24.12.2012 Aufrufe

Ausgabe 1/2 2010 - BDH

Ausgabe 1/2 2010 - BDH

Ausgabe 1/2 2010 - BDH

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Dies + Das<br />

8<br />

Projekt „discovering hands“ mit positivem Abschluss:<br />

••• Behinderung<br />

wird zur Begabung<br />

Die Arbeitsmarktchancen für Menschen mit einer Behinderung sind immer noch deutlich<br />

schlechter als die von nicht behinderten Menschen. Blinde und sehbehinderte Menschen<br />

haben es oft besonders schwer. Für sie wurde jetzt ein neuer Beruf entwickelt, der sich<br />

darauf stützt, dass Blinde meist über einen ausgeprägten Tastsinn verfügen. Mit Unterstützung<br />

des LVR-Integrationsamtes wurde das Projekt „discovering hands“ abgeschlossen,<br />

bei dem die ersten Frauen im Laufe von acht Monaten zur Medizinischen Tastuntersucherin<br />

ausgebildet wurden. Einsatzgebiet: in gynäkologischen Praxen bei der Brustkrebsfrüherkennung.<br />

Der Gynäkologe Dr. Frank Hoffmann<br />

kam auf die Idee, blinde Menschen<br />

zu Assistenten bei der Brustkrebsbekämpfung<br />

zu machen. „Discovering<br />

Hands“ (Entdeckende<br />

Hände) – so heißt das Projekt,<br />

durch das blinde Frauen zu Medizinischen<br />

Tastuntersucherinnen ausgebildet<br />

werden konnten. Allerdings<br />

ist nicht jeder blinde Mensch für den<br />

Beruf geeignet. „Am wichtigsten<br />

sind drei Kriterien: Wie gut können<br />

die Frauen tasten, wie reagieren sie<br />

auf Stress und wie gut können sie<br />

mit Menschen umgehen“, sagt der<br />

Duisburger Gynäkologe.<br />

Jedes Jahr erkranken in Deutschland<br />

mehr als 50.000 Frauen neu<br />

an Brustkrebs, mehr als 15.000<br />

sterben. Die Heilungschance ist<br />

umso höher, je früher der Krebs<br />

entdeckt wird. „Die Tastuntersuchung<br />

der Brust spielt dabei eine<br />

wichtige Rolle“, so Hoffmann, „doch<br />

ein Gynäkologe hat dazu bei der<br />

Vorsorge nur einige Minuten Zeit.<br />

Daher kam mir der Gedanke, dass<br />

man diese Untersuchung ausgliedern<br />

und weiter ausbauen könnte“.<br />

„discovering hands“ – im August<br />

2006 gestartet - hatte das Ziel, die<br />

Voraussetzungen zur Anerkennung<br />

dieses Tätigkeitsfeldes zu schaffen.<br />

Der Projektverlauf und die Ergebnisse<br />

wurden von einem Projektbeirat<br />

verfolgt, dem Vertreter der Berufsbildungseinrichtungen,<br />

der Versicherungsträger,<br />

der Ärzteschaft<br />

sowie der Arbeitsagenturen und Integrationsämter<br />

angehörten. Gefördert<br />

wurde „discovering hands“ vom<br />

Landschaftsverband Rheinland<br />

(LVR) –Integrationsamt - aus Mitteln<br />

der Aktion Integration IV.<br />

Nach zwei intensiven Jahren der<br />

Entwicklung von Inhalten, Hilfsmitteln<br />

und nach erfolgreicher Ausbildung<br />

mit zertifiziertem Abschluss<br />

von nunmehr sechs Medizinischen<br />

Tastuntersucherinnen (MTU) wurden<br />

Ende 2009 erste Ergebnisse<br />

vorgelegt. Das Fazit fällt sehr positiv<br />

aus. Die Tätigkeit der MTU als<br />

medizinische Hilfskraft in gynäkologischen<br />

Praxen ist eine vollkommen<br />

neue Erfahrung für die blinden Frauen,<br />

für die untersuchten Patientinnen<br />

und auch für die Ärzte, in deren<br />

Verantwortung die MTU arbeiten.<br />

Die Akzeptanz durch die Patientinnen<br />

ist durch die Intensität und persönliche<br />

wie zeitliche Zuwendung<br />

bei der Untersuchung überaus groß.<br />

Die Ergebnisse der Tastuntersuchungen<br />

zeigen, dass das Auffinden<br />

von Veränderungen im Brustgewebe<br />

der MTU mindestens genau<br />

so gut, oft besser gelingt als einem<br />

ausgebildeten Mediziner.<br />

Das Besondere: Blinde Frauen<br />

konnten ihre Behinderung zur Begabung.<br />

Sie stehen in diesem Arbeitsgebiet<br />

nicht im Wettbewerb zu<br />

Sehenden, weil ihr Tastvermögen<br />

durch das langjährige Training in<br />

besonderer Weise ausgeprägt ist.<br />

Alle bisher ausgebildeten Medizinischen<br />

Tastuntersucherinnen wurden<br />

aus der Arbeitslosigkeit in das<br />

Berufsleben zurückgeführt. In einem<br />

weiteren Schritt werden nun<br />

die Voraussetzungen für eine Ausbildung<br />

der Ausbilder auf nationaler<br />

Ebene geschaffen, um mehr qualifizierte<br />

Ausbildungsplätze anbieten<br />

zu können.<br />

<strong>BDH</strong>-Kurier 1/2 <strong>2010</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!