn die Zeit, wenn er mit den<br />

jungen Leuten arbeitete, ihnen das Wichtigste<br />

mitzugeben: »Wenn du ein Student oder Schüler<br />

bist, dann nur <strong>des</strong>halb, weil Gott dir einen Verstand<br />

gegeben hat. Und du musst ihn auch benutzen!<br />

Es ist ein schlechtes Zeugnis für Nichtchristen,<br />

wenn christliche Schüler ihre Arbeit<br />

nicht richtig machen.« Natürlich kann man nur<br />

die Noten bekommen, zu denen man auch fähig<br />

ist. Elizabeth hatte sich die Worte ihres Vaters<br />

40 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


zu Herzen genommen und erstklassige Noten<br />

erreicht. »Wir müssen unseren Glauben mit unserem<br />

Studium verbinden und dürfen nicht versuchen,<br />

bei<strong>des</strong> voneinander zu trennen«, pflegte<br />

er ihnen zu sagen.<br />

Außerdem besteht der christliche Glaube<br />

nicht nur aus warmen Gefühlen, sondern er ist<br />

auch wahr und vernünftig. (Martyn vernachlässigte<br />

die Gefühle allerdings nicht. Wenn das Predigen,<br />

um seine eigenen Worte zu gebrauchen,<br />

»feurige Logik« war, dann waren dabei auch jede<br />

Menge Gefühle im Spiel, wie wir später noch sehen<br />

werden.)<br />

»Das wahre Christentum besteht aus vielen<br />

großartigen Glaubensüberzeugungen, die alle<br />

perfekt zusammenpassen«, erklärte er. Das<br />

ist es, was Christen als Lehre bezeichnen: die<br />

Zusammenfassung der biblischen Lehre zu einem<br />

einheitlichen Ganzen.<br />

Eines Tages kam einer von Elizabeths Studienkollegen<br />

zum Tee. Dabei sah er die vielen alten<br />

Bücher in Martyns Bücherregalen.<br />

»Das sind die Puritaner«, erklärte ihm Martyn.<br />

Ein anderer Student, James I. Packer 2 , hatte<br />

ebenfalls die Bücher der puritanischen Autoren<br />

entdeckt.<br />

»Viele Leute missverstehen die Puritaner«,<br />

erzählte Martyn ihnen. »Dabei waren sie eine<br />

wundervolle Gruppe von Christen, die im 16.<br />

und 17. Jahrhundert lebten. Viele denken, dass<br />

sie langweilig gewesen seien, eine Gesellschaft<br />

von Spaßverderbern. Ganz und gar nicht! Sie<br />

liebten den Herrn und das Leben. Sie hatten auch<br />

allen Grund dazu: Sie liebten die Dinge, die Gott<br />

ihnen gab, und das brachte sie dazu, sich am Leben<br />

richtig zu erfreuen.«<br />

<strong>Die</strong> jungen Leute waren davon ganz begeistert.<br />

»Lasst uns zusammenkommen und je<strong>des</strong> Jahr<br />

die Puritaner studieren«, schlug Jim – wie James<br />

auch genannt wurde – vor.<br />

2 Sein Buch »Gott erkennen«<br />

solltest du unbedingt einmal lesen.<br />

Und das taten sie auch. Durch das Lesen dieser<br />

Bücher veränderte sich das Leben dieser jungen<br />

Leute. Martyn und Jim und viele andere trafen<br />

sich bis in die 1970er-Jahre einmal im Jahr. Das<br />

Treffen nannten sie »Puritan Conference«.<br />

»Wir dürfen auch nicht vergessen«, erinnerte<br />

Martyn seine Zuhörer, »die Dinge so zu sehen,<br />

wie Gott sie sieht – wie sie in der Heiligen Schrift<br />

beschrieben sind.« Und die Puritaner hatten genau<br />

das auch getan.<br />

Nachdem Elizabeth schon einige Jahre auf der<br />

Universität war, verließ auch Ann das Elternhaus.<br />

<strong>Die</strong> Lloyd-Jones’ waren eine sehr eng verbundene<br />

Familie. Martyn interessierte sich trotz<br />

der Entfernung sehr für alles, was seine Töchter<br />

taten – nichts war ihm zu unbedeutend oder unwichtig,<br />

was sie betraf. Ebenso war es ihm wichtig,<br />

die Gemeinde auch über diesen wichtigen<br />

Teil <strong>des</strong> Lebens zu belehren.<br />

»In der Bibel steht, dass Kinder ihren Eltern<br />

gehorchen sollen«, sagte Martyn. Aber das war<br />

nicht alles ... »Sie sagt auch, dass Väter ihre Kinder<br />

nicht zum Zorn reizen sollen, damit sie nicht<br />

unwillig werden.«<br />

»<strong>Die</strong> Bibel sagt, dass die Ehefrauen sich ihren<br />

Männern unterordnen sollen; aber der<br />

Ehemann muss seine Frau so lieben, wie Christus<br />

die Gemeinde geliebt hat.« Schau mal, was<br />

Christus für die Gemeinde getan hat: Er hat<br />

Sein Leben am Kreuz für sie hingegeben. Das ist<br />

wahre Liebe!<br />

»Das Christentum«, lehrte Martyn auch, »ist<br />

vernünftig. Gottes Gebote an uns sind nicht<br />

willkürlich, gemein oder ungerecht – sie sind<br />

immer vernünftig.« Unsere eigenen Eltern mögen<br />

ab und zu zornig oder unfreundlich werden.<br />

Aber Gott, unser himmlischer Vater, ist niemals<br />

unvernünftig. Er kennt uns! Seine Gebote sind<br />

nicht sinnlos. Er gab Seinen einzigen Sohn Jesus,<br />

um für die Sünden derer zu sterben, die an Ihn<br />

glauben. Das zeigt, wie sehr Gott Seine Gemeinde<br />

liebt.<br />

Weiter betonte Martyn: »Das Christenleben<br />

besteht nicht einfach aus einer Reihe von<br />

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willkürlichen Regeln. Es ist keine Liste voller<br />

›Du sollst nicht‹, mit endlosen Verboten.« Viele<br />

Eltern machen lange Listen von Dingen, die wir<br />

nicht tun dürfen. Aber was passiert, wenn wir<br />

unsere Eltern nicht mehr haben und mit etwas<br />

konfrontiert werden, das nicht »auf der Liste«<br />

steht? Woher wissen wir dann, ob wir es tun dürfen<br />

oder nicht?<br />

»Eltern müssen ihren Kindern biblische Prinzipien<br />

beibringen«, brachte Martyn daher seinen<br />

Zuhörern nahe. »Es ist nicht lediglich eine Frage<br />

von Regeln, sondern eine Frage deiner Beziehung<br />

zu Gott, deines Wunsches, Gott zu gefallen<br />

und zu tun, was Er will.« Regeln gibt es<br />

aus einem bestimmten Grund; sie wurden von<br />

unserem liebenden himmlischen Vater zu unserem<br />

Besten aufgestellt.<br />

Das Einhalten der Regeln ist nicht etwas, das<br />

wir um der Regeln willen tun, sondern weil wir<br />

Gott lieben; denn Er hat uns zuerst durch Jesus<br />

geliebt. Darum geben wir die Regeln nicht auf,<br />

wenn wir das Haus verlassen. Wir halten sie ein,<br />

weil Gott bei uns ist, wohin wir auch gehen.<br />

Als Christen müssen wir lernen, nach Prinzipien<br />

zu leben. Es gibt Dinge, die für uns einfach<br />

schädlich sind. Zum Beispiel gibt es Filme,<br />

die wir uns als Christen niemals ansehen sollten.<br />

Aber es gibt vielleicht auch Filme, die gut und<br />

lehrreich sind.<br />

Natürlich mag es einfacher sein zu sagen:<br />

»Schau keine Filme an«, als zu sagen: »Finde heraus,<br />

welcher Film gut ist und welcher nicht«. Es<br />

kommt jedoch gemäß der Bibel besonders darauf<br />

an, aus welcher Motivation wir etwas tun.<br />

»Alles ist mir erlaubt – aber nicht alles ist nützlich!<br />

Alles ist mir erlaubt – aber ich will mich von nichts beherrschen<br />

lassen!«, schreibt Paulus in 1. Korinther<br />

6,12. Martyn stellte über sich selbst fest, dass es<br />

zur Sünde führen kann, gute Dinge zu tun, wenn<br />

man sie aus falschen Motiven, aus Eigennutz<br />

oder aus einem Gefühl <strong>des</strong> Stolzes auf die eigenen<br />

guten Leistungen heraus tut. Oder, wie man<br />

so scherzhaft sagt: »Bin ich nicht wunderbar,<br />

dass ich so bescheiden bin …?«<br />

Deshalb müssen wir darüber nachdenken und<br />

ernsthaft beten und herausfinden, was Gott<br />

wirklich von uns will. Eines Tages stellte Elizabeth<br />

sich die Frage, ob sie nicht vielleicht Missionarin<br />

werden sollte. Manche Eltern würden vor<br />

Stolz platzen, wenn sie in der Gemeinde sagen<br />

könnten: »Meine Tochter ist Missionarin, wisst<br />

ihr. Deine hingegen arbeitet nur in einem Supermarkt.<br />

Na ja.«<br />

Das ist wohl kaum ein guter Grund, um Missionar<br />

zu werden, oder? Martyn engagierte sich<br />

sehr für die Missionsarbeit, insbesondere für die<br />

China Inland Mission.<br />

Doch andererseits wäre er auch sehr traurig<br />

gewesen, wenn seine ältere Tochter Tausende<br />

von Kilometern weit weg auf die andere Seite der<br />

Erde gegangen wäre, zumal das Reisen in jenen<br />

Tagen, als es noch keine Flugzeuge gab, wahrscheinlich<br />

bedeutet hätte, dass er sie jahrelang<br />

nicht mehr gesehen hätte.<br />

Was für ein Dilemma! Aber er beschloss, Elizabeth<br />

denselben Rat zu geben, den er jedem in<br />

dieser Situation geben würde.<br />

»Will Gott wirklich, dass du gehst?«, fragte<br />

er sie. »Lauf nicht herum und frage endlos viele<br />

Leute, ob du berufen seist. Das könnte dich nur<br />

verwirren. Nimm dir Zeit fürs Gebet und prüfe,<br />

ob deine Berufung wirklich von Gott kommt.«<br />

Einige Christen meinen, dass diejenigen, die<br />

als Missionare ins Ausland gehen, irgendwie<br />

geistlicher seien als solche, die im eigenen Land<br />

missionarisch tätig sind, oder als treue Mütter,<br />

die ihre Kinder in der Gottesfurcht erziehen.<br />

Gott beruft Menschen gleichermaßen zu den<br />

verschiedensten Aufgaben. Christen neigen jedoch<br />

dazu, einige Aufgaben als wichtiger zu betrachten<br />

als andere. Gott tut das nicht.<br />

Letztendlich ging Elizabeth nicht ins Ausland<br />

und wurde statt<strong>des</strong>sen Lehrerin. Sie war<br />

froh, dass sie auf den Rat ihrer Eltern gehört<br />

hatte und auf das, was Gott wollte, und nicht<br />

auf die Meinung derjenigen, welche die eine<br />

Aufgabe als wertvoller für Gott erachteten als<br />

eine andere.<br />

42 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


Martyn war erst zehn Jahre alt, als er den Brand seines Elternhauses hautnah miterlebte. Er und<br />

seine ganze Familie konnten noch rechtzeitig gerettet werden, mussten dann aber mit ansehen,<br />

wie ihr Haus mitsamt dem Geschäft <strong>des</strong> Vaters, also ihre ganze Lebensgrundlage, restlos<br />

niederbrannte. Wo sollten sie nun wohnen? Wie sollten sie sich ernähren? – Alles war zerstört.<br />

Doch Gott sorgte für die Familie und hatte für Martyn eine besondere Lebensaufgabe.<br />

In diesem Buch erzählt sein Enkel Christopher Catherwood von dem erstaunlichen Leben seines<br />

Großvaters Martyn Lloyd-Jones, der im Alter von sechzehn Jahren eine Ausbildung zum Arzt begann.<br />

Er war begabt und erfolgreich und wurde der Assistenzarzt <strong>des</strong> königlichen Leibarztes.<br />

Aber er gab alles auf, um Christus zu predigen. Warum tat er das? Es war Gottes Absicht, durch<br />

Martyns klare Verkündigung der biblischen Wahrheiten Gemeinden zur Bibel zurückzubringen.<br />

Martyn war voller Eifer und brannte für Gott, und er wurde nicht nur als treuer Prediger zum<br />

Vorbild, sondern auch als gottesfürchtiger und vorbildlicher Ehemann, Vater und Großvater.<br />

<strong>Die</strong>ses Buch ist der sechste Band der Buchreihe »Glaubensvorbilder« für Kinder und Jugendliche.<br />

Art.-Nr.: 875.436 | Hardcover mit Softtouch | 12,90 €<br />

www.voh-shop.de | Tel.: +49 2265 99749-22<br />

voiceofhope.de | 43


Rezension zum Buch<br />

HENRIK MOHN<br />

Nicht oft hören wir Geschichten über solche<br />

dramatischen Lebenswendungen –<br />

von einem erfolgreichen Arzt zu einem<br />

eifrigen Prediger. In seinem Buch erzählt Christopher<br />

Catherwood genau solch eine Geschichte.<br />

Es ist die Geschichte seines Großvaters, Martyn<br />

Lloyd-Jones.<br />

WER IST DER AUTOR?<br />

Catherwood, ein ehemaliges Mitglied <strong>des</strong><br />

Churchill College in Cambridge, hat dort Geschichte<br />

<strong>des</strong> 20. Jahrhunderts und Kirchengeschichte<br />

unterrichtet und bringt seine historische<br />

Expertise in die Erzählung ein.<br />

WORUM GEHT ES IN DEM BUCH?<br />

Seine Erzählung beginnt dramatisch mit einem<br />

Feuer, das mitten in der Nacht das Elternhaus<br />

von Martyn zerstört und die Familie ihrer Lebensgrundlage<br />

beraubt. Trotz dieser Tragödie<br />

wird schnell deutlich, dass Gott einen Plan für<br />

Martyn hat. »Gott schenkt Seinen Kindern auch<br />

schwierige Zeiten, um sie zu erziehen, zu heiligen<br />

und im Glauben zu stärken.«<br />

Mit sechzehn Jahren beginnt Martyn eine Ausbildung<br />

zum Arzt und erreicht bald beeindruckende<br />

Höhen in seiner Karriere. Er wird Assistent <strong>des</strong><br />

königlichen Leibarztes. Doch trotz seiner Erfolge<br />

spürt Martyn, dass er eine andere Berufung hat.<br />

Er gibt seine Karriere auf und widmet sein Leben<br />

der Predigt <strong>des</strong> Wortes Gottes. »Aber die eigentliche<br />

Frage ist: Will Gott, dass ich gehe? Wenn ja,<br />

dann wäre es richtig, Ihm zu folgen.«<br />

An diesem Punkt stellt sich die Frage, die viele<br />

Leser wahrscheinlich bewegt: Warum sollte<br />

jemand eine erfolgreiche medizinische Karriere<br />

aufgeben, um Prediger zu werden? Catherwood<br />

gibt auf diese Frage eine Antwort, die<br />

sowohl inspirierend als auch provokativ ist:<br />

Martyns Ziel war es, durch seine Predigten die<br />

Gemeinden zur Bibel zurückzuführen. Er war<br />

voller Eifer für Gottes Wort und wurde nicht<br />

nur als Prediger bekannt, sondern auch als gottesfürchtiger<br />

und vorbildlicher Ehemann, Vater<br />

und Großvater.<br />

WER SOLLTE DAS BUCH LESEN?<br />

Christopher Catherwood hat hiermit ein Buch<br />

geschrieben, das nicht nur für diejenigen von<br />

Interesse ist, die sich für Kirchengeschichte interessieren,<br />

sondern für jeden, der sich von einer<br />

wahren Geschichte inspirieren lassen möchte.<br />

Es geht hier um einen Mann, der die Welt hinter<br />

sich ließ, um dem Drang seines Herzens zu folgen<br />

und Gott zu dienen. Das Buch erzählt nicht<br />

nur die Geschichte eines außergewöhnlichen<br />

Mannes – es ist auch ein Zeugnis dafür, wie Gott<br />

in unserem Leben wirken kann, wenn wir bereit<br />

sind, Ihm zu folgen.<br />

WESHALB SOLLTE<br />

MAN DAS BUCH LESEN?<br />

<strong>Die</strong> Erzählung von Catherwood ist spannend<br />

und inspirierend. Sie skizziert das Leben eines<br />

Mannes, der sich entschied, seinem Herzen und<br />

seiner Berufung zu folgen, anstatt den Erwartungen<br />

der Gesellschaft zu entsprechen. Das<br />

Buch endet mit der unaussprechlichen Freude,<br />

die Martyn in seinem Leben als Prediger gefunden<br />

hat, und mit einem Aufruf für die Leser: Es<br />

lädt uns ein, über das Leben und die Berufung,<br />

die Gott für uns hat, nachzudenken.<br />

44 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 3/<strong>2023</strong>


VOH-KONFERENZ 2024<br />

11.– 12. Oktober<br />

Weitere<br />

Informationen<br />

folgen auf der<br />

Webseite<br />

Joel R. Beeke<br />

Eine Familie mit Gott im Zentrum<br />

THEMEN<br />

Sei ein echter Mann!<br />

Was ist ein geistlicher Ehemann und Vater?<br />

Kostbarer als Juwelen<br />

Was ist eine tugendhafte Ehefrau und Mutter?<br />

Gewinne sie für Jesus<br />

Kinderherzen in der Furcht Gottes erziehen<br />

Wie erziehe ich Kinder zur Verantwortung?<br />

Ein Gespräch mit Mary Beeke<br />

Ein Leben zur Ehre Gottes<br />

Als Single – besonnen, keusch und produktiv<br />

STANDORT<br />

Johannisberg 40<br />

42103 Wuppertal<br />

WEITERE<br />

REFERENTEN<br />

André Töws<br />

Peter Krell<br />

Mary Beeke


NEU<br />

Niko Derksen (Hrsg.)<br />

DIE KRAFT DES EVANGELIUMS<br />

Jubiläumsausgabe<br />

Zum 15-jährigen Jubiläum von Voice of Hope erscheint diese Jubiläumsausgabe<br />

»<strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong>« mit 36 ausgewählten Artikeln von 13 Autoren aus dem<br />

gleichnamigen Quartalsmagazin. Sie sind für viele eine Quelle <strong>des</strong> Trostes, der Ermutigung,<br />

der Belehrung und der Hoffnung geworden.<br />

<strong>Die</strong>ses Buch zeigt die verwandelnde <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> in unserer Errettung, in<br />

unserem Leben als Christen, in unserer Familie und Gemeinde und in unserem <strong>Die</strong>nst<br />

im Reich Gottes.<br />

Nimm es, lies es, erfreue dich an diesen kostbaren Wahrheiten, wende sie an und sei<br />

ein Zeugnis der verändernden <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> in deiner Umgebung!<br />

TEIL 1: ERRETTUNG, RECHTFERTIGUNG,<br />

HEILSGEWISSHEIT<br />

TEIL 2: DAS WORT GOTTES<br />

TEIL 3: GEMEINDE<br />

TEIL 4: LEBEN ALS CHRIST<br />

TEIL 5: FAMILIE, ERZIEHUNG<br />

TEIL 6: BIBLISCHE LEHRE<br />

TEIL 7: LEHREN, PREDIGEN


· IMPRESSUM ·<br />

Bestell-Nr.: 875.309<br />

Preis: 34,90 €<br />

Hardcover<br />

Goldprägung<br />

500 Seiten<br />

Herausgeber<br />

MISSIONSWERK VOICE OF HOPE E. V.<br />

Eckenhagener Str. 43<br />

51580 Reichshof-Mittelagger<br />

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grundsätzlich satzungsgemäß und für<br />

den vom Spender bezeichneten Zweck<br />

eingesetzt. Gehen für ein bestimmtes<br />

Projekt mehr Spenden als erforderlich ein,<br />

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<strong>Die</strong>se können Sie dem Finanzamt<br />

vorlegen, sodass Ihre Spende bei Ihrer<br />

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Genehmigung der Redaktion gestattet.


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Wenn ich wüsste,<br />

dass der Herr morgen kommt,<br />

würde ich heute meinen<br />

gewöhnlichen Pflichten nachgehen<br />

und sie nicht vernachlässigen.<br />

Ob der Herr morgen oder erst<br />

in tausend Jahren kommt,<br />

du wirst dich immer am besten<br />

verhalten, wenn du deiner Berufung<br />

in der Furcht <strong>des</strong> Herrn und um<br />

Seines Namens willen folgst.<br />

– C.H. Spurgeon

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