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Erinnerungen an Lauterbach, Kreis Reichenbach in Schlesien

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<strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> <strong>an</strong> <strong>Lauterbach</strong>, <strong>Kreis</strong> <strong>Reichenbach</strong> unter der Eule<br />

Von Dipl.-Ing. Horst Jacobowsky, aus den Straßenhäusern.<br />

E<strong>in</strong> schlesisches Bauerndorf, mit liebenswürdigen Schlesiern


<strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> <strong>an</strong> <strong>Lauterbach</strong>, <strong>Kreis</strong> <strong>Reichenbach</strong> <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong>.<br />

Von Dipl.-Ing. Horst Jacobowsky, geb. 1. Oktober 1037 <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>,<br />

<strong>Kreis</strong> <strong>Reichenbach</strong>/<strong>Schlesien</strong><br />

Wer vor der Vertreibung 1946 <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> gelebt hat und heute <strong>an</strong><br />

diese Zeit <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> zurück denkt, tut es sicher – wie die meisten<br />

Schlesier – mit großer Sehnsucht und nicht selten auch mit feuchten<br />

Augen. Aber vor dieser unmenschlichen und allen Völkerrechten<br />

widersprechenden Vertreibung, mussten die als gutmütig und<br />

„gemittlich“ bek<strong>an</strong>nten Schlesier so sehr leiden. Die reiche<br />

Kornkammer Europas hatte sich durch die Besatzermächte und ihre<br />

Vasallen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Vorhof der Hölle verw<strong>an</strong>delt. So ist es nicht<br />

verwunderlich, wenn viel geschundenen und <strong>in</strong> ihrer Heimat<br />

gepe<strong>in</strong>igten Heimatvertriebenen die Ankunft <strong>in</strong> der britischen<br />

Besatzungszone oder <strong>in</strong> den <strong>an</strong>deren Aufnahmeländern, wie den<br />

Anf<strong>an</strong>g e<strong>in</strong>es neuen Lebens <strong>an</strong>nehmen mussten. Aber die Menschen<br />

<strong>in</strong> den neuen Gastländern hatten zum größten<br />

Teil das menschliche Drama und die geschichtliche Entwicklung, dieser mit armseligen H<strong>an</strong>dgepäck<br />

und mehrfach während der Vertreibung ausgeraubten deutschen L<strong>an</strong>dsleute – Brüder und Schwester<br />

aus dem Osten – überhaupt nicht verst<strong>an</strong>den. So wurden sie im eigenen Vaterl<strong>an</strong>d zu Menschen<br />

zweiter Klasse , bespöttelt wegen ihres <strong>an</strong>deren Dialekts und Tradition und abgelehnt weil sie<br />

Wohnraum, Essen, Wärme und die elementarsten D<strong>in</strong>ge zum Leben e<strong>in</strong>forderten. Dabei sollen aber<br />

– die zwar wenigen – Sternstunden menschlicher Solidarität zwischen der e<strong>in</strong>heimischen<br />

Bevölkerung und den Vertriebenen nicht g<strong>an</strong>z vergessen werden. Es waren doch hoffnungsvolle<br />

F<strong>an</strong>ale, die den impos<strong>an</strong>ten, weltweiten , e<strong>in</strong>maligen Wiederaufbau e<strong>in</strong>es zerstörten und fast<br />

vernichteten Staates erst möglich machten.<br />

Die <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> s<strong>in</strong>d das e<strong>in</strong>zige Paradies aus dem ke<strong>in</strong>er vertrieben werden k<strong>an</strong>n. Wer von den<br />

Schlesiern kennt dieses geflügelte Wort nicht ? Auch bei me<strong>in</strong>en Eltern h<strong>in</strong>g dieser Spruch im<br />

Wohnzimmer und m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal am Tag ist es bewusst oder unbewusst gelesen worden. Im<br />

Herzen verst<strong>an</strong>den habe ich ihn damals – vor nunmehr über fünfzig Jahren – leider nicht. Und doch<br />

hat er e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf mich ausgeübt, denn me<strong>in</strong>e <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> <strong>an</strong> die sorglosen Tage auf dem<br />

schlesischen Bauernhof me<strong>in</strong>er Eltern waren Zeichen und Signale e<strong>in</strong>er Traumwelt, wie e<strong>in</strong><br />

Rückblick <strong>in</strong> e<strong>in</strong> verflossenes <strong>an</strong>deres Leben. Die Angst vom Zerplatzen dieser bunten Seifenblase,<br />

geschmückt mit so vielen schönen K<strong>in</strong>dheitserlebnissen, war sehr groß. Aber die Neugier e<strong>in</strong>mal<br />

Realität und Traumbild mite<strong>in</strong><strong>an</strong>der zu vergleichen, war viel größer. Schließlich hat die Neugier doch<br />

gesiegt. Die Verweigerung e<strong>in</strong>er Reise <strong>in</strong> die verlorene Heimat hätten die Eltern auch überhaupt nicht<br />

verst<strong>an</strong>den. Für sie war es Zeit ihres Lebens der höchste Ged<strong>an</strong>ke, noch e<strong>in</strong>mal die geliebte Heimat<br />

wiedersehen zu dürfen. Und so sehe ich die Reisen der noch lebenden Schlesier <strong>in</strong> das<br />

<strong>an</strong>gestammte Gebiet der Vorfahren auch als e<strong>in</strong>e Verneigung vor dem Fleiß und der Tradition<br />

unseres schlesischen Volkes und als Mahnung <strong>an</strong> die Ungerechtigkeit mit denen sich die<br />

Vertriebenen aus den deutschen Gebieten östlich der Oder-Neiße-L<strong>in</strong>ie sche<strong>in</strong>bar abf<strong>in</strong>den sollen.<br />

Ich möchte versuchen, den Nebel, <strong>in</strong> den die Tage der K<strong>in</strong>dheit auf dem schlesischen L<strong>an</strong>de gehüllt<br />

s<strong>in</strong>d, etwas zu lichten und das schlesische Leben im Heimatdorf aus me<strong>in</strong>en Ged<strong>an</strong>ken wieder zum<br />

Leben zu erwecken. Mir geht es dabei nicht primär um e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Exaktheit aller<br />

Vorgänge , sondern zuerst soll das Herz geöffnet werden und E<strong>in</strong>drücke und Gefühle wieder geben.<br />

Sie sollen deutlich machen, warum der Schlesier noch nach mehr als fünfzig Jahren der Vertreibung ,<br />

se<strong>in</strong>e Heimat, se<strong>in</strong>e Lieder, se<strong>in</strong>e Weihnacht, se<strong>in</strong>e Felder , Berge, Täler und Seen liebt, ja lieben<br />

muss.<br />

<strong>Lauterbach</strong> liegt im Zentrum von <strong>Schlesien</strong>. Das denkt jeder Schlesier von se<strong>in</strong>em Heimatort. Aber<br />

e<strong>in</strong> Blick auf die Karte von <strong>Schlesien</strong> bestätigt diese zentrale Lage. Die gesamte schlesische<br />

L<strong>an</strong>dschaft mit dem majestätischen L<strong>an</strong>dessitz Breslau, den Städten Grünberg im Norden, Görlitz,<br />

Ottmachau, den Klöstern Leubus und Grüssau, allen schlesischen Seen und Wäldern haben sich um<br />

den sagenumwobenen Zobten versammelt. Und von der Spitze des Zobtens liegt <strong>in</strong> südöstlicher<br />

Richtung e<strong>in</strong> typisch schlesisches Dorf, wie es <strong>in</strong> verschiedenen Vari<strong>an</strong>ten Tausende <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong><br />

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gibt. Für die <strong>Lauterbach</strong>er ist es e<strong>in</strong> Inbegriff von Heimat, K<strong>in</strong>dheit, Jugend, Geborgenheit. Bei<br />

schönem Wetter reicht der Blick vom Thron des Zobtens weit <strong>in</strong> die niederschlesische L<strong>an</strong>dschaft, <strong>in</strong><br />

das fruchtbare Gebiet <strong>an</strong> se<strong>in</strong>em Fuße, bis h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Oderniederungen. Aber auch bis zur Kette<br />

des Eulengebirges mit der Hohen Eule und dem Bismarckturm auf se<strong>in</strong>er höchsten Erhebung. Am<br />

Fuße diese Gebirgszuges, zu dem auch das Altvatergebirge, das Riesengebirge mit der<br />

Schneekoppe gehören liegt die <strong>Kreis</strong>stadt, das rom<strong>an</strong>tische <strong>Reichenbach</strong>. Diese Stadt hat <strong>in</strong> der<br />

Geschichte <strong>Schlesien</strong>s e<strong>in</strong>e tragende Rolle gespielt. Berühmte Köpfe der Politik haben hier<br />

Geschichte geschrieben. An diese herrliche L<strong>an</strong>dschaftskomposition von stolz aufragenden Bergen,<br />

s<strong>an</strong>ften , hügeligen L<strong>an</strong>dschaften mit dezent e<strong>in</strong>gefügten Wäldern und erfrischenden Seen, konnte<br />

ich mich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er geschlossenen Schönheit natürlich nicht mehr er<strong>in</strong>nern. Zu jung war ich, als das<br />

Drama der Vertreibung beg<strong>an</strong>n. Aber Teil<strong>an</strong>sichten, wie der Blick vom Bauernhof h<strong>in</strong>über zum<br />

Wetterpropheten Zobten mit se<strong>in</strong>em Partner Geiersberg oder auf die unmittelbar vor der Haustür<br />

liegenden Eichberge habe ich die Bilder der Er<strong>in</strong>nerung mit der Wirklichkeit <strong>in</strong> gute Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

br<strong>in</strong>gen können. <strong>Lauterbach</strong> und die umliegenden Felder, Wiesen und Wälder der Bauern liegen auf<br />

e<strong>in</strong>er Terrasse mit relativ ger<strong>in</strong>gen Höhenunterschieden.<br />

Nach Osten fällt die L<strong>an</strong>dschaft und geht <strong>in</strong> das flache, fruchtbare L<strong>an</strong>d der Oderniederungen über.<br />

Aufgrund dieser topografischen L<strong>an</strong>dschaftsstruktur hatte m<strong>an</strong> von unseren Feldern e<strong>in</strong>e weite Sicht,<br />

die aber durch den 253 m hohen Johnsberg nicht bis h<strong>in</strong>unter nach Breslau reichen konnte. Er<br />

versperrte die Aussicht auf die Türme und Silhouette der L<strong>an</strong>desmetropole. Doch gerade dieser Blick<br />

mit dem mark<strong>an</strong>ten Profil des Zobtenmassivs auf der l<strong>in</strong>ken Seite, im Zentrum der Johnsberg bei<br />

Wättrisch und rechts der nach Heidersdorf leicht abfallende Hummlerberg, s<strong>in</strong>d das charakteristische<br />

Symbol für die unverwechselbare E<strong>in</strong>maligkeit der L<strong>an</strong>dschaft um <strong>Lauterbach</strong>. Und so wie die<br />

L<strong>an</strong>dschaft s<strong>in</strong>d auch se<strong>in</strong>e Bewohner. Denn die Menschen werden vom dem, was sie täglich<br />

umgibt, am meisten geprägt.<br />

Mit dem Zug war und ist <strong>Lauterbach</strong> nicht zu erreichen. Die Breslauer Verw<strong>an</strong>dten fuhren immer bis<br />

Heidersdorf und wurden d<strong>an</strong>n, wenn es der l<strong>an</strong>dwirtschaftliche Tagesablauf erlaubte, mit der Kutsche<br />

abgeholt. E<strong>in</strong>e solche Fahrt dauerte bei normalen Wetterverhältnissen auf ke<strong>in</strong>en Fall länger als e<strong>in</strong>e<br />

Stunde. Etwas länger unterwegs waren die Besucher, die <strong>in</strong> der <strong>Kreis</strong>stadt <strong>Reichenbach</strong> auf dem<br />

Hauptbahnhof <strong>an</strong>kamen. Sie mussten <strong>Reichenbach</strong> über die Breslauerstraße verlassen, l<strong>in</strong>ks am<br />

Sportgelände vorbei. Über die Reichstraße 151 kamen sie über Bertholdsdorf, Praus und durch die<br />

Eichberge nach <strong>Lauterbach</strong>. Beim Austritt aus den Wäldern der Eichberge öffnet sich e<strong>in</strong>e der<br />

schönsten Aussichten auf das idyllische Heimatdorf, e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> die schlesische L<strong>an</strong>dschaft. Vor<br />

mehr als fünfzig Jahren war es e<strong>in</strong> letzter Abschiedsblick auf die Bühne des bisherigen Lebens. Es<br />

war der Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es Marsches <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ungewisse Zukunft. Bei der ersten Fahrt <strong>in</strong> das L<strong>an</strong>d der<br />

Vorfahren, dass auch uns als Lebensraum vom Schöpfer als Heimat geschenkt wurde, haben wir alle<br />

mit nervöser Sp<strong>an</strong>nung und unbeschreiblicher Ungeduld und Aufregung dem ersten Blick auf den<br />

vertrauten Hof und das g<strong>an</strong>ze Heimatdorf sehnsüchtig entgegen gefiebert.<br />

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Wer so etwas nicht selbst erlebt hat, k<strong>an</strong>n es nicht nachempf<strong>in</strong>den. Aber die E<strong>in</strong>drücke s<strong>in</strong>d so<br />

prägend, dass die Er<strong>in</strong>nerung fast zum eigentlichen Erlebnis wird. Und dieses überwältigende<br />

Ereignis lockt immer wieder zum erneuten Besuch der Heimat, wenn erst e<strong>in</strong>mal die ersten<br />

Vorbehalte und Bedenken ausgeräumt s<strong>in</strong>d.<br />

Wer von <strong>Reichenbach</strong> kommend unseren Hof besuchen wollte, hatte mehrere Möglichkeiten. E<strong>in</strong>mal<br />

k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> bereits <strong>in</strong> Bertholdsdorf die Reichstraße 151 verlassen und über Hartau, L<strong>an</strong>gseifersdorf,<br />

Jentschwitz die zu <strong>Lauterbach</strong> gehörenden Straßenhäuser erreichen. Die zweite Vari<strong>an</strong>te ist die<br />

Abbiegung von der Reichstraße 151 <strong>in</strong> Praus, die Fahrt über das Wallfahrtsdorf Stoschendorf und<br />

kurz vor Jentschwitz trifft diese Straße wieder auf die Hauptverb<strong>in</strong>dung Schweidnitz-Heidersdorf, die<br />

direkt durch die Straßenhäuser führt. Fährt m<strong>an</strong> jedoch <strong>an</strong> dieser Kreuzung gerade aus, d<strong>an</strong>n wird<br />

das am Fuße des Geiersberges und der Mellendorfer Berge gelegene Schlaupitz erreicht. Kurz h<strong>in</strong>ter<br />

den Straßenhäusern trifft die von Schweidnitz-L<strong>an</strong>gseifersdorf kommende Straße wieder auf die<br />

durch <strong>Lauterbach</strong> führende Reichstraße 151. In kurvenreichen Schl<strong>an</strong>genl<strong>in</strong>ien, als wollte sie<br />

<strong>Lauterbach</strong> nicht verlassen, verabschiedet sie sich d<strong>an</strong>n doch über den Klettenberg und trifft auf der<br />

Höhe, ihre Partner<strong>in</strong> aus Schweidnitz. An der Kreuzung st<strong>an</strong>den <strong>in</strong> deutscher Zeit e<strong>in</strong> liebevoll<br />

gepflegtes Kreuz und e<strong>in</strong>e mächtige L<strong>in</strong>de. E<strong>in</strong> Kreuz – jedoch nicht das Orig<strong>in</strong>al – steht heute auch<br />

wieder dort. Aber die L<strong>in</strong>de hat sicher zu <strong>an</strong>deren Zwecken ihr Leben opfern müssen. Die vere<strong>in</strong>te<br />

Straße führt jetzt über den Hummlerberg – l<strong>in</strong>ks davon liegen die Hellaberge – vorbei <strong>an</strong> P<strong>an</strong>thenau<br />

h<strong>in</strong>unter <strong>in</strong> die Zuckerrübenstadt Heidersdorf. Diese Kle<strong>in</strong>stadt hat e<strong>in</strong>en Bahnhof und auch die<br />

Zuckerfabrik ist mit e<strong>in</strong>em Gleis <strong>an</strong> das Bahnnetz Breslau-Nimptsch-<strong>Reichenbach</strong> <strong>an</strong>geschlossen. In<br />

e<strong>in</strong>em großen Bogen umkurvt diese Strecke <strong>Lauterbach</strong>. Die Erschließung der Bergstadt Nimptsch<br />

und ihrer Umgebung war den damaligen Pl<strong>an</strong>ern aus strategischen Gründen wichtiger als der<br />

Anschluss <strong>Lauterbach</strong>s. Aber bei bestimmten Wetterlagen konnte das Stöhnen und Ächzen der<br />

Dampfloks auf den Steigungen und <strong>in</strong> den Lohekurven gedämpft vernommen werden. Für die Rast-<br />

und Wirtshäuser <strong>an</strong> den beschriebenen Straßen hatte das neue Bahnzeitalter natürlich katastrophale<br />

Folgen. Viele Güter wurden nicht mehr von den Pferdefuhrwerken, sondern von der viel schnelleren<br />

Eisenbahn übernommen. So m<strong>an</strong>che Gaststätte – die von der Bewirtung und Übernachtung der<br />

Fuhrleute lebte – musste schließen.<br />

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Oben: St. Joh<strong>an</strong>nis-<br />

Kirche Ende April 2005<br />

L<strong>in</strong>ks: Dorfpl<strong>an</strong> mit nördlicher Gemarkung<br />

Über die vermutliche Entwicklung des Dorfnamens haben sich befugtere Forscher zu Wort gemeldet<br />

und <strong>in</strong> den Dorfchroniken festgehalten. An die Vielzahl der Flüsschen, Quellen und Teiche k<strong>an</strong>n sich<br />

aber jedes <strong>Lauterbach</strong>er K<strong>in</strong>d bestimmt noch heute er<strong>in</strong>nern. Nicht weit – vielleicht nur hundert Meter<br />

– vom Bauernhof war im Garten des Nachbarn Herrm<strong>an</strong>n Ha<strong>in</strong>ke bereits der erste Teich. An se<strong>in</strong>em<br />

Ufer endeten so m<strong>an</strong>che ersten Erkundungsausflüge, hatten doch die Eltern besorgt oft und immer


wieder die Gefahren dieses Teiches beschworen. Und <strong>an</strong> warmen Nächten <strong>in</strong> der Sommerzeit<br />

erkl<strong>an</strong>gen von dort – nach get<strong>an</strong>er Feldarbeit als Belohnung durch die Natur – die Stimmen der<br />

liebestrunkenen Frösche als e<strong>in</strong> bee<strong>in</strong>druckendes Naturkonzert. Stolz führten Gänse und Enten ihren<br />

hoffnungsvollen Nachwuchs im possierlichen Gänsemarsch <strong>an</strong> die Ufer des kühlenden Wassers.<br />

Nicht jedes der kle<strong>in</strong>en Küken wollte das Leben auf und im Wasser gleich akzeptieren. Aber mit<br />

großer Geduld, <strong>in</strong> hartnäckigen Fällen auch mit s<strong>an</strong>fter Gewalt haben die Gänse- und Enteneltern<br />

ihren Nachwuchs d<strong>an</strong>n doch immer wieder <strong>an</strong> das nasse Element gewöhnt.<br />

Gespeist wird der Teich von e<strong>in</strong>er eigenen, relativ kalten Quelle. Da sich das Wasser auch im<br />

Sommer nicht wesentlich erwärmt, war bisher e<strong>in</strong>e Fischzucht <strong>in</strong> dem Gewässer noch nicht<br />

erfolgreich. Die Quelle war zu ergiebig und deren kalte Temperatur dom<strong>in</strong>ierte. Als Badeteich wurde<br />

dieses Gewässer von uns K<strong>in</strong>dern nie genutzt. Die Wassertiefe konnte durch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Stauwehr<br />

reguliert werden. Der Abflussgraben führte d<strong>an</strong>n durch unseren Garten, über die sehr feuchten<br />

Zentnerwiesen zwischen den Höfen von Gutbier und Brosig <strong>in</strong> den krummen Graben. Der kle<strong>in</strong>e<br />

Ablaufgraben des Teiches wurde meistens mit e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen, dicken Bohle überbrückt, e<strong>in</strong>e<br />

Konstruktion also , wie aus dem Wilhelm Busch-Album und den Abenteuern von Max und Moritz<br />

bek<strong>an</strong>nt. Entsprechende Streiche ließen sich auch die K<strong>in</strong>der aus den Straßenhäusern e<strong>in</strong>fallen. Oft<br />

war die Brücke wie vom Erdboden verschwunden und musste durch e<strong>in</strong>e neue ersetzt werden. Bei<br />

Regen war das Brett gefährlich glitschig. Und bei Schnee und Eis ist so m<strong>an</strong>cher unvorsichtige<br />

Pass<strong>an</strong>t im Graben gel<strong>an</strong>det. Für uns K<strong>in</strong>der ke<strong>in</strong> H<strong>in</strong>dernis, Übungsmöglichkeiten sie zu überqueren<br />

gab es täglich beim G<strong>an</strong>g zur und von der Schule. Besonders im W<strong>in</strong>ter, wenn der doch häufig sehr<br />

kalte schlesische W<strong>in</strong>ter alle Flüsse, Bäche und Seen erstarren ließ, die L<strong>an</strong>dschaft <strong>in</strong> knirschenden<br />

Schnee e<strong>in</strong>gehüllt war und e<strong>in</strong>e schwach wärmende Sonne am blauen Firmament die K<strong>in</strong>der aus den<br />

Stuben <strong>an</strong> die klare W<strong>in</strong>terluft lockte, war die zugefrorene Eisdecke e<strong>in</strong>e der vielen W<strong>in</strong>terfreuden <strong>in</strong><br />

der schlesischen Heimat. Die Eltern haben diesem Treiben nicht ohne Sorge zugestimmt, war doch<br />

die Eisschicht nicht <strong>an</strong> allen Stellen e<strong>in</strong>bruchsicher. Am Abfluss war das Eis immer dünner und die<br />

Gefahr e<strong>in</strong>zubrechen dort sehr groß. Doch der W<strong>in</strong>ter <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> war nichts für Stubenhocker. Er<br />

bot viele Abwechslungen. Das „Koscheln“ auf dem Eis oder dafür <strong>an</strong>gelegten Bahnen, Rodelfahrten,<br />

Schneeballschlachten, Schlittschuhfahren, Schneehöhlen- und Schneem<strong>an</strong>nbauen waren<br />

willkommene Abwechslung vom Schulprogramm. Großes Gaudi bereitete die Schlittenfahrten,<br />

gezogen von geschmückten Pferdchen mit kl<strong>in</strong>genden Glocken am Geschirr. Wer wollte, konnte sich<br />

<strong>an</strong> den Schlittenb<strong>an</strong>dwurm <strong>an</strong>b<strong>in</strong>den und so zog e<strong>in</strong> l<strong>an</strong>ger Zug von fröhlichen K<strong>in</strong>dern auf vielen<br />

Schlitten durch Dorf und Straßen. So wuchsen die Menschen schon als K<strong>in</strong>der zu e<strong>in</strong>er großen<br />

Dorfgeme<strong>in</strong>schaft zusammen, die sich auch <strong>in</strong> Notzeiten bewähren sollte.<br />

Die Höhepunkte w<strong>in</strong>terlicher Lust konnten die K<strong>in</strong>der erleben, die im Besitz von Schneeschuhen<br />

waren. Beim Stellmacher Herzog-Josef wurden solche Träume Wahrheit. Me<strong>in</strong>e Schwester, die allem<br />

Neuen schon immer sehr aufgeschlossen ist, hatte sich ohne Wissen unserer Eltern solche Skier<br />

<strong>an</strong>fertigen lassen. Als nun der Tag der Anlieferung gekommen war und <strong>an</strong> e<strong>in</strong>em herrlichen<br />

W<strong>in</strong>tertag - mit dem Skiern auf den Schultern – schon von Weitem zu sehen war, mussten natürlich<br />

auch die Eltern <strong>in</strong>formiert werden. Sie sollten ja schließlich die Rechnung begleichen. Aber das<br />

erwartete Donnerwetter – <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> bei solchen Anlässen häufig üblich – blieb überraschend aus.<br />

Der Vater schnallte sich als Erster die für ihn auch fremden, krummen D<strong>in</strong>ger <strong>an</strong> se<strong>in</strong>e Schuhe und<br />

war sehr schnell über die Zentnerwiese <strong>in</strong> der weißen W<strong>in</strong>terl<strong>an</strong>dschaft verschwunden. Nach<br />

längerer Zeit traf er dampfend, mit knallrotem Gesicht und Ohren aber zufrieden und begeistert<br />

wieder auf dem Hof e<strong>in</strong> und verschw<strong>an</strong>d voller Lobesworte für diesen herrlichen W<strong>in</strong>tersport <strong>in</strong> der<br />

wärmenden Stube. Diese mutige Tat der älteren Schwester hat sicher dazu beigetragen, dass auch<br />

die jüngere Schwester und ich kurz d<strong>an</strong>ach ebenfalls solche Skier vom Herzog-Josef, dem<br />

Stellmacher, bekamen. Allerd<strong>in</strong>gs waren sie zu den Weihnachtsfeiertagen nicht rechtzeitig fertig<br />

geworden. Umso größer war d<strong>an</strong>n unsere Freude, als wir sie nach dem Fest e<strong>in</strong>es abends <strong>in</strong><br />

unseren Betten entdeckten. L<strong>an</strong>ge Freude dar<strong>an</strong> haben wir leider nicht gehabt, denn es war der<br />

letzte W<strong>in</strong>ter , den wir <strong>in</strong> unserer Heimat erlebten. Die Skier wurden – wie alles bei der Vertreibung<br />

<strong>an</strong> e<strong>in</strong>em sicher geglaubten Ort bis zur Rückkehr verstaut. Wie oft habe ich <strong>in</strong> den strengen W<strong>in</strong>tern<br />

nach der Vertreibung <strong>in</strong> den Harz <strong>an</strong> diese – unter den Dachsparren unseres Wohnhauses –<br />

versteckten Sportgeräte gedacht. Als Vertriebene war für me<strong>in</strong>e Eltern e<strong>in</strong>e Anschaffung von Skiern<br />

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<strong>in</strong> der schlechten Zeit nach dem Krieg <strong>in</strong> der Fremde unvorstellbar. So waren wir zu dieser Zeit dazu<br />

verurteilt, das fröhliche Treiben der K<strong>in</strong>der, denen das Spielzeug nicht weggenommen worden war,<br />

von Weitem zu bestaunen. Als ich nach fast fünfzig Jahren von den jetzigen Bewohner unseres<br />

Hauses auf den Schüttboden geführt wurde, g<strong>in</strong>g me<strong>in</strong> erster Blick zum Versteck der heißgeliebten<br />

Schneeschuhe. Sie waren nicht mehr da, der g<strong>an</strong>ze Boden war im wahrsten S<strong>in</strong>ne des Wortes aller<br />

<strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> beraubt.<br />

Die vielen Seen und Teiche um <strong>Lauterbach</strong> s<strong>in</strong>d Zeugen wie <strong>an</strong>fällig das Dorf bei Schneeschmelze<br />

und Wolkenbrüche für Überschwemmungen ist. Bei e<strong>in</strong>em Blick auf die Karte macht sofort der<br />

Rohrteich – alle<strong>in</strong> wegen se<strong>in</strong>er Größe – auf sich aufmerksam. Jeder <strong>Lauterbach</strong>er erzählt mit Stolz<br />

und Begeisterung von se<strong>in</strong>en Erlebnissen um und im See <strong>in</strong> den warmen und m<strong>an</strong>chmal drückend<br />

heißen Sommernächten. Es h<strong>an</strong>delt sich dabei um e<strong>in</strong>en künstlich <strong>an</strong>gelegten See. Solche Seen und<br />

Staubecken wurden <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> viel <strong>an</strong>gelegt. L<strong>an</strong>gfristig war damals der Oder-Donau-K<strong>an</strong>al<br />

gepl<strong>an</strong>t. Die vielen Seen sollten bei Niedrigwasser das notwendige Wasser zum Nachspeisen liefern.<br />

Zum Bau des Oder-Donau-K<strong>an</strong>als ist es aber bis heute nicht gekommen. Gespeist wurde der<br />

Rohrteich aus den Quellen und Sumpfgelände auf Stoschendorfer Gemarkung. Das Wasser des<br />

Überlaufs am Ständer verließ über den krummen Graben durch <strong>Lauterbach</strong> unsere Heimat. Aber<br />

auch die Riegermühle konnte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zur Mühle gehörenden See das aus dem Rohrteich<br />

abfließende Wasser auff<strong>an</strong>gen und bei Bedarf die Mühle <strong>an</strong>treiben. Nicht zuletzt lieferte der See<br />

auch das Wasser für die Zuckerfabrik <strong>in</strong> Heidersdorf, wenn dort die jährliche Zuckerkampagne lief.<br />

Die <strong>Lauterbach</strong>er – auch me<strong>in</strong>e Eltern – haben ihr Getreide damals noch teilweise <strong>in</strong> der<br />

Riegermühle mahlen lassen. Vorgänger war der Müller Färber, der ca. 1937 <strong>Lauterbach</strong> verließ.<br />

Besitzer war der Müller Schneider aus Heidersdorf, zu dem <strong>in</strong> späteren Jahren das Mehl gebracht<br />

wurde. Etwas östlich von Ort liegt der zweitgrößte See <strong>Lauterbach</strong>s, <strong>an</strong> der Grenzmühle zu der auch<br />

e<strong>in</strong>e Fas<strong>an</strong>erie gehörte. Die beiden Dorfteiche im Zentrum bekommen ihr lebensspendendes Wasser<br />

auch aus dem krummen Graben. Dieser wurde <strong>in</strong> den letzten Jahren vom Arbeitsdienst begradigt<br />

und gere<strong>in</strong>igt. Die Hochwassergefahr für das Niederdorf hatte dadurch viel von se<strong>in</strong>er Gefährlichkeit<br />

verloren. Auch um das <strong>Lauterbach</strong>er Gut , was von Guts<strong>in</strong>spektor Richard Ha<strong>in</strong> geleitet wurde, s<strong>in</strong>d<br />

e<strong>in</strong>ige Teiche. Der größte Teich liegt westlich der Gebäude für die Bediensteten des Gutes, der im<br />

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Volksmund nur als Gasta-Teich bezeichnet wurde. Auf dem Wege durch das Dom<strong>in</strong>ium , auf dem<br />

Weg nach Groß-Elguth, liegt rechts der Kuhteich. In südwestlicher Richtung schließen sich die<br />

geheimnisvollen Tiefteiche <strong>an</strong>. Dieses – wegen se<strong>in</strong>er Gefahren für K<strong>in</strong>der geächtete Gebiet – übte<br />

dennoch auf sie e<strong>in</strong>e große Anziehung aus. Aber die Schilderungen der Erwachsenen über die<br />

Gefahren, haben ihre Wirkung dennoch nicht verfehlt. Nur g<strong>an</strong>z Unerschrockene wagten sich trotz<br />

der Warnungen <strong>in</strong> das sumpfige, geheimnisvolle Dickicht der Tiefteiche.<br />

E<strong>in</strong> besonderes Erlebnis, welches fast alle Lauterbächer <strong>an</strong> den Rohrteich lockte, war das Abfischen<br />

des Sees im Herbst. Zu diesem Zweck wurde das Wasser des Sees abgelassen. Den Fischen<br />

blieben nur kle<strong>in</strong>e Tümpel übrig, <strong>in</strong> denen sie sich zu Hunderten tümmelten. Mit Käschern wurden sie<br />

abgefischt und gleich nach Größe und Gewicht sortiert. Die gesamte Ladung wurde d<strong>an</strong>n <strong>in</strong> die<br />

Zuchtbecken <strong>in</strong> der Nähe der Dorfteiche gebracht. Sogar der Graf von Seidlitz ließ sich dieses<br />

spektakuläre Ereignis am Rohrteich nicht entgehen und war – wie bei allen Treibjagden im Herbst –<br />

mit dabei. Wie m<strong>an</strong> erzählen hört, soll jedoch bei den Polen der Rohrteich mehrere Jahre nicht mit<br />

Wasser gefüllt worden se<strong>in</strong>. Bei unseren letzten Besuchen liegt er aber <strong>in</strong> alter Schönheit idyllisch <strong>in</strong><br />

der berauschenden L<strong>an</strong>dschaft der Heimat. Mich hat besonders bee<strong>in</strong>druckt, dass der Erlös durch<br />

die Fischzucht <strong>in</strong> den <strong>Lauterbach</strong>er Gewässern <strong>in</strong> der Verg<strong>an</strong>genheit den Erlös aus der<br />

Forstwirtschaft bei weitem überflügelt hat. Aber stattliche Wälder waren <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> leider<br />

M<strong>an</strong>gelware. Das Aushängeschild und die Schokoladenseite <strong>Lauterbach</strong>s waren neben dem<br />

Dom<strong>in</strong>ium die vielen L<strong>an</strong>dwirte und Bauern. Der Großteil der arbeitenden Bevölkerung war damals<br />

noch <strong>in</strong> der L<strong>an</strong>dwirtschaft tätig. Hier wurden die Gew<strong>in</strong>ne durch die Überproduktion der schlesischen<br />

Bauern erzielt. In den deutschen Ostländern entst<strong>an</strong>d die Kornkammer Europas. Die Erfolge der<br />

L<strong>an</strong>dwirtschaft waren Motor für die geistige und kulturelle Blüte <strong>in</strong> den schlesischen Großstädten,<br />

allen vor<strong>an</strong> <strong>in</strong> der L<strong>an</strong>deshauptstadt Breslau. Und die waren zum Wachsen verurteilt, denn die Höfe<br />

der Bauern konnten der großen K<strong>in</strong>derschar nicht ihr Leben l<strong>an</strong>g Arbeit und Brot geben. Und so<br />

wuchs die Breslauer Bevölkerung, gespeist von dem Nachwuchs aus den Familien der schlesischen<br />

L<strong>an</strong>dbevölkerung. Damit wurden den aufstrebenden Industriebetrieben, der Verwaltung und den<br />

Behörden die notwendigen Mitarbeiter zugeführt. So kam es, dass fast jede schlesische Familie <strong>in</strong><br />

Breslau, Berl<strong>in</strong> oder e<strong>in</strong>er <strong>an</strong>deren größeren Stadt, Verw<strong>an</strong>dte wohnen hatte. Sie kamen gern <strong>in</strong> der<br />

Sommerfrische oder bei <strong>an</strong>deren familiären Ereignissen wieder e<strong>in</strong>mal gern zu ihren Wurzeln. Hier<br />

konnten sie die ungetrübte und naturverbundene Lebensweise auf dem L<strong>an</strong>de nochmals <strong>in</strong> vollen<br />

Zügen genießen. Aber auch die L<strong>an</strong>dbevölkerung freute sich auf den Besuch aus der Stadt. Brachte<br />

er doch Neuigkeiten von der stürmischen Entwicklung <strong>in</strong> den Großstädten mit, die nicht wie heute<br />

aktuell durch Funk und Fernsehen <strong>in</strong> jede entlegene Berghütte dr<strong>in</strong>gen. Die Schule des Lebens<br />

beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> der L<strong>an</strong>dwirtschaft vielleicht etwas früher als wo<strong>an</strong>ders. Der K<strong>in</strong>dergarten und die<br />

Vorschule waren der Bauernhof. Schon früh mussten die Eltern die K<strong>in</strong>der mit auf das Feld nehmen,<br />

denn bei der Frühjahrsbestellung und während der Ernte musste jede verfügbare Arbeitskraft<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden. Für die Bauersfrau war die K<strong>in</strong>dererziehung e<strong>in</strong>e Nebenbeschäftigung und Stillen<br />

und Betreuung des Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>des während der Feldarbeit ke<strong>in</strong>e Seltenheit. Und doch er<strong>in</strong>nert sich jeder<br />

gern <strong>an</strong> die vielen buntgekleideten Menschen auf den vielen Feldern, die <strong>in</strong> der Heu- und<br />

Getreideernte die Wagen fachmännisch beladen konnten, so dass sie auf den holprigen Feldwegen<br />

nicht umkippten. Die geme<strong>in</strong>samen Mahlzeiten <strong>in</strong> freier Natur, waren besonders für die Erntehelfer<br />

aus den Städten e<strong>in</strong> bemerkenswertes Erlebnis. Das selbstgebackene Brot, die Hausmacherwurst<br />

und alle <strong>an</strong>deren Leckereien des bäuerlichen Haushalts waren natürlich viel köstlicher und frischer<br />

als die Produkte aus den Läden der Stadt. Aber <strong>an</strong>dererseits waren für die L<strong>an</strong>dratten die Produkte<br />

der Stadt <strong>in</strong> gleicher Weise verlockend. In e<strong>in</strong>er Gesellschaft, <strong>in</strong> der jeder se<strong>in</strong>en Beitrag zum Wohle<br />

der Geme<strong>in</strong>schaft leisten muss, wird begriffen, dass nicht nur die <strong>an</strong>genehmen und kurzweiligen<br />

Seiten des Lebens ausgewählt werden können. So mussten die K<strong>in</strong>der wichtige E<strong>in</strong>käufe tätigen,<br />

beim Kolonialwarenhändler Schirmag. Hier war auch die Post untergebracht. Das Brot und die<br />

Semmeln waren immer frisch beim Klosig-Bäcker, der aber auch e<strong>in</strong>en Kolonialwarenladen führte.<br />

Für uns K<strong>in</strong>der aus den Straßenhäusern war dorth<strong>in</strong> doch e<strong>in</strong> sehr l<strong>an</strong>ger Weg. Die Mutter hat<br />

unsere Bemühungen aber immer mit e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Belohnung versüßt. Geld brauchten wir zum<br />

Bäcker nicht mit zu nehmen. Alles, was wir e<strong>in</strong>kauften, wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong> großes Buch e<strong>in</strong>getragen. Zu<br />

gegebener Zeit g<strong>in</strong>gen me<strong>in</strong>e Eltern d<strong>an</strong>n zum Bäcker , um mit ihm die Abrechnung zu machen.<br />

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Bezahlt wurde dem Bäcker nur die Arbeitszeit, die Gegenleistung für die Waren erfolgte durch<br />

entsprechende Mehllieferungen. Um den l<strong>an</strong>dwirtschaftlichen Betrieb reibungslos durchführen zu<br />

können, bedarf es geeigneter und guter H<strong>an</strong>dwerker. Die waren auch <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> vorh<strong>an</strong>den. Der<br />

Stellmacher Herzog-Josef verst<strong>an</strong>d nicht nur viel von den notwendigen Stellmacherarbeiten, sondern<br />

führte nebenbei noch e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e L<strong>an</strong>dwirtschaft. Alle Schmiedearbeiten erledigte der Bonke-Georg.<br />

Dieses H<strong>an</strong>dwerk verzaubert uns immer wieder. Wenn der Schmied das weiß-glühende Eisen aus<br />

dem Feuer nahm und es nach se<strong>in</strong>en Wünschen auf dem großen Amboss formte, wollte jeder Junge<br />

am Liebsten dieses H<strong>an</strong>dwerk erlernen. Unvergessen bleiben die stechenden Dämpfe <strong>in</strong> Augen und<br />

Nase, wenn den Pferden d<strong>an</strong>n die neuen Eisen auf die Hufe gebr<strong>an</strong>nt wurden. Passende Hufnägel<br />

e<strong>in</strong>geschlagen, noch e<strong>in</strong>ige Anpassungsarbeiten mit der Hufraspel und das Pferd konnte auf<br />

scharfen Eisen wieder se<strong>in</strong> schweres Tagewerk fortsetzen. Gleich neben der Schmiede war auch die<br />

Werkstatt von Schre<strong>in</strong>ermeister Hirsch. Die frischen Hobelspäne und der typische Geruch von<br />

unbeh<strong>an</strong>deltem Naturholz steigt noch heute <strong>in</strong> die Nase, denkt m<strong>an</strong> <strong>an</strong> die Besuche <strong>in</strong> der Werkstatt.<br />

Für alle <strong>Lauterbach</strong>er war er bei allen <strong>an</strong>fallenden Tischlerarbeiten im Haus und Hof der zuständige<br />

Fachm<strong>an</strong>n.<br />

Wenn m<strong>an</strong> den Klettenberg bis zur Höhe der Lehmgrube auf der l<strong>in</strong>ken Seite g<strong>in</strong>g, bog e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er<br />

Trampelpfad ab. Quer über die Felder von Frieba-Mart<strong>in</strong>, Heimlich-M<strong>in</strong>na, Herzog-Josef, Bonke-<br />

Grunwald, Frenzel-Karl und Gutbier-Adolf. Vor der Lehmgrube – noch vor dem Anstieg des<br />

Klettenberges im Dorf – hatte der Dierig- August, der <strong>Lauterbach</strong>er Fleischer se<strong>in</strong> Schlachthaus und<br />

Verkaufsladen. So m<strong>an</strong>chen Stümpel Wurst haben wir als Zugabe zu unserem E<strong>in</strong>kaufszettel von<br />

ihm oder se<strong>in</strong>er Frau Erna erhalten. Zu ihm hatten wir noch im Westen bis zu se<strong>in</strong>em Tode gute<br />

Verb<strong>in</strong>dung. Was mir besonders imponierte war se<strong>in</strong> Kontakt zu fr<strong>an</strong>zösischen Kriegsgef<strong>an</strong>genen,<br />

die während des Krieges bei uns als Erntehelfer e<strong>in</strong>gesetzt waren. Er hat diese Leute von<br />

Badenhausen im Harz noch per Fahrrad <strong>in</strong> Fr<strong>an</strong>kreich – mit e<strong>in</strong>em Abstecher nach Paris – besucht.<br />

E<strong>in</strong> Symbol dafür, dass <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> und g<strong>an</strong>z <strong>Schlesien</strong> die Begeisterung für die braunen<br />

Machthaber auf Sparflamme kochte und die Gef<strong>an</strong>genen so beh<strong>an</strong>delt wurden, wie Menschen<br />

mite<strong>in</strong><strong>an</strong>der umgehen sollen. Das zeigt auch die Besetzung der Ämter <strong>in</strong> der wilden Zeit des Dritten<br />

Reiches. Es war sehr schwer, l<strong>in</strong>ientreue K<strong>an</strong>didaten zu f<strong>in</strong>den. Mit den E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die brauen Partei<br />

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taten sich die <strong>Lauterbach</strong>er schwer, konnten sich aber dem Sturm der Zeit nicht entziehen. Erster<br />

Bürgermeister war der Brosig-Josef. Nach se<strong>in</strong>em frühen Tode löste ihn der Weis-August ab. Se<strong>in</strong><br />

Nachfolger war d<strong>an</strong>n der Frenzel-Karl, der auch den Treck <strong>in</strong> die Grafschaft leitete. Schwer<br />

durchschaubar war die Amtsführung zu Beg<strong>in</strong>n der polnischen Verwaltung. Hier hatte plötzlich e<strong>in</strong>e<br />

Frau Schmidt, geflüchtet von den Bomben<strong>an</strong>griffen auf Berl<strong>in</strong>, <strong>an</strong>geblich e<strong>in</strong>e Kommunist<strong>in</strong> , das<br />

große Sagen. Ihr st<strong>an</strong>den natürlich auch deutsche Assistenten zur Seite, die sich von den neuen<br />

Machtverhältnissen persönlicher Vorteile erhofften. Aber der Stern Schmidt, als erste Bürgermeister<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> während der polnischen Verwaltungszeit ist genau so schnell erloschen und hat ke<strong>in</strong>e<br />

positive Ausstrahlung h<strong>in</strong>terlassen. Aber die noch größere Katastrophe <strong>in</strong> der Geschichte<br />

<strong>Lauterbach</strong>s beg<strong>an</strong>n mit der radikalen und totalen Vertreibung der deutschen Bevölkerung. Die<br />

Entwicklung und der Fortschritt e<strong>in</strong>er blühenden Kulturl<strong>an</strong>dschaft beg<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>e Talfahrt, von nie<br />

erahnten Ausmaßen.<br />

Me<strong>in</strong> Vater war zu dieser Zeit Ortsbauernführer. Selbst ausländische Gef<strong>an</strong>gene haben ihm nach<br />

dem Zusammenbruch geholfen, so dass er von den brutalen Schicksalen <strong>an</strong>derer Amtsbrüder<br />

verschont geblieben ist. Das war aber <strong>in</strong> der rechtlosen Zeit zu Beg<strong>in</strong>n der polnischen Besetzung und<br />

den Raubüberfällen der russischen Soldateska e<strong>in</strong> Spiel wie russisches Roulette. Viele<br />

unbescholtenen Bürger unser schlesischen Heimat mussten zum Teil auf brutalste Weise ihr Leben<br />

lassen. Zusätzlich war unser Vater noch der Schiedsm<strong>an</strong>n des Dorfes. Es muss ke<strong>in</strong> leichtes Amt<br />

gewesen se<strong>in</strong>, die Lautstärke der Diskussionen und wir konnten m<strong>an</strong>chmal – ob wir wollten oder<br />

nicht – das Theater neben<strong>an</strong> <strong>in</strong> der Wohnstube mit verfolgen. Beliebt wurde m<strong>an</strong> durch dieses Amt<br />

nicht. Der Erfolg e<strong>in</strong>er Schlichtung bedeutet ja immer, dass beide Parteien etwas von ihren<br />

Forderungen abgeben. Dafür war d<strong>an</strong>n oft der Schiedsm<strong>an</strong>n – und bei g<strong>an</strong>z hartnäckigen,<br />

une<strong>in</strong>sichtigen Streitern – auch die g<strong>an</strong>ze Familie der Prügelknabe.<br />

Mit den vorgen<strong>an</strong>nten H<strong>an</strong>dwerkern ist das Angebot <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> natürlich noch l<strong>an</strong>ge nicht<br />

erschöpft. Das Schuhwerk wird auf den Feldern besonderen Belastungsproben ausgesetzt. Mit den<br />

dabei entst<strong>an</strong>denen Schäden hatte sich der Bauma-Schuster herumzuärgern. Aber er hat es immer<br />

wieder geschafft, se<strong>in</strong>e Kunden zufrieden zu stellen. Damals lohnte es sich noch, Schuhe zum<br />

Schuster zu br<strong>in</strong>gen. Dagegen leben die Menschen heute im Überfluss, nicht nur bei Schuhen.<br />

Soweit die Garderobe nicht <strong>in</strong> den Geschäften von Breslau oder <strong>Reichenbach</strong> von der St<strong>an</strong>ge<br />

gekauft wurde, konnte m<strong>an</strong> sich vom Schirmag- , oder Schubert-Schneider nach Maß etwas<br />

<strong>an</strong>fertigen lassen. Natürlich konnte m<strong>an</strong> sich die Kleidung auch nach e<strong>in</strong>er erfolgreichen Fastendiät<br />

wieder enger machen lassen. Aber meistens verl<strong>an</strong>gten die Proportionen der L<strong>an</strong>dbevölkerung nach<br />

der arbeitsärmeren W<strong>in</strong>terzeit eher e<strong>in</strong>e Erweiterung. Dabei st<strong>an</strong>den die Schneidermeister doch vor<br />

e<strong>in</strong>em besonderen Problem, denn der passende Stoff war oft nicht verfügbar weil schon die letzten<br />

Reversen im Vorjahr genutzt worden waren. Überhaupt hatten die Hausfrauen damals mehrere<br />

Berufe. Denn sie leisteten durch ihre H<strong>an</strong>darbeit nicht nur e<strong>in</strong>en Beitrag <strong>in</strong> Form von schönen<br />

Tischdecken, Bettzeug, Gard<strong>in</strong>en usw., sondern Socken, Strümpfe, H<strong>an</strong>dschuhe, Pullover, Röcke<br />

u.u.u. wurden <strong>an</strong> l<strong>an</strong>gen W<strong>in</strong>terabenden mit der Begleitmusik der klimpernden Stricknadeln<br />

hergestellt.<br />

Die Bautätigkeit <strong>in</strong> der damaligen Zeit war nicht so ras<strong>an</strong>t wie <strong>in</strong> den Aufbauphasen nach den<br />

Zerstörungen des zweiten Weltkrieges. Aber unsere <strong>Lauterbach</strong>er Baumeister oder Maurer wie der<br />

Wittner-He<strong>in</strong>rich, der Gutbier-Adolf, der B<strong>an</strong>witz-August, der Mücke-Paul, der L<strong>an</strong>ger-Paul, der<br />

Wessel-Josef, der Obst-August, Ritter-Knauer, der Schwer-Josef, Ritter-Bernhard, Wittner-Paul,<br />

Wolf-Paul, Wolf-Josef, Ritter-Paul und Schwer s<strong>in</strong>d doch e<strong>in</strong> Zeichen, dass es <strong>an</strong> Aufträgen für so<br />

viele Fachleute <strong>in</strong> der näheren Umgebung nicht m<strong>an</strong>gelte. Viele der aufgezählten Fachleute<br />

betrieben nebenbei aber auch noch e<strong>in</strong>e L<strong>an</strong>dwirtschaft. Mit zu den Bauh<strong>an</strong>dwerkern zählt der<br />

Gutbier-Josef als Malermeister des Dorfes. Und nicht vergessen werden darf der Baum-Josef, der<br />

bei Zimmerm<strong>an</strong>narbeiten se<strong>in</strong> Können unter Beweis stellte.<br />

E<strong>in</strong> großer Arbeitgeber <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> war das Dom<strong>in</strong>ium, das Gut von Graf v. Seidlitz. Es wurde –<br />

wie das Gut <strong>in</strong> Groß-Elguth – von Inspektor Richard Ha<strong>in</strong> verwaltet. Im st<strong>an</strong>d e<strong>in</strong>e große Helferschar<br />

zur Seite, <strong>an</strong>geführt von Oberschweizer Benschneider. Mit auf dem Dom<strong>in</strong>ium tätig waren als<br />

Stellmacher Herr Heimlich, als Schäfer Hirch-He<strong>in</strong>, die Familien Benende-Wittner, Herzog-Josef,<br />

Schwede, Schunke. Die weiteren Mitarbeiter wohnten <strong>in</strong> den Häusern um das Dom<strong>in</strong>ium, e<strong>in</strong> großer<br />

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Teil aber auch <strong>in</strong> dem ehemaligen Felis-Gasthaus, als dieses vom Dom<strong>in</strong>ium übernommen wurde.<br />

Vor Felis gehörte das Anwesen Bienert, der se<strong>in</strong>e Felder <strong>an</strong> die <strong>Lauterbach</strong>er L<strong>an</strong>dwirte veräußerte.<br />

Auch wir hatten davon e<strong>in</strong> Stück <strong>in</strong> der Nähe von Jentschwitz, das bei uns nur der Bienert-Acker<br />

gen<strong>an</strong>nt wurde.<br />

Damit die K<strong>in</strong>der auch die vorgeschriebene Schulausbildung genießen konnten, f<strong>in</strong>den wir <strong>in</strong><br />

<strong>Lauterbach</strong> e<strong>in</strong>e zweiklassige Schule. In den letzten Jahren wurde K<strong>an</strong>tor Welzel von K<strong>an</strong>tor He<strong>in</strong><br />

abgelöst. Ihm zur Seite st<strong>an</strong>d für kurze Zeit Lehrer Schneider. Ich b<strong>in</strong> zwar selbst noch <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong><br />

e<strong>in</strong>geschult worden, doch schon nach e<strong>in</strong>em halben Jahr wurde der Schulunterricht unterbrochen<br />

und bei mir <strong>in</strong> Gittelde am Harz im zweiten Schuljahr fortgesetzt. Über e<strong>in</strong> Jahr war dadurch der<br />

Schulunterricht ausgefallen.<br />

Die Schützen im Garten vom Ha<strong>in</strong>ka-Herrm<strong>an</strong>(l<strong>in</strong>ks) und der Radfahrvere<strong>in</strong> (rechts)<br />

Die Lehrer <strong>an</strong> der Volksschule <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> waren meistens auch noch Org<strong>an</strong>isten bei den vielen<br />

Gottesdiensten und erledigten teilweise die <strong>an</strong>stehenden amtlichen Schreibarbeiten <strong>in</strong> der<br />

Geme<strong>in</strong>de. Der Pauer-Robert war der Geme<strong>in</strong>dediener, Verb<strong>in</strong>dungsm<strong>an</strong>n zwischen Bürgermeister ,<br />

Dorfschreiber und den Mitgliedern der Geme<strong>in</strong>de. K<strong>an</strong>tor He<strong>in</strong> hat sich als Leiter des Kirchenchores<br />

von <strong>Lauterbach</strong> große Verdienste erworben, auch se<strong>in</strong>e Frau, die als H<strong>an</strong>darbeitslehrer<strong>in</strong> die Mädels<br />

begeisterte. In Abwesenheit des K<strong>an</strong>tors hat sie kurzfristig alle<strong>in</strong> die K<strong>in</strong>der unterrichtet.<br />

Neben der L<strong>an</strong>dwirtschaft und dem H<strong>an</strong>dwerk spielte die Waldwirtschaft <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Nebenrolle. Die Försterei wurde <strong>in</strong> der letzten Zeit von Förster He<strong>in</strong> geleitet, als sog. Waldläufer war<br />

Gast tätig. Nach soviel Arbeit auf den Feldern, <strong>in</strong> den Höfen und auf den Baustellen, wollten sich die<br />

Menschen auch e<strong>in</strong>mal entsp<strong>an</strong>nen und ihr Leben genießen. T<strong>an</strong>zver<strong>an</strong>staltungen konnten <strong>in</strong> den<br />

letzten Jahren nur noch im großen Saal im Gasthaus Thamm-Alfred durchgeführt werden. Das<br />

<strong>an</strong>dere Gasthaus im Unterdorf , das sog. Felisgasthaus war <strong>an</strong> das Dom<strong>in</strong>ium verkauft worden und<br />

beherbergte jetzt Mitarbeiter des Gutes. Dennoch k<strong>an</strong>n ich mich dar<strong>an</strong> er<strong>in</strong>nern, dass ich den ersten<br />

Film me<strong>in</strong>es Lebens <strong>in</strong> diesem Gasthaus gesehen habe. E<strong>in</strong> W<strong>an</strong>derk<strong>in</strong>o spielte uns staunenden<br />

Dorfk<strong>in</strong>dern den Film „Quax , der Bruchpilot „ mit H<strong>an</strong>s Rühm<strong>an</strong>n vor. Jedenfalls konnten wir uns<br />

damals nicht vorstellen, wie so etwas <strong>an</strong> e<strong>in</strong>er Le<strong>in</strong>w<strong>an</strong>d durch lebende Bilder möglich war. Das<br />

Interesse für Technik wurde <strong>in</strong> diesem Moment geweckt. Tage- ja Wochenl<strong>an</strong>g waren wir d<strong>an</strong>ach<br />

noch von diesem Erlebnis begeistert. L<strong>an</strong>ge hat es gedauert, bis wir nach l<strong>an</strong>gen Jahren der<br />

Kriegswirren den nächsten Film im Schulunterricht im Westen sehen konnten. Von den Bällen und<br />

T<strong>an</strong>zver<strong>an</strong>staltungen im Saal von Thamm-Alfred schwärmte me<strong>in</strong>e Mutter noch nach Jahrzehnten.<br />

Dar<strong>an</strong> nahm fast das g<strong>an</strong>ze Dorf teil. Es wurden Sketsche und Theaterstücke vorgeführt, die<br />

meistens von dem Ansorge-Lehrer selbst gedichtet und arr<strong>an</strong>giert waren. Nach der harten Arbeit des<br />

ländlichen Jahres waren diese geme<strong>in</strong>samen Feierlichkeiten im bescheidenen gesellschaftlichen<br />

Leben der Dorfgeme<strong>in</strong>schaft e<strong>in</strong> bescheidener Höhepunkt. Die zweite noch betriebene Gastwirtschaft<br />

<strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> war <strong>in</strong> den Straßenhäuser. Me<strong>in</strong> Onkel Herrm<strong>an</strong>n Ha<strong>in</strong>ke, e<strong>in</strong> Bruder der <strong>in</strong>sgesamt<br />

acht Geschwister me<strong>in</strong>er Mutter, hatte die Gastwirtschaft von me<strong>in</strong>en Großeltern übernommen. Die<br />

wichtigsten Gäste waren neben den Dorfbewohnern die Fuhrleute und Händler, die <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>fachen<br />

L<strong>an</strong>dleben der damaligen Zeit für e<strong>in</strong>ige Höhepunkte sorgten. Hoch her g<strong>in</strong>g es, wenn die beiden<br />

Teige-Jungen ihren erfolgreichen Tierh<strong>an</strong>del begossen haben. Noch im hohen Alter haben sich me<strong>in</strong><br />

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Onkel und me<strong>in</strong> Vater schmunzelnd alle lustigen Anekdoten zum wiederholten Male erzählt. Was <strong>in</strong><br />

der Jugend Spaß und Freude gemacht hat, ist auch im Alter noch e<strong>in</strong> Jungbrunnen und Quell der<br />

Freude.<br />

Der Hof von Alfons Jacobowsky <strong>in</strong> den Straßenhäusern von ca. 1920 bis 2005<br />

In dem Leben des Dorfes hatte auch die Kirche und ihre Feste e<strong>in</strong>e g<strong>an</strong>z wichtige Rolle. Der Glaube<br />

<strong>an</strong> den Schöpfer und se<strong>in</strong>e Schöpfung hatte die Menschen über Jahrhunderte <strong>in</strong> den ländlichen<br />

Gebieten geprägt. Sie erlebten auch <strong>in</strong>tensiver die jahreszeitlichen Rhythmen , waren sie doch auch<br />

für den Ablauf des bäuerlichen Lebens von großer Wichtigkeit. Die Pl<strong>an</strong>ung der täglichen Arbeit ist <strong>in</strong><br />

entscheidenden Phasen von den Menschen nicht mehr bee<strong>in</strong>flussbar. Er muss sich den Gesetzen<br />

der Natur unterordnen. Der Glaube vere<strong>in</strong>te die Menschen zu e<strong>in</strong>er Solidargeme<strong>in</strong>schaft und war<br />

damit ordnendes und tragendes Element der gesamten Dorfgeme<strong>in</strong>schaft. Der Gottesdienst war<br />

Höhepunkt der Woche, zu dem sich die Menschen versammelten und die Hochfeste der Christenheit<br />

wichtige Wegbegleiter des Gottesvolkes. Über die Kirchengeschichte des Dorfes <strong>Lauterbach</strong> gibt es<br />

e<strong>in</strong>e Dokumentation aus dem Jahre 1931 von e<strong>in</strong>em ev<strong>an</strong>gelischen Pfarrer K.W. Wionzek mit dem<br />

Titel: „Aus der Verg<strong>an</strong>genheit des Kirchspiels Oberp<strong>an</strong>thenau“. In diesem Heft steht viel Fundiertes<br />

und Wissenswertes über die Entwicklungsgeschichte von <strong>Lauterbach</strong> und den umliegenden Dörfern.<br />

In den letzten Jahren gehörte <strong>Lauterbach</strong> zum Kirchspiel L<strong>an</strong>gseifersdorf. Die K<strong>in</strong>der, die damals<br />

zum Kommunionsunterricht nach L<strong>an</strong>gseifersdorf mussten, werden sich <strong>an</strong> den Weg, der meistens<br />

zu Fuß bei jedem Wetter zurück gelegt wurde, noch heute gut er<strong>in</strong>nern. Auf unserer Fahrt durch<br />

L<strong>an</strong>gseifersdorf haben wir selbstverständlich nicht nur die vertraute Kirche besichtigt, sondern auch<br />

das gegenüberliegende Pfarrhaus. Me<strong>in</strong>e Schwestern haben die Räume, <strong>in</strong> denen damals der<br />

Kommunionsunterricht abgehalten wurde, noch wie damals verlassen, vorgefunden. E<strong>in</strong>e<br />

unbeschreibliche Begegnung mit der Verg<strong>an</strong>genheit. Pfarrer Buchali wird sicher noch vielen <strong>in</strong><br />

Er<strong>in</strong>nerung se<strong>in</strong>. Er war übrigens <strong>in</strong> der Zeit des Zusammenbruchs <strong>in</strong> Görlitz und hat die<br />

Leidensgeschichte dieser Stadt lebensnah miterlebt. Über die Wirren dieser Zeit <strong>in</strong> Görlitz gibt es e<strong>in</strong><br />

Buch, <strong>in</strong> diesem habe ich den Namen von Pfarrer Buchali entdeckt. Er hat mich übrigens zusammen<br />

mit dem Bruder vom Baum-Hubert getauft. In den letzten Jahren war Pfarrer Georg Hartwig für<br />

L<strong>an</strong>gseifersdorf, Bertholdsdorf, Stoschendorf und <strong>Lauterbach</strong> zuständig. Er wurde am 5. J<strong>an</strong>uar 1906<br />

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<strong>in</strong> Ziegenhals/Oberschlesien geboren. Er studierte Philosophie, Theologie und alte Sprachen <strong>in</strong><br />

Breslau, wurde 1932 von Kard<strong>in</strong>al Josef Bertram zum Priester geweiht. Er betreute die <strong>Lauterbach</strong>er<br />

vom 11. November 1940 bis zur Vertreibung im November 1946 von L<strong>an</strong>gseifersdorf aus. Bei den<br />

ersten Heimattreffen der <strong>Lauterbach</strong>er <strong>in</strong> Bornhausen bei Seesen im Harz, ist er fast immer dabei<br />

gewesen. Große Ehre und Auszeichnung wurde dem 90-jährigen Geistlichen Rat bei se<strong>in</strong>er<br />

Verabschiedung von se<strong>in</strong>er neuen Geme<strong>in</strong>de Maxlra<strong>in</strong> <strong>in</strong> Bayern zuteil. Im gleichen Jahr hat er die<br />

irdische Welt und se<strong>in</strong>e vielen Verehrer für immer verlassen. Er wird nun alles für die Ankunft se<strong>in</strong>er<br />

Geme<strong>in</strong>demitglieder im Ewigen Leben vorbereiten.<br />

Natürlich konnte auch damals e<strong>in</strong> Pfarrer nicht alles <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de erledigen. So hatte er auch<br />

<strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> viele Helfer. Als Org<strong>an</strong>isten st<strong>an</strong>den die jeweiligen K<strong>an</strong>toren zur Verfügung. Neben<br />

se<strong>in</strong>en Aufgaben als Bauer war der Wolf-Fr<strong>an</strong>z auch noch Kirchenvater. Die Toten des Dorfes<br />

bettete Herr Schirmag auf dem Friedhof neben der St. Joh<strong>an</strong>neskirche zur ewigen Ruhe. Schon<br />

während der deutschen Zeit wurde über e<strong>in</strong>en neuen St<strong>an</strong>dort des Friedhofes nachgedacht. Er sollte<br />

am Ende des S<strong>an</strong>dweges, kurz vor se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>mündung <strong>in</strong> die Schweidnitzerstraße auf der rechten<br />

Seite , unweit der Straßenhäuser se<strong>in</strong>. Genau diese Stelle haben die Polen auch ausgesucht. Als<br />

e<strong>in</strong>zige Deutsche liegt dort die Menzel-Anna begraben. Sie ruht dort nicht alle<strong>in</strong>. Bemerkenswert<br />

schon viele Gräber von auffallend jungen Polen geben ihr Geleit <strong>in</strong> der Ewigkeit. Der alte Friedhof <strong>an</strong><br />

der Kirche wirkt sehr ungepflegt. Dennoch gibt es zur Überraschung der deutschen Besucher e<strong>in</strong><br />

Grab mit e<strong>in</strong>em Kreuz, das von der deutschen Verg<strong>an</strong>genheit des g<strong>an</strong>zen Kreuzes Zeugnis gibt. Und<br />

wer e<strong>in</strong>mal die Gelegenheit haben sollte, die liebevoll und nicht protzig ausgestattete Dorfkirche zu<br />

besuchen, der sollte e<strong>in</strong>en Besuch des Raumes nicht versäumen, von dem aus die M<strong>in</strong>istr<strong>an</strong>ten die<br />

Orgel mit Luft versorgt haben. Der Raum ist voll von deutscher Nostalgie. Hier haben sich<br />

Generationen von Messdienern – unter ihnen auch me<strong>in</strong> Bruder M<strong>an</strong>fred – für die Ewigkeit<br />

e<strong>in</strong>getragen und verweisen alle Besucher auf die mehr als siebenhundertjährige Tradition und<br />

Geschichte des deutschen Ostens. Auch e<strong>in</strong> großes Holzkreuz, welches noch von den deutschen<br />

Schlesiern <strong>an</strong> der Nordmauer zum Anwesen Mücke-Richard aufgestellt worden ist, er<strong>in</strong>nert noch <strong>an</strong><br />

unsere Zeit <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>. Me<strong>in</strong>e Schwester hat bei der Aufstellung und E<strong>in</strong>weihung noch im<br />

Kirchenchor unter Leitung von K<strong>an</strong>tor He<strong>in</strong> gesungen.<br />

Motor und Herz aller schlesischen Dörfer mit der Struktur unseres Heimatdorfes , waren die<br />

l<strong>an</strong>dwirtschaftlichen Betriebe. Damals hatten sich die Bauern noch nicht auf bestimmte<br />

Arbeitsgebiete spezialisiert. Getreide, Kartoffeln, Rüben und die Futtermittel für das Vieh hatten<br />

Priorität. Die Hausfrau war meistens für den Gemüsegarten zuständig und lieferte damit die<br />

notwendigen Vitam<strong>in</strong>e für die Familie. Jeder wurde auf dem Bauernhof irgendwie gebraucht und war<br />

wichtig. Sogar die Großeltern – oft schon im Auszugshaus – machten sich bei der K<strong>in</strong>derbetreuung<br />

und Erziehung oder <strong>an</strong>deren Arbeiten <strong>in</strong> Hof und Garten nützlich. Alle<strong>in</strong>se<strong>in</strong> gab es <strong>in</strong> diesen<br />

Großfamilien eigentlich sehr selten. Freude und Leid wurden geteilt und sogar der Nachbar war<br />

e<strong>in</strong>gebunden. So half m<strong>an</strong> sich gegenseitig nicht nur <strong>in</strong> der L<strong>an</strong>dwirtschaft mit Geräten sondern auch<br />

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mit Rat und Tat. In den Ställen st<strong>an</strong>den fast überall Kühe, Schwe<strong>in</strong>e wurden gefüttert, Hühner, Gänse<br />

und Enten bevölkerten den Hof. Diese Vielzahl <strong>an</strong> Tieren war nicht nur optische Kulisse der<br />

idyllischen Höfe des Schlesierl<strong>an</strong>des, sondern sie lieferte auch das akustische Begleitkonzert im<br />

Ablauf e<strong>in</strong>es Tages. Über allem wachte der Hofhund, der nächtliche E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gl<strong>in</strong>ge und unerwünschte<br />

Besucher von Hof und Stallungen fernhalten sollte. Selten oder nie hört m<strong>an</strong> jetzt noch <strong>in</strong> den<br />

Städten den Hahnenschrei am Morgen, das Gegacker e<strong>in</strong>er Henne, das Geschnatter von Enten und<br />

Gänsen, das Gezirpe von Sperl<strong>in</strong>gen, die sich <strong>an</strong> e<strong>in</strong>er Futterstelle streiten. Der Moloch Verkehr<br />

beherrscht optisch und akustisch die Szene. Zu dem Konzert der schlesischen Heimat gehörte auch<br />

das Wiehern der Pferde, das Grunzen und vergnügte Quietschen der hungrigen Schwe<strong>in</strong>e. Auch die<br />

Kühe machten mit ihrem l<strong>an</strong>ggezogenen Muh auf ihren Appetit aufmerksam. All die vielen<br />

Kle<strong>in</strong>igkeiten vere<strong>in</strong>igten sich täglich zu e<strong>in</strong>er niemals zu vergessenden Heimatmelodie. Heute sehen<br />

wir <strong>an</strong>dere Bilder, hören <strong>an</strong>dere Geräusche, atmen <strong>an</strong>dere Gerüche, leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>deren<br />

Welt als vor fünfzig Jahren.<br />

L<strong>an</strong>gweilig war es auf den Bauernhöfen nie. Sogar im W<strong>in</strong>ter konnte sich ke<strong>in</strong> Bauer auf die faule<br />

Haut legen. Die Vorbereitungen auf die Frühjahrsbestellung mussten getroffen werden.<br />

L<strong>an</strong>dmasch<strong>in</strong>en und Hausgeräte waren zu reparieren. Gekauft wurde nur, was nicht selbst gemachte<br />

werden konnte. So waren die Bauern Besenmacher, Korbflechter, Sattler, Tischler, also<br />

Universalh<strong>an</strong>dwerker. Umf<strong>an</strong>greiche Sattlerarbeiten machte die Sattlerei <strong>in</strong> Heidersdorf.<br />

Die Hausfrauen trafen sich im W<strong>in</strong>ter nicht nur bei Kaffee und Kuchen zu e<strong>in</strong>em fröhlichen Plausch,<br />

sondern auch diese Zeit wurde s<strong>in</strong>nvoll genutzt. Mit Bek<strong>an</strong>nten und Freunden traf m<strong>an</strong> sich <strong>in</strong> den<br />

mollig-warmen Stuben zum Federschleißen. Erst wenn e<strong>in</strong>e mit Daumen vollgestopfte auf den Kopf<br />

gestellt durch den Innendruck der e<strong>in</strong>gepressten Federn umpurzelte, war die Zeit für den Genuss von<br />

Kaffee und Kuchen. Streusel- und Mohnkuchen nach uralten Rezepten fehlten d<strong>an</strong>n auf ke<strong>in</strong>em<br />

Tisch. Und die Schlesier s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> der Fremde ihrer vielgeliebten Küche treu geblieben. Kließla,<br />

Flesch und Tunke krönen heute noch so m<strong>an</strong>chen Mittagstisch. Die Gerichte der Heimat leben<br />

weiter, werden auch <strong>in</strong> der Fremde bei m<strong>an</strong>chen Familien von Generation zu Generation weiter<br />

gegeben. So k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong> Teil der Sitten und Gebräuche, der schlesischen Identität, überleben.<br />

Pfarrer Harwig mit Mutter und Schwester<br />

(l<strong>in</strong>ks)<br />

Bärbel He<strong>in</strong>, Kommunion 1945 (rechts)<br />

Ehepaar Kontor He<strong>in</strong> (unten)<br />

Die technische Ausrüstung der Höfe war je nach Größe sehr unterschiedlich. Das Zeitalter der<br />

Traktoren hatte erst begonnen. Nur der Görtler-Alfred verfügte als erster <strong>Lauterbach</strong>er Bauer über<br />

e<strong>in</strong>en L<strong>an</strong>z-Bulldog. Auf den großen Feldern des Dom<strong>in</strong>iums pflügte m<strong>an</strong> schon mit Dampfkraft. Zwei<br />

Dampfmasch<strong>in</strong>en zogen mittels Seilen e<strong>in</strong>en mehrscharigen Pflug h<strong>in</strong> und her. E<strong>in</strong>e Technik, die bei<br />

den K<strong>in</strong>dern Staunen und Fasz<strong>in</strong>ation auslöste. Die meisten Bauern sp<strong>an</strong>nten bei ihrer Feldarbeit die<br />

Pferde <strong>an</strong>. E<strong>in</strong>ige benutzen dafür Kühe oder Ochsen, ja sogar die Komb<strong>in</strong>ation von Pferd und Kuh<br />

war zu sehen. In den letzten Jahren hielten die Selbstb<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> E<strong>in</strong>zug. So g<strong>an</strong>z<br />

störungsfrei funktionierte die Knüpftechnik beim Zusammenb<strong>in</strong>den der Garben <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs jedoch noch<br />

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nicht. Das Geschimpfe über die Schwachpunkte der neuen Technik hallt fast heute noch über die<br />

Felder von <strong>Schlesien</strong>. Aber der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten, dass Bessere ist des Guten<br />

Fe<strong>in</strong>d. Die heutigen modernen Mähdrescher machen es möglich, dass e<strong>in</strong>e Person <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Bruchteil der Zeit die Arbeiten erledigt, mit denen damals viele Knechte, Mägde und<br />

l<strong>an</strong>dwirtschaftliche Kräfte beschäftigt waren. Heute werden schon auf dem Feld die Körner<br />

ausgedroschen, alles <strong>an</strong>dere bleibt auf dem Feld zurück. Damals kam das Getreide erst <strong>in</strong> die<br />

Scheunen, wo e<strong>in</strong> Großteil Beute der gefräßigen Mäusescharen wurde. Und im W<strong>in</strong>ter – oft bei<br />

klirrendem Frost – brummten die Dreschmasch<strong>in</strong>en über die schlesischen L<strong>an</strong>de. Die Milch der<br />

<strong>Lauterbach</strong>er Kühe verarbeitete die Molkerei <strong>in</strong> <strong>Reichenbach</strong>. Auf e<strong>in</strong>er Fahrroute über <strong>Lauterbach</strong>,<br />

P<strong>an</strong>thenau, Groß-Elguth kamen die vollen K<strong>an</strong>nen <strong>in</strong> die Molkerei. Nachmittag war Anlieferung der<br />

bestellten Butter und des Quarks. Diese Touren lockten natürlich zum Mitfahren <strong>in</strong> die <strong>Kreis</strong>stadt. So<br />

m<strong>an</strong>cher Dorfbewohner nutzte das Milchauto als Tr<strong>an</strong>sportmittel nach <strong>Reichenbach</strong> und zurück. Die<br />

Erzeugnisse aus dem Hühnerstall holte die Eierfrau aus den Eichbergen regelmäßig ab. Von dort<br />

g<strong>in</strong>gen sie zu den Kunden <strong>in</strong> allen umliegenden größeren Städten oder auf die Wochenmärkte.<br />

Auf dem Hof vom Furche-Felix (oben l<strong>in</strong>ks ) Im Rübenfeld bei Maia-Erich (oben<br />

rechts)<br />

Vesper auf dem Feld vom Maia-Erich (unten l<strong>in</strong>ks) Pfarrer Hartwig und Lehrer aus<br />

Umgebung(u.rechts)<br />

Viel Verkehr rollte im Herbst durch <strong>Lauterbach</strong>. E<strong>in</strong>e Unzahl von Bulldogs zog mit übervollen<br />

Rübenwagen <strong>in</strong> Sternfahrten nach Heidersdorf. Obwohl wir selbst Rüben auf unseren Feldern<br />

arbeiteten , stellten wir uns auf die Straße und schrieen:“ Bull, Bull, Bull wirf mer poar Rieba runder“.<br />

Oft hatten wir Erfolg. Die Beute kam entweder <strong>in</strong> die eigenen Rübenpresse und es wurde daraus<br />

„Riebasoaft“ gemacht, oder sie kamen auf den eigenen Rübenwagen und l<strong>an</strong>deten d<strong>an</strong>n doch <strong>in</strong><br />

Heidersdorf. Der Hof von Mai-Erich – am Ostr<strong>an</strong>d des Dorfes, <strong>an</strong> dem Weg nach P<strong>an</strong>thenau –<br />

zeichnete sich damals schon durch besonderen E<strong>in</strong>satz der Technik aus. Während die Mehrzahl der<br />

<strong>Lauterbach</strong>er katholisch waren, gehörte die Familie Mai zu der ev<strong>an</strong>gelischen<br />

Religionsgeme<strong>in</strong>schaft. Aber <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> praktizierte katholische und ev<strong>an</strong>gelische Christen genau<br />

so treu und eifrig ihren Glauben. E<strong>in</strong>e Spaltung der Geme<strong>in</strong>schaft aufgrund unterschiedlicher<br />

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Konfessionen gab es <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> nicht. Die berühmte „schlesische Toler<strong>an</strong>z“ wirkte auch <strong>in</strong><br />

<strong>Lauterbach</strong>. Im Gegenteil, gerade mit dem Mai-Erich und se<strong>in</strong>er Frau W<strong>an</strong>da , waren me<strong>in</strong>e Eltern<br />

besonders freundschaftlich verbunden. Gegenseitige Besuche und Erfahrungsaustausch waren<br />

selbstverständlich. So kamen wir K<strong>in</strong>der auch öfter auf den Hof und es entwickelte sich e<strong>in</strong>e<br />

lebensl<strong>an</strong>ge Freundschaft. Noch heute denke ich mit d<strong>an</strong>kbarer Er<strong>in</strong>nerung <strong>an</strong> die Reiter und Pferde,<br />

die der älteste Sohn Werner für mich mit se<strong>in</strong>er Laubsäge bastelte und mehrere Figuren geme<strong>in</strong>sam<br />

– wie auf e<strong>in</strong>er Bühne – präsentierte. Wie hätte sich <strong>Schlesien</strong> entwickelt, wenn die schlesische<br />

Bevölkerung nicht vertrieben worden wäre ? Die beiden Söhne aus diesem schlesischen Bauernhof<br />

betreiben jetzt auch <strong>in</strong> Westdeutschl<strong>an</strong>d mustergültig und sehr erfolgreich große, l<strong>an</strong>dwirtschaftliche<br />

Betriebe, nach den neuesten agrarwissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie setzen die l<strong>an</strong>ge Kette<br />

schlesischer Bauerntradition mit Beharrlichkeit, Fleiß und unermüdlich, eisernen Willen fort. In<br />

<strong>Schlesien</strong> wären mit deutscher Bevölkerung die blühenden L<strong>an</strong>dschaften, die nach der Wende <strong>in</strong> der<br />

ehemaligen DDR noch heute vergeblich gesucht werden.<br />

Verwaltungstechnisch gehörte <strong>Lauterbach</strong> damals zu Groß-Elguth. Me<strong>in</strong>e Eltern wurden dort am 13.<br />

Mai 1923 st<strong>an</strong>desamtlich getraut. Auch die Polizei von Elguth war für die Orte <strong>Lauterbach</strong> und<br />

P<strong>an</strong>thenau zuständig. E<strong>in</strong>e eigene Feuerwehr besaß <strong>Lauterbach</strong>. Das Gerätehaus steht im Dorf,<br />

zentral gegenüber vom Felis-Gasthaus. Me<strong>in</strong> Onkel, der Ha<strong>in</strong>ka-Herrm<strong>an</strong>n war der<br />

Feuerwehrhauptm<strong>an</strong>n und verließ bei Feueralarm wie der Blitz und laut auf se<strong>in</strong>er Trompete blasend<br />

, das Gasthaus im Laufschritt <strong>in</strong> Richtung Feuerwehrhaus. Kurz vor der Vertreibung erhielt die<br />

Feuerwehr e<strong>in</strong> Feuerwehrauto. Die moderne Zeit klopfte auch bei den Flori<strong>an</strong>sjüngern von<br />

<strong>Lauterbach</strong> <strong>an</strong> die Tür. Klar, wir kle<strong>in</strong>en Stepke – die Söhne der Feuerwehrleute – durften natürlich<br />

auf der Jungfernfahrt dabei se<strong>in</strong>. Über Ellguth, P<strong>an</strong>thenau und zurück g<strong>in</strong>g unsere erste Fahrt <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Automobil. Wie kam uns das damals schnell vor. Die Bäume am Straßenr<strong>an</strong>d flitzten vorbei<br />

wie beim schnellen Lauf die Latten der Gartenzäune. Die neue Ausrüstung steigerte den Eifer der<br />

Feuerwehrmänner. Die Proben wurden häufiger. Die neue Spritze , die H<strong>an</strong>dhabung der Schläuche<br />

und Verteiler mussten natürlich tra<strong>in</strong>iert werden. Als bei der Probe auf dem Sportplatz die beiden<br />

Männer die Spritze nicht mehr halten konnten, schlängelte sich der Schlauch – wie e<strong>in</strong>e<br />

überdimensionale Anacondaschl<strong>an</strong>ge – gefährlich über den Platz. Die Feuerwehrleute t<strong>an</strong>zten und<br />

spr<strong>an</strong>gen um nicht von ihr erschlagen zu werden. Erst als die Pumpe abgestellt wurde, beruhigte sich<br />

die wildgewordene Spritze. Die Begebenheit breitete sich von den Gaststätten, <strong>in</strong> denen die<br />

Feuerwehrleute regelmäßig nach ihren Übungen e<strong>in</strong>kehrten, wie e<strong>in</strong> Lauffeuer durch das g<strong>an</strong>ze Dorf<br />

aus. Schadenfreude ist ja bek<strong>an</strong>ntlich die größte aller Freuden.<br />

E<strong>in</strong> Volk, dass se<strong>in</strong>e Verg<strong>an</strong>genheit kennt, liebt se<strong>in</strong>e Tradition und Brauchtümer. Sie s<strong>in</strong>d von den<br />

Vorfahren ererbt und verb<strong>in</strong>den über Jahrhunderte die Ahnen mit den lebenden Generationen. Die<br />

Menschen unserer Zeit liebten und pflegten die alten Bräuche. Sie s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> abgew<strong>an</strong>delter Form<br />

überall <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> lebendig. Das Osterwasser musste schweigend am frühen Morgen geholt<br />

werden. Nur d<strong>an</strong>n wurden alle Wünsche und Hoffnungen – zum Beispiel auf e<strong>in</strong>e glücklich Heirat im<br />

laufenden Jahr – auch erfüllt. L<strong>an</strong>g ist der Katalog des Brauchtums um die Weihnachtszeit.<br />

L<strong>an</strong>dschaft und der schlesische Mensch sche<strong>in</strong>en besonders von diesem Ereignis fasz<strong>in</strong>iert zu se<strong>in</strong>.<br />

Der Nikolaus und der aale Jusuff waren wichtige R<strong>an</strong>dfiguren der schlesischen Weihnacht. Aber<br />

unumstrittener Mittelpunkt war und bleib das Christk<strong>in</strong>d. Se<strong>in</strong>e Geburt gibt der schlesischen<br />

Weihnacht den tiefen religiösen S<strong>in</strong>n. Die herrlichen Melodien der Christk<strong>in</strong>dlmesse des Schlesiers<br />

Ignaz Reim<strong>an</strong>n aus Wünschelburg s<strong>in</strong>d der Höhepunkt der Verehrung des Gottessohnes <strong>an</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Geburtstag, zu Weihnachten.<br />

Noch viele Geschichten – zum Teil heidnischen Ursprungs – r<strong>an</strong>ken sich um mark<strong>an</strong>te Plätze und<br />

Waldgebiete rund um und <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>. Um die Hellaberge spukte es. Auf dem Weg nach<br />

Stoschendorf, h<strong>in</strong>ter dem Rohrteich, sollen sich regelmäßig g<strong>an</strong>z seltsame Vorkommnisse abspielen.<br />

Die schaurigen Geschichten wurden nur mündlich weiter gegeben. Sie haben dadurch sicherlich im<br />

Laufe der Jahre auch e<strong>in</strong>en <strong>an</strong>deren S<strong>in</strong>n bekommen. Von vielen Plätzen wird davon erzählt, dass<br />

Reiter ohne Kopf um Mitternacht beobachtet worden s<strong>in</strong>d. Häufig h<strong>an</strong>delt es sich dabei um<br />

Menschen, die durch ihre Untaten ke<strong>in</strong>e Ruhe <strong>in</strong> der Ewigkeit f<strong>in</strong>den.<br />

Die mehr als 750-jährige Kette deutscher Geschichte und Kultur wurde mit dem Jahre 1946 <strong>in</strong><br />

<strong>Schlesien</strong> unterbrochen. Im Potsdamer Abkommen haben die Siegermächte dieses Gebiet der<br />

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polnischen Verwaltung vorübergehend übergeben. Völkerrechtswidrig wurde sofort mit der<br />

Vertreibung – vor allem der ländlichen Bevölkerung – begonnen. Es gibt ke<strong>in</strong> geltendes Recht, die<br />

e<strong>in</strong>en solchen Massenexodus der <strong>an</strong>gestammten Bevölkerung aus ihren Heimatgebieten rechtfertigt.<br />

Die ostdeutsche Bevölkerung jenseits der Oder-Neiße-L<strong>in</strong>ie wurde völkerrechtswidrig um die Heimat<br />

und den von den Vorvätern ererbten Besitz betrogen. Dieser Betrug wird immer als Sch<strong>an</strong>dfleck die<br />

hum<strong>an</strong>itäre Entwicklung der Menschheitsgeschichte belasten. Mehr als fünfzig Jahre s<strong>in</strong>d<br />

<strong>in</strong>zwischen verg<strong>an</strong>gen. Schon früh haben sich die Vertriebenenverbände für e<strong>in</strong>e gewaltlose,<br />

e<strong>in</strong>vernehmliche Regelung der offenen Fragen zwischen den Beteiligten ausgesprochen. Die<br />

Entscheidung ist Frucht der Erkenntnis, dass zugefügtes Leid nicht durch neues Leid von<br />

unschuldigen Menschen gerächte werden darf. Die weltweite Reson<strong>an</strong>z auf dieses hum<strong>an</strong>e Signal ist<br />

allerd<strong>in</strong>gs enttäuschend. Immer noch s<strong>in</strong>d die ver<strong>an</strong>twortlichen Weltmächte und die L<strong>an</strong>dnehmer<br />

nicht bereit, die den Ostdeutschen zugefügten Leiden auch beim Namen zu nennen und<br />

<strong>an</strong>zuerkennen. Nur die aufrichtige Bil<strong>an</strong>z der Untaten von allen Beteiligten k<strong>an</strong>n zu e<strong>in</strong>er dauerhaften<br />

, friedvollen Partnerschaft führen. Das demoralisierte Volk des deutschen Ostens hat schon l<strong>an</strong>ge die<br />

H<strong>an</strong>d zum brüderlichen Frieden und zu e<strong>in</strong>em friedvollen Nebene<strong>in</strong><strong>an</strong>der ausgestreckt.<br />

Auszug aus <strong>Lauterbach</strong>er Plaudereien.<br />

Davon würden <strong>in</strong> der „Hohen Eule“, dem Heimatblatt des <strong>Kreis</strong>es <strong>Lauterbach</strong> über 70<br />

Fortsetzungen bis Ende 2005 veröffentlicht.<br />

Wie viele Ged<strong>an</strong>ken werden jetzt im Frühl<strong>in</strong>g wieder <strong>in</strong> die schlesische Heimat w<strong>an</strong>dern? Die gleiche<br />

Sehnsucht, die Millionen von Vogelschwärmen von ihren W<strong>in</strong>terquartieren im warmen Süden zurück<br />

<strong>in</strong> die Nistgebiete <strong>Schlesien</strong>s, Pommerns und Ostpreußens treibt, zieht die Menschen mit magischer<br />

Kraft <strong>in</strong> die Heimat. Noch e<strong>in</strong>mal möchten sie den Zobten bestaunen, auf vertrauten Wegen w<strong>an</strong>dern<br />

und die Pracht der schlesischen Heimat erleben. Dort gibt es viele vertraute W<strong>in</strong>kel und Plätze. Die<br />

Zeit sche<strong>in</strong>t stehen geblieben zu se<strong>in</strong>. Verg<strong>an</strong>genheit wird nicht nur <strong>in</strong> der Er<strong>in</strong>nerung wieder zum<br />

Leben erweckt. Der Hofhund bellt wie damals, freudig verkündet der Hahn noch den begonnenen<br />

Tag, aus den Stallungen kl<strong>in</strong>gt das beruhigende Muuuh der Kühe, das Gewieher der Pferde oder das<br />

Quieken der jungen Ferkel gehören zu dem dörflichen Hofkonzert, wie vor sechzig Jahren. Fremd<br />

kl<strong>in</strong>gt aber die Sprache der Menschen und weckt ängstliche <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> <strong>an</strong> die Zeit vor der<br />

Vertreibung, als die deutschen Schlesier ihre größte Erniedrigung erdulden mussten. Laute<br />

Wortfetzen, die sich jetzt die Menschen auf den Feldern zurufen, oder die Stimmenkulisse <strong>an</strong> den<br />

Badeseen beherrschen, er<strong>in</strong>nern brutal <strong>an</strong> e<strong>in</strong>e Zeit <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong>, <strong>in</strong> der Angst und Schrecken nicht<br />

nur auf nächtlichen Raub- und Beutezügen die Schlesier <strong>in</strong> ihrer Heimat dr<strong>an</strong>gsalierten. Während<br />

Vieles <strong>an</strong> die Verg<strong>an</strong>genheit <strong>an</strong>knüpft und die Heimat auch nach sechzig Jahren im Licht der Jugend-<br />

und K<strong>in</strong>derzeit erstrahlen lässt, gibt es auch g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>dere Bilder des Zerfalls und Unterg<strong>an</strong>ges, die<br />

immer mehr Bildflächen - gerade <strong>in</strong> den lieblichen, schlesischen Heimatdörfer- für sich <strong>in</strong> Anspruch<br />

nehmen.<br />

Klara und Alfons Jacobowsky<br />

unterwegs zu ihrem Schwager,<br />

dem Ha<strong>in</strong>ka-Herrm<strong>an</strong>n.<br />

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Dreschen auf dem Felde (Bild von Clemens Schwede) l<strong>in</strong>ks.<br />

Die Perle von <strong>Lauterbach</strong>, der Rohrteich, e<strong>in</strong> idyllischer Platz, im H<strong>in</strong>tergrund der Zoata-Bärg.<br />

Ehemalige, stolze, schlesische Bauerhöfe, Scheuen und Schlösser, die riesigen Domänen <strong>in</strong> der<br />

weiten Ebene der Oderniederungen sterben mitleidslos e<strong>in</strong>en l<strong>an</strong>gsamen Tod. Wie viele Tränen s<strong>in</strong>d<br />

schon geflossen oder werden noch fließen, wenn die Nachfolgergenerationen der früher<br />

vorbildlichen Höfe und Stallungen mit der B<strong>an</strong>krotterklärung e<strong>in</strong>es <strong>an</strong>deren Volkes konfrontiert<br />

werden ?<br />

Wer <strong>in</strong> jungen Jahren aus der Heimat <strong>Schlesien</strong> vertrieben worden ist, hat je nach Alter nur noch<br />

ger<strong>in</strong>ge <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> <strong>an</strong> das Haus der Väter und Ahnen. Die Geschichte se<strong>in</strong>es Dorfes, der<br />

Hauptstadt und des Heimatl<strong>an</strong>des wurde nach dem Krieg <strong>in</strong> der Schule weitgehend ausgeklammert.<br />

Nur über Bücher, Besuche und <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> der älteren Generation entsteht e<strong>in</strong> realistisches<br />

Geschichtsbild er geraubten Heimat.<br />

1931 wurde <strong>in</strong> Wolffs Buchdruckerei <strong>in</strong> Nimptsch das Heft „ Aus der Verg<strong>an</strong>genheit des Kirchspiels<br />

Oberp<strong>an</strong>thenau und der zugehörigen Dörfer verlegt. Es ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teress<strong>an</strong>ter Beitrag zur<br />

Siedlungsgeschichte des Zobtengaues von K.W. Wionzek, früher Pastor <strong>in</strong> Oberp<strong>an</strong>thenau. Dieses<br />

Heft ist e<strong>in</strong>e Fundgrube über die Geschichte aller zu diesem Kirchspiel gehörenden Dörfer. D<strong>an</strong>ach<br />

wurde unser <strong>Lauterbach</strong> zum ersten Mal schon 1370 urkundlich erwähnt. Der Name <strong>Lauterbach</strong><br />

kommt zuerst <strong>in</strong> den Formen Lutirbach- besonders <strong>in</strong> late<strong>in</strong>ischen Urkunden-, Lowtirbach und<br />

Lawterbach vor. W<strong>an</strong>n aber unser <strong>Lauterbach</strong> gegründet worden ist, lässt sich schwer bestimmen.<br />

Wenn Neul<strong>in</strong>g zwei Urkunden von 1293 und 1299, <strong>in</strong> denen der Name Herrm<strong>an</strong>n von Lutirbach<br />

vorkommt, für unser <strong>Lauterbach</strong> <strong>in</strong> Anspruch nimmt, so ist diese – se<strong>in</strong>e Annahme – durch nichts<br />

bewiesen. 1303 wird <strong>Lauterbach</strong> zwar nicht erwähnt, obgleich nach dem Urbar von 1631 dieser Ort<br />

von beiden Vorwerken e<strong>in</strong>en Bischofsvierdung von 32 Gr. zahlt. Dies besagt aber auch nicht, dass<br />

unser <strong>Lauterbach</strong> 1305 noch nicht best<strong>an</strong>d. Es ist <strong>an</strong>zunehmen, dass nach dem Mongolene<strong>in</strong>fall,<br />

also vor 1300 , neben <strong>an</strong>deren Dörfern <strong>in</strong> der Gegend um den Zobten auch unser <strong>Lauterbach</strong> im<br />

Weichbild <strong>Reichenbach</strong> zu deutschem Recht gegründet worden ist. 1774 sucht das Jesuiten-<br />

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Kollegium die Königliche E<strong>in</strong>willigung zum Verkauf zweier Güter, darunter auch <strong>Lauterbach</strong>s, nach<br />

und erhält sie. So kauft 1775 H<strong>an</strong>s Ferd<strong>in</strong><strong>an</strong>d Graf von S<strong>an</strong>drezki <strong>Lauterbach</strong> „mit Vorwerk, Äckern,<br />

Bauern, Gärtnern und <strong>an</strong>deren Untert<strong>an</strong>en, Teichen und Teichstätten, Wasser, Wasserläufen,<br />

Mühlen, Mühlstätten, Holzungen, Wiesen, Wiesenwachs, Schafen, Schaftriften, Jagden,<br />

Herrlichkeiten, Z<strong>in</strong>sen, Ehrungen, Frohnen, Robothen, Mälzen, Bräuen, Schenken und Backen“. Er<br />

zahlt dafür dem Jesuiten-Kollegium 32000 Rthl. und 21 Dukaten Schlüsselgeld. Die katholische<br />

Kirche zu <strong>Lauterbach</strong> wird damals noch als Filiale von Schlaupitz bezeichnet. Dagegen nennt schon<br />

Zimmerm<strong>an</strong>n 1787 sie e<strong>in</strong>e Filiale von Bertholdsdorf und zählt zu <strong>Lauterbach</strong> 1 Vorwerk, 9 Bauern,<br />

37 Gärtner, 4 Häusler, 4 Wassermühlen und 374 Menschen, darunter nur drei nichtkatholische Wirte.<br />

Bei Knie werden 1843 auch <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> schon die Auswirkungen der Agrargesetzgebung von 1807<br />

statistisch erfasst. Es s<strong>in</strong>d jetzt hier 96 Häuser, 1 herrschaftliches Wohnhaus, 1 Vorwerk, 1<br />

Freischoltisei, 972 E<strong>in</strong>wohner, 1 katholische Tochterkirche, verbunden mit der Pfarrkirche zu Nieder-<br />

L<strong>an</strong>gseifersdorf, nur 7 Morgen Pfarracker, 1 katholische Schule, 1 Wassermühle, 1 herrsch.<br />

Brauerei, 1 Rustikalbrennerei, 3 Wirtshäuser ( wie fast bis 1945) , 3 Krämer, 11 Baumwollstühle, 26<br />

H<strong>an</strong>dwerker, 5 Händler, 1520 Mer<strong>in</strong>oschafe, 324 R<strong>in</strong>der. Und wie sah es am Ende des zweiten<br />

Weltkrieges, vor der Vertreibung 1946 <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> aus?<br />

Der schönste Schmuck der Berichte aus der Heimat s<strong>in</strong>d die Bilder. Das erste Bild ist 1950, also nur<br />

vier Jahre nach der Vertreibung vom Hof von Frenzel-Karl gemacht worden. Das zweite Bild zeigt die<br />

g<strong>an</strong>ze Familie vom Bauma-Günter, die schon vorgestellt worden ist. Im dritten Bild kommen wir vom<br />

Rohrteich, s<strong>in</strong>d vorbei geg<strong>an</strong>gen bei Schwer und dem Herzog-Stellmacher und sehen die hübsche<br />

Kirche von <strong>Lauterbach</strong>. Rechts vom Kirchturm kommt die Straße den Klettenberg herauf und trifft bei<br />

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der L<strong>in</strong>de auf die Straße von den Straßenhäuser kommend. Von dort geht es nach Osten, über den<br />

Hummler-Berg nach P<strong>an</strong>thenau und Heidersdorf.<br />

Südlich von Zoata-Bärge liegt <strong>Lauterbach</strong>, e<strong>in</strong> idyllisches schlesisches Bauerndorf.<br />

Nicht nur von Breslau und den größeren Städten <strong>Schlesien</strong>s trennt uns das Heimweh, auch - und<br />

gerade - die mit der Heimat besonders verwurzelte L<strong>an</strong>dbevölkerung leidet unter dem Unrecht der<br />

Vertreibung.<br />

Wie viele Ged<strong>an</strong>ken werden jetzt im Frühl<strong>in</strong>g wieder <strong>in</strong> die schlesische Heimat w<strong>an</strong>dern? Die gleiche<br />

Sehnsucht, die Millionen von Vogelschwärmen von ihren W<strong>in</strong>terquartieren im warmen Süden zurück<br />

<strong>in</strong> die Nistgebiete <strong>Schlesien</strong>s, Pommerns und Ostpreußens treibt, zieht die Menschen mit magischer<br />

Kraft <strong>in</strong> die Heimat. Noch e<strong>in</strong>mal möchten sie den Zobten bestaunen, auf vertrauten Wegen w<strong>an</strong>dern<br />

und die Pracht der schlesischen Heimat erleben. Dort gibt es viele vertraute W<strong>in</strong>kel und Plätze. Die<br />

Zeit sche<strong>in</strong>t stehen geblieben zu se<strong>in</strong>. Verg<strong>an</strong>genheit wird nicht nur <strong>in</strong> der Er<strong>in</strong>nerung wieder zum<br />

Leben erweckt. Der Hofhund bellt wie damals, freudig verkündet der Hahn noch den begonnenen<br />

Tag, aus den Stallungen kl<strong>in</strong>gt das beruhigende Muuuh der Kühe, das Gewieher der Pferde oder das<br />

Quieken der jungen Ferkel gehören zu dem dörflichen Hofkonzert, wie vor sechzig Jahren. Fremd<br />

kl<strong>in</strong>gt aber die Sprache der Menschen und weckt ängstliche <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> <strong>an</strong> die Zeit vor der<br />

Vertreibung, als die deutschen Schlesier ihre größte Erniedrigung erdulden mussten. Laute<br />

Wortfetzen, die sich jetzt die Menschen auf den Feldern zurufen, oder die Stimmenkulisse <strong>an</strong> den<br />

Badeseen beherrschen, er<strong>in</strong>nern brutal <strong>an</strong> e<strong>in</strong>e Zeit <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong>, <strong>in</strong> der Angst und Schrecken nicht<br />

nur auf nächtlichen Raub- und Beutezügen die Schlesier <strong>in</strong> ihrer Heimat dr<strong>an</strong>gsalierten. Während<br />

Vieles <strong>an</strong> die Verg<strong>an</strong>genheit <strong>an</strong>knüpft und die Heimat auch nach sechzig Jahren im Licht der Jugend-<br />

und K<strong>in</strong>derzeit erstrahlen lässt, gibt es auch g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>dere Bilder des Zerfalls und Unterg<strong>an</strong>ges, die<br />

immer mehr Bildflächen - gerade <strong>in</strong> den lieblichen, schlesischen Heimatdörfer- für sich <strong>in</strong> Anspruch<br />

nehmen. Ehemalige, stolze, schlesische Bauerhöfe, Scheuen und Schlösser, die riesigen Domänen<br />

<strong>in</strong> der weiten Ebene der Oderniederungen sterben mitleidslos e<strong>in</strong>en l<strong>an</strong>gsamen Tod. Wie viele<br />

Tränen s<strong>in</strong>d schon geflossen oder werden noch fließen, wenn die Nachfolgergenerationen der früher<br />

vorbildlichen Höfe und Stallungen mit der B<strong>an</strong>krotterklärung e<strong>in</strong>es <strong>an</strong>deren Volkes konfrontiert<br />

werden ?<br />

Wer <strong>in</strong> jungen Jahren aus der Heimat <strong>Schlesien</strong> vertrieben worden ist, hat je nach Alter nur noch<br />

ger<strong>in</strong>ge <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> <strong>an</strong> das Haus der Väter und Ahnen. Die Geschichte se<strong>in</strong>es Dorfes, der<br />

Hauptstadt und des Heimatl<strong>an</strong>des wurde nach dem Krieg <strong>in</strong> der Schule weitgehend ausgeklammert.<br />

Nur über Bücher, Besuche und <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> der älteren Generation entsteht e<strong>in</strong> realistisches<br />

Geschichtsbild er geraubten Heimat. An den von diesem Drama nicht betroffenen Deutschen ist<br />

diese Tragödie der Vertreibung von <strong>an</strong>nähernd 15 Millionen Menschen mitleidslos vorbei geg<strong>an</strong>gen.<br />

Die Vertriebenen st<strong>an</strong>den alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neuen Welt, die alle<strong>in</strong> ihre Existenz ablehnte und nur <strong>in</strong><br />

Ausnahmefällen das Leid dieser Menschen begriff.<br />

E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Chronik von <strong>Lauterbach</strong>, <strong>Kreis</strong> <strong>Reichenbach</strong> während des 2. Weltkriege.<br />

Um 1945 hatte <strong>Lauterbach</strong> ca. 470 E<strong>in</strong>wohner. Ab 1933 übernahm das Amt des Bürgermeisters<br />

Josef Brosig von se<strong>in</strong>em Amtsvorgänger Ritter-Paul. An se<strong>in</strong>er Seite als Geme<strong>in</strong>deschreiber<br />

fungierte der Frenzel-Karl, Bauer und Baumeister. Er war auch der letzte Bürgermeister und<br />

leitete die Trecks bei der Flucht <strong>in</strong> das Glatzer Bergl<strong>an</strong>d. Vor ihm war der Weißa –August<br />

Bürgermeister, der dieses Amt vom Brosig-Josef übernommen hatte. Er kehrte aus dem zweiten<br />

Weltkrieg nicht mehr zurück. Das <strong>Lauterbach</strong>er Schiedsgericht war <strong>in</strong> den Straßenhäuser. Alfons<br />

Jacobowsky übte dieses Amt über 25 Jahre aus und er war auch <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />

Ortsbauernführer. Er org<strong>an</strong>isierte auch die sog. W<strong>in</strong>terhilfe. Die Ergebnisse der Sammlung wurden<br />

detailliert aufgelistet und <strong>in</strong> Groß-Ellguth , bei Herrn Kappler abgegeben. Vor Weihnachten wurden<br />

auch milde Gaben <strong>an</strong> die arme Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> verteilt.<br />

Das Vere<strong>in</strong>swesen <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> erlebte während der Nazizeit e<strong>in</strong>en Niederg<strong>an</strong>g. Der Radfahrvere<strong>in</strong><br />

und auch der Ges<strong>an</strong>gvere<strong>in</strong>e konnten ihren Programmen nicht mehr nachkommen. Zu viele junge<br />

Männer waren e<strong>in</strong>gezogen. Der Lehrer, K<strong>an</strong>tor und Leiter der <strong>Lauterbach</strong>er Schule, Herr Alfred He<strong>in</strong><br />

leitete den Kirchenchor. Er begeistert vor allem die jungen Menschen <strong>an</strong> dem kirchlichen<br />

Chorges<strong>an</strong>g und der Kl<strong>an</strong>gkörper verbesserte se<strong>in</strong> Repertoire und se<strong>in</strong>e Klasse. Die ältere<br />

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Generation sah den Aufstieg der jungen Mädel und Jungens im Kirchenchor mit konservativgemischten<br />

Gefühlen. E<strong>in</strong>mal im Jahr war im Garten der Gaststätte vom Ha<strong>in</strong>ka-Herrm<strong>an</strong><br />

K<strong>in</strong>derbelustigung. Dazu kamen die g<strong>an</strong>zen K<strong>in</strong>der aus dem Dorf und erlebten unter den Bäumen im<br />

Garten, am Ufer des kle<strong>in</strong>en Ha<strong>in</strong>ka-Teiches ,e<strong>in</strong>en schönen Tag.<br />

Die Polizeistelle für <strong>Lauterbach</strong> war – wie die Verwaltung und das St<strong>an</strong>desamt – <strong>in</strong> Groß-Ellguth. Der<br />

gewichtige Polizist Sch<strong>in</strong>ke und se<strong>in</strong> Fahrrad s<strong>in</strong>d den älteren <strong>Lauterbach</strong>er noch gut <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung,<br />

wenn er kontrollierend durch die Straßen radelte..<br />

Die Verb<strong>in</strong>dung vom Bürgermeister zur Verwaltung <strong>in</strong> Groß-Ellguth stellten der Obst-August und der<br />

Bauer-Paul her. Das ehemalige Geme<strong>in</strong>dehaus zwischen Schule und dem Haus vom „kle<strong>in</strong>en König“<br />

steht nicht mehr. Im Garten entsteht e<strong>in</strong> Neubau. Der Bauer-Paul war letzter Bewohner der<br />

Rohrmühle. Die Geme<strong>in</strong>dediener übernahmen auch ab 10 Uhr die Aufgaben des Nachtwächters.<br />

Zu der Verwaltungsgeme<strong>in</strong>schaft gehörten neben Groß-Ellguth die Dörfer P<strong>an</strong>thenau und<br />

<strong>Lauterbach</strong>.<br />

E<strong>in</strong> Arzt lebte <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> nicht. M<strong>an</strong>che g<strong>in</strong>gen zu Dr. Spiröl <strong>in</strong> Heidersdorf oder nach<br />

<strong>Reichenbach</strong>. Der Zahnarzt <strong>in</strong> L<strong>an</strong>gseifersdorf , se<strong>in</strong> Haus war rechts vor der Kirche, konnte auch<br />

Sonntags aufgesucht werden.<br />

Der Thamm-Alfred betrieb e<strong>in</strong>e Kornbrennerei und e<strong>in</strong> Gasthaus mit großem Saal im Obergeschoss.<br />

Die zweite Gaststätte vom Ha<strong>in</strong>ka-Herrm<strong>an</strong> war <strong>in</strong> den Straßenhäusern. Auch die Felis-Gaststätte<br />

hatte e<strong>in</strong>en Saal <strong>in</strong> dem Feuerwehrvergnügen und Ver<strong>an</strong>staltungen der Frauenschaft stattf<strong>an</strong>den. In<br />

der letzten Zeit wurde diese Gaststätte geschlossen und als Wohnhaus umgebaut.<br />

Kurz vor Ende des Krieges erhielt die <strong>Lauterbach</strong>er Feuerwehr e<strong>in</strong>e neue Spritze und e<strong>in</strong>en grünen<br />

M<strong>an</strong>nschaftswagen. Leiter der Feuerwehr war der Ha<strong>in</strong>ka-Herrm<strong>an</strong>, Vertreter se<strong>in</strong> Schwager, der<br />

Jacobowsky-Alfons. In den letzten Kriegsjahren waren im Saal vom Thamm-Alfred die<br />

Kriegsgef<strong>an</strong>genen untergebracht, die als Erntehelfer auf den Bauerhöfen tagsüber arbeiteten. In<br />

diesem Saal wurden auch die Deutschen darüber <strong>in</strong>formiert, unter welchen Bed<strong>in</strong>gungen sie sich zur<br />

Vertreibung aus der Heimat am Ausg<strong>an</strong>g des Dorfes - <strong>in</strong> der Klosig-Kurve - e<strong>in</strong>f<strong>in</strong>den mussten.<br />

Erlaubt waren 20 Kg H<strong>an</strong>dgepäck. Sie mussten zu Fuß ersche<strong>in</strong>en und alle Schlüssel von außen<br />

gesteckt <strong>in</strong> den Schlössern lassen.<br />

Den Bedarf <strong>an</strong> Kolonialwaren der <strong>Lauterbach</strong>er deckte der Läden vom Schirmag. Dort war auch die<br />

Post untergebracht und nebenbei übte er auch den Beruf e<strong>in</strong>es Schneiders aus. Auch beim Klosig-<br />

Fr<strong>an</strong>z, Bäcker von <strong>Lauterbach</strong>, gab es nicht nur Semmeln und Brot, sondern auch die Waren für<br />

den täglichen Bedarf. Die <strong>Lauterbach</strong>er Pfarrei war e<strong>in</strong>e Filiale von L<strong>an</strong>gseifersdorf. Der letzte Pfarrer<br />

Georg Hartwig lebte <strong>in</strong> L<strong>an</strong>gseifersdorf und betreute von dort die Geme<strong>in</strong>den Bertholdsdorf,<br />

Stoschendorf , <strong>Lauterbach</strong> und L<strong>an</strong>gseifersdorf. Im Pfarrhaus von L<strong>an</strong>gseifersdorf war auch der<br />

zweijährige Vorbereitungskurs für die erste, feierliche Heilige Kommunion. Wie der Saft-Arthur <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>en <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> schreibt, war Pfarrer Gernot bis 1931 Dorfpfarrer <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>. Mit 60 Jahren<br />

wurde er abgelöst durch Pfarrer Buchali, der damals erst 31 Jahre alt war. Im Sommer war er mit<br />

se<strong>in</strong>em Motorrad und im W<strong>in</strong>ter mit Skiern unterwegs. Schnee gab es damals <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong><br />

ausreichend. Aber schon nach e<strong>in</strong>em Jahr kam er mit e<strong>in</strong>en schönen Auto <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Pfarrdörfer,<br />

ebenso wie se<strong>in</strong> Vorgänger. Unter Pfarrer Gernot wurde die St. Joh<strong>an</strong>niskirche zu <strong>Lauterbach</strong><br />

wunderschön renoviert. Da aber ke<strong>in</strong>e Heizung e<strong>in</strong>gebaut wurde, war es im W<strong>in</strong>ter immer bitterkalt,<br />

wie <strong>in</strong> allen Dorfkirchen der Umgebung. Die Kirchenfenster waren d<strong>an</strong>n von oben bis unten<br />

zugefroren und mit Eisblumen dekoriert.<br />

Im Sommer 1931 oder 1932 erhielt die <strong>Lauterbach</strong>er Kirche drei neue Glocken, da im 1. Weltkrieg<br />

die beiden großen Glocken abgenommen worden waren und die kle<strong>in</strong>e Glocke e<strong>in</strong>en Sprung hatte.<br />

So hatten wir wieder e<strong>in</strong> schönes Geläut mit drei <strong>in</strong>takten Glocken. Jedoch wurden gegen Ende des<br />

zweiten Weltkrieges wieder die beiden großen Glocken entnommen, sodass nur die Kle<strong>in</strong>ste übrig<br />

blieb. Sie ist bis heute die e<strong>in</strong>zige Glocke, die zum Gottesdienst ruft.<br />

Kirchenväter oder Küster waren Ritter und Wolf-Fr<strong>an</strong>z. Wie wir aus dem Buch von der K<strong>an</strong>ter-Bärbel<br />

erfahren, wurde die Kirche auch von der g<strong>an</strong>zen Familie He<strong>in</strong> liebevoll geschmückt. Erika Schirmag,<br />

die im Haus zwischen Gutbier und B<strong>an</strong>nwitz wohnte, übernahm <strong>in</strong> den letzten Jahren auch den<br />

Dienst e<strong>in</strong>es Totengräbers. Alle Lauterbächer kennen noch die Tischler-Kal<strong>in</strong>e. Sie hatte die<br />

schönsten Myrthen. Dorth<strong>in</strong> g<strong>in</strong>gen alle Kommunionk<strong>in</strong>der von <strong>Lauterbach</strong> und holten sich von ihr die<br />

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egehrten Sträuße. Sie war e<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> von der Jacobowsky-Oma. Ihr Grab ist g<strong>an</strong>z <strong>in</strong> der Nähe<br />

von me<strong>in</strong>en Großeltern mütterlicherseits, von dem Ha<strong>in</strong>ka-Karl und se<strong>in</strong>er Anna. Wie die meisten<br />

deutschen Gräber s<strong>in</strong>d auch diese e<strong>in</strong>geebnet und werden von e<strong>in</strong>er ungepflegten Grasnarbe<br />

bedeckt.<br />

Die Pferde <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> und alle Schmiedearbeiten erledigte der Bonka-Georg, unser Schmied und<br />

der Herzog-Stellmacher reparierte alle Holzgeräte im Dorf. Neben dem Schirmag-Schneider war<br />

auch der Schuberth-Schneider für die Garderobe der <strong>Lauterbach</strong>er zuständig. Und zusätzlich konnte<br />

m<strong>an</strong> bei der S<strong>in</strong>derm<strong>an</strong>n- Anna, der He<strong>in</strong>-Gertrud oder der „Heimlichen“, gegenüber vom Friebe-Hof<br />

arbeiten lassen.<br />

Nachdem Lehrer Welzel pensioniert war, kam die Familie Alfred He<strong>in</strong> nach <strong>Lauterbach</strong>. Sie wohnten<br />

im Schulhaus. Lehrer Schneider mit se<strong>in</strong>er immer eleg<strong>an</strong>ten Frau Mattel wohnten <strong>in</strong> der neuen<br />

Wohnung . Die Herzog-Berta hatte extra dafür ihre Scheune als Wohnung ausgebaut. Lehrer<br />

Schneider gab nur e<strong>in</strong>e kurze Vorstellung <strong>in</strong> unserem Dorf. In den letzten Jahren übernahm auch die<br />

Frau von Alfred He<strong>in</strong> den Schuldienst <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>. Darüber berichtet das Buch von der He<strong>in</strong>-Bärbel<br />

„ Heilende <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong>“ sehr detailliert.<br />

Messdiener waren <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> ke<strong>in</strong>e M<strong>an</strong>gelware. Für die Söhne der katholischen Familien war<br />

der Dienst Ehrensache. Zweidrittel der <strong>Lauterbach</strong>er waren immerh<strong>in</strong> katholisch. Noch heute s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

dem Raum, wo der Blasebalg für die Orgel von den Messdienern „getreten“ wurden, E<strong>in</strong>gravierungen<br />

für die Ewigkeit. Bei e<strong>in</strong>em me<strong>in</strong>er letzten Besuche, konnte ich auch den Namen me<strong>in</strong>es Bruders<br />

M<strong>an</strong>fred und vieler <strong>an</strong>derer <strong>Lauterbach</strong>er entziffern.<br />

Als Bienenzüchter <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> hatte sich der Frieba-Mart<strong>in</strong>, der die Flelis-Elisabeth geheiratet<br />

hatte, e<strong>in</strong>en Namen gemacht. Er war von Pompsen nach <strong>Lauterbach</strong> gekommen und bewohnte den<br />

Hof auf der Höhe, gegenüber vom Felis-Gasthaus, dem Elternhaus se<strong>in</strong>er Frau.<br />

E<strong>in</strong> großes Ereignis für <strong>Lauterbach</strong> waren die Jagden und das Abfischen des Rohrteiches. Dieser<br />

künstlich <strong>an</strong>gelegte See diente der Döm<strong>an</strong>e auch als Aufzucht für e<strong>in</strong>e ergiebige Karpfenernte. In die<br />

Karpfenaufzucht und Ernte waren auch die Geme<strong>in</strong>deteiche, die Hellern, gegenüber vom Klosig-<br />

Bäcker , e<strong>in</strong>bezogen.<br />

Die <strong>Lauterbach</strong>er waren ke<strong>in</strong>e begeisterten „Nazis“. Aber die Form wurde gewahrt. So führte die<br />

Bendschneider-Käthe den Bund deutscher Mädchen und der Hoffm<strong>an</strong>n-Günther die Hitler-Jugend <strong>in</strong><br />

<strong>Lauterbach</strong>.<br />

Der Dierig-August hatte se<strong>in</strong>en Fleischerladen beim Dorfe<strong>in</strong>g<strong>an</strong>g, am Ende des Klettenberges. In den<br />

letzten Jahren des Krieges verkaufte e<strong>in</strong> Flescher aus Ste<strong>in</strong>seifersdorf dort se<strong>in</strong>e Waren.<br />

Auch für die Vergabe von Tischlerarbeiten mussten sich die <strong>Lauterbach</strong>er nicht <strong>in</strong> die Ferne<br />

aufmachen. Der Hirscha-Tischler war für se<strong>in</strong>e exakte und fachmännische Arbeit e<strong>in</strong> Begriff. Se<strong>in</strong><br />

Haus ist zwischen dem Felis-Gasthaus und der Bunka-Kurve h<strong>in</strong>ter dem krummen Graben auf der<br />

rechten Seite. Wenn den Pferden die glühenden Hufeisen auf den Hufen e<strong>in</strong>gebr<strong>an</strong>nt wurden, zog<br />

der beißende Geruch durch das g<strong>an</strong>ze Dorf. Und se<strong>in</strong>e Schläge auf dem Amboss wecken jeden<br />

Morgen die L<strong>an</strong>gschläfer.<br />

Der schönste Schmuck der Berichte aus der Heimat s<strong>in</strong>d die Bilder. Diese führen uns zurück <strong>in</strong><br />

unsere Heimat. Bild 1 zeigt den herrlichen Blick über den Rohrteich h<strong>in</strong>über zum Zoata-Bärge. Auf<br />

se<strong>in</strong>er Spitze steht der Fernmeldeturm. L<strong>in</strong>ks von ihm erhebt sich die Spitze des Geierberges.<br />

Zwischen ihr und dem Zoata-Berg liegt das schmucke Silsterwitzertal. Das zweite Bild zeigt das Dorf<br />

von den Straßenhäusern. L<strong>in</strong>ks neben der Kirche ist sehr gut das Dach der Schule zu erkennen. In<br />

<strong>Lauterbach</strong> ist die Natur noch gesund. Das beweist das dritte Bild. Fast <strong>in</strong> die Höhe des Kirchturmes<br />

hat e<strong>in</strong> Storchenpaar das Nest für se<strong>in</strong>e Jungen auf e<strong>in</strong>em alten Strommasten gebaut. Wie bei allen<br />

Schlesiern, so gehört auch bei den <strong>Lauterbach</strong>ern der Glaube zum Mittelpunkt ihres Lebens. Die<br />

Marienstatue auf der Höhe neben dem Hof vom Frieba-Mart<strong>in</strong> ist immer liebevoll gepflegt worden.<br />

<strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> von Arthur Saft , geb. am 9.08.1920.<br />

Ich wurde als viertes K<strong>in</strong>d der Eheleute Anna (geb. Bonke) und Arthur Saft <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> geboren.<br />

Leider verstarb me<strong>in</strong> Vater bereits am 14.04.1920 <strong>an</strong> den Folgen e<strong>in</strong>es Pferdebisses.<br />

So war me<strong>in</strong>e Mutter mit uns vier K<strong>in</strong>dern alle<strong>in</strong> auf dem Bauernhof, bis sie sich im September 1921<br />

wieder verheiratete mit Josef Brosig, e<strong>in</strong>em Bauernsohn aus Kle<strong>in</strong>-Wirau, <strong>Kreis</strong> Schweidnitz. Am<br />

20.09.1922 wurde me<strong>in</strong> jüngster Bruder Alfred Brosig geboren. Die K<strong>in</strong>dheit auf dem Bauernhof war<br />

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für uns K<strong>in</strong>der damals e<strong>in</strong>e sehr ruhige und glückliche Zeit. M<strong>an</strong> lebte richtig <strong>in</strong> und mit der Natur, fast<br />

noch halb wild und ungebunden. Mit dem E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die Schule endete dieses Leben radikal. Die<br />

ersten beiden Jahre, die m<strong>an</strong> damit verbrachte das ABC und zählen zu lernen, g<strong>in</strong>gen noch ruhig ab.<br />

Es lag auch dar<strong>an</strong>, dass es nur e<strong>in</strong>en Lehrer für alle Klassen gab. Es war unser geliebter K<strong>an</strong>tor<br />

Welzel. Ab dem dritten Schuljahre wurden immer zwei Klassen zusammen unterrichtet. So<br />

zusammen Klasse 2 und 4, Klasse 5 und 6 und Klasse 7 und 8. Die besten Schüler der Klassen 7<br />

und 8 hielten den Unterricht bei den Jüngsten. Dies war gut möglich, denn das Klassenzimmer war<br />

10 m l<strong>an</strong>g, 6 m breit und bot genügend Platz für die meist 44-55 Schüler. Die Unterrichtszeit betrug<br />

von Montag bis Samstag ca. 28 Stunden. Während im Sommer der Unterricht um 7 Uhr beg<strong>an</strong>n und<br />

um 12 Uhr endetet, hatten wir im W<strong>in</strong>ter von 8 Uhr bis 13 Uhr Unterricht. E<strong>in</strong>mal am Tag gab es e<strong>in</strong>e<br />

halbe Stunde Pause. K<strong>an</strong>tor Welzel hatte – vor allem im Sommer – alle Hände voll damit zu tun uns<br />

K<strong>in</strong>der im Zaun zu halten. Vor allem wir Jungen r<strong>an</strong>nten m<strong>an</strong>chmal während der Pausenzeiten <strong>in</strong> den<br />

<strong>an</strong>grenzenden Bauerhöfen herum. Bei schönem, warmen Wetter g<strong>in</strong>g K<strong>an</strong>tor Welzel 2-3 mal im<br />

Sommer mit uns <strong>an</strong> dem Rohrteich zum Baden und Schwimmunterricht. Dabei hatten wir viel Spaß,<br />

obwohl der Rohrteich erst gegen Mittag <strong>an</strong>genehm warm wurde.<br />

Im W<strong>in</strong>ter, wenn die Dorfteiche zugefroren waren, g<strong>in</strong>gen wir größeren Jungen alle<strong>in</strong> auf die Teiche<br />

zum „kascheln“. Natürlich war das nicht erlaubt, so dass wir beim Nachhause kommen – meist waren<br />

wir auch zu spät dr<strong>an</strong> – jeder e<strong>in</strong>e Tracht Prügel mit der „Sende“ über den Rücken bekamen. Oder<br />

wir mussten uns bücken und es gab welche über den H<strong>in</strong>tern. M<strong>an</strong>chmal mussten wir auch die<br />

Hände h<strong>in</strong>halten und bekamen e<strong>in</strong>en „Schmitz“ auf die H<strong>an</strong>dteller. Jede Woche am Montag und<br />

Freitag wurden wir e<strong>in</strong>e Stunde l<strong>an</strong>g <strong>in</strong> biblischer Geschichte unterrichtet. E<strong>in</strong>mal jede Woche – <strong>in</strong><br />

der Regel am Donnerstag – nahmen wir <strong>an</strong> e<strong>in</strong>er Frühmesse von 6.15-7.15 Uhr teil. Am „Herz-Jesu-<br />

Tage“ allerd<strong>in</strong>gs f<strong>an</strong>d diese Frühmesse am Freitag statt, mit Heiligem Segen. Die Schulklassen<br />

nahmen geschlossen dar<strong>an</strong> teil. Ansonsten waren überwiegend ältere Leute dabei, da es immer <strong>in</strong><br />

der Woche stattf<strong>an</strong>d und die Bauern d<strong>an</strong>n auf den Feldern waren.<br />

Von den Kirchenfesten war <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> wohl e<strong>in</strong>es der Wichtigsten „Heilig drei Könige“, mit der<br />

Wasserweihe. Das Weihwasser sowie die Wasserkessel <strong>in</strong> der Kirche waren im W<strong>in</strong>ter größtenteils<br />

e<strong>in</strong>gefroren. Jeden Sonntagnachmittag um 13.30 Uhr war Rosenkr<strong>an</strong>z. Während der Fastenzeit<br />

wurde die Lit<strong>an</strong>ei vom Kreuzweg gebetet und gesungen. So verbrachten wir von Februar bis Ostern<br />

die Sonntagsnachmittagee bis ca. 16 Uhr <strong>in</strong> der Kirche. In me<strong>in</strong>er Zeit wurde von Herzog-Anton<br />

vorgebetet, er war der Vater vom Herzog-Josef und Stellmacher des Dorfes. Zweiter Kirchvater war<br />

der Ritter-Paul, der bis 1933 Dorfschulze gewesen war. Der Wolf-Fr<strong>an</strong>z löste ihn als zweiter<br />

Kirchvater ab. So g<strong>in</strong>g alles se<strong>in</strong>en geregelten G<strong>an</strong>g <strong>in</strong> unserem <strong>Lauterbach</strong>. D<strong>an</strong>n kam Ostern. An<br />

Karfreitag wurde <strong>in</strong> der Beichtkammer das „Heilige Grab“ aufgestellt. Fast alle Bewohner des Dorfes<br />

g<strong>in</strong>gen m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal zum Beten dorth<strong>in</strong>. Die Karwoche oder Leidenswoche war auch gleich die<br />

stille Woche. Gründonnerstag und Karfreitag läuteten ke<strong>in</strong>e Glocken, erstmals wieder am<br />

Ostersamstag. M<strong>an</strong> erzählte, dass sie <strong>an</strong> den beiden Leidenstagen <strong>in</strong> Rom seien. An Ostern war<br />

immer Holzweihe und das feierliche Hochamt. An diesem Tag f<strong>an</strong>d ke<strong>in</strong> Gottesdienst <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong><br />

statt, weil eben unser Pfarrer für vier Geme<strong>in</strong>den zuständig war. Dafür gab es aber e<strong>in</strong> Hochamt <strong>an</strong><br />

Pf<strong>in</strong>gsten und 10 Tage später wurde g<strong>an</strong>z groß und feierlich Fronleichnam gefeiert. Vier Altäre<br />

wurden dazu um die Kirche aufgebaut. Die Prozession g<strong>in</strong>g mit Ges<strong>an</strong>g von Altar zu Altar.<br />

Im Mai war nahezu jeden Freitagabend um 19.30 Uhr Mai<strong>an</strong>dacht mit „Heiligem Segen“. Den Juni<br />

und Juli h<strong>in</strong>durch war es ruhiger. Oft sahen wir vom Feld aus Prozessionen- zu Fuß mit Gebet und<br />

Ges<strong>an</strong>g – die von Heidersdorf oder noch weiter entfernteren Dörfern nach Stoschendorf wallfahrten.<br />

Die kle<strong>in</strong>e Marienwallfahrtskirche zog dort alljährlich <strong>an</strong> „Marien Empfängnis“, 15. August und „Marien<br />

Geburt“, 8 September viele Gläubige aus der nahen und fernen Umgebung <strong>an</strong>.<br />

Am ersten Oktobersonntag war Ernted<strong>an</strong>kfeier. Während des „dritten Reiches“ wurde Ernted<strong>an</strong>k mit<br />

e<strong>in</strong>em Umzug durch das Dorf besonders groß gefeiert.<br />

Am Abend vor dem 3. Dezember, Fr<strong>an</strong>ziskus Zawärius, war ab 17 Uhr Beichtgelegenheit, um 19 Uhr<br />

„Heiliger Segen“ und d<strong>an</strong>ach wieder Beichtgelegenheit. Am Morgen des 3. Dezembers war bereits<br />

um 6 Uhr Heilige Messe mit Kommunion. D<strong>an</strong>ach wurde das „Allerheiligste“ ausgesetzt. Dieses blieb<br />

den g<strong>an</strong>zen Tag über auf dem Altar stehen und die Geme<strong>in</strong>demitglieder hatten den g<strong>an</strong>zen Tag die<br />

Gelegenheit zur „ewigen Anbetung“ und zur Andacht. Um 18 Uhr wurde das „Allerheiligste“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

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Segens<strong>an</strong>dacht wieder e<strong>in</strong>gesetzt. Das war wohl die größte Feierlichkeit, die <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> stattf<strong>an</strong>d.<br />

Besonders <strong>an</strong>strengend war dieser Tag jedoch für die M<strong>in</strong>istr<strong>an</strong>ten. Zwei mussten den g<strong>an</strong>zen Tag –<br />

abwechselnd – auf den Altarstufen knien. Jede halbe Stunde wurde gewechselt. Da wir meist etwa<br />

acht M<strong>in</strong>istr<strong>an</strong>ten im Dienst waren, kam jeder 5-6mal <strong>an</strong> diesem Tag dr<strong>an</strong>, <strong>an</strong>dächtig e<strong>in</strong>e halbe<br />

Stunde l<strong>an</strong>g zu knien.<br />

D<strong>an</strong>n dauerte es nicht mehr l<strong>an</strong>ge und die Kirche wurde für das Weihnachtsfest geschmückt. Es war<br />

immer sehr schön feierlich, die Kirche war mit T<strong>an</strong>nenbäumen geschmückt, aber bitter kalt. Ich k<strong>an</strong>n<br />

mich er<strong>in</strong>nern, dass wir oftmals mit steifgefrorenen F<strong>in</strong>gern und Zehen nach Hause kamen, trotz<br />

H<strong>an</strong>d- und Filzschuhen.<br />

Die K<strong>in</strong>dheit <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong>.<br />

Bis zum Alter von etwa 8 Jahren verbrachten wir die Zeit hauptsächlich mit Spielen und Herumtollen.<br />

Vormittags hatten wir Schule, kamen zum Mittagessen heim. Als erstes war die Schulkleidung gegen<br />

die Alltagskleidung auszutauschen. D<strong>an</strong>ach hatten wir kle<strong>in</strong>e Aufgaben regelmäßig zu erfüllen. Holz<br />

und Kohlen für die Öfen herbei zu schaffen, Feuer <strong>an</strong>zuzünden. Täglich mussten ca. zwei Zentner<br />

Kartoffeln für die Schwe<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der Kartoffeldämpfe gekocht und <strong>an</strong>schließend gequetscht werden.<br />

D<strong>an</strong>ach mussten wir <strong>in</strong> der Scheune Heu oder Stroh von der Tenne herabwerfen. Das machte uns<br />

Spaß, denn wir spr<strong>an</strong>gen dabei immer e<strong>in</strong>e g<strong>an</strong>ze Zeit l<strong>an</strong>g im Stroh herum oder von der Tenne<br />

h<strong>in</strong>unter <strong>in</strong> den „B<strong>an</strong>sam“.<br />

Sonnabends hatten wir besonders viel Arbeit. Wir mussten die Schuhe und Stiefel putzen, auf dem<br />

Hof , <strong>in</strong> der Scheune und <strong>in</strong> den Stallungen zuerst mit e<strong>in</strong>em Rechen das Stroh zusammen rechen<br />

und auf den Misthaufen werfen. D<strong>an</strong>ach den Hof mit e<strong>in</strong>em meist selbstgemachten G<strong>in</strong>sterbesen<br />

sauber fegen. Jeden Samstag musste das gemacht werden, im W<strong>in</strong>ter haben wir uns zwischendurch<br />

im Kuhstall aufgewärmt.<br />

Nach Weihnachten wurde bei uns bis Ende J<strong>an</strong>uar gedroschen. Dabei mussten wir die Garben<br />

zureichen und die Trommel zum E<strong>in</strong>werfen öffnen. Auch dabei war es immer bitterkalt. Von<br />

Weihnachten bis Heilige drei Könige hatten wir Schulferien. Da <strong>in</strong> der Zeit den g<strong>an</strong>zen Tag<br />

gedroschen wurde, mussten wir auch vormittags bei der Arbeit helfen. Am Schlimmsten war es bei<br />

Gerste und Roggen wegen der l<strong>an</strong>gen Gr<strong>an</strong>nen. Unsere Strümpfe und die Arme bis hoch zu den<br />

Ellbogen waren immer g<strong>an</strong>z voll und es juckte und kratze überall. Bei Weizen und Hafer war<br />

dagegen der Staub dagegen fast <strong>an</strong>genehm. Waren wir mit dem Dreschen fertig, hatten wir Zeit zum<br />

Schlittenfahren oder Schlittschuhlaufen. Aber diesen Spaß verdarben uns die 20 Gänse und die<br />

vielen Federn. Die jungen Gänse wurden im April geboren und wenn sie über den Sommer groß<br />

geworden waren, zu Weihnachten auf dem Markt <strong>in</strong> <strong>Reichenbach</strong> verkauft. Sie wogen mit Federn ca.<br />

11-15 Pfund je G<strong>an</strong>s. Vom J<strong>an</strong>uar bis Februar dauerte das Federnschleißen, bei dem auch wir<br />

K<strong>in</strong>der helfen mussten. Darüber haben wir uns immer geärgert, denn dadurch konnten wir nicht so oft<br />

Schlittenfahren , wie wir es gern get<strong>an</strong> hätten. Waren wir e<strong>in</strong>mal erst draußen, g<strong>in</strong>gen wir auch nicht<br />

mehr so schnell <strong>in</strong> die warme Stube. Erst g<strong>an</strong>z durchgefroren f<strong>an</strong>den wir uns wieder e<strong>in</strong>. D<strong>an</strong>n<br />

bekamen wir – hauptsächlich von unserer älteren Schwester, stellvertretend für die Eltern – e<strong>in</strong>e<br />

un<strong>an</strong>genehme Lektion erteilt. Wenn das Vieh gefüttert worden war, kam die Zeit für die<br />

Schulaufgaben, die durchschnittlich zwei Stunden dauerten.<br />

Im Frühjahr waren wir wieder gefordert. Auf den Feldern mussten wir die Pferde <strong>an</strong>treiben oder h<strong>in</strong>ter<br />

der Sämasch<strong>in</strong>e aufpassen, dass aus allen Trichtern gleichmäßig das Saatgut lief. Anf<strong>an</strong>g Mai war<br />

noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Steigerung des Arbeitspensums. Die Rüben wurden vere<strong>in</strong>zelt und von Disteln <strong>in</strong><br />

H<strong>an</strong>darbeit befreit. In <strong>Schlesien</strong> war damals Stallfütterung. Jeden Nachmittag gegen 16.30 Uhr wurde<br />

e<strong>in</strong>e Fuhre Klee für 18 Stück R<strong>in</strong>dvieh und drei Pferde gemäht, geladen, e<strong>in</strong>gefahren, bis <strong>in</strong> den<br />

Herbst h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Im Juni war Heuernte. Wir K<strong>in</strong>der mussten das Heu auf dem Boden festtreten und<br />

kamen dabei immer mächtig <strong>in</strong>s Schwitzen. An heißen Abenden g<strong>in</strong>gen wir durch die Augärten zu<br />

den Dorfteichen zum Schwimmen.<br />

Während der Getreideernte – so etwa Mitte Juli – hatten wir vier Wochen Ernteferien. So wurden wir<br />

fast täglich zur Erntearbeit e<strong>in</strong>gesetzt. Das war unsere „Erholung“ <strong>in</strong> den Sommerferien. Von Mitte<br />

August bis September g<strong>in</strong>gen wir wieder zur Schule. D<strong>an</strong>ach gab es drei Wochen Herbstferien, <strong>in</strong> der<br />

die Grummet e<strong>in</strong>gebracht werden musste. Wenn die Rüben und Kartoffel geerntet wurden, g<strong>in</strong>gen<br />

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wir schon wieder zur Schule. Wir waren froh darüber, denn im Oktober gab es <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> morgens<br />

schon Raureif. So verlief jedes Jahr im Rhythmus den die Tiere, die Früchte der Felder bestimmten.<br />

Von der ersten Klasse <strong>an</strong> g<strong>in</strong>gen wir <strong>in</strong> die Volksschule von <strong>Lauterbach</strong>. Es waren stets etwa 45-50<br />

Schulk<strong>in</strong>de zu unterrichten. Das Dorf war zu ca. zwei Drittel katholische und der Rest ev<strong>an</strong>gelisch.<br />

Somit mussten ca. 20 Schulk<strong>in</strong>der <strong>in</strong> die ev<strong>an</strong>gelische Schule <strong>in</strong> das ca. 3 km entfernte P<strong>an</strong>thenau<br />

gehen. Ab 1936 wurde diese Trennung aufgehoben und alle K<strong>in</strong>der g<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> die <strong>Lauterbach</strong>er<br />

Volksschule.<br />

Sp<strong>an</strong>nungen zwischen den unterschiedlichen Glaubens<strong>an</strong>gehörigen gab es <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> nicht. Der<br />

größte Teil der E<strong>in</strong>wohner war Bauern, ihren Tages- und Jahresablauf bestimmten der<br />

Jahreskalender und die Kapriolen des Wetters.<br />

Unser Geme<strong>in</strong>debote war damals der Pauer-Robert. Se<strong>in</strong>e Aufgabe war es, zweimal pro Woche -<br />

am Dienstag und Samstag – die Geme<strong>in</strong>depost auf die Ämter nach <strong>Reichenbach</strong> oder Ellguth zu<br />

br<strong>in</strong>gen , bzw. die Post für <strong>Lauterbach</strong> dabei mit zu br<strong>in</strong>gen. Bek<strong>an</strong>ntmachungen wurden jährlich 4-6<br />

mal nach Bedarf niedergeschrieben und <strong>an</strong> verschieden Haushalte verteilt. Diese waren wiederum<br />

verpflichtet, diese <strong>an</strong> die Nachbarn weiter zu gehen. So wurde schließlich das g<strong>an</strong>ze Dorf <strong>in</strong>formiert,<br />

dieser Informationsfluss klappe tadellos.<br />

Es gab <strong>in</strong> unserem Dorf auch e<strong>in</strong>en Nachtwächter, er war auch der Geme<strong>in</strong>debote Pauer-Robert.<br />

Se<strong>in</strong>e Wache war von 22 Uhr bis 3 Uhr , hauptsächlich wegen Br<strong>an</strong>dgefahr. Um 4 Uhr st<strong>an</strong>den die<br />

Bauern bereits auf um Vieh zu versorgen und um für die Abfahrt auf die Felder gegen 6 Uhr gerüstet<br />

zu se<strong>in</strong>.<br />

Als me<strong>in</strong> Vater 1940 starb, wurde Herr Frenzel se<strong>in</strong> Nachfolger im Bürgermeisteramt und K<strong>an</strong>tor<br />

He<strong>in</strong> erledigte neben se<strong>in</strong>er Hauptaufgabe als Lehrer , K<strong>an</strong>tor und Org<strong>an</strong>ist auch noch die Aufgaben<br />

e<strong>in</strong>es Geme<strong>in</strong>deschreibers.<br />

Natürlich hatten wir auch e<strong>in</strong>en zuständige Polizisten. Herr Sch<strong>in</strong>ke wohnte <strong>in</strong> Groß-Ellguth und hatte<br />

außerdem noch <strong>in</strong> den Geme<strong>in</strong>den P<strong>an</strong>thenau und <strong>Lauterbach</strong> für Ruhe und Ordnung zu sorgen.<br />

Mehr Geme<strong>in</strong>deverwaltung und staatliche Aufgaben gab es nicht. Schiedsstelle bei Streitigkeiten<br />

wurden von Jacobowsky-Alfons <strong>in</strong> den Straßenhäusern wahrgenommen.<br />

1933 wurde <strong>in</strong> unserem Dorf e<strong>in</strong> schönes Feuerwehrhaus gebaut. Sehr solide, es steht noch heute.<br />

Mit e<strong>in</strong>em großen Fest wurde es e<strong>in</strong>geweiht, viele Feuerwehren aus der Umgebung nahmen dar<strong>an</strong><br />

teil. Die Feuerwehren auf den Dörfern fuhren damals mit Pferdegesp<strong>an</strong>nen. Es gab jeweils e<strong>in</strong><br />

Gesp<strong>an</strong>n für die Spritze, e<strong>in</strong> zweites für den M<strong>an</strong>nschaftswagen. Wenn es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em der Dörfer<br />

br<strong>an</strong>nte, , so wurden stets zwei Pferdegesp<strong>an</strong>ne erforderlich. E<strong>in</strong>es kam von den Bauern im Dorf,<br />

e<strong>in</strong>es stellte das Dom<strong>in</strong>ium. Die E<strong>in</strong>satzbereitschaft war Tag und Nacht sicher gestellt.<br />

In <strong>Lauterbach</strong> weiß ich von zwei großen Bränden. Der e<strong>in</strong>e war 1924. Während me<strong>in</strong> Onkel <strong>in</strong> der<br />

Bonke-Schmiede gerade Hochzeit feierte, brach gegen Abend das Feuer aus und br<strong>an</strong>nte das<br />

Wohnhaus und die <strong>an</strong>grenzende Schmiede nieder. Da ich damals erst vier Jahre war, k<strong>an</strong>n ich mich<br />

kaum noch dar<strong>an</strong> er<strong>in</strong>nern. Dagegen ist mir noch gut <strong>in</strong> Gedächtnis, dass am 2. Dezember 1933<br />

gegen 15 Uhr nachmittags die Scheune von Erich Mai br<strong>an</strong>nte. Zum Glück kam damals die<br />

motorisierte Feuerwehr aus Heidersdorf schnell. Sie legte gleich ca. 300 m Schlauch bis zum Gasta-<br />

Teich. So hatte m<strong>an</strong> genug Wasser. Das Feuer konnte relativ schnell gelöscht werden, bevor der<br />

g<strong>an</strong>ze Hof niedergebr<strong>an</strong>nt wäre. Trotzdem musste die Feuerwehr noch mehrere Tage l<strong>an</strong>g immer<br />

wieder aufflammende Brände löschen. Da die Getreidegarben sehr dicht gelagert waren und die<br />

vorh<strong>an</strong>dene Glut das Feuer nie g<strong>an</strong>z erlöschen ließ. Ich war damals 13 Jahre und er<strong>in</strong>nere mich<br />

noch sehr gut <strong>an</strong> dieses Drama. Durch das Feuer wurde die g<strong>an</strong>ze Ernte des Bauern Mai vernichtet.<br />

Aber alle Bauern haben ihm geholfen. Jede Familie spendete mehrere Zentner Getreide für die<br />

Fütterung der Tiere und zur Sicherung des Lebensunterhalts der Familie. Auch als Saatgut für die<br />

Frühjahrsbestellung 1934.<br />

1934 war me<strong>in</strong>e Schulzeit zu Ende. Da ich den Hof übernehmen sollte, blieb ich im elterlichen<br />

Betrieb. Die meisten Jungen wollten damals schon nicht mehr <strong>in</strong> die L<strong>an</strong>dwirtschaft auf den Höfen<br />

arbeiten. Sie lernten lieber e<strong>in</strong>en Beruf oder meldeten sich freiwillig zum Arbeitsdienst und d<strong>an</strong>ach<br />

zur Wehrmacht. Ich besuchte 1938 bis 1939 die L<strong>an</strong>dwirtschaftsschule <strong>Reichenbach</strong> <strong>in</strong> der<br />

Frägerstraße, beim Freiherr-von-Ste<strong>in</strong>-Platz. Dort gefiel es mir sehr gut. Leider konnte ich im<br />

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darauffolgenden Jahr nicht mehr dort se<strong>in</strong>. Me<strong>in</strong> Vater war durch e<strong>in</strong>en Pferdeunfall schwer erkr<strong>an</strong>kt.<br />

Am Abend des 27. August 1940 starb er um 23. Uhr.<br />

Damals hatte ich schon den E<strong>in</strong>berufungsbefehl für den 4.10.1940. Dieser wurde durch den Todesfall<br />

aufgehoben. Trotzdem musste ich mich d<strong>an</strong>n am 4.12.1940 <strong>in</strong> den Ste<strong>in</strong>metz-Kasernen zu Striegau<br />

melden.<br />

Bis Kriegsende musste me<strong>in</strong>e Mutter zusammen mit me<strong>in</strong>er Schwester Gretel und unter Mithilfe von<br />

zwei fr<strong>an</strong>zösischen, e<strong>in</strong>em polnischen und e<strong>in</strong>er russischen Kriegsgef<strong>an</strong>genen den Hof alle<strong>in</strong>e<br />

bewirtschaften.<br />

Im April 1946 wurde sie von polnischen Bauern abgelöst, vertrieben <strong>in</strong> die britische Besatzugszone.<br />

So kam sie nach Münchehof im Harz, <strong>Kreis</strong> G<strong>an</strong>dersheim. Fünfzig Jahre d<strong>an</strong>ach er<strong>in</strong>nert Frau Rita<br />

Sussmuth am 50. Jahrestag der Ereignisse <strong>an</strong> die Befreiung vom Nationalsozialismus. Sie hat dabei<br />

wohl vergessen, dass <strong>an</strong>nähernd 15 000 000 Menschen aus Ostdeutschl<strong>an</strong>d von ihrem g<strong>an</strong>zen Hab<br />

und Gut und vor allem von ihrer Heimat „befreit“ wurden. Eigentum durfte damals nicht mitgenommen<br />

werden, lediglich nur 20 Kilogramm H<strong>an</strong>dgepäck – Verpflegung für 14 Tage. Ich hatte damals zwar<br />

großes Vertrauen zu den Amerik<strong>an</strong>ern und Engländern und Hoffnung auf Frieden. Sie haben aber<br />

nach Kriegsende von 1945-47 – so l<strong>an</strong>ge waren noch viele Deutsche <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong>, Pommern,<br />

Ostpreußen – zugesehen, wie 3 000 000 Menschen ermordet wurden. Das hätte ich nie für möglich<br />

gehalten. Vom 22.06.1941 bis 8.05.1945 war ich im E<strong>in</strong>satz <strong>an</strong> der russischen Front und lernte die<br />

Russen überwiegend als hum<strong>an</strong>es Volk kennen. Obwohl wir uns im Krieg bef<strong>an</strong>den und den Sieg<br />

wollten. Aber das m<strong>an</strong> <strong>in</strong> Friedenszeiten zuschaut, wie unschuldige Menschen umgebracht werden ,<br />

unvorstellbar. Für mich die Erkenntnis: „ Der Hehler ist schlimmer als der Stehler“.<br />

Nun aber zu <strong>Lauterbach</strong> selbst. E<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de im <strong>Kreis</strong>e <strong>Reichenbach</strong> unter dem Eulengebirge. Wir<br />

gehörten zum sog. Niederkreis und lagen 11 km östlich von <strong>Reichenbach</strong>.. Etwa 2 km südwestlich<br />

von <strong>Lauterbach</strong> s<strong>in</strong>d die Eichberge, westlich der Beerenberg (ca. 300 m hoch) d<strong>an</strong>eben gleich der<br />

L<strong>in</strong>denberg (ca.470 m hoch). In südlicher Richtung geht es h<strong>in</strong>ter Groß-Ellguth weiter nach<br />

Olbersdorf und Girlachsdorf. Dort gibt es e<strong>in</strong> Waldgebiet von 10-15 km Länge, 2-3 km Breite.<br />

Aufgrund des kle<strong>in</strong>en Bergzuges k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> der Oberkreis mit dem Eulengebirge nicht von<br />

<strong>Lauterbach</strong> aus sehen. Auf der Höhe der Eichberge jedoch, gibt es e<strong>in</strong>e freie Sicht auf das<br />

Eulengebirge, nach Fr<strong>an</strong>kenste<strong>in</strong> und <strong>in</strong> westlicher Richtung bis Schweidnitz und das Waldenburger<br />

L<strong>an</strong>d. Auch e<strong>in</strong>e freie Sicht nach Norden gab es <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> nicht. Hier versperrten das<br />

Zobtengebirge ( 714 m hoch ), der Geiersberg (ca.500 m hoch), die L<strong>an</strong>genölser Berge und der<br />

Schwarzenberg bei L<strong>an</strong>gseifersdorf bis Endersdorf und Kaltenbrunn die Blicke. <strong>Lauterbach</strong> liegt also<br />

zwischen diesen beiden Gebirgszügen im Tal der Eichberge, das sich h<strong>in</strong>ter dem Klettenberg – der<br />

großen L<strong>in</strong>de auf se<strong>in</strong>er Spitze – nach Osten <strong>in</strong> die weite niederschlesische Ebene nach Breslau h<strong>in</strong><br />

öffnet.<br />

Für die <strong>Kreis</strong>e <strong>Reichenbach</strong>, Fr<strong>an</strong>kenste<strong>in</strong>, Glatz, Schweidnitz, Waldenburg waren das Eulengebirge<br />

, die Höhenzüge der Sudeten und des Riesengebirges und der Zobten e<strong>in</strong> wahrer Schutzwall. Denn<br />

beim Versuch diese natürlich Barriere zu überw<strong>in</strong>den, blieb die Rote Armee hängen und<br />

konzentrierte sich auf den leichteren und ungefährlicheren Sturm auf Berl<strong>in</strong>. Nach der<br />

bed<strong>in</strong>gungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 rückte die russische Armee kampflos <strong>in</strong> diese von<br />

Flüchtl<strong>in</strong>gen vollgestopften Gebiete jenseits der Berghöhen. Es gibt ke<strong>in</strong>en Zweifel , die roten<br />

Soldaten nahmen was sie sahen. Russl<strong>an</strong>d war e<strong>in</strong> armes L<strong>an</strong>d, jeder bereicherte sich <strong>an</strong> dem<br />

Eigentum der Deutschen wie er nur konnte. Die Deutschen waren Freiwild im eigenen L<strong>an</strong>d. Wie arm<br />

Russl<strong>an</strong>d war, bekam ich als Kriegsgef<strong>an</strong>gener zu spüren. Vom 8.05.1946 bis 6.08.1946 – diese Zeit<br />

war ich <strong>in</strong> russischer Kriegsgef<strong>an</strong>genschaft – reduzierte sich me<strong>in</strong> Gewicht von 80 auf 45 kg. Das war<br />

das Ergebnis unserer Verpflegung und Beh<strong>an</strong>dlung. Selbst die russischen Frauen, die während des<br />

Krieges <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d <strong>in</strong> der Rüstungs<strong>in</strong>dustrie gearbeitet hatten, im August 45 heimkehren durften,<br />

wurden <strong>in</strong> ausgehobene Erdgruben gepfercht, die mit rohen Holzstämmen überdacht waren. Diese<br />

bemitleidenswerten Frauen haben vor uns gewe<strong>in</strong>t und geschrieen „Berl<strong>in</strong> gut“. Noch heute sehe ich<br />

die Gesichtsausdrücke dieser Frauen vor mir, als sie <strong>in</strong> diese menschenunwürdigen Behausungen<br />

mussten. Sie durften nicht nach Hause, nicht zu ihren Eltern und Verw<strong>an</strong>dten. M<strong>an</strong> befürchtete<br />

offenbar, sie könnten ausplaudern wie es <strong>in</strong> Deutschl<strong>an</strong>d war.<br />

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Zurück nach <strong>Lauterbach</strong>. Das Niederdorf g<strong>in</strong>g von Bonke-Paul, Obst-August und Ritter-Paul (früher<br />

Knauer-Robert) bis zum Dom<strong>in</strong>ium. Der Dorfweg führte von Bonka-Paul bis zum Mai-Erich. Hier<br />

endete das Dorf. Der Weg g<strong>in</strong>g weiter bis zur großen Eiche von Kaiser Friedrich-Wilhelm , nach<br />

P<strong>an</strong>thenau. Bis zur Eiche reichten die Gemarkungen der Bauern. Der Weg mündete d<strong>an</strong>n beim<br />

Hummlerberg <strong>in</strong> die Straße nach Heidersdorf-Breslau. H<strong>in</strong>ter der Breslauer Straße – vom<br />

Hummlerberg bis zu den Höllenbergen – nach Norden bis <strong>an</strong> den Grenzgraben, <strong>an</strong> die L<strong>an</strong>genölser<br />

Gemarkung – reichten die Felder der <strong>Lauterbach</strong>er Bauern. Die Felder rechts von der<br />

Breslauerstraße gehörten zum Dom<strong>in</strong>ium. Die Höfe liegen alle auf kle<strong>in</strong>en Anhöhen, werden von den<br />

Hochwassern dadurch verschont. Die Höfe von Ritter-Paul, Obst-August, Thamm-Alfred und Gruner-<br />

Josef waren dagegen gefährdet. Durch <strong>Lauterbach</strong> fließt der krumme Graben. Das Wasser kommt<br />

aus dem Rohrmühlteich, 10-15 ha. mit Sumpf- und Schilfsgürtel. Der <strong>an</strong>schließende Petersumpf ,<br />

auch im Sprachgebrauch als „Pietersumpf“ bezeichnet zieht sich bis nach Stoschendorf. Dieses 30-<br />

40 ha große Gelände liegt sehr tief. M<strong>an</strong> konnte damals noch die Dämme der ehemaligen Teiche<br />

erkennen. Aber zu unser Zeit war alles mit Sumpfgras überwuchert. In das Gebiet zu gehen war<br />

gefährlich, es best<strong>an</strong>d die Gefahr, plötzlich im Sumpf zu vers<strong>in</strong>ken. Der Schilfgürtel war auch e<strong>in</strong> sehr<br />

gefährliches Gebiet. Anf<strong>an</strong>g der dreißiger Jahre wurde der krumme Graben vom Reicharbeitsdienst<br />

begradigt und somit die Hochwassergefahr für das gesamte Mittel- und Niederdorf erheblich<br />

e<strong>in</strong>geschränkt. Auch beg<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> mit dem Entschlämmen des Rohrteiches. Der Schlamm lag ca.<br />

1,5-2 m hoch. Nachdem nur etwa 2-3 ha des Teiches bearbeitet waren, wurden die Arbeiten Anf<strong>an</strong>g<br />

August e<strong>in</strong>gestellt und der Teich mit Wasser gefüllt. Das Wasser wurde bis Ende Dezember <strong>in</strong> der<br />

Zuckerfabrik Heidersdorf gebraucht.<br />

Das Mitteldorf war vom Dierig-August bis zum Mücke-Richard, ebenso wie die Schule und die Kirche<br />

e<strong>in</strong>schließlich des Friedhofes. Kirche und Friedhof s<strong>in</strong>d mit e<strong>in</strong>er fast 2 m hohen Ste<strong>in</strong>mauer<br />

umgeben. Als Zug<strong>an</strong>g zur Kirche und Friedhof gab es das eiserne Tor auf der Seite der Schule und<br />

von der <strong>an</strong>deren Seite bei Wittner-Alfred oder König. Auf dem Weg von der Schule zum Hof vom<br />

Mücke-Richard lag noch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Wohnhaus direkt <strong>an</strong> der Kirchenmauer. Zu me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>derzeit<br />

lebte dort der Dierig-Schuster, später se<strong>in</strong> Neffe, der L<strong>an</strong>ger-Paul. Mit dem Dierig-Schuster und<br />

Azler-Schuster gab es <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> zwei Schuhreparaturen. Da beide zu me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit schon<br />

sehr alt waren, wurde bald der Baum-Paul Schuhmacher für <strong>Lauterbach</strong>. Er lebte zuerst im<br />

Auszughaus vom Görtler-Hof, wo neben<strong>an</strong> K<strong>an</strong>tor Welzel wohnte. Später zog der Baum-Schuster <strong>in</strong><br />

das Haus vom Geißler-He<strong>in</strong>rich. Dessen Nichte Lotte heiratete nach Groß-Ellguth und der Hof wurde<br />

von dort aus bewirtschaftet.<br />

Im mittleren Dorf waren die Grundstücke von Hirsch-Kurt, dem Tischler, Bonke-Georg, dem Schmied,<br />

Heimlich-Walter, Baum-Josef, Heimlich-Gustav, Ste<strong>in</strong>er-Herbert und Wessel-Josef. Sie waren vor<br />

dem Grabenausbau öfter vom Hochwasser betroffen. Alle diese Grundstücke liegen auf der l<strong>in</strong>ken<br />

Seite des Dorfgrabens. Früher waren dort die Augärten zum Teil mit kle<strong>in</strong>en Wäldchen, <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong><br />

„Pischla“, die nur mit Erlen bewachsen waren. Nach den Regulierungsarbeiten g<strong>in</strong>g d<strong>an</strong>n der Graben<br />

durch die Auen und <strong>an</strong> den Dorfteichen vorbei. Ich k<strong>an</strong>n mich noch sehr gut dar<strong>an</strong> er<strong>in</strong>nern, wie der<br />

Graben durch das Mitteldorf gebaut wurde. Die direkten Anlieger waren der Hirsch-Kurt, Bonke-<br />

Georg, Heimlich-M<strong>in</strong>na, Herzog-Josef, Frenzel-Karl, Heimlich-Gustav, Ste<strong>in</strong>er-Herbert, Wessel-Josef,<br />

Gutbier-Adolf und der B<strong>an</strong>nwitz-August.<br />

Das Oberdorf beg<strong>in</strong>nt ungefähr beim Hof von Wittner-Alfred, gegenüber von König-Bruno. Es folgen<br />

M<strong>an</strong>n-Robert, Brunst-Paul, Frau Ha<strong>in</strong>, Tochter von Hirsch mit ihrem Bruder Herm<strong>an</strong>n. Anschließend<br />

kommt m<strong>an</strong> zur Färber-Mühle die nach dem Wegzug der Familie Färber nach dem neuen Besitzer<br />

Rieger-Mühle hieß.<br />

Die gefährliche Kurve im Ort hatte den Namen „Prelle“(h<strong>in</strong>ten beim Weiß-August). Jeder<br />

<strong>Lauterbach</strong>er k<strong>an</strong>nte sie. Von der Prelle bis zur L<strong>in</strong>de auf dem Klettenberg s<strong>in</strong>d es etwa 1 km. Die<br />

L<strong>in</strong>de st<strong>an</strong>d am Ende des Klettenberges <strong>an</strong> der Kreuzung Breslau-Schweidnitz. L<strong>in</strong>ks, auf dem<br />

Acker von Bonke-Alfred st<strong>an</strong>d e<strong>in</strong> Kreuz. Zurück <strong>in</strong>s Oberdorf. Der Oberweg von Wittner-Alfred,<br />

vorbei <strong>an</strong> M<strong>an</strong>n-Robert, Schunke-Ernst (Geißler He<strong>in</strong>rich) , Baum-Paul (Schuster), Bennende-<br />

Berthold und Ritter-Max endete <strong>in</strong> der Schweidnitzer Straße. Auf der Höhe rechts, pl<strong>an</strong>ten die<br />

Deutschen damals e<strong>in</strong>en neuen Friedhof. Die Polen haben dort diesen Pl<strong>an</strong> realisiert.<br />

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Vor dem Grundstück von Ritter-Max gabelte sich der Weg, l<strong>in</strong>ks zu dem Grundstück von Mücke-Paul.<br />

Beim Mücke-Paul geht es steil bergauf. Dieser Weg ist mit ke<strong>in</strong>em Fahrzeug zu befahren. Flache<br />

Felsplatten ragen aus dem Boden. Nur zu Fuß gel<strong>an</strong>gt m<strong>an</strong> über den sog. Schl<strong>an</strong>genberg zum<br />

Rohrteich. Auf dem H<strong>an</strong>g st<strong>an</strong>den zum Teich h<strong>in</strong> Birken. Das Gras war so kümmerlich, dass es bei<br />

großer Hitze und Trockenheit sich schnell entzündete. Im Sommer kamen fast 200-400<br />

Badehungrige – größtenteils auf Fahrräder, wenige mit Auto oder Motorräder- <strong>an</strong> den herrlichen<br />

<strong>Lauterbach</strong>er Rohrteich. L<strong>an</strong>genbielauer, <strong>Reichenbach</strong>er und Breslauer waren gern gesehen Gäste.<br />

Der Bademeister war ab 1934 P<strong>an</strong>tke. Schon damals gab es e<strong>in</strong>en Kiosk. Hier konnten Naschereien<br />

und Getränke gekauft werden. Geht m<strong>an</strong> auf dem Oberweg bei Mücke-Paul nicht den Schl<strong>an</strong>genweg<br />

steil hoch, sondern gerade aus, führt der Fußweg durch e<strong>in</strong> Wäldchen, das „Pluderhela“ gen<strong>an</strong>nt.<br />

Rechts vom Weg steigt der Berg steil <strong>an</strong>, l<strong>in</strong>ks im Tal plätschert das Wasser aus dem<br />

Rohrgrabenabfluss. E<strong>in</strong> g<strong>an</strong>z rom<strong>an</strong>tisches Stücken <strong>Schlesien</strong> zwischen dem Haus vom Mücke-Paul<br />

und dem Damm des Rohrteiches. Dort wo der Ständer oder Überlauf des Teiches ist, hat der Teich<br />

se<strong>in</strong>e größte Tiefe von 3-4 m. Bei Hochwasser oder der Schneeschmelze stieg das Wasser <strong>in</strong> 3-4<br />

Stunden so weit <strong>an</strong>, dass der seitliche Rechen mit e<strong>in</strong>er Breite von 8-10 und e<strong>in</strong>er Tiefe von 1.5 m<br />

schnell gefüllt war. Durch diesen lief d<strong>an</strong>n das Wasser schnell bis <strong>in</strong>s Dorf. Bei schwereren<br />

Gewitterregen und l<strong>an</strong>g<strong>an</strong>haltenden Regengüssen kam das Hochwasser schnell vom Oberdorf <strong>in</strong>s<br />

Mitteldorf. D<strong>an</strong>n war P<strong>an</strong>ik im Dorf, alle 2-3 Jahre kam dieser Schrecken über die Bewohner.<br />

Der Weg führt vom Ständer des Rohrteiches vorbei l<strong>in</strong>ks zu den Gehöften von Schwer-Josef und<br />

Herzog-Josef, dem Stellmacher, weiter bis zur Straße Breslau-<strong>Reichenbach</strong> und endete <strong>an</strong> der<br />

„Prelle“. Nahm m<strong>an</strong> die Abzweigung nach rechts, erreichte m<strong>an</strong> das Haus von der Brunst-Hedwig<br />

und weiter g<strong>in</strong>g der Weg bis <strong>in</strong> das ca. 2 km entfernt liegende Wallfahrerdörfle<strong>in</strong> Stoschendorf. Ca.<br />

200 m rechts dieses Weges liegt der bereits beschriebene gefährliche Pietersumpf. Dort beg<strong>an</strong>nen<br />

auch die Waldstücke <strong>in</strong> Richtung Eichberg. G<strong>in</strong>g m<strong>an</strong> nach dem Schilfgürtel so ca. 200 – 300 m <strong>in</strong><br />

den Wald h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, war m<strong>an</strong> auf dem Weg , dem „Schlenkergassla“. Es mündete <strong>in</strong> die<br />

Schweitnitzerstraße ungefähr 300 m östlich von Jentschwitz. Das Waldstück hieß „Fuchsberg“. Die<br />

Füchse kamen vom Zobten bis <strong>in</strong> diese Gegend , wo es viel Wild gab. Es lag gleich neben<br />

Jentschwitz. Dort hatte m<strong>an</strong> im 15./16./!7. Jahrhundert, als die Pest wütete, die Verstorbenen<br />

beerdigt. Die <strong>Lauterbach</strong>er Gemarkungsgrenze verlief ca. 150-200 m vor dem Kirchberg. Das L<strong>an</strong>d<br />

gehörte zu Mellendorf, bzw. dem Pr<strong>in</strong>zen Schönaich-Carolath. Bis 1936 oder 1937 war es <strong>an</strong> die<br />

Bauern von Mellendorf oder <strong>Lauterbach</strong> verpachtet. Als es d<strong>an</strong>n verkauft wurde, kauften fast alle<br />

Pächter die von ihnen bewirtschafteten Äcker. An der Grenze von <strong>Lauterbach</strong> und Jentschwitz lag<br />

e<strong>in</strong> Wäldchen, der Ziegenw<strong>in</strong>kel. Es war ca. 10 ha groß und gehörte dem Grafen Seidlitz, dem<br />

Besitzer des <strong>Lauterbach</strong>er Dom<strong>in</strong>iums. Der Graf war der größter L<strong>an</strong>dbesitzer im <strong>Kreis</strong>e<br />

<strong>Reichenbach</strong>. E<strong>in</strong>er Sage nach hatte die „Scheiermere“ Ziegen gestohlen, im Wald geschlachtet und<br />

war dabei erwischt worden. Und m<strong>an</strong> erzählte sich, sie käme seit dieser Zeit jeden Mittag um 12 Uhr<br />

<strong>an</strong> diese Stelle als Geist zurück, um zu sehen was aus ihren gestohlenen Ziegen geworden ist.<br />

Me<strong>in</strong>em jüngeren Bruder und mir war immer g<strong>an</strong>z schön unheimlich zu Mute, wenn wir dort vorbei<br />

kamen. Fast jeden Herbst hüteten wir die Kühe auf den Kleefeldern und unser Acker grenzte <strong>an</strong> die<br />

gesamte Breit des Ziegenw<strong>in</strong>kels. Me<strong>in</strong>e Schwäger<strong>in</strong> Gerda Saft, geb. Goldbach, war mit me<strong>in</strong>em<br />

älteren Bruder Herbert, geb. 1915, gefallen August 1942 <strong>in</strong> Russl<strong>an</strong>d verheiratet und stammte aus<br />

Jentschwitz. Mit ihr habe ich mich erst vor e<strong>in</strong>igen Jahren über die Schleiermere unterhalten. Sie g<strong>in</strong>g<br />

<strong>in</strong> L<strong>an</strong>gseifersdorf zur Schule und k<strong>an</strong>nte diese Sage nicht. Wir haben über diese Sage viel gelacht<br />

und dabei auch <strong>an</strong> K<strong>an</strong>tor Welzel gedacht, der uns diese Geschichte damals erzählt hatte. Überall <strong>in</strong><br />

der Gegend gab es solche – für K<strong>in</strong>der unheimlichen – Erzählungen. In L<strong>an</strong>gseifersdorf wieder<br />

<strong>an</strong>dere als <strong>in</strong> Schlaupitz oder L<strong>an</strong>genöls.<br />

Am Birkenwald, 3-500 m östlich vom Ziegenw<strong>in</strong>kel , <strong>an</strong> der Schlaupitzer Grenze , st<strong>an</strong>d e<strong>in</strong><br />

Gedenkste<strong>in</strong> für den Bruder vom Gruner –Josef. Er wurde dort von e<strong>in</strong>em Grafen Seentost, den Graf<br />

Seidlitz zur Jagd e<strong>in</strong>geladen hatte, bei e<strong>in</strong>em Jagdunfall tödlich verletzt. Unser Acker grenzte auch<br />

<strong>an</strong> die Gemarkung von L<strong>an</strong>genöls. Dazwischen lagen die Höllenberge, wo der Sage nach e<strong>in</strong> Reiter<br />

ohne Kopf jede Nacht geritten kommt und immer „Hella,hella“ rufen soll. Der Acker me<strong>in</strong>er Mutter<br />

grenzte <strong>an</strong> die Jentschwitzer, Schlaupitzer und Mellendorfer Gemarkung. Die Grenze bildete der<br />

Grenzgraben, der weiter nach Osten abfloss.<br />

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Jetzt noch kurz zu den fünf Höfen der sog. „Straßenhäuser“. Diese lagen 200 m westlich der L<strong>in</strong>de,<br />

direkt <strong>in</strong> Richtung Schweidnitz. Dort lebten die Bauern Jacobowsky-Alfons und der Ha<strong>in</strong>ke –Herrm<strong>an</strong><br />

auf der l<strong>in</strong>ken, der Folta-August, Wittner-He<strong>in</strong>rich und der Ilgner-Josef auf der rechten Seite der<br />

Straße.<br />

Der letzte noch nicht beschrieben Weg des Dorfes reichte von der Schule, g<strong>in</strong>g <strong>an</strong> dem Hof von<br />

Görtler-Alfred vorbei, l<strong>in</strong>ks bis zum Grundstück von Wolf-Fr<strong>an</strong>z rechts bis zum Anwesen von Weiß-<br />

August. Die Gehöfte <strong>an</strong> dieser Straße lagen alle ca. 50-100 m unterhalb der <strong>Reichenbach</strong>erstraße.<br />

Sie hatten 80-90 % ihrer Äcker direkt <strong>an</strong>liegend <strong>an</strong> die Höfe.<br />

<strong>Lauterbach</strong> wird von zwei Hauptstraßen t<strong>an</strong>giert. Die e<strong>in</strong>e führt von <strong>Reichenbach</strong> nach Breslau. E<strong>in</strong>e<br />

Strecke von <strong>in</strong>sgesamt 60 km. Elf Kilometer s<strong>in</strong>d es bis zur <strong>Kreis</strong>stadt, 49 bis zur L<strong>an</strong>deshauptstadt.<br />

Die <strong>an</strong>dere Hauptstraße kam von <strong>Reichenbach</strong>, durchquerte die Straßenhäuser nördlich des<br />

Dorfkernes und traf bei der L<strong>in</strong>de – auf der Höhe des Klettenberges die Straße Breslau-<strong>Reichenbach</strong>.<br />

Wir hatten damals bereits e<strong>in</strong>en regen Autoverkehr. Ab 1934 kam sogar das Postauto täglich<br />

zweimal, um 10.45 Uhr und um 16.30 Uhr wurde die Post abgeholt. Die Postautos waren damals<br />

nicht gelb, sondern rot <strong>an</strong>gestrichen.<br />

Wir Bauern hatten damals stets die genaue Uhrzeit. In <strong>Lauterbach</strong> richtete m<strong>an</strong> sich nach dem<br />

Dom<strong>in</strong>ium. Am Schlossgiebel war e<strong>in</strong>e Glocke für die Arbeiter. Sie läutete zu g<strong>an</strong>z bestimmten<br />

Zeiten, bzw. zu verschiedenen Anlässen. Um 5.45 Uhr bedeutet „Fertig-machen“ um 6 Uhr beg<strong>an</strong>n<br />

die Arbeit. Mittagspause war um 11 Uhr. Um 12.45 wurde wieder „Fertig-machen“ signalisiert. Um 13<br />

Uhr war Arbeitsbeg<strong>in</strong>n und endlich um 17 Uhr wurde zum Feierabend geläutet. Im g<strong>an</strong>zen Dorf<br />

konnte die Glocke vom Dom<strong>in</strong>ium gehört werden, die Uhren wurden d<strong>an</strong>ach gestellt. Da der<br />

<strong>Lauterbach</strong>er Kirche ke<strong>in</strong>e Uhr hatte, bekamen wir die Uhrzeit vom Dom<strong>in</strong>ium oder der Post. 1935<br />

kamen die ersten Radios nach <strong>Lauterbach</strong>, sie brachten nicht nur e<strong>in</strong>e neue Zeit sondern auch die<br />

Zeit<strong>an</strong>sagen. Die Wettervorhersagen über den Sender des Radios war e<strong>in</strong> weiterer Fortschritt<br />

gegenüber dem bisherigen Blick zum Zoata-Bärge.<br />

In <strong>Reichenbach</strong> gab es Verlagshäuser. Zum e<strong>in</strong>en gab es für die <strong>Kreis</strong>nachrichten das Blatt „Der<br />

Volksbote“ und zum <strong>an</strong>deren kam täglich zwischen 15-17 Uhr das Tagesblatt. In unserer Familie<br />

lasen wir den „Voksboten“ und e<strong>in</strong>mal im Monat die „Bauernzeitschrift“. Dies waren bis zum<br />

Siegeszug des Radios die e<strong>in</strong>zigen Nachrichtenquellen.<br />

Unsere Schulausflüge.<br />

Nun möchte ich noch über die Schulausflüge mit K<strong>an</strong>tor Welzel berichten. Im Sommer g<strong>in</strong>gen wir bei<br />

schönem Wetter m<strong>in</strong>destens 3-4 mal <strong>an</strong> den Rohrteich zum Baden. Dabei wurde <strong>in</strong> jedem Jahr der<br />

Umf<strong>an</strong>g der großen L<strong>in</strong>de h<strong>in</strong>ter der Rohrmühle gemessen. Es waren ca. 4.7 m. Gleich d<strong>an</strong>eben gab<br />

es e<strong>in</strong>en unterirdischen G<strong>an</strong>g, der bis zum Zobtenberge führen sollte. Wegen E<strong>in</strong>sturzgefahr durften<br />

wir aber niemals h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Außerdem machten wir jedes Jahr e<strong>in</strong>en größeren Ausflug. E<strong>in</strong>mal fuhren<br />

wir zur Weistritz-Talsperre und zur Kynsburg, südlich von Schweidnitz. Die alte Burg hoch oben auf<br />

dem Berg war e<strong>in</strong> herrlicher Anblick. Aber auch von <strong>in</strong>nen war die Burg sehenswert mit ihren gut<br />

erhaltenen Räumen und vielen alten Ritterrüstungen. Die H<strong>in</strong>- und Rückfahrt legten wir mit drei<br />

Leiterwagen zurück. Jeweils zwei Pferde pro Wagen waren e<strong>in</strong>gesp<strong>an</strong>nt. Als Leiterwagen<br />

bezeichneten wir die l<strong>an</strong>gen Wagen, die für die Ernte benutzt wurden. Jeder Bauer hatte davon ca. 2-<br />

3 Wagen.<br />

E<strong>in</strong> weitere Ausflug führte uns zu Fuß oder auf „Schusters-Rappen“ zum Zobtenberg.(718 m) Der<br />

Weg führte uns über Schlaupitz und Silsterwitz bis d<strong>an</strong>n der Aufstieg erst richtig los g<strong>in</strong>g. Oben<br />

hatten wir e<strong>in</strong>e wunderbare Aussicht <strong>in</strong> das Breslauer L<strong>an</strong>d. Bis Brieg, Strehlen, Fr<strong>an</strong>kenste<strong>in</strong>,<br />

<strong>Reichenbach</strong> und Eulengebirge, Schweidnitz, <strong>in</strong>s Waldenburger L<strong>an</strong>d und sogar bis zur<br />

Schneekoppe im Riesengebirge reichte der Blick. So schön es oben auch war, e<strong>in</strong> l<strong>an</strong>ger Fußmarsch<br />

auf dem gleichen Weg nach <strong>Lauterbach</strong> lag noch vor uns. E<strong>in</strong> <strong>an</strong>derer Ausflug führte uns über die<br />

Eichberge im Hirschgarten bis nach Olbersdorf, Girlachsdorf zum Breiten- und Schreckenste<strong>in</strong>.<br />

Auch <strong>in</strong> Silberberg waren wir e<strong>in</strong>mal mit der Eisenbahn. Es war e<strong>in</strong> herrlicher Sommertag und für uns<br />

K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong> sehr schönes, unvergessliches Erlebnis. Auch die Schüler der Stoschendorfer Schule<br />

waren dabei. Deren K<strong>an</strong>tor war e<strong>in</strong> guter Freund von unserem K<strong>an</strong>tor.<br />

Alle k<strong>an</strong>nten sich alle Lehrer untere<strong>in</strong><strong>an</strong>der sehr gut, denn sie gehörten ja alle zum L<strong>an</strong>gseifersdorfer<br />

Kirchspiel. Von Silberberg hatten wir e<strong>in</strong>e herrliche Sicht <strong>in</strong>s Schlesiertal. Dazu gehören die <strong>Kreis</strong>e<br />

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Fr<strong>an</strong>kenste<strong>in</strong>, Neisse, Münsterberg, Brieg, Strehlen , Breslau, <strong>Reichenbach</strong>, Schweidnitz und<br />

Striegau. Ab und zu glitzerte auch das B<strong>an</strong>d der Oder am Horizont. E<strong>in</strong> Besuch galt auch dem<br />

Festungsturm. Alles war noch gut erhalten . M<strong>an</strong> erzählte uns, dass der Bau des 90 m tiefen<br />

Brunnens nur e<strong>in</strong> Groschen preiswerter war als die Kosten für den g<strong>an</strong>zen Rest der Festung.<br />

Unser letzte Schulausflug f<strong>an</strong>d 1933 statt. Es war die „Krönung“ von allen Ausflügen. Wir fuhren nach<br />

Albendorf. Etwas Schöneres als diese herrliche Marienkirche hatte ich noch nie gesehen und war tief<br />

bee<strong>in</strong>druckt. Ebenso g<strong>in</strong>g es mir später 1936 bei e<strong>in</strong>em Besuch der Wallfahrtskirche <strong>in</strong> Wartha. Ich<br />

war damals schon wieder drei Jahre älter und wir waren dort zu den großen Jugend-Maifeiern. Die<br />

Feiern f<strong>an</strong>den im Freien statt. Erzbischof Kard<strong>in</strong>al Adolf Bertram hielt das Pontifikalamt. Es waren<br />

unzählbar viele Jugendliche, die dar<strong>an</strong> teilnahmen, bestimmt für jeden – wie für mich – e<strong>in</strong><br />

unvergessliches Erlebnis. M<strong>an</strong> kam ja zu der damaligen Zeit kaum von zu Hause weg. Die meisten<br />

Leute besaßen höchstens e<strong>in</strong> Fahrrad zur Fortbewegung. Heute k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> <strong>an</strong> e<strong>in</strong>mem Tag g<strong>an</strong>z<br />

Deutschl<strong>an</strong>d durchqueren, was früher unmöglich war. Wenn m<strong>an</strong> bedenkt, welche Fernreisen die<br />

heutige Jugend macht, sie bremst höchstens m<strong>an</strong>chmal das Geld, sonst wären sie wohl ständig<br />

unterwegs.<br />

Alles <strong>in</strong> Allem betrachtet, hatten wir damals dennoch e<strong>in</strong>e sehr schöne Jugendzeit. Den<br />

Nationalsozialismus haben wir auf dem L<strong>an</strong>de noch nicht so extrem zu spüren bekommen wie die<br />

Städter. Bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass wir nie wieder e<strong>in</strong> solches Regime bekommen, obwohl<br />

e<strong>in</strong>em oftmals auf deutsch gesagt „die Spucke wegbleibt“, wenn m<strong>an</strong> sieht, was heute alle möglich<br />

ist. Vielleicht bes<strong>in</strong>nen sich die Ver<strong>an</strong>twortlichen noch rechtzeitig, bevor ihnen die Zügel endgültig<br />

aus den Händen genommen werden.<br />

Das Dom<strong>in</strong>ium.<br />

Das Dom<strong>in</strong>ium wurde von Inspektor Ha<strong>in</strong> und zwei Eleven geleitet. Außerdem gehörten noch vier<br />

Vorarbeiter oder wie m<strong>an</strong> sie damals n<strong>an</strong>nte , „Schaffer“ dazu. Zusätzlich wurden viele Frauen und<br />

Tagelöhner beschäftigt. Es gab als Hilfsmittel für die Arbeit 10-12 Pferdegesp<strong>an</strong>ne, vier Traktoren als<br />

Zugmasch<strong>in</strong>en und e<strong>in</strong>e Raupe.<br />

Wer auf dem Dom<strong>in</strong>ium arbeitete bekam Deputat, d.h. die Arbeiter bekamen neben Geld auch Mehl,<br />

Milch, Butter, Kartoffeln und Schrot. An Vieh waren ihnen nur Schwe<strong>in</strong>e und Hühner zu halten<br />

erlaubt. So machte jeder das Beste aus bzw. mit se<strong>in</strong>er Arbeitskraft. Das <strong>Lauterbach</strong>er und Ellguther<br />

Dom<strong>in</strong>ium wurden von Inspektor Ha<strong>in</strong> verwaltet. Es waren wohl <strong>in</strong>sgesamt 600 Hektar Ackerboden<br />

und 200 Hektar Wald. Und auch die Teiche gehörten dazu.<br />

Außerdem gab es im Dom<strong>in</strong>ium e<strong>in</strong>en Schüttbodenmeister und e<strong>in</strong>en Nachtwächter , der auch<br />

zugleich Backofenbetreuer für die Frauen beim Brot- und Kuchenbacken war.<br />

Nun noch zum Schaftstall auf dem Gut. Zu me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>derzeit gab es <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> 800 Schafe, die<br />

vom Schäfer Hirsch betreut wurden. Im Herbst kam er den Dorfweg hoch zu den Frauenteichwiesen<br />

über unsere Stoppeläcker. 3-4 Hunde hielten die Schafe <strong>in</strong> Schach.<br />

1931 wurde der Stall umgebaut und hatte d<strong>an</strong>ach Platz für 100 Kühe. Jeder der alten <strong>Lauterbach</strong>er<br />

weiß, dass dies aber e<strong>in</strong>mal der Schafstall war.<br />

Die Bewohner <strong>Lauterbach</strong>s vor der Vertreibung 1945<br />

Name Vorname Rel. Kid. Namen der K<strong>in</strong>der Beruf Bemerkungen<br />

Ilgner Josef Kath. 1 Josef, Richard Bauer, Kühe Nr. 7<br />

Ilgner Emilie<br />

Josla<br />

Wittner He<strong>in</strong>rich Kath. 2 Melitta,He<strong>in</strong>z Bauer, Maurer Nr.9<br />

Wittner Maria ?<br />

He<strong>in</strong>e<br />

Folta August Ev. 2 Ilse, Herbert Bauer, Pferde Nr.10<br />

Folta Frieda<br />

Ha<strong>in</strong>ke Herrm<strong>an</strong>n Kath. 5 Grete (Rackow), Bernhard, Gasthaus, Nr.8 Bauer, K<strong>in</strong>d 1-<br />

Ha<strong>in</strong>ke Gertrurd<br />

Margot(Behrens), Günter,<br />

Klaus<br />

S<strong>an</strong>dgrube 2 von 1. Ehe<br />

Jacobowky Alfons Kath. 4 M<strong>an</strong>fredHa<strong>in</strong>ke,Brigitte(Dell<strong>in</strong>), Ortsbauernfüh. Bauer:Pferde<br />

Jacobowsky Klara<br />

Hildegard (Patzelt), Horst Schiedsm<strong>an</strong>n Nr. 11,Flori<strong>an</strong><br />

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Jacobowsky Ida Verstorben wegen<br />

Kriegswirren<br />

Dierig August Kath. 2 Anneliese, gestorben noch <strong>in</strong> Fleischer,Haus- Bauer<br />

Dierig Erna<br />

<strong>Lauterbach</strong> Herta (Sowa) Schlachter Nr.35<br />

Friebe Mart<strong>in</strong> Kath. 5 Theo, Hubert, Mari<strong>an</strong>ne Bauer, Kühe Nr.33, begeist.<br />

Friebe Elisabeth<br />

,He<strong>in</strong>z (Flügge), Ursel (Abels)<br />

Werner<br />

Bienenzüchter Skatspieler<br />

Heimlich Erw<strong>in</strong> Ev<strong>an</strong>. 3 Mart<strong>in</strong>, Erw<strong>in</strong>, Walter, Bauer, Kühe Nr.77<br />

Heimlich M<strong>in</strong>na<br />

Herzog Josef Kath. 9 He<strong>in</strong>z, Liesel, Alois, Helmut, Bauer, Kühe Nr. 31<br />

Herzog Else<br />

Christa, Otto, Gerda, Walter,<br />

Josef<br />

Bonke He<strong>in</strong>rich Kath. 2 Grete (?) , H<strong>an</strong>s Dom<strong>in</strong>um<br />

Bonke ?<br />

Frenzel Karl Kath. 9 Marie, Robert, Josef, Karl, Baumeister Letzter<br />

Frenzel Martha<br />

Hedwig, Cizilie, Martel, Alois,<br />

Hubert<br />

Nr. 30 Bürgermeister<br />

Brosig/Saft Josef/Alfred Kath. 5 Artur Saft, Helene, Herbert, Bauer, Pferde Bürgermeister<br />

Brosig Anna<br />

Gretel, Alfred Brosig<br />

Nr. 29 vor A. Weis<br />

Gutbier Adolf Kath. 1 Helmut Bauer, Kühe Nr. 27<br />

Gutbier Anna<br />

Maurer<br />

Schirmag Georg Kath. 1 Erika (Pickelm<strong>an</strong>n)<br />

Totengräber Nr. 26<br />

Schirmag Hedel<br />

Maurer<br />

S<strong>in</strong>derm<strong>an</strong>n Anna Kath. 0 Schwester von Schirmag<br />

Hedel<br />

Schneider<strong>in</strong> Nr.26<br />

B<strong>an</strong>nwitz August Kath. 1 Hedwig(Hoch-Egger) Bauer, Kühe Nr. 25<br />

B<strong>an</strong>nwitz<br />

Maurer<br />

Schubert Oskar Kath. 3 Alfons, Grete ( ? )<br />

Schneider Nr. 24<br />

Schubert<br />

Georg<br />

Mücke Richard Kath. 4 Luzia(Kirschste<strong>in</strong>) Erw<strong>in</strong>, Bauer, Pferde Nr. 22<br />

Mücke Cilchen<br />

Bärbel ( ? ) , M<strong>an</strong>fred Kühe<br />

Wittner Alfred Kath.<br />

Bauer, Pferde Tralala<br />

Wittner<br />

Kühe<br />

Nr. 20<br />

Mäuer-Annla<br />

Wohnte mit im Haus von<br />

Alfred<br />

Ritter<br />

Ritter<br />

Max Kath. Alfred , Magda Bauer, Kühe Nr. 12<br />

Mücke Paul Kath. 3 He<strong>in</strong>z, Herbert(Schröder), Maurer Nr. 6<br />

Mücke<br />

Joh<strong>an</strong>na ?<br />

P<strong>an</strong>zla<br />

Geisler He<strong>in</strong>rich Ev. 1 Lotte ? Nach Groß-Elguth Bauer, Witwer Nr. 13<br />

Geisler<br />

verheiratet, umgezogen<br />

Baum Paul Kath. 2 Herbert, Erw<strong>in</strong> Schuster Nr.13<br />

Baum Marta<br />

Taubenfreund<br />

Herzog<br />

Herzog<br />

Josef Kath. 2 Bernhard, H<strong>an</strong>s Nr. 14<br />

M<strong>an</strong>n Robert Ev. 1 Inge (Scholz) Bauer,Kühe Nr.16<br />

M<strong>an</strong>n Ida (Witwe)<br />

Zimmerm<strong>an</strong>n gestorben<br />

König<br />

Konig<br />

Bruno Kath. 2 Gretel, Herbert Bauer, Kühe Nr. 20<br />

Pauer Robert Ev. 2 Tochter ?, Tochter ? Günter Geme<strong>in</strong>debote<br />

Pauer<br />

o.3 (Enkelsohn)<br />

Nachtwächter<br />

Seite 30 von 102


L<strong>an</strong>ger<br />

L<strong>an</strong>ger<br />

Wessel<br />

Wessel<br />

Ste<strong>in</strong>er<br />

Ste<strong>in</strong>er<br />

Baum<br />

Baum<br />

Heimlich<br />

Heimlich<br />

Heimlich<br />

Heimlich<br />

Heimlich<br />

Heimich<br />

Hirsch<br />

Hirsch<br />

Bonke<br />

Bonke<br />

Obst<br />

Obst<br />

Gast<br />

Gast<br />

Ritter<br />

Ritter<br />

Knauer<br />

Knauer<br />

Schwer<br />

Schwer<br />

Schwer<br />

Schwer<br />

Seidel<br />

Seidel<br />

Kassera<br />

Ritter<br />

Ritter<br />

Ritter<br />

Wittner<br />

Wittner<br />

Klosig<br />

Klosig<br />

Wolf<br />

Wolf<br />

Wolf<br />

Wolf<br />

Seidel<br />

Seidel<br />

Görtler<br />

Gortler<br />

Paul<br />

Hedwig<br />

Kath. 1 H<strong>an</strong>s Maurer Nr. 63<br />

Josef Kath. 3 Hubert(Katzer)Gisela (Katzer) Maurer Zuckerfarbrik<br />

Anna<br />

He<strong>in</strong>z Fitgen(<strong>an</strong>genommene) Kle<strong>in</strong>bauer Nr. 28<br />

Herbert Ev.. 2 Juli<strong>an</strong>e (Vogel) Herbert Bauer, Pferde Nr. 73<br />

Ella<br />

Kühe<br />

Josef Kath. 4 Günter, Hubert<br />

Zimmerm<strong>an</strong>n Nr. 79<br />

Hedwig<br />

Ursula (Siegmund) Bernhard<br />

Gustav Ev. 3 Gerhard, Erich , Rudi<br />

(Mäusekaiser)<br />

Zimmerm<strong>an</strong>n Nr. 74<br />

Walter Ev. ? ? Baugewerbe Brüder<br />

Gertrud<br />

Nr. 77<br />

Walter Kath. 3 Magdalena (L<strong>in</strong>nem<strong>an</strong>n)<br />

Junge ?, Tochter ?<br />

Nr. 77<br />

Ev. 1 Tochter Tischlerei Neben Bonke-<br />

Schmiede<br />

Georg Kath. 3 Hildegard (Weigelt), Giesela, Schmied und Nr. 66<br />

Wally<br />

Bauer<br />

August Kath. Günter, Luzie (Spies) Maurer Nr. 76<br />

Alfred Kath. 3 Mart<strong>in</strong>, Irma (Aepler)<br />

Bauer, Pferd Teich<br />

Ev. Gertrud Söll geb. Batke<br />

Nr. 51<br />

Paul Kath. 2 Walter, Gretel (Krauß) Maurer, Bauer Ulkname<br />

Geb.<br />

Knauer<br />

Kühe<br />

Scheller<br />

Robert ?<br />

2 ? Nr. 52<br />

Robert Kath. 4 Alois, Cielchen, Hilde, Maurer Neben der<br />

Lenchen<br />

Schmiede<br />

Josef Kath. 2 ?? Mauer und<br />

Kle<strong>in</strong>bauer<br />

Am Rohrteich<br />

Paul Ev.. 2 Sohn ?, Sohn ? Bauer Ulkname<br />

Kasulla Seidel<br />

Kath. Witwe, alte<br />

Alle<strong>in</strong>stehende<br />

Bernhard Kath. 2 Karl-He<strong>in</strong>z, Wolfg<strong>an</strong>g Baugewerbe, Nr. 56<br />

?<br />

Maurer<br />

Alois<br />

Schre<strong>in</strong>er Bruder von B.<br />

Paul Kath. 1 Bernhard Baugewerbe, Haus von<br />

Cielchen<br />

Maurer Seidel, Nr. 55<br />

Fr<strong>an</strong>z Kath. 1 Fr<strong>an</strong>z, Günter 1925 vom Auto Dorfbäcker Kolonialam<br />

Klettenberg überfahren<br />

Waren Nr. 58<br />

Paul Kath. 1 Tochter mit 20 Jahren 1940 Baugewerbe<br />

Liesbeth<br />

verstorben, trauriges Ereignis<br />

Fr<strong>an</strong>z Kath. 3 Josef, Paul, L<strong>in</strong>us, Liesbeth Bauer, Kühe Messner<br />

Nr. 59<br />

Georg Kath. 2 Magda, Dieter<br />

Bauer, Pferd Hausschlachter<br />

Gisela<br />

Onkel von Softa-Seppel<br />

Nr. 60<br />

Alfred<br />

Elisabeth<br />

Kath. 4 Angela(Nussbaum),<br />

Hildegard,<br />

(Opitz) Felix, Maria, Christoph<br />

Seite 31 von 102<br />

Bauer, Pferd,<br />

Traktor, Nr. 61<br />

Welzel wohn-<br />

te im Haus


He<strong>in</strong> Alfred Kath. 2 Joh<strong>an</strong>nes, Bärbel<br />

Lehrer, K<strong>an</strong>tor, Schulleiter<br />

He<strong>in</strong><br />

(Weism<strong>an</strong>tel)<br />

Org<strong>an</strong>ist nach Welzel<br />

Wolf Paul Kath. 3 Joh<strong>an</strong>nes, Reg<strong>in</strong>a, Fr<strong>an</strong>z Baugewerbe Nr. 62<br />

Wolf Joh<strong>an</strong>na<br />

He<strong>in</strong> Gertrud Ev. 1 Renate (Hasselbauer) Frau He<strong>in</strong>, geb.<br />

He<strong>in</strong><br />

Hirsch<br />

Bonke/Furche<br />

Kath. 3 Felix Bonke, Margarete Bonke Bauer, Pferde, Nr.63<br />

Bonke<br />

(Kl<strong>an</strong>t) Helga Furche (Krüger) Traktor<br />

Furche Hedel Kath. Halbschwester von Frau<br />

Auszugshaus<br />

Geb. Wende<br />

Helene Thamm<br />

L<strong>an</strong>ger Josef Kath. 1 Josef Straßenwärter<br />

L<strong>an</strong>ger Anna<br />

Umlauf<br />

Umlauf<br />

Kath. 4 Hilde, Max, Herbert, Erw<strong>in</strong> Bauer, Kühe<br />

Ritter<br />

Ritter<br />

Paul Kath. 4 Paul, Bernhard, Alfons, Alois Bauer, Kühe<br />

B<strong>an</strong>nwitz Paul Kath. 4 Luzie ( ? ) Ilse ( ? ), Paul<br />

Händler<br />

B<strong>an</strong>nwitz<br />

Hedel (Witt ?)<br />

Bonke He<strong>in</strong>rich Kath. 1 Joachim Bauer, Pferde Nr. 66<br />

Bonke Hilde<br />

Görtler<br />

Bonke Paul Kath. 5 Paul, Georg, He<strong>in</strong>rich, Emma Bauer,Pferde Pluderich se<strong>in</strong><br />

Bonke ?<br />

Ulkname<br />

Ritter Paul Kath. 3 Umlauf - Ruth, Schade ) Maurer<br />

Ritter(Umlauf) Hildegard<br />

Ritter- Hedel (S<strong>an</strong>der ) Günter<br />

Hayn Willi Ev. 2 Willi, Trude ( ? ) Förster Försterrei<br />

Hayn Matha<br />

Nr. 70<br />

Weiß August Kath. 2 Horst , Tochter ? Bauer, Pferd Bürgermeister<br />

Weiß F<strong>an</strong>ziska<br />

Nr: 71 Vor Frenzel<br />

Rieger Joh<strong>an</strong>nes Ev. 4 Elli (Wauge), Dorchen (Hille- Müller Nr. 15 Davor Färber<br />

Rieger<br />

bracht), Inge ( ? ), Traudel ( ?<br />

Bes. Schneider<br />

), H<strong>an</strong>s, Sigrit ( ? )<br />

Heidersdorf<br />

Schmidt Frau ? Aus Berl<strong>in</strong> Bürgm. b Pol.<br />

Brunst Paul Kath. 2 Gitta ( Lagershausen ) , Bauer, Kühe Nr. 17<br />

Brunst<br />

Ursula ( ? )<br />

Schwer Josef Kath. 3 Maria (Gläß) Elisabeth ( ? ), Bauer, Kühe Nr. 4<br />

Schwer<br />

Herbert<br />

Baugewerbe<br />

Herzog Josef Kath. 5 Maria (Hauke), Georg, Hubert, Stellmacher, Nr. 5<br />

Herzog Cäcilie<br />

Josef, Herbert<br />

Bauer, Kühe<br />

Bonke Paul Kath. 2 He<strong>in</strong>rich , Dorchen (H<strong>an</strong>ke) Bauer, Pferd, Nr. 36<br />

Bonke Dora<br />

Kühe<br />

Bonke Alfred Kath. 1 Renate(Domnik) Bauer, Pferde, „L<strong>an</strong>ger Fred“<br />

Bonke Ida<br />

(S<strong>an</strong>der)<br />

Kühe, Traktor Nr. 37<br />

Thamm Alfred Kath. 1 Resel (Engels) Bauer, Pferde, Kornbrenner<br />

Thamm Helene<br />

Gasthaus,Nr.38 Taubenzucht<br />

Jakobowski<br />

Jakobowski<br />

Richard Kath. 1 Käthe(Mittm<strong>an</strong>n) Bauer, Pferd Nr. 40<br />

Schirmag Paul Kath. 4 Gerhard , Lilo ( ? ) ,<br />

Schneider Post<br />

Schirmag J ?<br />

?, ?,<br />

Postbote Kolonialwaren<br />

Gruner Josef Kath. 3 ? Moritz, ( Margarete ?) Bauer, Pferde Nr. 43<br />

Gruner<br />

Herbert, Erw<strong>in</strong><br />

Seite 32 von 102


Menzel Anna,<br />

unverh<br />

Kath. Arbeiter<strong>in</strong> Neu. Friedhof<br />

Henschel Bruno Kath. 5 ? Georg ?, Maria ( ? ) Angelika Bauer, Pferde Besitz von<br />

Henschel<br />

( ? ), Herbert und 2. Sohn ? Nr. 44 Hübel<br />

Gutbier<br />

Gutbier<br />

Josef Kath. Malermeister<br />

Mai<br />

Erich Ev. 3 Werner, Alice (Howe), Hubert Bauer, Pferde Nr. 48<br />

Mai<br />

W<strong>an</strong>da<br />

Bonke Alois Kath. 2 Hubert (gefallen ), Georg, Bauer, Pferde Ulkname<br />

Bonke Hedwig<br />

Zwill<strong>in</strong>ge gestorben<br />

„Fonger“<br />

Brunst Hedwig Kath. 1 Gertrud Heilig, Sie hatte<br />

Am Rohrteich<br />

e<strong>in</strong>en Sohn<br />

Nr. 1<br />

Gast<br />

Gast<br />

Paul 3 Gotthard, Edith ( ? ), Werner Waldaufseher Nr. 62<br />

Das Dom<strong>in</strong>ium <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> , <strong>Kreis</strong> <strong>Reichenbach</strong> unter der Eule<br />

Das Leben und Arbeiten auf dem Dom<strong>in</strong>ium <strong>in</strong> den Jahren 1940-45 und die Familien.<br />

Die Mitarbeit der Frauen bei der Sicherung des Familienunterhaltes ist ke<strong>in</strong>e Erf<strong>in</strong>dung der Neuzeit.<br />

Auf den Bauernhöfen und den Gütern <strong>Schlesien</strong>s war das schon damals e<strong>in</strong>e Realität. So auch auf<br />

der Domäne des Grafen Seidlitz-Sendrezki <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> mit dem Verwaltungs-Inspektor Richard<br />

He<strong>in</strong>. Der Graf war der größte Grundbesitzer im g<strong>an</strong>zen <strong>Kreis</strong> <strong>Reichenbach</strong>.<br />

Der Arbeitsablauf und die Ver<strong>an</strong>twortungsbereiche waren genau festgelegt. Die Frauen wurden<br />

d<strong>an</strong>ach vorr<strong>an</strong>gig <strong>in</strong> der Feldarbeit e<strong>in</strong>gesetzt. Sie waren zur Zeit der Frühjahresbestellung auf den<br />

Feldern, jäteten das Unkraut , arbeiteten <strong>in</strong> den Rübenfeldern. Bei der Heuernte wendeten sie mit<br />

den Holzrechen das frische Gras, bis es soweit getrocknet war, dass es zu kle<strong>in</strong>en Haufen<br />

zusammen gerecht und <strong>in</strong> die Heuscheunen gefahren werden konnte. Die meiste Zeit verbrachten<br />

sie auf den Feldern, wenn die Getreideernte ihre fleißigen Hände benötigte. D<strong>an</strong>n mussten Sie die<br />

Garben b<strong>in</strong>den, zu Puppen aufstellen und wenn alles richtig getrocknet war, wurden die Leiterwagen<br />

beladen. Riesige Getreidefuder wurden d<strong>an</strong>n durch Pferde oder Traktoren <strong>in</strong> die l<strong>an</strong>gen Scheunen<br />

des Dom<strong>in</strong>iums gebracht.<br />

Die Kartoffelernte – und d<strong>an</strong>ach die Rübenernte – war ohne die tüchtigen vielen Frauen des<br />

Dom<strong>in</strong>iums nicht vorstellbar. Sie waren <strong>in</strong> den Zeiten sehr gefordert. E<strong>in</strong>mal mussten die g<strong>an</strong>z<br />

kle<strong>in</strong>en oder schon größeren Schulk<strong>in</strong>der mit allem Notwendigen versorgt werden und d<strong>an</strong>n rief auch<br />

noch die Feldarbeit zu hartem körperlichen E<strong>in</strong>satz. Mit Fleiß, Ausdauer und Zähigkeit haben die<br />

schlesischen L<strong>an</strong>dfrauen diese Aufgaben hervorragend erfüllt und damit zu guten<br />

Wirtschaftsergebnissen der Domäne e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag geleistet. Sie haben sich damit sehr<br />

große Verdienste erworben. Bei Kälte, W<strong>in</strong>d und Regen war der E<strong>in</strong>satz nicht immer leicht. Noch<br />

heute gedenken die damals kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>der d<strong>an</strong>kbar <strong>an</strong> den E<strong>in</strong>satz ihrer Mütter und Väter. Sie<br />

erlaubten ihnen e<strong>in</strong>e schöne und sorgenfreie K<strong>in</strong>dheit, von der sie trotz Vertreibung noch nach<br />

Jahrzehnten im hohen Alter zehren.<br />

Die Kartoffeln und Futterrüben kamen <strong>in</strong> die großen Silos des Dom<strong>in</strong>iums, wurden w<strong>in</strong>terfest <strong>in</strong> den<br />

Sch<strong>an</strong>zen <strong>in</strong> Stroh e<strong>in</strong>gepackt und mit Erdreich frostsicher abgedeckt.<br />

Mit der auskl<strong>in</strong>genden Feldarbeit im Herbst war aber der Arbeitse<strong>in</strong>satz der Frauen noch nicht<br />

erschöpft. Denn im W<strong>in</strong>ter beg<strong>an</strong>n das Dreschen. Die im Sommer <strong>in</strong> den Scheunen gelagerten<br />

Getreidesorten mussten ausgedroschen werden. Die großen Dreschmasch<strong>in</strong>en wurden entweder im<br />

Hof oder direkt <strong>in</strong> der Scheune aufgestellt. Oft wehte der eisige W<strong>in</strong>d durch die geöffneten<br />

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Scheunentore und machte die staubreiche Arbeit zu e<strong>in</strong>er wahren Qual. Die steifgefrorenen F<strong>in</strong>ger<br />

konnten die Garben nur schwer aufb<strong>in</strong>den.<br />

Wenn das Dreschen erledigt war, beg<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>e etwas ruhigere Zeit. Die Frauen konnten sich etwas<br />

mehr auf den Haushalt , die Familie und die K<strong>in</strong>der konzentrieren. M<strong>an</strong>chmal wurden per H<strong>an</strong>d noch<br />

die großen, braunen Saubohnen verlesen. Viel Freude und gesellschaftlichen Spaß lieferte das<br />

private Federnschleißen. Dabei g<strong>in</strong>g m<strong>an</strong> von e<strong>in</strong>er Familie zur <strong>an</strong>deren. Die weichen Daunen<br />

mussten von ihren stechenden Kielen befreit werden. Das fertige Produkt, die weichen Daunen,<br />

konnte d<strong>an</strong>n <strong>in</strong> die Federbetten gefüllt werden und sie sorgten für e<strong>in</strong>en ruhigen, warmen und<br />

geborgenen Schlaf <strong>an</strong> den l<strong>an</strong>gen W<strong>in</strong>terabenden <strong>in</strong> der schlesischen Heimat.<br />

Die Bewohner<br />

Name Vorname Rel K<strong>in</strong> K<strong>in</strong>der-Vorname Aufgabe Bemerkung.<br />

. d<br />

Münch Ernst Ev. 2 Ilse, Erhard Stellmacher<br />

Münch Ida<br />

Schneider<strong>in</strong><br />

Dobschall Oswald Ev. 3 Meta, Selma, Else Schaffer,<br />

Dobschall Ida<br />

Vogt<br />

Feldarbeit<br />

Kasig August Kat 10 Hildegard, M<strong>an</strong>fred, Dampflok<br />

Kasig Martha . Else, Gertrud, Lotte,<br />

Lyzia , Alw<strong>in</strong>, Helene,<br />

Günter , Herbert<br />

Feldarbeit<br />

Seifert Wilhelm Ev. 5 Erich, Frieda, Paul, Entsorgung<br />

Seifert Marta<br />

Horst, Willi<br />

Melzel Erich Ev. 3 Unbek<strong>an</strong>nt, Inge,<br />

Früh verzogen<br />

Melzel Berta<br />

Helga<br />

Grün He<strong>in</strong>rich Ev. Früh verzogen<br />

Grün ?<br />

Bendschnei Adolf Ev. 4 Käthe, Else, Irmgard, Melkermeist Hofmühle<br />

der M<strong>in</strong>na<br />

Hildegard<br />

er<br />

Bendschnei<br />

Melkerhaus<br />

der<br />

halt<br />

Nitsche Erich Ev. 3 Unbek<strong>an</strong>nt Melker- Kam 1942<br />

Nitsche Unbek<strong>an</strong>nt<br />

Nachf.<br />

Fulde He<strong>in</strong>rich Ev. 1 Mart<strong>in</strong> Ackerkutsch 6 Gesp<strong>an</strong>ne<br />

Fulde Emma<br />

er<br />

Kle<strong>in</strong>er August Ev. 10 Magdalene, Martha, Schüttboden Erste 3 K<strong>in</strong>der<br />

Kle<strong>in</strong>er Maria<br />

Rudolf,<br />

Backstube Hoffm<strong>an</strong>n.<br />

M<strong>an</strong>fred,Rudolf, Korn,<br />

Hubert, Herbert,<br />

Georg, Gerda,<br />

Siegfried<br />

Saatgut<br />

He<strong>in</strong> Richard Ev. 2 Alice, Irene Gutsverwalt Verwaltet auch<br />

He<strong>in</strong> Elli<br />

er<br />

Inspektor<br />

Groß-Elguth<br />

Fulde Ernst Ev. 0 Dampftrakto<br />

Fulde Martha<br />

ren<br />

Feldarbeit<br />

Gebauer Paul Ev. 2 Unbek<strong>an</strong>nt, Else Zugmasch<strong>in</strong><br />

Gebauer Martha<br />

en<br />

Kasig Paul Kat 4 Frieda, Martha, He<strong>in</strong>z, Ackerkutsch Feldarbeit<br />

Seite 34 von 102


Kasig Martha . Werner er<br />

Wode August Ev. 5 He<strong>in</strong>z, Günter, Werner, Nachtwächt Backstubenheiz<br />

Wode Maria<br />

Gerhard, Christa er<br />

er<br />

Kirschste<strong>in</strong> Paul Ev. 2 Helmut, Margot Rechte<br />

Kirschste<strong>in</strong> Ida<br />

H<strong>an</strong>d vom<br />

Inspektor<br />

Schmidt Früh verzogen<br />

Wittner Früh verzogen<br />

Die Bewohner des Felis-Gasthauses<br />

Entrich Herrm<strong>an</strong>n Ev. 3 Ilse, Waldtraut, Gerda Traktorfahre Dampfpflug<br />

Entrich Emma<br />

r<br />

Kabitzky Paul Ev. 2 Christel , Günter Pferdekutsc Acker<br />

Kabitzky Helene<br />

her<br />

Dorn Ernst Kat 8 Herbert, Alfons, H<strong>an</strong>s, Pferdekutsc K<strong>in</strong>d 1-5<br />

Dorn Martha<br />

Erich, Liselotte, her Nachmame<br />

Margarete,<br />

Magdalena, Reg<strong>in</strong>a<br />

Acker Obst<br />

Breuer August Kat<br />

Schaffer, Tüchtig, streng<br />

.<br />

Vogt<br />

Seeliger Gustav Ev. 1 Charlotte Schmied Frau viel<br />

Seeliger Gertrud<br />

Feldarbeit H<strong>an</strong>darbeit<br />

Mitarbeiter des Dom<strong>in</strong>iums mit eigenem Haus oder Wohnung im Dorf<br />

Obst August<br />

Obst Unbek<strong>an</strong>nt<br />

Schwede August<br />

Schwede Hedwig<br />

Schwede Josef<br />

Heimlich<br />

Ritter<br />

Benende<br />

Grunwald<br />

Bonke<br />

Kat<br />

.<br />

Kat<br />

.<br />

2 Günter, Luzia Mauermeist<br />

er<br />

3 Bernhard, Clemens,<br />

Alfons<br />

Während des Krieges wurde das Gut P<strong>an</strong>thenau aufgelöst. E<strong>in</strong>ige kamen daraufh<strong>in</strong> nach<br />

<strong>Lauterbach</strong>. U.a. die Familien Lochner, Simon, Scholz, Pietsch<br />

Die Familien von <strong>Lauterbach</strong> vor der Vertreibung 1946<br />

Nr. Name Beruf Bemerkungen Nr. Name Beruf<br />

1 Ilgner,Josef Bauer Kühe 42 Seidel/Kassera Bauer<br />

Seite 35 von 102


2 Wittner,He<strong>in</strong>rich Maurer/Bauer Kühe 43 Ritter,Bernhard Baugewerbe<br />

3 Volta, August Bauer Pferde 44 Wittner,Paul Baugewerbe<br />

4 Ha<strong>in</strong>ke,Herrm<strong>an</strong>n Bauer/Gasthaus Pferde/S<strong>an</strong>dgr. 45 Klosig,Fr<strong>an</strong>z Bäcker<br />

5 Jacobowsky,Alfons Bauer/Schiedsm. Pferde/Orstbaf. 46 Wolf,Paul Baugewerbe<br />

6 Dierig,Augus Fleischer/Bauer 47 Wolf,Fr<strong>an</strong>z Messner<br />

7 Friebe,Mart<strong>in</strong> Bauer,Bienenzü. Kühe 48 Seidel,Georg Bauer/Pferd<br />

8 Heimlich,M<strong>in</strong>na Bauer Kühe 49 Görtler,Alfred Bauer<br />

9 Herzog,Josef Bauer Kühe 50 Wolf,Josef Baugewerbe<br />

10 Bonke/Grunwald Arbeiter 51 Bonke/Furche Bauer<br />

11 Frenzel,Karl Baumeist./Bauer Letztr.Bürgerm. 52 Furche/Wende<br />

12 Brosig,Josef Bauer/Pferd Bürgm.v.Weiß 53 L<strong>an</strong>ger,Josef Straßenwärt.<br />

13 Gutbier,Adolf Mauerer/Bauer Kühe 54 Umlauf Bauer<br />

14 Schirmag Totengräber Gbr.S<strong>in</strong>derm<strong>an</strong>n 55 Ritter Bauer<br />

15 B<strong>an</strong>witz,August Maurer/Bauer Kühe 56 B<strong>an</strong>witz,Paul Arbeiter<br />

16 Schubert,Oskar Schneider 57 Bonke,He<strong>in</strong>rich Bauer<br />

17 Mücke,Richard Bauer Pferde/Kühe 58 Hirsch Schäfer<br />

18 Wittner,Alfred Bauer Pferde/Kühe 59 Ritter,Paul Maurer<br />

19 Ritter,Max Bauer Kühe 60 He<strong>in</strong> Förster<br />

19a Scholz 61 Weiß,August Bauer/Pferd<br />

20 Mücke,Paul Maurer 62 Rieger,H<strong>an</strong>s Müller<br />

21 Benende-Wittner Arbeiter Dom<strong>in</strong>ium 63 Schmidt,Frau Vetrieb.Berl.<br />

22 Geisler,He<strong>in</strong>rich Schuster Später Baum 64 Brunst Bauer<br />

23 Herzog,Josef/Schwede Arbeiter Dom<strong>in</strong>ium 65 Schwer Baugew.<br />

24 Schunke Arbeiter Dom<strong>in</strong>ium 66 Herzog,Josef Stellmacher<br />

25 M<strong>an</strong>n,Robert Bauer Kühe 67 Bonke,Paul Bauer<br />

26 König,Bruno Bauer Kühe 68 Bonke,Alfred Bauer<br />

27 Pauer,Robert Geme<strong>in</strong>debote 69 Thamm,Alfred Gastw./Kornb<br />

28 L<strong>an</strong>ger,Paul Maurer 70 Jacobowsky,Ri. Bauer<br />

29 Schule/Kirche 71 Schirmag Schneider<br />

30 Wessel,Josef Maurer/Bauer Kühe/Zuckerfabr. 72 Klenner<br />

31 Ste<strong>in</strong>er,Herbert Bauer Pferd/Kühe 73 Gruner,Josef Bauer<br />

32 Heimlich Stellmacher Dom<strong>in</strong>ium 74 Menzel,Anna Arbeiter<strong>in</strong><br />

33 Baum,Josef Zimmerm<strong>an</strong>n 75 Henschel Bauer/Pferde<br />

34 Heimlich Baugewerbe Brüder 76 Gutbier,Josef Malermeister<br />

35 Felis-Gasthaus Früher Gasthaus E<strong>in</strong>wohner PS 77 Mai,Erich Bauer<br />

36 Hirsch Tischlerei 78 Ha<strong>in</strong>,Richard Guts<strong>in</strong>spekto<br />

37 Bonke,Georg Schmied 79 Benschneider Oberschweiz<br />

38 Obst,August Maurer 80 Bonke,Alois Bauer<br />

39 Gast,Alfred Bauer Pferd/Kuh/Teich 81 Brunst/Heilig<br />

40 Ritter/Knauer Maurer/Bauer Kühe<br />

41 Schwer-Josef Maurer<br />

PS: Im Felishaus lebten die Familien: Dorn, Entrich, Seliger, Kabitzky, Breuer<br />

In den Häusern im Dom<strong>in</strong>ium lebten die Familien: Dobschall-Oswald, Kirste<strong>in</strong>-Paul, Münch-<br />

Ernst,Kle<strong>in</strong>er-August,<br />

Benschneider-Adolf, Nitsche-Erich, Fulde-Ernst, Gebauer-Karl, Kasig-Paul, Wode-August,<br />

Fulde-He<strong>in</strong>rich.<br />

Die größten Bauer: Görtler-Alfred, Bonke-He<strong>in</strong>rich, Bonke-Alois, Jacobowsky-Alfons, Mai-<br />

Erich, Jakobowski-Richard,<br />

Brosig-Josef.<br />

Der <strong>Lauterbach</strong>er Dorfpl<strong>an</strong> mit E<strong>in</strong>wohner<strong>an</strong>gaben nach Breuer-He<strong>in</strong>z.<br />

Seite 36 von 102


Die Geschichte der Joh<strong>an</strong>neskirche <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>.<br />

Der Ort ersche<strong>in</strong>t erst 1370 <strong>in</strong> Urkunden, aber es k<strong>an</strong>n nicht zweifelhaft se<strong>in</strong>, dass er wie die drei<br />

<strong>an</strong>deren Dörfer <strong>in</strong> der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts als Kirchdorf <strong>an</strong>gelegt worden ist. Er hatte<br />

zunächst e<strong>in</strong>e Holzkirche mit e<strong>in</strong>em abseits stehenden hözernen Glockenstuhl. Um 1400 wurde e<strong>in</strong>e<br />

ste<strong>in</strong>erne Kirche errichtet mit flachgedecktem L<strong>an</strong>ghaus und gewölbten Altarraum. Im Jahre 1412<br />

wird <strong>in</strong> dieser Kirche e<strong>in</strong> zweiter Altar gestiftet. Die Reformation hat sicher vor 1550 schon hier<br />

E<strong>in</strong>g<strong>an</strong>g gefunden. Von Pastoren kennen wir Jakob Packysch, dessen Witwe, die Pfarrherr<strong>in</strong><br />

Christ<strong>in</strong>a, 1582 auftritt und Kaspar Feige, der am 5.04.1612 se<strong>in</strong> Amt <strong>an</strong>trat. Im Jahr 1602 soll die<br />

Kirche neu gebaut worden se<strong>in</strong>. 1654 wurde sie wieder katholisch. Da war das g<strong>an</strong>ze Dorf von 20<br />

Hufen bis auf 5 Untert<strong>an</strong>en g<strong>an</strong>z wüste. Der Grundherr Leonhard von Neuhaus f<strong>in</strong>g eben <strong>an</strong>, se<strong>in</strong><br />

Gut aufzubauen. Die Kirche war oben e<strong>in</strong>gefallen , die zwei Glocken waren auf dem Gutshofe zur<br />

Verwahrung. Noch 1677 war die Kirche g<strong>an</strong>z wüst und leer., nur im Chor, dessen Gewölbe zugleich<br />

als Dach dienen musste, st<strong>an</strong>d der alte Altar. Die Glocken waren immer noch auf dem Gutshofe. Im<br />

Seite 37 von 102


Jahre 1676 kauften die Breslauer Jesuiten <strong>Lauterbach</strong>; sie haben es 1775 <strong>an</strong> Graf Ferd<strong>in</strong><strong>an</strong>d<br />

S<strong>an</strong>dretzki weiter verkauft.<br />

Im Jahre 2003 Nach der Renovierung 2006<br />

Die Jesuiten haben die Kirche wieder aufgebaut. Die beiden Glocken haben sie auf dem Gutshofe<br />

nicht mehr vorgefunden, darum ließen sie schon 1677 zwei neue Glocken gießen. Auf der großen<br />

st<strong>an</strong>d: „Gottfried und Siegmund Goetz goß mich <strong>in</strong> Breslaw <strong>an</strong>no 1677. Ist Gott zu Lob im Namen<br />

des heiligen (Name nicht ausgefüllt) geweyhet worden“. Die kle<strong>in</strong>ere war den Jesuitenheiligen<br />

Ignatius und Xaverius geweiht; als 1705 dem Kaiser Leopold I ausgeläutet wurde, ist sie zersprungen<br />

und alsbald neu gegossen worden und erhielt die Inschrift: „Psallite Dom<strong>in</strong>o S<strong>an</strong>cti eius. Ps. 29. 1709<br />

He<strong>in</strong>rich Joseph Reichel goß mich <strong>in</strong> Neyß. S<strong>an</strong>cte Ignati de Loyola , S. Fr<strong>an</strong>z Xaveri, ihr Heiligen<br />

Gottes, hütet mit Gnaden <strong>Lauterbach</strong>. Die 1681 beschaffte kle<strong>in</strong>e Glocke musste 1699 „Gott zu Lob<br />

auf Namen des hl. Laurenti“ umgegossen werden.<br />

Nach dem Glockenguss wurde die Kirche erneuert. Der Chor wurde gewölbt, das L<strong>an</strong>ghaus erhielt<br />

se<strong>in</strong>e flache Holzdecke wieder. Über ihm erhob sich e<strong>in</strong> Dachreiter, die Glocken aber blieben auf<br />

dem hölzernen Glockenturm neben der Kirche. Das Jahr 1706 brachte e<strong>in</strong>e Erneuerung der Kirche.<br />

Die flache Decke wurde bunt bemalt; die Balken, die sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelne Felder e<strong>in</strong>teilten, wurden blau<br />

gemustert, die Felder mit rotem und grünem Laubwerk bemalt. Die Bänke und die Chorbrüstung<br />

wurden rot gestrichen und mit schwarzen und weißen Adern marmoriert. Der Dachreiter war 1721<br />

baufällig geworden und musste abgetragen werden.<br />

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Altarraum l<strong>in</strong>ks Hochaltar Altarraum rechts<br />

An der Ausstattung der Kirche wurde dauernd weitergearbeitet. 1718 kam e<strong>in</strong> neuer Hochaltar mit<br />

vergoldeten holzgeschnitzten Laub- und Rahmenwerk; er hatte als Hauptbild natürlich die Taufe<br />

Jesu, darüber e<strong>in</strong> Bild des hl. Xaverius . 1724 kam e<strong>in</strong> neuer Tabernakel , 1731 kamen Figuren der<br />

Apostelfürsten zum Hochaltar. 1732 entst<strong>an</strong>den zwei Seitenaltäre , auf dem e<strong>in</strong>en das Bild Mariens<br />

zwischen den Figuren der hl. Barbara und der hl. Kathar<strong>in</strong>a, auf dem <strong>an</strong>dern Anna Selbdritt<br />

zwischen den Figuren des hl. Josepha und des hl. Joachim. Beide Altäre kosteten vom Bildhauer 71<br />

Gulden ; als sie 1734 staffiert wurden, kostete das 82 Gulden. Die barocke K<strong>an</strong>zel verzierte<br />

versilbertes Laubwerk; auf ihrem Deckel st<strong>an</strong>d die Figur Joh<strong>an</strong>nes des Täufers, unter dem Deckel<br />

wie üblich die Taube des hl. Geistes. Auf dem Taufste<strong>in</strong>deckel st<strong>an</strong>d e<strong>in</strong>e geschnitzte Taufe Jesu.<br />

Die Kirche hatte nur e<strong>in</strong>e Statue, die des heiligen Nepomuk, aber auffällig viele Bilder. Aus dem alten<br />

Hochaltar waren <strong>in</strong> der Kirche verteilt ovale Bilder des Gekreuzigten , des hl. Joseph, des hl.<br />

Borromäus, des hl. St<strong>an</strong>islaus und des hl. Aloisius, außerdem h<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> der Kirche Bilder des hl.<br />

Ignatius und des hl. Xaverius, der Verkündigung, der Geburt , der Beschneidung und der Anbetung<br />

der hl. Drei Könige , des heiligen Laurentius und des hl. Flori<strong>an</strong>s , der hl. Anna, des guten Schächers<br />

Dismas , des hl. Thaddäus und e<strong>in</strong> Ecco-Homo-Bild.<br />

Im Jahre 1738 erlebte <strong>Lauterbach</strong> etwas g<strong>an</strong>z Großes, die erste Volksmission, die unter Leitung des<br />

Jesuiten P. Elias Pichler gehalten wurde. Das damals errichtete Missionskreuz steht noch heute.<br />

E<strong>in</strong>e Beschreibung der Kirche aus dem Jahre 1830 sagt, dass die drei Altäre hatte. Auf dem<br />

Hochaltar war das Bild Joh<strong>an</strong>nes des Täufers und darüber das der Krönung Mariens. Der Marienaltar<br />

<strong>an</strong> der Epistelseite hatte als schönsten Schmuck e<strong>in</strong>e geschnitzte Statue der Mutter Gottes, die aus<br />

der Zeit vor der Reformation stammte, beim Br<strong>an</strong>d der Kirche <strong>in</strong> das Gutshaus gebracht wurde, und<br />

als 1775 das Gut <strong>in</strong> ev<strong>an</strong>gelische Hände kam, aus der Schlosskapelle der Jesuiten <strong>in</strong> die Kirche<br />

zurück kam; sie steht jetzt im Pfarrhause <strong>in</strong> L<strong>an</strong>gseifersdorf. Auf dem Altar der Heiligen Familie<br />

gegenüber st<strong>an</strong>d unter Glas, aus Holz geschnitzt , aber nicht staffiert, e<strong>in</strong>e Darstellung der Heiligen<br />

Familie. Den Predigtstuhl zierte vergoldete Bildhauerarbeit. Diese Kirche und der abseits stehende<br />

Glockenturm mussten der neuen, der heutigen Kirche weichen, deren Bau 1880 beg<strong>an</strong>n und von<br />

Baumeister J. Glatzer <strong>in</strong> Fr<strong>an</strong>kenste<strong>in</strong> ausgeführt wurde. Am 18.11.1983 ist sie e<strong>in</strong>gesegnet worden.<br />

Der Hochaltar stammt aus der Werkstatt des Kunsttischlers Moschner <strong>in</strong> Baumgarten ; staffiert hat<br />

ihn Krachwitz/Fr<strong>an</strong>kenste<strong>in</strong>. Das Altarbild, die Taufe Jesu, hat Fr<strong>an</strong>z W<strong>in</strong>ker <strong>in</strong> He<strong>in</strong>zendorf/Mähren<br />

gemalt. Von der alten Kirche s<strong>in</strong>d nur die Grundmauern benutzt worden. Taufste<strong>in</strong> und K<strong>an</strong>zel<br />

stammen aus der alten Kirche <strong>in</strong> L<strong>an</strong>genbielau, wo 1876 e<strong>in</strong>e neue Kirche e<strong>in</strong>geweiht worden war.<br />

Von den Glocken bleib nur die kle<strong>in</strong>e, die zur Jesuitenzeit W<strong>an</strong>dlungsglocke der Schlosskapelle<br />

gewesen war, aus den vorh<strong>an</strong>denen Glocken wurde e<strong>in</strong>e größere gegossen, erst 1930 wurde e<strong>in</strong><br />

neues Geläut beschafft. Auf der großen Glocke steht: „Wenn ich ertöne, Denkt eurer Söhne, die Blut<br />

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und Leben für Euch gegeben.“ Gegossen von F. Otto Hermel<strong>in</strong>gen, Breslau 1930. Auf der mittleren<br />

steht „S<strong>an</strong>kt Hedwig, ora pro nobis“ und auf der Kle<strong>in</strong>en „Ave Maria“.<br />

„Von oben“ erscholl der Kirchenchor M<strong>in</strong>istr<strong>an</strong>tenspuren, u.a. M<strong>an</strong>fred Ha<strong>in</strong>ke<br />

Die Kirche erhebt sich auf den Grundmauern der alten Kirche ; nur ist ihr westlich e<strong>in</strong> Turm über<br />

quadratischer Grundfläche vorgebaut. In den Ecken zwischen der Nord- und Südseite des Turmes<br />

und der Westseite der Kirche stehen halbrunde Treppentürme. Neben dem Chor s<strong>in</strong>d Sakristei und<br />

Beichthalle <strong>an</strong>gebaut. Den Turm krönt e<strong>in</strong>e Pyramide. Um die g<strong>an</strong>ze Kirche zieht sich unter dem<br />

Dach e<strong>in</strong> Fries von rom<strong>an</strong>ischen Halbbögen. Der Haupte<strong>in</strong>g<strong>an</strong>g zur Kirche führt durch den Turm. Die<br />

Kirche macht <strong>in</strong> ihrer Raumwirkung und ihrer farbigen – etwas unruhigen – Beh<strong>an</strong>dlung e<strong>in</strong>en<br />

würdigen E<strong>in</strong>druck. Im gewölbten Chor steht der Hochaltar <strong>in</strong> Neu-Barock. Se<strong>in</strong> Bild stellt die Taufe<br />

Jesu dar, darüber ist figürlich dargestellt der Hl. Geist <strong>in</strong> Gestalt der Taube und Gottvater. Oben zwei<br />

künstlerisch wertvolle Engel. Neben dem Tabernakel Figuren des hl. Wenzels und des hl. August<strong>in</strong>us<br />

aus dem Barock der alten Kirche. An den Seiten die ungünstig staffierten Figuren des hl. Joh<strong>an</strong>nes<br />

Nepomuk und des hl. Xaverius. In den Fenstern im Chor s<strong>in</strong>d Maria und Joseph dargestellt. Auf<br />

Z<strong>in</strong>nleuchtern steht: 18.09.1734. Der Kreuzweg ist gemalt. Die geschmackvolle K<strong>an</strong>zel stammt aus<br />

L<strong>an</strong>genbielau. Am Korb <strong>in</strong> drei Kartuschen die zwölf Apostel verteilt: Petrus alle<strong>in</strong>, wie er die<br />

Schlüssel empfängt , d<strong>an</strong>n fünf , d<strong>an</strong>n sechs Apostel Apostel zusammen; am Deckel die Taube des<br />

Hl. Geistes , darüber Joh<strong>an</strong>nes der Täufer. Der Taufste<strong>in</strong> – aus L<strong>an</strong>genbielau – erhebt sich über<br />

achteckigem, gedrehten Schaft mit acht Wappen. L<strong>in</strong>ks vom Triumphbogen der Herz-Jesu-Altar mit<br />

dem Herz-Jesu-Bild; davor <strong>in</strong> schönem, alten Barock Anna Selbdritt; Mutter Anna streckt die Hände<br />

aus, um von Maria das Jesuk<strong>in</strong>d zu empf<strong>an</strong>gen. An den Wänden Statuen von Maria, Joseph und<br />

Antonius ohne künstlerischem Wert.<br />

Kunstwerke dagegen, aus der alten Kirche gerettet, f<strong>in</strong>den sich auf dem Kirchboden; nicht immer im<br />

guten Zust<strong>an</strong>d, aber doch erhaltenswürdig und erneuerungsfähig, und zwar <strong>an</strong> Bildern: Maria mit<br />

dem Jesuk<strong>in</strong>d, Maria als König<strong>in</strong> der Engel, die hl. Famiie; <strong>an</strong> Figuren: e<strong>in</strong> Kruzifix , e<strong>in</strong>e Caritas mit<br />

zwei K<strong>in</strong>dern, e<strong>in</strong>e symbolische Figur, offenbar durch Kreuz und Anker Glaube und Hoffnung<br />

darstellend, zwei <strong>an</strong>betende Engel, e<strong>in</strong> Apostel mit Buch.<br />

Die Kirche besitzt e<strong>in</strong>e spätbarocke Monstr<strong>an</strong>z mit klassizistischem Fuß, am Knauf e<strong>in</strong> Herz, um das<br />

Fenster Trauben und Ehren, e<strong>in</strong>en Rokokokelch, e<strong>in</strong>en Kelch <strong>in</strong> spätem Rokoko, um 1780; dieses<br />

und <strong>an</strong>deres Kirchengerät wird im Kirchzimmer des Schulhauses <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em beachtenswerten Schr<strong>an</strong>k<br />

<strong>in</strong> klassizistischem Stil aufbewahrt. Unweit der Kirche steht e<strong>in</strong>e Kapelle mit gedeckter, aber offener<br />

Vorhalle, e<strong>in</strong>e Nepomukkapelle, die P. Sebasti<strong>an</strong> T<strong>an</strong>zer S.J. 1735 errichtet hat; <strong>in</strong> ihr e<strong>in</strong>e sehr<br />

große Nemomukstatue aus Ste<strong>in</strong>, und aus der alten Kirche die holzgeschnitzten Figuren von Barbara<br />

und Kathar<strong>in</strong>a, von Joachim und Joseph und von Maria mit dem Jesusk<strong>in</strong>d. Neben der Kapelle das<br />

Missionskreuz von 1738; <strong>an</strong> ihm steht: „Missionskreuz 1738“. Darunter sagt die Jahreszahl 1935,<br />

w<strong>an</strong>n die zweite Volksmission <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> gehalten wurde. Das Kreuz hat <strong>an</strong>stelle des Corpus den<br />

Namen Jesu: IHS im Strahlenkr<strong>an</strong>z.<br />

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Auszug aus der Urkunde von 1880, die <strong>in</strong> der Kirchturmkugel 2006 entdeckt wurde<br />

Das Leben auf dem Dom<strong>in</strong>ium <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>.<br />

Von Hildegard Schröder, geb. Bendschneider.<br />

<strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> <strong>an</strong> die Zeit von 1936-1945.<br />

Das Dom<strong>in</strong>ium war mit dem Leben im Dorf fest verbunden. Hier lebten me<strong>in</strong>e Eltern mit uns K<strong>in</strong>dern.<br />

Das Dom<strong>in</strong>ium oder Gut gehörte dem Grafen Seidlitz-Sendrezky. Es wurde zusammen mit dem Gut<br />

<strong>in</strong> Groß-Ellguth von Inspektor He<strong>in</strong> , sowie zwei Assistenten, die auch Eleven gen<strong>an</strong>nt wurden. Etwa<br />

20 Familien arbeiteten auf dem Gut, vom H<strong>an</strong>dwerker bis zum Tagelöhner. Auf den Feldern<br />

arbeiteten die Frauen ca. 10 Stunden. Die größeren K<strong>in</strong>der halfen bei leichteren Feldarbeiten mit,<br />

mussten auf die kle<strong>in</strong>eren Geschwister aufpassen , denn e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dergarten gab es noch nicht. Die<br />

Leute waren arbeitsam und bescheiden, das Geld war knapp, niem<strong>an</strong>d war reich. Ja, reich <strong>an</strong><br />

K<strong>in</strong>dern, die alle gesund waren, Beh<strong>in</strong>derte waren eher selten. In der Armut wurde das wie e<strong>in</strong><br />

Geschenk Gottes empfunden. Hunger musste ke<strong>in</strong>er leiden, so gesehen g<strong>in</strong>g es uns auch nicht<br />

schlecht. Alle Familien die auf dem Gut arbeiteten, bekamen ihr Deputat. Milch, Mehl, Kartoffeln,<br />

Holz usw, sowie die Wohnungen und Stallungen für das eigene Kle<strong>in</strong>vieh und e<strong>in</strong> Garten gehörten<br />

dazu. Es wurden neue Wohnungen gebaut und die alten renoviert. Dadurch hatten alle reichlich<br />

Wohnraum. Inspektor He<strong>in</strong> wohnte mit se<strong>in</strong>er Familie <strong>in</strong> dem schönen Schloss aus dem 15/16.<br />

Jahrhundert.<br />

Me<strong>in</strong>e Eltern und wir vier Mädel, die Bendachneider gen<strong>an</strong>nt, wohnten <strong>in</strong> der alten Hofmühle am<br />

Gastteich. Das Haus bot viel Platz, welchen wir auch brauchten, denn zum Haushalt gehörten auch<br />

bis neun Melker – Gehilfen – und e<strong>in</strong>e Haus<strong>an</strong>gestellt. Täglich musste unsere Mutter 16 Personen<br />

bekochen, Wäsche waschen, das Viehzeug besorgen – Schwe<strong>in</strong>e, Hasen, Enten und Hühner – und<br />

dazu den großen Gemüsegarten bearbeiten. Diese Arbeiten kamen auf alle <strong>an</strong>deren Familien auch<br />

zu. Ja, d<strong>an</strong>n der Samstag, er war Waschtag, Schlacht- und Backtag. Da roch es über den g<strong>an</strong>zen<br />

Hof nach frischem Brot und Kuchen. Meisterlich gebacken durch Herrn Wode <strong>in</strong> dem alten, großen<br />

Backhaus, welches zum Dom<strong>in</strong>ium gehörte.<br />

Am Wochenende, nach get<strong>an</strong>er Arbeit, saßen am Abend die Eltern, Nachbarn auf ihrer B<strong>an</strong>k vor<br />

dem Haus. Es wurde geplaudert, gescherzt und viel gesungen. Es beherrschte meisten auch<br />

Jem<strong>an</strong>d e<strong>in</strong> Instrument. Die Eltern spielten beide Mundharmonika, oft begleitete uns auch e<strong>in</strong>e<br />

Ziehharmonika. Unsere Mutter hatte e<strong>in</strong>e wunderschöne Altstimme. Bei uns g<strong>in</strong>g es stets lustig und<br />

lebhaft zu. Bek<strong>an</strong>nte und Verw<strong>an</strong>dte kamen und g<strong>in</strong>gen bei uns e<strong>in</strong> und aus. Auch die<br />

Inspektormädchen Alice und Irene kamen oft und gern zu uns. Auch <strong>in</strong> unserer großen Koch- und<br />

Essstube war es gemütlich. Zusammen spielten wir alle oft und gern im Schloss und Garten. Ich<br />

denke oft <strong>an</strong> diese K<strong>in</strong>der- und Jugendzeit zurück, im Alter immer öfter. Wir hatten genügen Platz<br />

zum Spielen. Die grünen Wiesen, Gärten und Hofräume luden uns zum Versteckspielen e<strong>in</strong>.<br />

Spielzeug besaßen wir nicht viel, uns genügten e<strong>in</strong> Ball, <strong>Kreis</strong>el, Reif, Seil und Schipperkugeln – die<br />

Murmeln. H<strong>in</strong>ter unserer großen Scheune war e<strong>in</strong> mächtiger S<strong>an</strong>dhaufen. So l<strong>an</strong>g wie die Scheune,<br />

drei bis vier Meter breit und zwei bis drei Meter hoch.<br />

War es zu heiß, d<strong>an</strong>n g<strong>in</strong>g es zum Baden. Ke<strong>in</strong>e 100 m entfernt vom Dom<strong>in</strong>ium gab es gleich drei<br />

Teiche. Der Kuhteich, das war die Bade<strong>an</strong>stalt der Kühe, oder abends die Pferde zum Tränken. Aber<br />

auch wir badeten hier nach Herzenslust und brachten uns selbst das Schwimmen bei. Der Grund des<br />

Teiches war s<strong>an</strong>dig und seicht, das Wasser sauber und warm. Durch den Bachlauf konnte sich das<br />

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Wasser immer wieder generieren. Der zweite Teich wurde Tiefteich gen<strong>an</strong>nt. Er trug se<strong>in</strong>en Namen<br />

zu Recht. Unsere Melker badeten dar<strong>in</strong>, das große Schild „Baden verboten“ konnte sie davon nicht<br />

abhalten. Mit me<strong>in</strong>em Vater war ich zweimal dort, m<strong>an</strong>che waren niemals da, sie fürchteten sich vor<br />

den vielen unheimlichen Geschichten die sich um diesen Tiefteich r<strong>an</strong>kten. Der Schafteich war zwar<br />

der größte der drei Teiche, er reizte uns aber nicht zum Baden. Schilf , Moos und reichlich grüner<br />

Entenschnatter hielten uns davon ab. Der schönste Teich von g<strong>an</strong>z <strong>Lauterbach</strong> war jedoch der<br />

Rohrteich, weit und breit im L<strong>an</strong>de bek<strong>an</strong>nt und gern besucht. Auch er gehörte zum Rohrteich. Der<br />

Schlesier nennt e<strong>in</strong>en See bescheiden Teich und die Berghütten s<strong>in</strong>d beim Schlesier die<br />

zauberhaften Bauden. Insgesamt hatte <strong>Lauterbach</strong> sieben Teiche, machte also se<strong>in</strong>em Namen damit<br />

große Ehre.<br />

Der Spätsommer und der Herbst hatten etwas Besonderes, die Ernte war e<strong>in</strong>gefahren, Keller und<br />

Scheunen gefüllt. Heu und Stroh war auf dem riesigen Heuböden für die Tiere genügend bevorratet.<br />

Die Silos waren bis zum R<strong>an</strong>d gefüllt, gewaltige Heuschober säumten den Weg zur Grenzmühle.<br />

Nun konnten die Feldgeräte für die W<strong>in</strong>terzeit gere<strong>in</strong>igt und e<strong>in</strong>geölt werden, e<strong>in</strong>e große Erntekrone<br />

wurde aufgestellt, die mehrere Wochen das Schloss schmückte.<br />

Der W<strong>in</strong>ter kam damals <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> immer mit viel Schnee und sehr kalt daher. Für uns K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>e<br />

paradiesische Zeit. Das Dorf lag im Tal, r<strong>in</strong>gsherum waren mittlere Bergkuppen. Wir fuhren meistens<br />

Schlitten oder mit Schlittschuhen auf dem Eis der zugefrorenen Teiche. Auf unseren Schlitten<br />

konnten vier-fünf K<strong>in</strong>der <strong>in</strong>s Tal sausen. Die längste Strecke war von der Höhe der Kreuzberge <strong>in</strong><br />

Richtung Ellguth bis h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Hof des Dom<strong>in</strong>iums. Breuer-He<strong>in</strong>z hatte sich selbst Schneeschuhe<br />

gebastelt, aus e<strong>in</strong>em alten Krautholzfass. Davon zwei Bretter, Material vom Fahrradm<strong>an</strong>tel wurde zur<br />

B<strong>in</strong>dung umfunktioniert. Die Skistöcke lieferten die Haselnussstrauch. Auf dem zugefrorenen Gasta-<br />

Teich g<strong>in</strong>g es zum Koscheln oder Schlittschuhlaufen. E<strong>in</strong>e alte Blechdose war der Puck für das<br />

Eishockeyspiel. Selbstgemachte Stöcke und schon konnte das Gaudi rund um die Insel im Teich<br />

beg<strong>in</strong>nen. Darüber vergaßen wir oft die Zeit und es wurde so m<strong>an</strong>ches Mal schon dunkel. In der<br />

Wohnung <strong>an</strong>gekommen, st<strong>an</strong>den die Eltern mit besorgter Miene da und m<strong>an</strong>chmal gab es schon<br />

e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en Klaps auf das H<strong>in</strong>terteil weil wieder e<strong>in</strong>mal nicht darauf gehört worden war, bei Anbruch<br />

der Dunkelheit zu Hause zu se<strong>in</strong>.<br />

Die Menschen im Dom<strong>in</strong>ium waren fast ausschließlich ev<strong>an</strong>gelisch, während die Dörfler mehrheitlich<br />

katholisch waren. Die ev<strong>an</strong>gelischen K<strong>in</strong>der mussten nach P<strong>an</strong>thenau <strong>in</strong> die Schule von K<strong>an</strong>tor<br />

Thamm. Jeden Tag und bei jedem Wetter mussten wir zwei Kilometer dorth<strong>in</strong> laufen. . Bei zu hohem<br />

Schnee , oder bei Schneeverwehungen ließ Inspektor He<strong>in</strong> oder der Bauer Erich Mai die Pferde<br />

<strong>an</strong>sp<strong>an</strong>nen und wir wurden mit dem Pferdschlitten nach P<strong>an</strong>thenau gebracht. Wir ev<strong>an</strong>gelischen<br />

<strong>Lauterbach</strong>er wurden noch bis 1938 <strong>in</strong> P<strong>an</strong>thenau e<strong>in</strong>geschult. D<strong>an</strong>n kam die E<strong>in</strong>heitsschule nach<br />

<strong>Lauterbach</strong>. Die Erst – und Zweitklässler g<strong>in</strong>gen im Herbst 1937, die älteren K<strong>in</strong>der ab Ostern 1938<br />

bei K<strong>an</strong>tor He<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> zur Schule. Me<strong>in</strong>e älteren Schwestern, Käthe und Else haben noch <strong>in</strong><br />

P<strong>an</strong>thenau die Schule beendet. Irmgard ist noch zwei und ich sechs Jahre <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> zur Schule<br />

geg<strong>an</strong>gen. Wir K<strong>in</strong>der vom Dom<strong>in</strong>ium g<strong>in</strong>gen gern <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> zur Schule, da wir ke<strong>in</strong>en weiten<br />

Schulweg mehr hatten und nun die K<strong>in</strong>der aus dem Dorf besser kennen lernten. Das Ehepaar He<strong>in</strong><br />

war sehr bemüht, uns Dorfpomer<strong>an</strong>zen viel beizubr<strong>in</strong>gen. K<strong>an</strong>tor He<strong>in</strong> unterrichtete die Klassen 5<br />

bis 8 gleichzeitig jeden Morgen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Klassenraum. Es war für ihn ke<strong>in</strong>e leichte Aufgabe, aber mit<br />

se<strong>in</strong>er Ruhe und Güte gew<strong>an</strong>n er unsere Herzen. Frau He<strong>in</strong> unterrichtete das Fach H<strong>an</strong>darbeit. Im<br />

Sommer f<strong>an</strong>d der Sportunterricht am Rohrteich statt. Wir durften baden und schwimmen. Auch<br />

unterrichtete uns K<strong>an</strong>tor He<strong>in</strong> über alles Wissenswerte von Wald und Flur. Diesen Unterricht liebten<br />

wir besonders. E<strong>in</strong>e gute Er<strong>in</strong>nerung habe ich noch <strong>an</strong> die riesigen Ameisenhaufen. Im Kriegsjahr<br />

1943 kamen <strong>in</strong> der Zeit von September bis Dezember die Groß-Ellguther K<strong>in</strong>der nach <strong>Lauterbach</strong>, da<br />

nun sogar die Lehrer e<strong>in</strong>berufen wurden. Frau He<strong>in</strong> unterrichtete unter schwierigsten Bed<strong>in</strong>gungen<br />

und Bedrohungen nach dem Krieg im Jahr 1945 weiter. Sie musste den Unterricht allerd<strong>in</strong>gs auf<br />

Anweisung der „neuen Herren“ <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> e<strong>in</strong>stellen. Ich wurde 1944 mit sechs Mädchen und<br />

zwei Jungen aus der Schule entlassen.<br />

Die Groß-Ellguther Mädchen und Buben k<strong>an</strong>nten wir durch den Schulsport. Die Verwaltung war <strong>in</strong><br />

Groß-Ellguth, dazu gehörten noch P<strong>an</strong>thenau und <strong>Lauterbach</strong>. Die Verwaltung leitete Herr Littm<strong>an</strong>n.<br />

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Me<strong>in</strong>e Konfirmation war im März 1944. Das bedeutete wieder zwei Jahre nach P<strong>an</strong>thenau zum<br />

Unterricht. Den Unterricht leitete Pastor Seidel aus L<strong>an</strong>genöls. Mit mir marschierten Gerda Kle<strong>in</strong>er,<br />

Frieda Seifert und Dorchen Rieger. E<strong>in</strong> Anziehungspunkt war für uns die riesige Kaisereiche, deren<br />

Umf<strong>an</strong>g wir oft zu messen versuchten. Unsere Arme reichten aber nicht aus, um diesen Baum zu<br />

umarmen.<br />

Im Sommer 1943 holte m<strong>an</strong> vom Kirchturm P<strong>an</strong>thenau die mittlere Glocke. Wie viele <strong>an</strong>dere Glocken<br />

auch, sollte sie e<strong>in</strong>geschmolzen und Kriegsmaterial werden. Wir Konfirm<strong>an</strong>den aus P<strong>an</strong>thenau,<br />

Groß-Ellguth, <strong>Lauterbach</strong>, Breitental , Jentschwitz, L<strong>an</strong>seifersdorf, Stoschendorf und Kuchendorf<br />

bestaunten die Glocke. Auch Pastor Seidel bewunderte sie. Auf der Glocke st<strong>an</strong>d der Spruch: „Wenn<br />

ich ertöne, denkt eurer Söhne, die Blut und Leben für euch gegeben“. Wir 13-14jährigen K<strong>in</strong>der<br />

waren beim Abtr<strong>an</strong>sport unendlich traurig und verfolgten stumm und sprachlos das Geschehen.<br />

Nach der Schulzeit kam die Lehre. Aber ohne Pflichtjahr ke<strong>in</strong>e Lehrstelle. So kam ich am 1.April<br />

1944 <strong>in</strong>s Pfarrhaus P<strong>an</strong>thenau zu Frau Pastor Scholz. Ich fühlte mich <strong>in</strong> dem großen Haus wohl und<br />

versorgte die drei kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>der. Pastor Scholz war unter letzter Geme<strong>in</strong>depfarrer. Im August 1944<br />

wurde er vermisst gemeldet. Frau Pastor Scholz war Englischlehrer<strong>in</strong> und unterrichtete privat die<br />

K<strong>in</strong>der aus den umliegenden Geme<strong>in</strong>den. Nach 1945 hielt sie auch die Gottesdienste ab.<br />

Vorausblickend machte sie uns Abschriften wichtiger Dokumente, mit Kirchenstempel, die uns später<br />

nach Flucht und Vertreibung dienlich se<strong>in</strong> sollten.<br />

Die Vertreibung.<br />

<strong>Schlesien</strong> – unvergessene Heimat. E<strong>in</strong> Gebiet von ca. 35000 qkm , 4.6 Millionen E<strong>in</strong>wohner. Die<br />

Oder als Hauptfluss und Breslau die L<strong>an</strong>deshauptstadt. Die L<strong>an</strong>dschaft best<strong>an</strong>d aus vielen Tälern,<br />

Gebirgszügen, das größte das Riesengebirge. Unsere großen Dichter, Joseph v. Eichendorff,<br />

Gerhard Hauptm<strong>an</strong>n, Herm<strong>an</strong>n Stehr, Joh<strong>an</strong>n Heerm<strong>an</strong>n usw. Die vielen Schlösser, Burgen und<br />

Güter, denn <strong>Schlesien</strong> war e<strong>in</strong> reiches L<strong>an</strong>d. Es war die Kornkammer Deutschl<strong>an</strong>ds, über<br />

siebenhundert Jahre deutsche Gebiet. Hier lebten unsere Vorfahren, die Eltern und wir K<strong>in</strong>der. Wir<br />

verbrachten unsere K<strong>in</strong>dheit, Schulzeit, Lehre, Studium und Beruf. Ja, bis zur Vertreibung 1946 war<br />

es unsere Heimat, unser geborgenes Zuhause.<br />

Kriegsende 1945. Was hat der Krieg für Unglück über die gesamte Menschheit gebracht. Auch wir<br />

mussten viel leiden. Wir waren für die Sieger Sklaven, wir trugen weiße Armb<strong>in</strong>den und mussten<br />

täglich 10 Stunden arbeite, meist ohne Entgeld. Seitdem hat es immer noch wieder Kriege gegeben,<br />

aber die Menschheit hat leider aus der Tragödie des zweiten Weltkrieges nicht gelernt. Die<br />

Bevölkerung der deutschen Ostgebiete, <strong>Schlesien</strong>s, Pommerns und Ostpreußens hat die größte<br />

Kriegsschuld bezahlt, denn sie mussten die Heimat verlassen. Die ersten Ausweisungen beg<strong>an</strong>nen<br />

schon 1945, als die Verh<strong>an</strong>dlungen über das Schicksal der Deutschen noch nicht besiegelt waren.<br />

Auch im <strong>Kreis</strong>e <strong>Reichenbach</strong> beg<strong>an</strong>nen die gezielten Vertreibungen, zuerst kamen die Grundbesitzer<br />

im Frühjahr 1946 <strong>an</strong> die Reihe, d<strong>an</strong>ach im September 1946 waren auch wieder <strong>Lauterbach</strong>er dabei.<br />

Am 11. September 1946, morgens acht Uhr, Aufruf und Ausweisung. Gepäck von 20 bis 25 kg waren<br />

nur erlaubt. Treffpunkt war um 10 Uhr bei der Schule. Hier mussten wir die Hausschlüssel<br />

aushändigen, wenn nicht schon die Wohnungen oder Bauernhöfe besetzt waren. Aus <strong>Lauterbach</strong><br />

trafen die Familien Bendschneider, Ritter-Hilde mit Karl-He<strong>in</strong>z, Ritter-Knauer, Gast, Gruner, Schwer,<br />

Klosig, Pauer, B<strong>an</strong>nwitz-Hochegger, M<strong>an</strong>n, Bonke u.a.m.<br />

Um 10.30 Uhr setzte sich l<strong>an</strong>gsam der Treck <strong>in</strong> Bewegung. Es war totenstill, m<strong>an</strong>che schauten sich<br />

noch e<strong>in</strong>mal wehmütig um, <strong>an</strong>dere hatten Tränen <strong>in</strong> den Augen. Alles aus und vorbei. Würde es<br />

e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Wiedersehen geben? War es wahr, dass es nur e<strong>in</strong>e Überg<strong>an</strong>gszeit se<strong>in</strong> sollte, die<br />

Vertreibung ?<br />

Vom 11. bis 13 September war unsere erste Unterkunft <strong>in</strong> <strong>Reichenbach</strong>, Schweidnitzerstraße, e<strong>in</strong><br />

Waisenhaus. In diesem Massenquartier wurde auf Pritschen oder auf dem Fußboden geschlafen.<br />

Zuvor war gründliche Kontrolle, Vorzeigen der Ausweise, Dokumente, Sparbücher, Geld und<br />

Kleidung. E<strong>in</strong>ige mussten sich sogar e<strong>in</strong>er Leibesvisitation unterziehen. Hier wurden wir gefilzt, die<br />

Polen konnten alles gebrauchen. Zum Schluss war vom Gepäck nur noch die Hälfte da. Die<br />

Versorgung war e<strong>in</strong>igermaßen zufriedenstellend. Am 13. bis 17. September g<strong>in</strong>g es <strong>in</strong> der Mittagzeit<br />

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ab zum <strong>Reichenbach</strong>er Bahnhof. Hier st<strong>an</strong>den ca.50 Waggons und dabei viele Viehwagen. In e<strong>in</strong>em<br />

waren ca. 30 Personen mit Gepäck untergebracht. Darunter viele Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der. Karl-He<strong>in</strong>z Ritter, 6<br />

Jahre, Roswitha Hochegger, 3 Jahre, Re<strong>in</strong>hard Bendschneider, 1,5 Jahre. Hier hausten wir 5 Tage.<br />

Wir durften den Waggon nur verlassen, wenn wir zur Toilette mussten, zum Wasser holen und zum<br />

Füßevertreten. L<strong>an</strong>gsam waren die mitgebrachten Lebensmittel verbraucht und Hunger stellte sich<br />

e<strong>in</strong>. Wir hatten Glück im Unglück, zurückgebliebene <strong>Lauterbach</strong>er, Grete Dorn, Clemens Schwede<br />

und viele <strong>an</strong>dere kamen gegen Abend und brachten uns Brot und <strong>an</strong>dere Lebensmittel. Diese ließen<br />

wir heimlich unter Rock und Bluse verschw<strong>in</strong>den. Gegenüber der miesen Versorgung durch die<br />

Polen , war das e<strong>in</strong> wahrer Genuss. Warum mussten wir fünf Tage <strong>in</strong> <strong>Reichenbach</strong> auf dem toten<br />

Gleis vegetieren ? Angeblich war ke<strong>in</strong>e Lock aufzutreiben, wir machten Bek<strong>an</strong>ntschaft mit orig<strong>in</strong>al<br />

polnischer Wirtschaft.<br />

17. bis 19. September. Endlich, Montagabend am 17.09. fuhr der Zug ab. Die Polen verabschiedeten<br />

uns mit Schimpfworten. Der Zug fuhr nach Westen, e<strong>in</strong> Aufatmen, wir hatten alle große Angst. Denn<br />

das Gerücht g<strong>in</strong>g um, wir alle würden zu Aufbauarbeiten nach Russl<strong>an</strong>d verschleppt. Der Zug fuhr<br />

sehr l<strong>an</strong>gsam. Viele Stops auf offener Strecke. Endlich kamen wir <strong>in</strong> Forst <strong>an</strong>, der ersten Station <strong>an</strong><br />

der Lausitzer Neiße, die deutsch bleiben sollte. Hier wurden wir freundlich vom Roten Kreuz begrüßt.<br />

Endlich gab es auch etwas Warmes: Tee, Kaffee, Suppe, e<strong>in</strong> Stück Brot. Für die K<strong>in</strong>der gab es Milch<br />

und Kakao. Hier wurden wir auch alle entlaust. D<strong>an</strong>ach konnten wir uns endlich e<strong>in</strong>mal waschen und<br />

duschen und die Mütter ihre K<strong>in</strong>der und Säugl<strong>in</strong>ge baden.<br />

Am nächsten Tag g<strong>in</strong>g es weiter über Riesa, Chemnitz nach Marienberg <strong>in</strong>s Erzgebirge. Hier war<br />

Endstation und dazu noch Stromsperre. Bis spätestens Mitternacht hatten wir alle e<strong>in</strong> Dach über den<br />

Kopf und e<strong>in</strong> Bett , wieder etwas Warmes im Bauch. Diesen Tag werde ich niemals vergessen, es<br />

war me<strong>in</strong> 17. Geburtstag, der 19.09.1946.<br />

Am 20 Sept. stellten wir morgens fest, wir waren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er riesigen Kaserne untergekommen. Bei so<br />

vielen Menschen haben wir viele <strong>Lauterbach</strong>er aus den Augen verloren. Noch bei uns waren Ritter,<br />

B<strong>an</strong>nwitz, Pauer. Wir waren schon die g<strong>an</strong>ze Zeit zusammen, <strong>in</strong> <strong>Reichenbach</strong>, <strong>in</strong> dem Waggon und<br />

jetzt hier <strong>in</strong> der Kaserne.<br />

Nach weiteren Tagen wurde wieder umgezogen. Abschiednehmen von Marienberg. Wir kamen nach<br />

Annaberg-Buchholz oder <strong>in</strong> die umliegenden Geme<strong>in</strong>den. Hier trennten wich die Wege weiter, nur<br />

noch Familie B<strong>an</strong>nwitz war mit uns <strong>in</strong> Annaberg. Me<strong>in</strong>e Familie, die Bendschneiders l<strong>an</strong>deten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Holzbaracke zwischen Festhalle und Elektrowerk. Hier hausten wir zwei Wochen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum von<br />

ca. 12 qm. Mit fünf Personen und e<strong>in</strong>em Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>d. D<strong>an</strong>n g<strong>in</strong>g es weiter <strong>in</strong> das alte Lazarett. Da<br />

hatten wir unterm Dach e<strong>in</strong> großes Zimmer, mit Vorraum und e<strong>in</strong> Becken mit fließendem Wasser.<br />

Hier lebten wir alle mehr schlecht als recht und g<strong>in</strong>gen zur Arbeit.<br />

Am 17. Febr. 1947 übersiedelten wir <strong>in</strong> den Westen, nach We<strong>in</strong>sberg, <strong>Kreis</strong> Heilbronn. Unser Vater<br />

war aus fr<strong>an</strong>zösischer Gef<strong>an</strong>genschaft entlassen, hatte Arbeit und sogar Wohnung für uns. Hier g<strong>in</strong>g<br />

es uns nach der Vertreibung erstmals wieder gut. Hunger und Leiden hatten e<strong>in</strong> Ende. Wir konnten<br />

wieder mit Zuversicht <strong>in</strong> die Zukunft schauen.<br />

Viele <strong>Lauterbach</strong>er, von denen wir getrennt wurden, trafen wir beim Schlesier- und<br />

<strong>Reichenbach</strong>ertreffen <strong>in</strong> Warendorf wieder. Jetzt kommen wir aus allen Richtungen Deutschl<strong>an</strong>d. Wir<br />

Bendschneiders fahren gern zu diesen Treffen. Heute , im März 08 b<strong>in</strong> von dem Viermädelhaus nur<br />

noch ich am Leben. In vielen Jahren wurden wir von der Familie Ritter <strong>in</strong> Beckum stets freundlich<br />

aufgenommen und während der vielen Treffen sehr gut bewirtet.<br />

Karl-He<strong>in</strong>z Ritter, der als 6-jähriger Junge mit uns aus der Heimat vertrieben wurde, hat mich um<br />

diesen Bericht gebeten. Er war schon selbst öfter wieder <strong>in</strong> der Heimat und hat u.a. e<strong>in</strong>e Dorfkarte<br />

mit allen Wegen und Namen der Deutschen erstellt, die damals <strong>in</strong> der Heimat <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> lebten.<br />

Somit bleiben die <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> <strong>an</strong> unsere schlesische Heimat <strong>Lauterbach</strong> erhalten. Die Dorfkarte ist<br />

<strong>in</strong> der Chronik aufgenommen.<br />

Unser Schloss <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>:<br />

Bericht von Irene Sonsteby, geb. He<strong>in</strong>. Tochter des letzten Gutsverwalter der Domänen <strong>Lauterbach</strong><br />

und Groß-Ellguth.<br />

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Über der Haustür bef<strong>in</strong>det sich die Inschrift: IHS 1678. Es ist <strong>an</strong>zunehmen, dass dies das Baujahr<br />

war. <strong>Lauterbach</strong> hatte im 30-jährigen Krieg stark gelitten. Der Rittersitz ist wahrsche<strong>in</strong>lich zerstört<br />

worden. Wallenste<strong>in</strong> soll Quartier im Ellguther Schloss gehabt haben. Er kämpfte gegen die<br />

Protest<strong>an</strong>ten und die <strong>Lauterbach</strong>er Pfarrei war zu dieser Zeit protest<strong>an</strong>tisch, also wohl auch die<br />

Herrschaft. Dass es sich um e<strong>in</strong> weit größeres Schloss geh<strong>an</strong>delt haben muss, deuten die<br />

ausgedehnten Grundmauern <strong>an</strong>. Doch der Keller war nur teilweise begehbar, teils verfallen, teils sehr<br />

nass. Ich glaube, dass der Rittersitz e<strong>in</strong> Flügelbau war, ähnlich den Schlössern <strong>in</strong> Groß-Ellguth und<br />

Stoschendorf. Wie dort so führte auch hier e<strong>in</strong>e ste<strong>in</strong>erne Brücke über den Wallgraben h<strong>in</strong> zum<br />

E<strong>in</strong>g<strong>an</strong>g.<br />

Das Schloss <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>. E<strong>in</strong>e Rarität. 2007, niem<strong>an</strong>d kümmert sich, Verfall?<br />

Diese Brücke ist erhalten. M<strong>an</strong> erkennt am unteren Teil der Mauern noch die zugemauerten<br />

Brückenbögen. Der Kalkverputz der Mauern ist mit e<strong>in</strong>geritzten Ornamenten versehen, die , so me<strong>in</strong>e<br />

ich mich zu er<strong>in</strong>nern, strahlenförmig von den Bögen ausfächern wie e<strong>in</strong>e Sonne. Die Felder der<br />

Ornamente wiederholen sich von Bogen zu Bogen.<br />

Ich nehme <strong>an</strong>, dass nach der Zerstörung der Wallgraben mit den Trümmerste<strong>in</strong>en aufgefüllt wurde.<br />

D<strong>an</strong>ach führte m<strong>an</strong> den heutigen Bau auf, der auf süddeutschen E<strong>in</strong>fluss h<strong>in</strong>weist, vielleicht fränkisch<br />

? Um 1678/80 übernehmen die Breslauer Jesuiten das Gut. Von der Innenaufteilung könnte m<strong>an</strong><br />

me<strong>in</strong>en, sie seien die Bauherren. Ich habe g<strong>an</strong>z ähnliche Klosterbauten <strong>in</strong> Süddeutschl<strong>an</strong>d und <strong>in</strong> der<br />

Schweiz gesehen.<br />

Der große Festraum war Kirchenraum, der kle<strong>in</strong>e Anbau Altarraum mit e<strong>in</strong>er großen Tür<br />

abgeschlossen. Alle Räume hatten Holzdielen – breite Eichendielenbretter – nur der untere Flur und<br />

die Wirtschaftsräume waren mit ausgetretenen roten Ziegeln gepflastert. Der Wohnraum neben dem<br />

Festraum lag etwas tiefer, könnte wohl als Sakristei gedient haben?<br />

Innen hatten die Wände Rabbitz-Putz, d.h. Schilfverkleidung mit Kalkverputz. Niedrige, breite Türen<br />

mit wunderschönen schmiedeeisernen Beschlägen und z.T. alten Schlössern. In fast allen Räumen<br />

schöne hohe Kachelöfen mit verzierten Gesimsen.<br />

1923 waren <strong>in</strong> den Fenstern im oberen Flur noch Butzenscheiben, diese wurden leider gegen klares<br />

Glas ausgetauscht. Ebenso ersetzte m<strong>an</strong> die aus e<strong>in</strong>em Baumstamm gehauene Kellerdecke durch<br />

e<strong>in</strong>e bequemere. E<strong>in</strong>e solche Treppe bef<strong>an</strong>d sich übrigens auch im Ellguther Schloss.<br />

Die großen Hausböden über zwei Etagen ließen e<strong>in</strong> mächtiges Gebälk sichtbar werden. Hier wurden<br />

<strong>in</strong> l<strong>an</strong>gen Regalen die Wirtschaftsbücher aus verg<strong>an</strong>genen Zeiten aufbewahrt. Wir bewunderten die<br />

schönen, säuberlichen H<strong>an</strong>dschriften. Wo mögen sie geblieben se<strong>in</strong>?<br />

Zu erwähnen ist noch die Sonnenuhr. Sie war <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em der weißen Felder über der Haustür<br />

<strong>an</strong>gebracht.<br />

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Die zwei Fluchtbewegungen aus <strong>Lauterbach</strong>.<br />

M<strong>an</strong> sollte es immer wieder weiter erzählen, e<strong>in</strong>ige aus der Enkelgeneration <strong>in</strong>teressieren sich doch<br />

für das Schicksal ihrer Großeltern bei der Vertreibung aus <strong>Schlesien</strong>.<br />

Es ist immer wieder verwunderlich, dass sich so viele Heimatvertriebene aus <strong>Schlesien</strong> noch nach<br />

über sechzig Jahren als Flüchtl<strong>in</strong>ge bezeichnen lassen oder sich selbst Flüchtl<strong>in</strong>ge nennen. Dabei ist<br />

die überwiegende Mehrzahl der Schlesier unter Gewalt<strong>an</strong>wendung aus ihrer Heimat vertrieben,<br />

vorher von den polnischen E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gl<strong>in</strong>gen auf ihrem Eigentum dr<strong>an</strong>gsaliert und unvorstellbaren<br />

Schik<strong>an</strong>en ausgesetzt worden. Fairerweise muss m<strong>an</strong> allerd<strong>in</strong>gs zugeben, dass m<strong>an</strong> nicht alle Polen<br />

über e<strong>in</strong>en Kamm scheren k<strong>an</strong>n, wie es auch die Deutschen nicht verdient haben, alle als Nazis<br />

beschimpft zu werden. Es s<strong>in</strong>d immer nur kle<strong>in</strong>e, f<strong>an</strong>atische und me<strong>in</strong>st ungebildete Cliquen, die Not<br />

und Elend über das Volk br<strong>in</strong>gen und die <strong>in</strong> Zeiten der Anarchie vom Bodensumpf der<br />

Unmenschlichkeit nach oben gespült werden.<br />

Natürlich mussten die <strong>Lauterbach</strong>er leider auch e<strong>in</strong>mal die Rolle von Flüchtl<strong>in</strong>gen übernehmen. Als<br />

im Februar Breslau bombardiert wurde und die leuchtenden „Christbäume“ am Nachthimmel über der<br />

geliebten L<strong>an</strong>deshauptstadt sogar von <strong>Lauterbach</strong> erschaudernd gesehen werden konnten, dauerte<br />

es nicht mehr l<strong>an</strong>ge und die Russen schlossen den Kessel um Breslau. Damit wurde die Hauptstadt<br />

zur Festung, allerd<strong>in</strong>gs b<strong>an</strong>d der heroische Widerst<strong>an</strong>d der e<strong>in</strong>geschlossenen Wehrmacht viele<br />

russische Streitkräfte, sodass damit auch unser Raum möglicherweise mehr verschont blieb, als<br />

wenn die Streitkräfte ohne deutscher Gegenwehr <strong>Schlesien</strong> überr<strong>an</strong>nt hätten. Noch e<strong>in</strong> Vorteil, die<br />

Russen konzentrierten ihre Streitkräfte <strong>in</strong> Richtung Berl<strong>in</strong> um die Kampfh<strong>an</strong>dlungen möglichst schnell<br />

zu e<strong>in</strong>em – aus russischer Sicht – erfolgreichen Ende zu br<strong>in</strong>gen. Die schlesischen Berge und die<br />

vorgelagerten Städte und Dörfer bleiben deshalb von Kampfh<strong>an</strong>dlungen weitgehend verschont. Die<br />

Hölle mussten die Schlesier jedoch auch durchschreiten, denn Vergewaltigungen und Plünderungen<br />

zu jeder Tages- und Nachtzeit durch meist im Taumel des Sieges alkoholisierte Kampftruppen,<br />

versetzten die schlesische Bevölkerung <strong>in</strong> Angst und Schrecken. Junge Mädchen, ja sogar alte<br />

Frauen versteckten sich tagel<strong>an</strong>g <strong>in</strong> den umliegenden Wäldern, um ihr nacktes Leben zu retten.<br />

Dennoch bekam der Abschaum reiche Beute.<br />

Die Kunde der Untaten der Sowjetarmee bei dem Überschreiten der deutschen Grenze verbreitete<br />

sich wie e<strong>in</strong> Lauffeuer <strong>in</strong> allen Ostgebieten. Allen war bek<strong>an</strong>nt, dass die sowjetische Propag<strong>an</strong>da<br />

unter der Führung des deutschen Kommunisten Ehrenburg zu Grausamkeiten gegen die deutsche<br />

Zivilbevölkerung aufgerufen wurde. An den Grenzen Deutschl<strong>an</strong>ds waren H<strong>in</strong>weise aufgestellt, mit<br />

entsprechenden Hassparolen gegen das „verfluchte Deutschl<strong>an</strong>d“. Alle diese unmenschlichen<br />

Botschaften f<strong>an</strong>den reichlich Empfänger. Naziterror wurde von Hass- und Racheorgien <strong>an</strong> der<br />

deutschen Bevölkerung abgelöst.<br />

Im Februar 1945 – viel zu spät – kam d<strong>an</strong>n doch der plötzliche Befehl, vor der her<strong>an</strong>rückenden Front<br />

<strong>in</strong> die Berge nach Süden zu fliehen. Die Ereignisse überstürzten sich, und die schon durch<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge aus dem ferneren Osten überfüllten Straßen konnten die zusätzlichen Belastungen nicht<br />

verkraften. Auf den teilweise verschneiten und eisglatten Straßen herrschte das Chaos.<br />

Nach mehreren Tagen Fahrt mit Übernachtungen <strong>in</strong> Gasthäusern oder Privatquartieren erreichte der<br />

<strong>Lauterbach</strong>er Treck mit den Leuten aus den Straßenhäusern Rückers. Unsere Unterkunft war das<br />

Pfarrhaus, die Pfarrer waren froh, endlich e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en Lausebengel <strong>in</strong> ihrem Haus zu haben und die<br />

Familie vom Nachbarn Ha<strong>in</strong>ke war im Kr<strong>an</strong>kenhaus neben<strong>an</strong> untergebracht. Die Männer des<br />

mittleren Jahrg<strong>an</strong>gs waren zum Volkssturm befohlen, mussten P<strong>an</strong>zergräben ausheben, Sperren<br />

bauen und sollten mit P<strong>an</strong>zerfäusten die <strong>an</strong>rückenden T<strong>an</strong>ks stoppen. Durch den Kampf um Breslau<br />

änderten sich <strong>in</strong> den ersten Monaten 1945 die Frontverläufe nur wenig. Anf<strong>an</strong>g April konnte nicht<br />

mehr länger mit der Frühjahrsbestellung der Felder gewartet werden. Deshalb führen die<br />

arbeitsfähigen Menschen zurück <strong>in</strong> die Dörfer. Alte und K<strong>in</strong>der blieben <strong>in</strong> der Grafschaft. Wir wurden<br />

jedoch unter Decken versteckt <strong>in</strong> die Heimat mitgenommen und von der Feldgendarmerie zum Glück<br />

nicht entdeckt. Die Frühjahrsbestellung konnte abgeschlossen werden, die Situation <strong>an</strong> der Front<br />

spitzte sich zu.. Am 6. Mai kam d<strong>an</strong>n der Befehl, die Zivilbevölkerung müsse die Dörfer verlassen,<br />

der Volkssturm rüstete zur Verteidigung der Heimat. Damit wurden die <strong>Lauterbach</strong>er im zweiten<br />

Weltkrieg zum zweiten Mal Flüchtl<strong>in</strong>ge. Me<strong>in</strong> Vater war davon überzeugt, dass die nun schnell<br />

vorrückende Front uns schnell e<strong>in</strong>holen würde und wollte aus diesem Grunde nicht noch weit <strong>in</strong> die<br />

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Berge trecken. Die erste Übernachtung war im nahe gelegenen Bertholdsdorf im Gasthaus. Die<br />

Nacht vom 7. auf den 8. Mai übernachtete der Treck <strong>in</strong> T<strong>an</strong>nenberg, vor dem Höhenzug des<br />

Eulengebirges. Die Schwester Brigitte und Cous<strong>in</strong>e Gretel kamen mit dem Fahrrad bis Peterswaldau<br />

und wurden von „Kettenhunden“ abgef<strong>an</strong>gen und <strong>in</strong> Richtung L<strong>an</strong>genbielau geschickt. Am 8. Mai -<br />

morgens - erreichten wir bei T<strong>an</strong>nenberg den Aufstieg zum „Volpersdorfer Pl<strong>an</strong>la“. Vierspännig g<strong>in</strong>g<br />

es mit e<strong>in</strong>em Wagen bis zum Kamm, wir warteten auf die Rückkehr der Pferde ,um d<strong>an</strong>n auch das<br />

Gebirge mit unserem Wagen überqueren zu können. Auf der Passstraße herrschte e<strong>in</strong><br />

unbeschreibliches Chaos, Wagen br<strong>an</strong>nten, was zu schwer war wurde <strong>in</strong> die Straßengräben<br />

geworfen , um schneller zu se<strong>in</strong> und nicht den roten Horden <strong>in</strong> die Hände zu fallen. P<strong>an</strong>zerwagen<br />

forderten uns Wartende auf, mit der Wehrmacht zu versuchen den Sowjets zu entfliehen. Me<strong>in</strong>e<br />

Mutter willigte nicht e<strong>in</strong>. Auch unser Treck kam noch über dass Pl<strong>an</strong>la und machte d<strong>an</strong>ach im ersten<br />

Gasthaus <strong>in</strong> Volpersdorf Rast, um die Pferde zu tränken und zu füttern.<br />

Kaum dort <strong>an</strong>gekommen, erschien die erste russische Vorhut mit Fahrrädern. E<strong>in</strong>ige deutsche<br />

Soldaten lagen am E<strong>in</strong>g<strong>an</strong>g des Dorfes <strong>in</strong> Stellung und eröffneten sofort das Feuer. Sie hatten ke<strong>in</strong>e<br />

Ch<strong>an</strong>ce, s<strong>in</strong>nlose Tote <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em schon verlorenen Krieg. In der Nacht vom 7. auf den 8. Mai hatte die<br />

deutsche Wehrmacht bed<strong>in</strong>gungslos kapitulieren müssen. Die nachrückenden Horden durchwühlten<br />

sofort die Wagen, sp<strong>an</strong>nten die Pferde aus und bestätigten die Schreckensmeldungen, die ihnen<br />

voraus geg<strong>an</strong>gen waren.<br />

Me<strong>in</strong>e Schwester Brigitte und Cous<strong>in</strong>e Gretel hatten die Kapitulationsnacht auf ihrer Fahrradflucht<br />

nach Rückers erlebt. Die deutschen Soldaten verließen <strong>in</strong> aller Eile die Unterkünfte und wollten die<br />

Mädels mit <strong>in</strong> Sicherheit nehmen. E<strong>in</strong>e g<strong>an</strong>z besondere Stille legte sich über das L<strong>an</strong>d, der Krieg<br />

schien e<strong>in</strong>geschlafen zu se<strong>in</strong>. Sie nahmen das Angebot der Soldaten nicht <strong>an</strong> und radelten weiter<br />

nach Rückers, wo noch die verbliebenen Verw<strong>an</strong>dten waren. Sie blieben nicht l<strong>an</strong>ge dort und<br />

entschlossen sich, nach Hause zu radeln. In Volpersdorf trafen sie <strong>an</strong> der Straße wartend, den<br />

Bruder M<strong>an</strong>fred, der ihnen von dem dort erlebten Drama berichtete.<br />

Noch heute kl<strong>in</strong>gt es wie e<strong>in</strong> Wunder, dass plötzlich Onkel Josef aus Wätrisch mit se<strong>in</strong>em<br />

L<strong>an</strong>zbuldog <strong>an</strong>getuckert kam, auf der Rückfahrt. Er versprach se<strong>in</strong>em Bruder Alfons, ihn und se<strong>in</strong>e<br />

Familie von Volpersdorf nach <strong>Lauterbach</strong> zu holen. Die beiden Mädels fuhren mit dem Fahrrad weiter<br />

nach <strong>Lauterbach</strong>, e<strong>in</strong> Unterf<strong>an</strong>gen, dass heute noch kalte Schauer über die Schultern laufen lässt.<br />

Aber sie kamen unbehelligt – wie e<strong>in</strong> Wunder – im Dorf <strong>an</strong>. In den Straßenhäusern waren nur der<br />

Folta-August mit se<strong>in</strong>er Frau Frieda, se<strong>in</strong>e beiden K<strong>in</strong>der Ilse und Herbert, die nicht geflüchtet waren.<br />

In den leeren Häusern sah es chaotisch aus. Allerd<strong>in</strong>gs waren die Dörfer ausgestorben, die Russen<br />

weg. So kehrten sie den groben Dreck mit Besen aus den Zimmern und verbrachten nach der Flucht<br />

die erste Nacht nach dem Krieg <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>.<br />

Onkel Josef aus Wätrisch hatte Wort gehalten. Er kam tatsächlich mit dem Bulldog noch e<strong>in</strong>mal nach<br />

Volpersdorf und nahm unseren Wagen <strong>in</strong> Schlepp nach <strong>Lauterbach</strong>. So endete auch für die Familie<br />

das Flüchtl<strong>in</strong>gsschicksal.<br />

Die Familie war zusammen geblieben. Hoffnung keimte auf, endlich friedlicher <strong>in</strong> der Heimat leben zu<br />

können. Die Felder waren schon im Frühjahr unter schwierigen Umständen bestellt. Kühe und Pferde<br />

irrten überall herrenlos umher. E<strong>in</strong>ige konnten e<strong>in</strong>gef<strong>an</strong>gen werden, wurden aber wieder von den<br />

Russen weggenommen.. Und l<strong>an</strong>gsam wurden auch die nächtlichen Überfälle immer häufiger. Die <strong>in</strong><br />

den Osten rückströmenden Kampfe<strong>in</strong>heiten feierten am Rohrteich und <strong>in</strong> den Höfen der<br />

Straßenhäuser ihre Siegesorgien und waren alkoholisiert, ständig auf der Suche nach „Madga“.<br />

„Doch der schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Wahn“, Friedrich Schiller war<br />

schon l<strong>an</strong>ge tot, wie wahr er doch noch immer hat..<br />

E<strong>in</strong> Jahr später, wieder war die Frühjahrsbestellung durch die schlesischen Bauern abgeschlossen,<br />

da wurden die Schlesier gegen die zu dieser Zeit schon gültigen <strong>in</strong>ternationalen Gesetze der Haager<br />

L<strong>an</strong>dkriegsordnung zu „Heimatvertriebenen“ gemacht. Wie Vieh, das zum Schlachthof getrieben<br />

wird, so trieb m<strong>an</strong> die Schlesier – <strong>in</strong> dazu passenden, eiskalten Viehwaggons – aus ihrer Heimat, die<br />

über Jahrhunderte ihre Vorfahren kolonialisiert und zu e<strong>in</strong>er Kulturl<strong>an</strong>dschaft erster Güte gemacht<br />

hatten. In Jahrzehnten starb e<strong>in</strong>e Kulturl<strong>an</strong>dschaft erster Güte, die e<strong>in</strong> Volk ohne rechtliche<br />

Grundlage wie e<strong>in</strong> Dieb übernommen hat. Nun geht es nach sechzig Jahren wieder aufwärts, weil<br />

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e<strong>in</strong> Volk größter Nettozahler der Europäischen Union ist, <strong>in</strong> dem die Vertriebenen aus den<br />

Ostgebieten widerwillig als Str<strong>an</strong>dgut aufgenommen s<strong>in</strong>d.<br />

Herrm<strong>an</strong>n Ha<strong>in</strong>ke mit se<strong>in</strong>er zweiten<br />

Frau aus Pompsen, der „Pompsa-<br />

Trude“, geb. Friebe.<br />

Ha<strong>in</strong>ka-Herrm<strong>an</strong>n als Vertriebner <strong>in</strong><br />

Badenhausen/Harz mit se<strong>in</strong>em<br />

jüngsten Sohn Klaus. ( Inzwischen<br />

auch schon 70 )<br />

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Bernhard Ha<strong>in</strong>ke, Sohn aus erster Ehe,<br />

als K<strong>in</strong>d aufgewachsen <strong>in</strong> den<br />

Straßenhäusern von <strong>Lauterbach</strong>.<br />

Beerdigt <strong>in</strong> Badenhausen/Harz<br />

Die Bilder s<strong>in</strong>d aus dem Familienalbum vom Ha<strong>in</strong>ka-Herrm<strong>an</strong>n. Er hatte die Gaststätte se<strong>in</strong>er Eltern<br />

<strong>in</strong> den Straßenhäusern übernommen. Nebenbei betrieb er noch L<strong>an</strong>dwirtschaft und e<strong>in</strong>e Kiesgrube.<br />

Als Pferdenarr und Frauenliebl<strong>in</strong>g ist er den heute noch lebenden <strong>Lauterbach</strong>ern <strong>in</strong> guter Er<strong>in</strong>nerung.<br />

Als Feuerwehrhauptm<strong>an</strong>n war er von allen geachtet. Nur wenige Jahre vor der Vertreibung erhielt die<br />

<strong>Lauterbach</strong>er Feuerwehr e<strong>in</strong>en nigelnagelneuen M<strong>an</strong>nschaftswagen <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e H<strong>an</strong>dvoll K<strong>in</strong>der<br />

aus den Straßenhäusern die erste Autofahrt ihres Lebens mitmachen durften.<br />

Die Vertreibung aus <strong>Lauterbach</strong>.<br />

Die sog. „Erlebnisgeneration“, die noch bewusst die Vertreibung miterlebt hat, wird von Jahr zu Jahr<br />

kle<strong>in</strong>er. Deutlich wird das bei den Heimattreffen oder auch bei dem letzten Deutschl<strong>an</strong>dtreffen der<br />

Schlesier <strong>in</strong> H<strong>an</strong>nover. Deshalb ist es besonders wichtig, dass alle, die das Drama der Vertreibung<br />

erlebt haben, ihre Nachfolgegeneration darüber <strong>in</strong>formieren. So wie damals unsere Vorfahren, so<br />

können sich die Jugendlichen nicht vorstellen, dass solch e<strong>in</strong>e Massenvertreibung ohne große<br />

Proteste oder gewaltsame Widerstände durchgeführt werden konnten. So wie die jüdische<br />

Bevölkerung schweigend wie Lämmer sich zur Schlachtb<strong>an</strong>k der Nazis führen ließen, so ergaben<br />

sich die durch die polnischen Milizen demoralisierten Schlesier ihrem menschenverachtenden<br />

Schicksal.<br />

Es war im Frühjahr 1946, als die <strong>Lauterbach</strong>er Bevölkerung <strong>in</strong> den Saal von Alfred Thamm bestellt<br />

wurde. Me<strong>in</strong> Vater schickte den ältesten Bruder M<strong>an</strong>fred als Vertreter unserer Familie zu dieser<br />

Ver<strong>an</strong>staltung.<br />

Das Entsetzen <strong>in</strong> der Familie konnte bei se<strong>in</strong>er Rückkehr größer nicht se<strong>in</strong> und k<strong>an</strong>n auch nicht<br />

beschrieben werden: “Stellt euch vor, wir sollen aus unserer Heimat vertrieben werden“, waren die<br />

ersten Worte. Lähmendes Entsetzen erfasste die g<strong>an</strong>ze Familie. Der Hof, Jahrhunderte nachweislich<br />

durch die Ahnen bewirtschaftet, gepflegt und gehegt, von Generation zu Generation vererbt, sollte<br />

nun nach über 750-jähriger deutscher Kultur und Tradition <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> verlassen werden. Genau so<br />

grausam wie die <strong>an</strong>gekündigte Vertreibung, waren auch die sonstigen unwürdigen Bed<strong>in</strong>gungen, die<br />

– m<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n es heute noch immer nicht verstehen – e<strong>in</strong> vom christliche Glauben überzeugtes Volk<br />

der Polen – se<strong>in</strong>en Religionsschwestern und –brüdern damit <strong>an</strong>tat.<br />

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Es durfte nur so viel H<strong>an</strong>dgepäck mitgenommen werden, wie e<strong>in</strong> Mensch tragen konnte. Erlaubt oder<br />

besser verl<strong>an</strong>gt, waren Nahrungsvorräte für ca. 14 Tage. Die Wohnungen mussten <strong>in</strong> dem Zust<strong>an</strong>d<br />

verlassen werden, <strong>in</strong> dem sie sich zu der Zeit bef<strong>an</strong>den. Wertgegenstände mitnehmen war nicht<br />

erlaubt. Die Haustüren durften nicht abgeschlossen werden, die Schlüssel mussten von außen <strong>in</strong> den<br />

Schlössern stecken.<br />

Zeit und Ort <strong>an</strong> dem sich die erste Gruppe der <strong>Lauterbach</strong>er Vertriebenen e<strong>in</strong>zuf<strong>in</strong>den hatte wurde<br />

bek<strong>an</strong>nt gemacht. Es war der 19. April 1946, die Schlesier hatten sogar schon die Frühjahrbestellung<br />

abgeschlossen. An diesem traurigen Tag trafen sich die <strong>Lauterbach</strong>er h<strong>in</strong>ter dem Haus vom Klosig-<br />

Bäcker, wo die Straße mit e<strong>in</strong>er Rechtskurve <strong>Lauterbach</strong> verlässt und über die Eichberge, Praus und<br />

Bertholdsdorf nach <strong>Reichenbach</strong> führt. Zum Tr<strong>an</strong>sport der Alten und Gehbeh<strong>in</strong>derten tauchten d<strong>an</strong>n<br />

doch Pferdefuhrwerke auf. Dabei war auch e<strong>in</strong> deutscher Bauer, der von dem Vertreibungsschicksal<br />

der <strong>an</strong>deren nicht betroffen war und schon auf den Hof spekulierte, zu dessen Besitzer er sich durch<br />

se<strong>in</strong> polenfreundliches Verhalten gern machen wollte. Se<strong>in</strong>e Verw<strong>an</strong>dtschaft, die aus dem polnischsprechenden<br />

Ostgebiet <strong>Schlesien</strong>s vor den Russen nach <strong>Lauterbach</strong> geflüchtet war, konnte plötzlich<br />

ke<strong>in</strong> Wort deutsch mehr und sie blieben – zur großen Überraschung der <strong>Lauterbach</strong>er - mit den von<br />

Osten nach <strong>Schlesien</strong> gekommenen Polen <strong>in</strong> unserer Heimat.<br />

Viel Zeit blieb den Deutschen für die Vorbereitungen nicht. Wo irgendwie möglich wurden<br />

Wertgegenstände vergraben, <strong>in</strong> der Hoffnung, diese bei der ersehnten Rückkehr <strong>in</strong> die Heimat<br />

ausgraben zu können. Geld wurde teilweise <strong>in</strong> die Kleidung e<strong>in</strong>genäht, Gold und <strong>an</strong>dere Wertsachen<br />

zwischen der Nahrung und den lebensnotwendigen Utensilien verstaut. Me<strong>in</strong>e Schwester packte den<br />

Goldschmuck <strong>in</strong> Watte gewickelt <strong>in</strong> den Federbetten, hatte Glück, weil die Polen sie trotz ständiger<br />

Durchsuchungen nicht f<strong>an</strong>den. Die wenigsten Habseligkeiten verließen aber mit den Schlesiern die<br />

Heimat. Ständige Kontrollen von habgierigen Milizen machten die Menschen so arm wie die<br />

sprichwörtlichen Kirchenmäuse.<br />

Die Schule <strong>in</strong> <strong>Reichenbach</strong>, das rote Backste<strong>in</strong>gebäude neben der berühmten ev<strong>an</strong>gelischen Kirche<br />

von Carl Gotthard L<strong>an</strong>gh<strong>an</strong>s, dem bek<strong>an</strong>nten schlesischen Kirchenbaumeister, war e<strong>in</strong>e Nacht<br />

Quartier. Am nächsten Morgen wurde alles, was noch übrig geblieben war, auf H<strong>an</strong>dwagen verladen.<br />

E<strong>in</strong>e l<strong>an</strong>ge, g<strong>an</strong>z traurige Karaw<strong>an</strong>e von H<strong>an</strong>dwagen bewegte sich von der <strong>Reichenbach</strong>er Oberstadt<br />

<strong>in</strong> die Niederstadt, über die Peile, zum <strong>Reichenbach</strong>er Bahnhof. Dort wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Guterwagen,<br />

dreißig Personen gepfercht und e<strong>in</strong> Wagenältester bestimmt. Die schlesischen Tr<strong>an</strong>sporte, die das<br />

Lager Mariental bei Helmstedt erreicht haben, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dem Buch: „Das Flüchtl<strong>in</strong>gslager Mariental<br />

1945-1947) und die Vertriebenentr<strong>an</strong>sporte aus <strong>Schlesien</strong> (1946-1947) für die Nachwelt festgehalten.<br />

Dort können auch die Ankunftszeiten der Tr<strong>an</strong>sporte aus der <strong>Kreis</strong>stadt <strong>Reichenbach</strong> nachgelesen<br />

werden. Von hier wurden die <strong>Lauterbach</strong>er mit Lastkraftwagen nach Seesen <strong>in</strong> den <strong>Kreis</strong> Bad<br />

G<strong>an</strong>dersheim tr<strong>an</strong>sportiert. Im Schützenhaus Seesen gab es e<strong>in</strong>e Mahlzeit und <strong>an</strong>schließend<br />

verteilte m<strong>an</strong> die Vertriebenen auf die e<strong>in</strong>zelnen Dörfer. In Bornhausen, Ackenhausen, Badenhausen<br />

und Gittelde teilte m<strong>an</strong> sie den e<strong>in</strong>zelnen, ausgesuchten Familien als „Untermieter“ zu. In Gittelde<br />

empf<strong>in</strong>g m<strong>an</strong> die auf der l<strong>an</strong>gen Fahrt völlig demoralisierten Menschen im Saal – gegenüber dem<br />

heutigen Sportplatz. Das Saalgebäude musste <strong>in</strong>zwischen Neubauten der Fa. Fuba weichen, der<br />

Sportplatz ist heute noch dort. Die Verteilung der Familien auf die e<strong>in</strong>zelnen Dörfer war genau vorher<br />

festgelegt. Sonderwünsche, dass etwa untere<strong>in</strong><strong>an</strong>der gut bek<strong>an</strong>nte Familien – die schon <strong>in</strong><br />

<strong>Lauterbach</strong> <strong>in</strong>tensive Kontakte hatten – <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Dorf kommen wollten, erfüllte niem<strong>an</strong>d. Es war<br />

bewusst gesteuert, dass nicht viel untere<strong>in</strong><strong>an</strong>der bek<strong>an</strong>nte Vertriebene <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Dorf kamen, denn m<strong>an</strong><br />

fürchtete dabei e<strong>in</strong>e noch stärkere Polarisierung von E<strong>in</strong>heimischen und Vertriebenen. So k<strong>an</strong>nten<br />

sich zwar die E<strong>in</strong>heimischen, die Vertriebenen untere<strong>in</strong><strong>an</strong>der aber nicht. So g<strong>in</strong>g m<strong>an</strong> befürchteten<br />

Zwischenfällen und Streitigkeiten aus dem Wege. In Gittelde wurden den Vertriebenen auf dem<br />

Gelände der Domäne Staufenburg – also ca. 2 km nördlich vom Dorfkern – Gartenparzellen zur<br />

Verfügung gestellt, auf denen sie Gemüse, Kartoffeln usw. <strong>an</strong>bauen konnten. E<strong>in</strong>e große Hilfe <strong>in</strong> der<br />

damals schlechten Zeit, wo es nichts zu kaufen gab. Wie die teilweise schlesischen Großbauern<br />

diese neue Situation seelisch und moralisch verkraftet haben, k<strong>an</strong>n heute nur vermutet werden.<br />

Sogar Ährenlesen und Kartoffelstoppeln auf den abgeernteten Feldern gehörten zum täglichen<br />

Überlebenskampf. Himbeeren, Pilze und Bucheckern lieferten die Wälder des Vorharzes und<br />

bereicherten damit die kargen Speisezettel der Heimatvertriebenen. Es war nur folgerichtig, dass alle<br />

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Schlesier <strong>an</strong> die Worte des großen schlesischen Dichters Holtei täglich dachten: „Suste nischt, ock<br />

heem“. Der Wunsch sollte ihnen nicht erfüllt werden. Die Menschen, die am meisten unter der Willkür<br />

der Vertreibung zu leiden hatten, s<strong>in</strong>d nicht mehr unter uns. Wir s<strong>in</strong>d gefordert diese Verbrechen <strong>an</strong><br />

unserem schlesischen Volk niemals <strong>in</strong> Vergessenheit geraten zu lassen, so wie fast täglich <strong>in</strong> den<br />

Medien <strong>an</strong> die Untaten des Naziregimes er<strong>in</strong>nert wird. Und den Polen muss <strong>in</strong> Geschichtsbuch<br />

geschrieben werden, sie waren <strong>in</strong> der schrecklichen Zeit nicht nur Opfer, sondern unterschieden sich<br />

<strong>in</strong> ihrem grausamen Verhalten gegenüber den Deutschen <strong>in</strong> ihrer Heimat nicht von den deutschen<br />

Tätern, die ihnen Leiden zugefügt hatten. Es ist e<strong>in</strong> Sk<strong>an</strong>dal, dass noch nach sechzig Jahren<br />

polnische Politiker nicht den Weg zur Wahrheit und zum eigenen Schuldbekenntnis gefunden haben.<br />

Das Dorf <strong>Lauterbach</strong>.<br />

<strong>Lauterbach</strong> gehört mit den Dörfern Groß-Ellguth, Guhlau und Girlachsdorf zu den vier<br />

Ostr<strong>an</strong>dsiedlungen der Eichberge. Während aber die Gemarkung Girlachsdorf bereits<br />

oberhalb der 240 m Horizontalen ( der ehemaligen Waldgrenze) zu liegen kommt, also se<strong>in</strong>e<br />

Entstehung e<strong>in</strong>er Rodung verd<strong>an</strong>kt, s<strong>in</strong>d die drei <strong>an</strong>deren Orte als unterhalb der 240m<br />

Horizontalen als ehemalige slawische Siedlungen mit nur zusätzlicher Rodung aufzufassen.<br />

Der deutsche Name <strong>Lauterbach</strong> ändert dar<strong>an</strong> nichts. Das Dorf hat se<strong>in</strong>e Parallele nicht <strong>in</strong> den<br />

Reihendörfern des Peilekreises, sondern bei den Dörfern Heidersdorf und Jord<strong>an</strong>smühl der<br />

Ebene, die auch örtlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zuge liegen. Während Guhlau als älteste slawische Siedlung<br />

dieser L<strong>an</strong>dschaft <strong>an</strong>gesehen werden muss, s<strong>in</strong>d <strong>Lauterbach</strong>, Groß-Ellguth als zeitlich letzte<br />

slawische Siedlungen gegen das Gebirgsvorl<strong>an</strong>d entst<strong>an</strong>den, erst im 13. Jahrhundert. Dabei<br />

muss <strong>Lauterbach</strong> mit se<strong>in</strong>er Nordgemarkung als typische Hagl<strong>an</strong>dschaft betrachtet werden.<br />

Die zusätzliche Rodung ist also unbedeutend.<br />

Die Dorflage als Bachr<strong>an</strong>dsiedlung <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem deutschen Namen gab<br />

Ver<strong>an</strong>lassung, dass das Dorf von Trebl<strong>in</strong> zu den deutschen Dörfern vor 1419 gegründet zu<br />

rechnen sei, d.h. zu den Reihendörfern des Peilekreises. Dem widerspricht aber die Struktur<br />

der Gemarkung. E<strong>in</strong> Blick auf das Messtischblatt beweist es. Alle Feldwege stechen re<strong>in</strong><br />

konstruktiv-l<strong>in</strong>ear <strong>in</strong> fast durchgehend nordsüdlicher Richtung <strong>in</strong>s Gelände. E<strong>in</strong> untrüglicher<br />

Beweis, dass auf diesem Boden im 19. Jahrhundert e<strong>in</strong>e Ackerseparation stattgefunden hat,<br />

dass also die Ackerflur vordem <strong>in</strong> Gemengelage ausget<strong>an</strong> war, also <strong>in</strong> Gew<strong>an</strong>nen lag wie bei<br />

allen Dörfern (Großgemarkungen der schlesischen Ackerebene) Die heutige separierte Flur<br />

von <strong>Lauterbach</strong> lässt ke<strong>in</strong>en Schluss mehr auf die ehemalige Gew<strong>an</strong>nverteilung zu. Sie ist<br />

siedlungstechnisch ohne Wert. Nur e<strong>in</strong>es ist <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> unverändert geblieben: Die<br />

Gemarkungsgrenze. Sie alle<strong>in</strong> k<strong>an</strong>n über die Frühzeit Aufschluss geben und damit die<br />

Geschichte des Dorfes erhellen. Das Ergebnis der Analyse der Gemarkungsgrenze ist recht<br />

<strong>in</strong>teress<strong>an</strong>t. Nicht nur für die örtlichen Verhältnisse, sondern für e<strong>in</strong>e Reihe ähnlich gelagerter<br />

Fälle <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> überhaupt.<br />

Betrachten wir also zunächst das Grenzbild und die sich daraus ergebende Problematik, um<br />

d<strong>an</strong>n die urkundlichen Nachrichten über das Dorf <strong>in</strong> E<strong>in</strong>kl<strong>an</strong>g damit zu br<strong>in</strong>gen. Die<br />

Westgrenze der Gemarkung gegen Stoschendorf ist e<strong>in</strong>e natürliche Grenze, nämlich der<br />

nördliche Bergstock der Eichberge mit der Höhe 355,4. Die Grenze selber folgt aber nicht der<br />

Kamml<strong>in</strong>ie, sondern schließt den Berggipfel für <strong>Lauterbach</strong> e<strong>in</strong>. Die Nichtbeachtung der<br />

Wasserscheide gibt der Grenzführung e<strong>in</strong>en aktiven Zug.<br />

Der natürlich Abschluss der Grenze im Süden war die Senke zwischen der Höhe 355,4 und<br />

dem L<strong>in</strong>denberge, die der Straße 151 folgt. Hier muss e<strong>in</strong>e neuzeitliche Grenzkorrektur erfolgt<br />

se<strong>in</strong>. Jagen 13 im W<strong>in</strong>kel zwischen der Straße 151 ist gemarkungsfremd. Die ursprüngliche<br />

Grenze , das ist die E<strong>in</strong>mündung der West- <strong>in</strong> die Südgrenze der Gemarkung ist noch klar<br />

erkennbar e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> der Ostabschwenkung der Westgrenze vor der Straße 151 zum <strong>an</strong>deren <strong>in</strong><br />

dem l<strong>in</strong>earen Abbruch der Südgrenze mit dem vertikalen Auftreffen auf die Chaussee nach<br />

Groß-Ellguth. Die Grenzkorrektur muss im Zusammenh<strong>an</strong>g mit dem Straßenbau gesehen<br />

werden.<br />

Die Westgrenze biegt im Norden am Wege Stoschendorf-<strong>Lauterbach</strong> rechtw<strong>in</strong>klig ab. Dabei<br />

bildet sich, wenn m<strong>an</strong> die <strong>an</strong>schließende Westgrenze der Jentschwitzer Flur mit <strong>in</strong> Betracht<br />

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zieht, e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Zwickel. Elim<strong>in</strong>iert m<strong>an</strong> diesen Zwickel, so ersche<strong>in</strong>t die Jentschwitzer<br />

Westgrenze als Fortsetzung der <strong>Lauterbach</strong>er. Es sche<strong>in</strong>t sich hier um e<strong>in</strong>en gleichzeitigen<br />

Grenzakt zu h<strong>an</strong>deln, was e<strong>in</strong>en Zusammenh<strong>an</strong>g der Jentschwitzer Flur mit der Gemarkung<br />

<strong>Lauterbach</strong> bedeuten würde. Die gesamte Westgrenze dieser komb<strong>in</strong>ierten Flur verläuft d<strong>an</strong>n<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em flüssigen Zug von der Straße 151 bis <strong>an</strong> die Grenze östlich Kuchendorf.<br />

Die Nordgrenze begrenzt im g<strong>an</strong>zen gesehen e<strong>in</strong>en topografisch e<strong>in</strong>heitlichen Geländeblock<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Niveauunterschiedes von 200-235 m , der den g<strong>an</strong>zen Raum nördlich des<br />

Dorfes e<strong>in</strong>nimmt. Die Grenzl<strong>in</strong>ie ist <strong>in</strong> ihrem Ost-Westverlauf flüssig geführt und endet <strong>an</strong><br />

e<strong>in</strong>er nassen Wiesenschlenke. Die Nichtbeachtung der Traufgrenze, bzw. der E<strong>in</strong>schluss des<br />

gesamten Geländeblocks gibt auch hier der Grenzführung e<strong>in</strong>en ausgeprägten, aktiven Zug.<br />

Der östliche Abschluss liegt klar <strong>an</strong> e<strong>in</strong>er Quelle. Unmotiviert dagegen ersche<strong>in</strong>t im Westen<br />

die l<strong>in</strong>eare Abbiegung der Grenze <strong>in</strong> Richtung Rohrteich, e<strong>in</strong>e der Grenzkomponenten der Flur<br />

Jentschwitz. Der Abschluss ist unvermittelt schroff <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Nord-Süd-Gerade abgebogen, die<br />

mit der Struktur der Feldwege korrespondiert. Auffallend ausgespart ist der Zufluss zum<br />

Rohrteich, und zwar als Abfluss e<strong>in</strong>e ehemals versumpften Geländes, dessen südlicher R<strong>an</strong>d<br />

weiter die Grenze gegen West bildet. Die vertikale W<strong>in</strong>kelung <strong>an</strong> der Straße bei Jentschwitz ist<br />

nich ursprünglich und muss im Zusammenh<strong>an</strong>g mit der Bildung der Jentschwitzer Flur<br />

gesehen werden.<br />

Die nasse Wiese südlich Jentschitz , die mit der 240 m Horizontalen (Waldgrenze) klar<br />

umgrenzt wird, ist ehedem Sumpf gewesen, erst <strong>in</strong> unserer Zeit entwässert worden. Es muss<br />

<strong>an</strong>genommen werden, dass die Wasser von Stoschendorf , sowie von Prauß <strong>in</strong> diesen Sumpf<br />

e<strong>in</strong>flossen und sich dar<strong>in</strong> verloren. Im Verlaufe der Entwässerung wurde das Stoschendorfer<br />

Wasser gradiert, das Praußer Wasser aber durch e<strong>in</strong>en tiefen Graben <strong>an</strong> der Südgrenze des<br />

Sumpfes abgef<strong>an</strong>gen. Der Abfluss des Sumpfes gab ehedem den Quellbach für den<br />

Rohrteich, der Sumpf selbst den Quellgrund. <strong>Lauterbach</strong> macht die Entwässerung nicht mit.<br />

Daher musste das Praußer Wasser <strong>an</strong> diesen Quellbach umgebogen werden. M<strong>an</strong> beachte,<br />

wie der Weg Stoschendorf-<strong>Lauterbach</strong> <strong>an</strong> der 240 m Horizontalen den Sumpf klar umgeht.<br />

Diese Feststellung ist von Wichtigkeit für das Verständnis der Urkunde von 1216 über die<br />

Schenkung von 2 Bächen <strong>an</strong> P<strong>an</strong>thenau , bzw. <strong>an</strong> das Kamenzer Kloster. Sollte diese nasse<br />

Wiese das „Lukawica“ der Urkunde se<strong>in</strong>, dessen Name auch auf den Berg überg<strong>in</strong>g ?<br />

Die Ostgrenze gegen P<strong>an</strong>thenau schneidet <strong>in</strong> strengem Nord-Südverlauf das richtungslose<br />

Gelände und sche<strong>in</strong>t auf den Höhenpunkt 231 südl. der Grenzmühle ausgerichtet. Diese<br />

Grenze fällt aus dem Rahmen der <strong>an</strong>deren flüssigen Grenzen heraus. Sie ist konstruiert und<br />

nicht gewachsen. Sie grenzt nicht, sondern trennt ehedem Zusammengehöriges. Ihre l<strong>in</strong>eare<br />

Form hat sie sicher bei der Ackerreparation erhalten, wobei auch e<strong>in</strong>mal die Ausgrenzung des<br />

Teiches nördlich der Grenzmühle, <strong>an</strong>dererseits die E<strong>in</strong>grenzung dieser selbst erfolgt se<strong>in</strong><br />

muss. Die Gemarkung ersche<strong>in</strong>t hier abgehackt.<br />

Der Südgrenze muss auch e<strong>in</strong>e ähnliche Funktion zugeschrieben werden. Sie ist aber e<strong>in</strong>e<br />

gelöste – also nicht durch moderne Separation gradierte – Ost-West-L<strong>in</strong>ie. Sie trennt den<br />

natürlichen Raum <strong>Lauterbach</strong> von Groß-Ellguth. Der Ost-West-Verlauf dieser<br />

Trennungsgrenze ist bed<strong>in</strong>gt durch die Richtung der Wasser, <strong>an</strong> denen beide Dörfer liegen.<br />

Sie steht also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em wesentlichen Zusammenh<strong>an</strong>g mit diesen beiden Bächen. Die<br />

Trennung der beiden Gemarkungen muss <strong>in</strong>des von Ellguth her erfolgt se<strong>in</strong>. Das beweist das<br />

vertikale Auftreffen der <strong>Lauterbach</strong>er Ostgrenze auf diesen Grenzzug bei Höhenpunkt 231,<br />

sowie die E<strong>in</strong>beziehung der Höhe 27 im Westen <strong>in</strong> die Elguther Flur.<br />

Beide Gemarkungen s<strong>in</strong>d übrigens <strong>in</strong> vieler Beziehung Zwill<strong>in</strong>gsschwestern, was im<br />

folgenden weiter dargestellt werden wird. Ihre Geschichte verb<strong>in</strong>det sie mit der Entwicklung<br />

des Kamenzer Klosterbesitzes, <strong>in</strong>sbesondere mit der Gründungsgeschichte dieses Klosters<br />

und se<strong>in</strong>er Kolonisationstätigkeit.<br />

Der faktische Zusammenh<strong>an</strong>g von <strong>Lauterbach</strong> mit Kamenz ist <strong>in</strong> den erhaltenen Urkunden<br />

nicht offenbar und daher von der Forschung nicht beachtet worden. U.a. weil die Namensform<br />

<strong>Lauterbach</strong> <strong>in</strong> den Urkunden nicht ersche<strong>in</strong>t , sondern verdeckt ist.<br />

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Die Gemarkungs<strong>an</strong>alyse wird imst<strong>an</strong>de se<strong>in</strong>, die Rätsel zu lösen, d.h. sie wird Stütze und<br />

Brücke bei der Deutung der urkundlichen Nachrichten se<strong>in</strong>, denen wir uns nun zuwenden.<br />

Die Gründungsgeschichte der beiden Dörfer fällt <strong>in</strong> die Zeit (nach 1260), wo bereits im<br />

Peilekessel die deutsche Rodeaxt Lücken <strong>in</strong> das Waldgebiet trieb, während hier Siedlungen<br />

slawischer Herkunft wüst lagen. Sollte diese Verwüstung im Zusammenh<strong>an</strong>g mit der<br />

deutschen Kolonisation des Peilekessels stehen und e<strong>in</strong>er Rückwirkung auf die slawische<br />

Siedlung gehabt haben? Denn beide Namen Ellguth <strong>in</strong> dieser Gegend weisen darauf h<strong>in</strong>.<br />

Davon wird noch zu sprechen se<strong>in</strong>. Zuvor sei noch e<strong>in</strong>iges über das Verhältnis der<br />

Gemarkung <strong>Lauterbach</strong> zu se<strong>in</strong>en Nachbargemarkungen <strong>an</strong>gefügt, soweit es die<br />

Gemarkungs<strong>an</strong>alyse erkennbar macht.<br />

Große Straßendorfgemarkungen mit zusätzlicher Rodung <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>erseits begrenztes Gelände<br />

müssen bei zentraler Dorflage die Form e<strong>in</strong>es Ovals <strong>an</strong>nehmen. Zu e<strong>in</strong>er solchen<br />

Normgerechtheit fehlt aber hier: a. im Nordwesten die Gemarkung Jentschwitz zwischen<br />

<strong>Lauterbach</strong>, Stoschendorf, Kuchendorf.<br />

b. Im Osten die Gemarkung P<strong>an</strong>thenau, zum<strong>in</strong>dest der Gemarkungsteil westlich der<br />

Dorfstraße <strong>in</strong> P<strong>an</strong>thenau , d.h. geschichtlich ausgedrückt, bis <strong>an</strong> die ehemalige<br />

Fürstentumsgrenze zwischen Fürstentum Brieg und Schweidnitz-Jauer.<br />

Bemerkung zu a: Der E<strong>in</strong>schluss der Flur Jentschwitz nach Norden bis <strong>an</strong> den Höhepunkt 210<br />

würde bedeuten; Jentschwitz war ursprünglich e<strong>in</strong> Teil der Gemarkung von <strong>Lauterbach</strong>, ist<br />

aus dieser hervorgeg<strong>an</strong>gen und ausgesondert worden. Oder; Falls Jentschwitz bei der<br />

Begrenzung der <strong>Lauterbach</strong>er Flur bereits vorh<strong>an</strong>den war ( Anf<strong>an</strong>g des 13. Jahrh.)<br />

bee<strong>in</strong>flusste es die normgerechte Ausbildung der Flur <strong>Lauterbach</strong>s. Die Frage ist im ersteren<br />

S<strong>in</strong>ne zu lösen.<br />

Zu b: Der E<strong>in</strong>schluss von P<strong>an</strong>thenau im Osten kompliziert sich durch zwei Möglichkeiten. Der<br />

E<strong>in</strong>schluss der Gesamtgemarkung P<strong>an</strong>thenau würde bedeuten, dass m<strong>an</strong> mit P<strong>an</strong>thenau als<br />

Siedlungskern e<strong>in</strong>e Großgemarkung umgrenzte, die die spätere Besiedlung des <strong>Lauterbach</strong>er<br />

Tales als selbstständige E<strong>in</strong>heit durch zusätzliche Rodung ermöglichte. Da nun aber auf<br />

dieser Großgemarkung noch e<strong>in</strong>e slawische Siedlung, Rathayna (Pflügersdorf) best<strong>an</strong>d –<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich das spätere Nieder-P<strong>an</strong>thenau – so bildeten sich schließlich drei<br />

Gemarkungen aus, wie das heutige Flurbild zeigt: P<strong>an</strong>thenau, östlich der Dorfstraße, Nieder-<br />

P<strong>an</strong>thenau, westlich der Dorfstraße und <strong>Lauterbach</strong> nach den Eichbergen zu.<br />

Auffallend wirkt <strong>in</strong> der Gemarkung Ober-P<strong>an</strong>thenau der E<strong>in</strong>schluss des „Krummen Graben“ <strong>in</strong><br />

die Gemarkung. Er stößt schnabelartig <strong>in</strong> die Großgemarkung Heidersdorf vor, verdirbt also<br />

die flüssige Ausbildung der Ostgrenze von P<strong>an</strong>thenau, biegt von der Spitze des Schnabels<br />

hart nach Westen 1,5km zurück, um die eigentliche Westbegrenzung nach Süden <strong>in</strong> den Zug<br />

der Westgrenze von Ellguth wieder zu erreichen. Bei der Normgerechtheit der<br />

Gesamtgemarkung ist das e<strong>in</strong>e auffallende Störung. Es sche<strong>in</strong>t, als ob diesem<br />

Geländestreifen, bzw. dem Bache im Rahmen der Gesamtgemarkung e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrale<br />

Bedeutung zukommt.<br />

Es ist auffallend, dass e<strong>in</strong> Dorf wie <strong>Lauterbach</strong> mit e<strong>in</strong>er so prächtigen Flur und <strong>in</strong> nächster<br />

Nähe des ebenbürtigen Dorfes Groß-Ellguth , se<strong>in</strong>er Zwill<strong>in</strong>gsflur, die oft gen<strong>an</strong>nt wird <strong>in</strong> den<br />

Urkunden, <strong>in</strong> der kolonialen Zeit des 13. Jahrhunderts ke<strong>in</strong>e Erwähnung f<strong>in</strong>det.<br />

Weder die schlesischen Regesten des 13. Jahrh. noch der Liber fundationis (das<br />

Fundationsbuch des Bistums Breslau) vom Jahre 1305, noch das Verzeichnis der Präb<strong>an</strong>den-<br />

Dörfer von 1609 führen <strong>Lauterbach</strong> auf.<br />

M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n daraus folgende Schlüsse ziehen. Der Liber fund. nennt es nicht, weil es ke<strong>in</strong><br />

deutsches Reihendorf auf grünen Rasen war. Das Präbendenverzeichnis enthält es nicht, weil<br />

es am Anf<strong>an</strong>g des 13. Jahrh. noch nicht gegründet war. Bezeichnenderweise fehlt <strong>in</strong> diesem<br />

Verzeichnis auch P<strong>an</strong>thenau als alte slawische Siedlung. Diese Umstände weisen auf e<strong>in</strong>en<br />

Zusammenh<strong>an</strong>g.<br />

Erst 1411 wird <strong>Lauterbach</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Urkunde erwähnt. „He<strong>in</strong>rich Boltze, sonst Grunow gen<strong>an</strong>nt,<br />

verkauft 1411 dem Präzentor und den M<strong>an</strong>soonarien (?) der Crypta der Kirche zum Hl. Kreuz<br />

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zu Breslau e<strong>in</strong>en jährlichen Z<strong>in</strong>s von 10 Mk. Groschen auf die Dörfer <strong>Lauterbach</strong>, Seifersdorf.<br />

Aus Heyne, Bistumsgeschichte II, 633.<br />

1427 ist Steph<strong>an</strong> von der Heyde Herr zu <strong>Lauterbach</strong>. Se<strong>in</strong> Sohn, H<strong>an</strong>s Heyde von <strong>Lauterbach</strong><br />

wird ermordet von Georg Gellhorn von Stoschendorf. (Stadtarchiv Schweidnitz Msk. 163 f. 20<br />

<strong>in</strong> Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvere<strong>in</strong>s Liegnitz, XII 1928/29 S 44-295<br />

(Heydebr<strong>an</strong>d von der Lasa, Das Liegnitzer Geschlecht von der Heyde.)<br />

Das ist alles. Noch nicht e<strong>in</strong>mal die Kirche ist bis dah<strong>in</strong> erwähnt. Und doch erhalten wir über<br />

den Boden von <strong>Lauterbach</strong> e<strong>in</strong>e mittelbare Nachricht aus e<strong>in</strong>er Schenkungsurkunde vom<br />

Jahre 1216 <strong>an</strong> das Kloster Kamenz. Es folgt der Inhalt dieser Urkunde.<br />

Die Schenkungsurkunde von 1216.<br />

Dem Kloster Kamenz wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schenkungsurkunde des J<strong>an</strong>us, Sohn des weil.<br />

Jarachius, Ausstellungsort Berona (bei Olmütz <strong>in</strong> Mähren) im Jahre 1216 unter <strong>an</strong>derem das<br />

Dorf P<strong>an</strong>thenau und zwei Bäche mit den Namen Och<strong>in</strong>a und Lukawica geschenkt, deren<br />

Lozierung bisher nicht gelungen ist, weil ihre Namen nur e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> den Urkunden gen<strong>an</strong>nt<br />

werden, und, was verwunderlich ersche<strong>in</strong>t, nach der Schenkung <strong>in</strong> den Urkunden nicht mehr<br />

auftreten. Und doch ist diese Schenkung so wertvoll, weil dem Stift außer den Ufern der<br />

Bäche auch e<strong>in</strong> Berg und e<strong>in</strong> großer Wald zugeeignet wurden, also e<strong>in</strong> g<strong>an</strong>zer<br />

Geländekomplex, <strong>an</strong>sche<strong>in</strong>end völlig unbesiedelt, also zur Ansiedlung reizend, mit dem<br />

Fischereirecht und der Mühlengerechtigkeit <strong>an</strong> den Flüssen, so dass nicht <strong>an</strong>zunehmen<br />

ist, das Stift hätte aus dieser Schenkung ke<strong>in</strong>en Nutzen gezogen. Es liegt also der<br />

Ged<strong>an</strong>ke nahe, diesen Siedlungskomplex im Klosterbesitz unter <strong>an</strong>deren Namen zu suchen.<br />

Wenn auch heute noch <strong>in</strong> der Umgegend von P<strong>an</strong>thnau zwei Bäche mit Mühlensiedlungen:<br />

das Silsterwitzer Wasser mit 6 Mühlen, das L<strong>an</strong>genölser Wasser mit 5 Mühlen - vorh<strong>an</strong>den<br />

s<strong>in</strong>d, so muss doch die Verb<strong>in</strong>dung der beiden Bäche <strong>in</strong> der Urkunde mit dem Dorfe<br />

P<strong>an</strong>thenau auf allernächste Nachbarschaft gedeutet werden, <strong>in</strong> unserem Falle auf den H<strong>an</strong>g<br />

der Eichberge. Zum Glück bietet die Urkunde selbst e<strong>in</strong>e kurze, aber treffende Charakteristik<br />

der Topographie des geschenkten Geländes, so das es nur notwendig ist, den<br />

Urkundentext mit der gegebenen L<strong>an</strong>dschaft <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung zu br<strong>in</strong>gen, um die Frage<br />

zu lösen. Das Resultat ist d<strong>an</strong>n <strong>an</strong> H<strong>an</strong>d der Gemarkungs<strong>an</strong>alyse zu erhärten.<br />

Betrachten wir den Text der Urkunde. J<strong>an</strong>us schenkt « villam, que P<strong>an</strong>tnowo dicitur, ... et<br />

rivulos, qui och<strong>in</strong>a et Lukawica vok<strong>an</strong>tur " zu deutsch: e<strong>in</strong> Dorf, das P<strong>an</strong>th<strong>an</strong>au gen<strong>an</strong>nt<br />

wird, .. und zwei Bäche, die Och<strong>in</strong>a und Lukawiza gen<strong>an</strong>nt werden.<br />

Dass Quellbäche Namen führen, und das <strong>in</strong> jener Zeit, ist nur so zu verstehen, dass es<br />

weniger die Namen der R<strong>in</strong>nsale selbst waren, als vielmehr Benennung der Flur, welche sie<br />

durchflossen, also Flurnamen. Die Tatsache, dass zwei verschiedene Namen auf<br />

verhältnismäßig kle<strong>in</strong>em Raume entstehen, lässt auf zwei gleichgeartete<br />

Geländestücke schließen, die nebene<strong>in</strong><strong>an</strong>der gelegen s<strong>in</strong>d und aus praktischen Gründen<br />

e<strong>in</strong>e Unterscheidung forderten. Die Verb<strong>in</strong>dung der Bäche mit dem Dorf P<strong>an</strong>thenau lässt<br />

sie als Zubehör zu dieser Flur ersche<strong>in</strong>en, sei es besitzrechtlicher oder auch nur re<strong>in</strong><br />

topographisch nachbarlicher Art. Es ist e<strong>in</strong>e bek<strong>an</strong>nte Regel, dass sich Flurnamen auf<br />

Flüsse, nicht aber umgekehrt übertragen, <strong>in</strong> unserem <strong>Kreis</strong>e: Faule Brücke auf Faule Bach.<br />

Teilweise fließen auch Flur- und Flurnamen zusammen. Damit rücken die beiden Namen <strong>in</strong><br />

den Blickpunkt der Betrachtung. Sie restlos zu deuten, ist bisher nicht gelungen.<br />

E<strong>in</strong>en Fluss- bzw. Flurnamen mit dem slaw. Stamm och gibt es <strong>in</strong> Nordschlesien.<br />

Im Liber fund. B 355 wird e<strong>in</strong>e Ortschaft Ochorz<strong>in</strong>ecz des Grafen Swentoslaus ( comitis<br />

Swentoslai) gen<strong>an</strong>nt. Unter B 303 ersche<strong>in</strong>t d<strong>an</strong>n e<strong>in</strong> Dorf Ellguth des Swnetoslaus, das nicht<br />

lokalisiert werden konnte. Der Text lautet: Item <strong>in</strong> villa Elgotha Swentthoslai decima <strong>in</strong> campis,<br />

aue valet V scotos. zu deutsch:(Dem Bischof steht zu) desgleichen <strong>in</strong> dem Dorfe Ellguth des<br />

Swentoslaus der Feldzehnte, der 5 Skotos beträgt.Merkwürdig ersche<strong>in</strong>t die Verb<strong>in</strong>dung<br />

von Ochorz<strong>in</strong>ecz mit dem Namen Ellguth <strong>in</strong> der Person des Swentoslaus. Sollte beiden<br />

Namen e<strong>in</strong>e wesentliche Verb<strong>in</strong>dung sachlicher Art zugrunde liegen?<br />

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Der Flurname Ochel tritt 1532 24.5, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Urkunde über Herzogswaldau (Grünberg-<br />

Freystadt) auf. Dort wird e<strong>in</strong> Zeuge Ernst Knobelsdorff zu Hermesdorf im Ochel gen<strong>an</strong>nt.<br />

(Codex dipl-Sil. Bd. 24 S. 146) und 1648 25.2 Deutsch-Wartenberg am Ochel, desgl. der<br />

Flußname Ochel <strong>in</strong> den Akten des Gutes Heide im Weichbild Freystadt (ebenda S. 97 u. 90.)<br />

Der zweite Bachname Lukcawiza f<strong>in</strong>det ke<strong>in</strong>e Entsprechung <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong>. Er ist kaum mit dem<br />

Namen lukowiza = Zwiebel <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zubr<strong>in</strong>gen oder mit dem Personennamen<br />

Lucassowiz = Lukowitz = Laugwitz, sondern eher als Flurname mit dem Stamm lak = Wiese<br />

und der Flussnarnenendung wiza, also Wiesenbach zu deuten. ( laka = Wiese, lag =<br />

Wiesenmorast, Moor, lakowy = Wiesen= ). Näheres über den Namen weiter unten. Der<br />

Urkundentext fährt fort: "et ipsos rivulos cum utraque ripa" zu deutsch:<br />

"und diese Bäche mit beiden Ufern."<br />

Geschenkt werden also richt bloß die Flußläufe, sondern auch der Grund und Boden zu<br />

beiden Seiten der Bäche, das Zuflussgelände, das E<strong>in</strong>zugsgebiet derselben, das Gebiet<br />

zwischen den Bächen, und damit ist die Außenbegrenzung gegeben. Der Raum muss also<br />

siedlungsleer gewesen se<strong>in</strong>, wie der nächste Passus der Urkunde lautet:<br />

"Jus etiam faciendi pisc<strong>in</strong>as et molend<strong>in</strong>a <strong>in</strong> dictis ripis et rivulis ubicumque placuerit zu<br />

deutsch:" auch das Recht des Fischf<strong>an</strong>gs und der Anlage von Mühlen <strong>an</strong> den gen<strong>an</strong>nten<br />

Ufern und Bächen, wo immer es gefällig ist."<br />

Es ist auffallend, dass von e<strong>in</strong>em Recht der Besiedlung (Aussetzung noch nicht gesprochen<br />

wird, obgleich die Anlage von Mühlen e<strong>in</strong>er Teilbesiedlung gleichkommt. Während die<br />

Fischerei noch e<strong>in</strong>en ausgesprochen slawischen Nutzungswert darstellt, könnte die<br />

Anlage von Wassermühlen (Mehlmühlen u. Sägewerke), deren es <strong>in</strong> jenen Tagen fast noch<br />

ke<strong>in</strong>e gab, auf beabsichtigte deutsche Siedlung h<strong>in</strong>weisen. Ansche<strong>in</strong>end besaß der Spender<br />

nur diese teilweise herzoglichen Gerechtsamen und konnte weitergehende Rechte nicht<br />

weitergehen.<br />

Und nun wird die Schenkung <strong>in</strong> der Urkunde näher begrenzt. "et usque ad montem, que<br />

dicitur Lukaviza, et usque ad silvam magnam et etiam ipsam silvam" zu deutsch:<br />

" bis zu dem Berge, der Lukawiza gen<strong>an</strong>nt wird, und bis zu dem großen Walde, und auch<br />

diesen großen Wald selbst."<br />

Mit diesem Passus bezeichnet die Urkunde die Ausdehnung der Bäche nach der<br />

Quellrichtung, also bergwärts. hier fällt wiederum auf, dass der Berg e<strong>in</strong>en Namen trägt, dazu<br />

noch den Namen des Baches. Im allgeme<strong>in</strong>en spricht m<strong>an</strong> auch heute noch nur "vom<br />

Berge", ohne ihn näher zu bezeichnen, wie m<strong>an</strong> auch e<strong>in</strong>en Bach nur als „Bache" bezeichnet.<br />

Da sich nun der Name des Berges mit dem Namen des Quellbaches deckt , wird<br />

offenbar, dass der Name selbst als Flurname <strong>an</strong>zusprechen ist. Es liegt hier e<strong>in</strong>e<br />

bezeichnende Parallele vor mit Slenza= Lohe und dem Berge Slenz (Zobtenberg). Geschenkt<br />

wird also das g<strong>an</strong>ze Gelände bis <strong>an</strong> den Berg. Und dieses Gelände muss Haggelände (Wiese<br />

und Busch) gewesen se<strong>in</strong>, da von dem großen Walde gesondert gesprochen wird. Hier<br />

verloren sich die Bäche <strong>in</strong> den Wald. Folgerichtig wurde als Geschenk auch der Berg und<br />

der Wald zugefügt, soweit sie E<strong>in</strong>zugsgebiet der Bäche waren. Denn die Urkunde<br />

berichtet von der E<strong>in</strong>schränkung: "quousque term<strong>in</strong>i nostri dur<strong>an</strong>t."<br />

" so weit unsere Genzen reichen."<br />

Das Besitztum des J<strong>an</strong>us war also bereits begrenzt. Es war e<strong>in</strong> Anteil am Berge und<br />

Walde, und da er Besitzer der Bäche war, musste er dieselben auch bis zur Quelle besitzen.<br />

Dort war der Schenkung e<strong>in</strong> Ziel gesetzt. Und damit schließt die Urkunde, soweit unsere<br />

Schenkung <strong>in</strong> Betracht kommt.<br />

Wenn m<strong>an</strong> die Urkunde im G<strong>an</strong>zen betrachtet, so gew<strong>in</strong>nt m<strong>an</strong> den E<strong>in</strong>druck, dass der<br />

Schenkung e<strong>in</strong>e Begehung oder Besichtigung des Geländes vorausgeg<strong>an</strong>gen ist, und dass<br />

die Urkunde nur e<strong>in</strong>e schriftliche Fixierung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong> der L<strong>an</strong>dschaft schon feststehenden<br />

Tatbest<strong>an</strong>des darstellt, zumal die Ausstellung weitab <strong>in</strong> Mähren erfolgt ist. Möglich auch,<br />

dass sich die Urkunde auf e<strong>in</strong>e frühere bezieht, die im Zusammenh<strong>an</strong>g mit der Erwerbung<br />

des J<strong>an</strong>us oder Jarachius steht. Da dem Koster bereits 1210 <strong>in</strong> der Nähe von P<strong>an</strong>thenau<br />

e<strong>in</strong> größeres Terra<strong>in</strong>, die "Gole" mit Guhlau geschenkt worden war, e<strong>in</strong>schl. Kittlau und<br />

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dem späteren Vogels<strong>an</strong>g, J<strong>an</strong>us und se<strong>in</strong> Vater als Breslauer K<strong>an</strong>oniker mit der Kirche <strong>in</strong><br />

P<strong>an</strong>thenau <strong>in</strong> Zusammenh<strong>an</strong>g st<strong>an</strong>den, so wird P<strong>an</strong>thenau der geeignete Ort der<br />

Zusammenkunft der Parteien gewesen se<strong>in</strong>. Die Schenkung ist also e<strong>in</strong>e Erweiterung bzw.<br />

Abrundung des Klosterbesitzes.<br />

Sollte also die Nachbarschaft von P<strong>an</strong>thnenau e<strong>in</strong> Gelände aufweisen, das der Beschreibung<br />

<strong>in</strong> der Urkunde <strong>in</strong> allen Teilen entspricht, so ist die Frage der beiden Bachnamen erst e<strong>in</strong>e<br />

Frage erst e<strong>in</strong>e Frage zweiter Ordnung. Immerh<strong>in</strong> müssen Umstände e<strong>in</strong>getreten se<strong>in</strong>, die die<br />

beiden Namen <strong>in</strong> Wegfall kommen ließen, oder sie veränderten. Das k<strong>an</strong>n nur im<br />

Zusammenh<strong>an</strong>ge mit der Besiedlung geschehen se<strong>in</strong>.<br />

Zusammenfassend stellte sich die Schenkung der Bäche als e<strong>in</strong> geschlossener<br />

Geländeblock dar, unbesiedelt, horizontal begrenzt durch e<strong>in</strong>en "Berg" mit Wald,<br />

durchflossen von zwei Bächen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ziemlich waldfreien Haggelände, also unterhalb<br />

der 24o m Horizontalen.<br />

E<strong>in</strong>e solche L<strong>an</strong>dschaft eröffnet sich dem Auge des Beschauers, wenn er von der<br />

Höhe der Pänthenauer Kirche se<strong>in</strong>en Blick nach der Höhe der Eichberge schweifen<br />

lässt, über die heutigen Flure von Groß-Ellguth und <strong>Lauterbach</strong>, e<strong>in</strong>e Doppelmulde,<br />

durchaus e<strong>in</strong>er Schenkung würdig, wertvoll demjenigen, der es verst<strong>an</strong>d, dieses<br />

jungfräuliche Gelände nutzbar zu machen, und das nicht nur <strong>in</strong> dem <strong>in</strong> der Urkunde<br />

enthaltenen <strong>an</strong>gedeutetem S<strong>in</strong>ne.<br />

Wie bereits <strong>an</strong>gemerkt, treten <strong>in</strong> den Stiftsurkunden die Bachnamen nicht mehr auf, sie<br />

verschw<strong>in</strong>den oder werden ersetzt. Im Lichte der Urkunden zeigt sich dieser Umst<strong>an</strong>d<br />

folgendermaßen:<br />

Die Schenkungsurkunde von 1216 o.T. Berona (Pfotenhauer II S.2) besteht aus drei<br />

Objekten:<br />

aus dem Dorfe Istebea (Grunau)<br />

P<strong>an</strong>tnowo und die Bäche Och<strong>in</strong>a u. Lukawica<br />

aus den Dörfern Roguscam (Rogau) u. Grohovisam (Grochwitz)<br />

Die Form dieser Abfassung <strong>in</strong> drei getrennte Objekte legt den örtlichen Zusammenh<strong>an</strong>g<br />

von P<strong>an</strong>thenau und den beiden Bächen nahe. Die beiden R<strong>in</strong>nsale werden auch als<br />

Zubehör von P<strong>an</strong>thenau bezeichnet. Diese Ansicht wird erhärtet durch die Abfassung der<br />

Urkunde über die Zehntbestätigung von 126o (XX S.15) Dort wird neben P<strong>an</strong>thenau<br />

Ratayna ( nach Stenzel Ndr-P<strong>an</strong>thenau) <strong>an</strong>geführt. Die Anführung von Bächen unterbleibt,<br />

was bei e<strong>in</strong>er Zehntbestätigung nicht verwunderlich wäre. Nieder-P<strong>an</strong>thenau (Ratayna) ist nur<br />

als Ortsteil von<br />

P<strong>an</strong>thenau <strong>an</strong>zusehen. Indes tritt bei der Aufführung der Zehnten <strong>in</strong> der gleichen Urkunde<br />

(S.17) e<strong>in</strong>e neue Ortschaft <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Ratayna auf, nämlich Lusobok, so dass also über<br />

die Verknüpfung von P<strong>an</strong>thenau, Ratayna, Lusobok der vermutliche örtliche<br />

Zusammenh<strong>an</strong>g wieder hergestellt ist.<br />

Und weiter: In der Urkunde wird zunächst nur P<strong>an</strong>thenau cum omnibus pert<strong>in</strong>entiis ( mit allen<br />

se<strong>in</strong>en Zubehörungen) zur Bestätigung vorgelegt (also wohl e<strong>in</strong>schl. Ratayna), während bei<br />

der Aufzählung der Zehnten nur noch Lisobok (verschrieben aus<br />

Lusobok) ohne Ratayna <strong>an</strong>gegeben ist.<br />

Die Bestätigungsurkunde von 1316 4.6. ordnet nach <strong>an</strong>deren Gesichtspunkten. P<strong>an</strong>thenau<br />

ersche<strong>in</strong>t nicht mehr unter den Besitzungen des Klosters. Es war 1262 vertauscht worden<br />

und aus dem Klosterbesitz ausgeschieden, gegen Erbrecht <strong>in</strong> Kittlau und Vogels<strong>an</strong>g.<br />

Ratayna steht am Schluss der Aufzählung; Luzebok ist als letztes zu deutschem Recht<br />

ausgesetztes Dorf h<strong>in</strong>ter Raschdorf <strong>an</strong>geführt. D<strong>an</strong>n folgt, soweit es unseren Fall betrifft, die<br />

l<strong>an</strong>dschaftlich geschlossene Reihe: Guhlau, Kittlau, Vogels<strong>an</strong>g, Ellguth und Ratayna.<br />

Der S<strong>in</strong>n dieser Anordnung wird klar, wenn im nächsten Satze gesagt wird, dass jene Dörfer<br />

den Bischofsvierdung entrichten, also e<strong>in</strong>e deutschrechtliche Z<strong>in</strong>sform, die am Ende<br />

aufgeführten aber den Feldzehnt, d.h. die slawische Art zu z<strong>in</strong>sen, Lusobok musste damit<br />

aus dem alten Zusammenh<strong>an</strong>ge herausgelöst werden.<br />

Seite 56 von 102


Was besagt nun dies für die Lösung unserer Frage? Statt der beiden Bäche s<strong>in</strong>d zwei neue<br />

Namen aufgetreten: Ellguth und Lusobok (bezw. auch Ratayna). Ellguth ist unser<br />

Groß-Ellguth, also Siedlung auf dem Terra<strong>in</strong> des Baches Och<strong>in</strong>a, womit das Verschw<strong>in</strong>den<br />

dieses Namens erklärt ist, da die neue Siedlung nicht den Flu3namen übernahm, sondern den<br />

für slawische Kolonisation gebräuchlichen Namen Ellguth (von Lgota) . Nun liegt der<br />

Schluss nahe, <strong>in</strong> Lucobok das Dorf <strong>Lauterbach</strong> zu sehen.<br />

Heutige Anschriften der E<strong>in</strong>wohner von <strong>Lauterbach</strong>/<strong>Kreis</strong> <strong>Reichenbach</strong> <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong>.<br />

St<strong>an</strong>d Okt. 2008<br />

B<strong>an</strong>nwitz August/Mart<strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> Nr.<br />

25<br />

Hocheger Hedwig Rosentalerstraße 9020 Klagenfurt<br />

geb.B<strong>an</strong>nwitz/Obst<br />

54<br />

B<strong>an</strong>nwitz Maria/Paul <strong>Lauterbach</strong> 65<br />

Krügel, geb.<br />

B<strong>an</strong>nwitz<br />

Luzia Turmweg 3 29386 Hakesbüttel<br />

Witt, geb.<br />

B<strong>an</strong>nwitz<br />

Paul<br />

Ilse<br />

Hedel Fiefhusen 1 25573 Beidenfleht verstorben<br />

Baum Josef <strong>Lauterbach</strong> 79<br />

Baum Günther Friedenstraße 4 64859 Eppertshausen 06071<br />

35988<br />

Siegmund, geb.<br />

Baum<br />

Hubert<br />

Bernhard<br />

Ursula Berl<strong>in</strong>err<strong>in</strong>g 58 63303 Dreieich<br />

Baum Paul u. Matha <strong>Lauterbach</strong> 13 Anwesen Geisler<br />

Baum Herbert 96472 Mittelberg/Rödental 1995 verst.<br />

Baum Erw<strong>in</strong> Pommerweg 96472 Rödental/Oeslau<br />

Benende Berthold <strong>Lauterbach</strong> 72<br />

Benende Josef Von Wiedelstraße<br />

10<br />

96465 Neustadt/Wilden 2006 verst.<br />

Benende Georg Coburgerstr. 29 96465 Neustadt<br />

Bendschneider Adolf u.<br />

M<strong>in</strong>na<br />

<strong>Lauterbach</strong> 78<br />

Kalupke, geb. Käthe Hischbergerstr. 19 74189 We<strong>in</strong>sberg 14.12.22<br />

Bendschneider<br />

2003 verst<br />

Schröder geb.<br />

Bendschneider<br />

Hildegard Hischbergerstr. 19 74189 We<strong>in</strong>sberg 07134 6627<br />

Seyffer, geb.<br />

Bendschneider<br />

Irmgard Am Schafshaus 3 74189 We<strong>in</strong>sberg 1098 verst<br />

Bendschneider Else Hischbergerstr. 19 74189 We<strong>in</strong>sberg 1914 geb.<br />

4.01.2002<br />

verst.<br />

Bonke Alfred u. Ida <strong>Lauterbach</strong> 37<br />

Domnick geb.<br />

Bonke<br />

Renate Raiffeisenstraße 7 48712 Gescher 02542 4097<br />

Bonke Alois u.<br />

Hedwig<br />

<strong>Lauterbach</strong> 42 Zwill<strong>in</strong>ge gestorben<br />

Bonke Georg Kampstraße 21 37534 Gittelde Geb.1926<br />

Seite 57 von 102


Bonke Hubert<br />

053275242<br />

vermisst<br />

Bonke/Furche Alois <strong>Lauterbach</strong> 63<br />

Bonke Felix Hegerskamp 10 48155 Münster 0251<br />

314022<br />

Kl<strong>an</strong>t, geb. Furche Margarete Rösbergerstr. 15 53332 Bornheim-Hemmerich verstorben<br />

Krüger, geb.<br />

Bonke<br />

Helga Frohngasse 53332 Bornheim 3 02227 4526<br />

Bonke Georg <strong>Lauterbach</strong> 66 Schmied<br />

Weigelt, geb. Hildegard Tschirchstraße 15 7546 Gera 26.12.98<br />

Bonke<br />

verstorb.<br />

Walli und Gisela Verst. ?<br />

Bonke He<strong>in</strong>rich <strong>Lauterbach</strong><br />

Bonke H<strong>an</strong>s 1993 verst<br />

Bonke Gretel 17.7.93<br />

verstorben<br />

Bonke Paul <strong>Lauterbach</strong> 36<br />

Bonke He<strong>in</strong>rich In den Berken 58239 Geisecke/Schwerte verstorben<br />

H<strong>an</strong>ke geb. Bonke Dorchen L<strong>in</strong>denallee 19205 Frauenmark Krs.<br />

Gadebusch<br />

Bonke Georg, Paul,<br />

Emma ?<br />

Breuer August <strong>Lauterbach</strong> 34 Felisgasthaus<br />

Breuer He<strong>in</strong>z Ös<strong>in</strong>gerstraße 9 69168 Wiesloch 06222<br />

52566<br />

Brosig Anna <strong>Lauterbach</strong> 29<br />

Saft Arthur<br />

Helene,<br />

Herbert,<br />

Gretel, Alfred<br />

Brunnenstraße 11 74348 Lauffen/Neckar 2005<br />

verstorben<br />

Brunst Hedwig <strong>Lauterbach</strong> 1 Rohrteich Haus weg<br />

Heilig geb. Brunst Gertrud Lerchenweg 13 37534 Badenhausen 1998<br />

E<strong>in</strong> Sohn <strong>in</strong><br />

Badh.<br />

verstorben<br />

Lagershausen,<br />

geb. Brunst<br />

Gitta Thür<strong>in</strong>gerstr. 204 37534 Badenhausen verstorben<br />

Brunst Ursula verstorben<br />

Brunst Brigitta verstorben<br />

Dierig August u.<br />

Erne<br />

<strong>Lauterbach</strong> 35 Schlachterei Fleischer<br />

Sowa,geb. Dierig Herta 37434 Badenhausen<br />

Anneliese Verstorben<br />

<strong>in</strong><br />

<strong>Lauterbach</strong><br />

Dobschall Oswald <strong>Lauterbach</strong>Dom. Domäne<br />

Meta<br />

Selma<br />

Ilse<br />

Leipzig<br />

Dorn Ernst <strong>Lauterbach</strong> Felisgasthaus<br />

Dorn, verw. Obst Martha <strong>Lauterbach</strong> Felisgasthaus<br />

Kummer geb. Magdalena Kullerstraße 37 42651 Sol<strong>in</strong>gen 1 0212 57427<br />

Seite 58 von 102


Dorn<br />

Schwede geb. Gretel Germ<strong>an</strong>enstraße 42651 Sol<strong>in</strong>gen 1 0212 57427<br />

Dorn<br />

36<br />

Schnese geb. Reg<strong>in</strong>a Feldstraße 19 42695 Sol<strong>in</strong>gen 0212<br />

Dorn<br />

653535<br />

Obst Herbert Verstorb.<br />

Obst H<strong>an</strong>s gefallen<br />

Obst Alfons gefallen<br />

Obst Erich Dortmund Gestorb.<br />

Obst Lieselotte Opladen<br />

Entrich Herm<strong>an</strong>n u.<br />

Emma<br />

<strong>Lauterbach</strong> Felisgasthaus<br />

Entrich Waltraut<br />

Beyer geb. Entrich Ilse Simplonstraße 17 10245 Berl<strong>in</strong> verstorben<br />

Entrich Gerda<br />

Folta August u.<br />

Frieda<br />

<strong>Lauterbach</strong> 10 Straßenhäuser<br />

Folta Herbert Fas<strong>an</strong>ensteg 1 37581 Bad G<strong>an</strong>dersheim 053823646<br />

Folta Ilse verstorben<br />

Frenzel Karl u. Marta <strong>Lauterbach</strong> 30<br />

Frenzel Hubert Ha<strong>in</strong>erchaussee 63303 Dreieich *9.03.23<br />

95<br />

+ Mai 08<br />

Frenzel Alois Freiliggrathstr. 55576 Sprendl<strong>in</strong>gen * 20.04.21<br />

+10.10.97<br />

Frenzel Marie, Robert,<br />

Josef, Karl,<br />

Hedwig,<br />

Cizilie, Martel.<br />

Friebe Mart<strong>in</strong> u.<br />

Elisabeth<br />

<strong>Lauterbach</strong> 33<br />

Friebe Hubert Stammheimer 51067 Köln 0221<br />

Hauptstraße<br />

662961<br />

Friebe Theo verstorben<br />

Friebe He<strong>in</strong>z Friedl<strong>an</strong>dstr. 11 51067 Köln<br />

Flügge geb. Friebe Mari<strong>an</strong>ne Obere Harzstr. 4 37539 W<strong>in</strong>dhausen 05327 4323<br />

Abels geb. Friebe Ursula Moses-Hess-Str.<br />

101<br />

51061 Köln<br />

Friebe Werner Geb. <strong>in</strong> Badenhausen<br />

Fulde Ernst <strong>Lauterbach</strong> Domäne<br />

Fulde Martha <strong>Lauterbach</strong> Dömäne<br />

Fulde He<strong>in</strong>rich u.<br />

Emma<br />

Dömäne verstorben<br />

Fulde Mart<strong>in</strong> 1933 geb.<br />

Fulde Joh<strong>an</strong>na <strong>Lauterbach</strong> Domäne verstorben<br />

Gast Alfred <strong>Lauterbach</strong> 51 Am Gastateich<br />

Gast Mart<strong>in</strong> Schlettauerstr. 3 09465 Sehma 03733<br />

622976<br />

Aepler geb. Gast Irmgard Karlsbaderstr. 2 09456 Annaberg-Buchholz 036428<br />

41405<br />

Söll geb. Batke Gertrud Staufenbergstr. 6 7747 Jena-Lobeda 03641<br />

234843<br />

Gast Paul <strong>Lauterbach</strong> 62 Waldarbeiter<br />

Seite 59 von 102


Gast Gotthard verstorben<br />

Gast Edith<br />

Gast Werner gefallen<br />

Gebauer Paul u.<br />

Martha<br />

<strong>Lauterbach</strong> Dömäne<br />

Neum<strong>an</strong>n geb.<br />

Gebauer<br />

Martha<br />

Gebauer Werner<br />

Gebauer Walter<br />

Gebauer Wolfg<strong>an</strong>g<br />

Geisler He<strong>in</strong>rich <strong>Lauterbach</strong> 13<br />

Geisler Lotte<br />

Görtler Alfred u.<br />

Elisabeth<br />

<strong>Lauterbach</strong> 61<br />

Görtler Elisabeth Bulkstraße 1 38723 Seesen verstorben<br />

Nussbaum, geb. Angela Am Grefekebruch 38723 Seesen Verstorben<br />

Görtler<br />

17<br />

2003<br />

Görtler Felix Bulkstraße 1 38723 Seesen Verstorben<br />

Okt. 98<br />

Opitz, geb. Görtler Hildegard Am Weidenfeld 63 37574 E<strong>in</strong>beck 05561 5460<br />

Hornig, geb. Maria Lautentalerstraße 38723 Seesen<br />

Görtler<br />

44<br />

Görtler Christoph 38723 Seesen<br />

Grun He<strong>in</strong>rich <strong>Lauterbach</strong> Domäne<br />

Gruner Josef <strong>Lauterbach</strong> 43<br />

Moritz geb. Gruner Margarete Badweg 5/204-30 9456 Annaberg-Buchholz 0373364086<br />

Grunwald Berta <strong>Lauterbach</strong> 27<br />

Sch<strong>in</strong>ke, geb.<br />

Grundwald<br />

Gerda 33813 Oerl<strong>in</strong>ghausen<br />

Gajda, geb. Ilse, Grete Dzierskow 33 59412 Gnieswkoow/Polen<br />

Grundwald<br />

Woj. Walbrych<br />

Gutbier Adolf u.<br />

Emma<br />

<strong>Lauterbach</strong> 27<br />

Gutbier Helmut Her<strong>in</strong>gstraße 10 45968 Gladbeck +08.2000<br />

0204332854<br />

Ha<strong>in</strong>ke Herm<strong>an</strong>n u. <strong>Lauterbach</strong> 8 Straßenhäuser In Badenh.<br />

Gertrud<br />

verstorben<br />

Ha<strong>in</strong>ke Günther Alter Mühlenweg 37534 Badenhausen 0552281300<br />

Renke geb. Grete Oberhütte 6 37534 Badenhausen + 1992<br />

Ha<strong>in</strong>ke<br />

verstorben<br />

Ha<strong>in</strong>ke Klaus Scherenbergerstr. 37520 Osterode<br />

Ha<strong>in</strong>ke Bernhard 37534 Badenhausen verstorben<br />

Behrens geb. Margot Thür<strong>in</strong>gerstraße 37534 Badenhausen 0552284983<br />

Ha<strong>in</strong>ke<br />

278<br />

Hayn Martha <strong>Lauterbach</strong> 70 Försterei<br />

Hayn Wilhelm<br />

Hayn Gertrud<br />

Dr. Hayn Enkel Wilhelm Am Wieseneck 6 07101 Gunnersdorf + Ende 98<br />

Heimlich M<strong>in</strong>na <strong>Lauterbach</strong> 77 zwischen<br />

Witwe<br />

Herzog/Friebe<br />

Heimlich Erw<strong>in</strong> Jägerweg 13 38226 Salzgitter Verstorben<br />

Vermisst?<br />

Seite 60 von 102


Heimich Mart<strong>in</strong><br />

Heimlich Erich vermisst<br />

Heimlich Walter<br />

Heimlich Erw<strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> 74 Gegenüber<br />

Sohn v. M<strong>in</strong>na<br />

Herzog/Friebe<br />

L<strong>in</strong>nem<strong>an</strong>n geb.<br />

Heimlich<br />

Magdalena Harzstraße 7 37136 Holzrode 05507 823<br />

Heimlich<br />

Sohn von M<strong>in</strong>na<br />

Gustav <strong>Lauterbach</strong> 74 Zimmerm<strong>an</strong>n<br />

Heimlich Dieter Neue Bundesländer<br />

He<strong>in</strong> Alfred <strong>Lauterbach</strong><br />

Schule<br />

Lehrer<br />

He<strong>in</strong> Dr. H<strong>an</strong>s Im Wietloch 20b 58239 Schwerte 1 verstorben<br />

Weism<strong>an</strong>tel geb.<br />

He<strong>in</strong><br />

Bärbel He<strong>in</strong>estraße 9 41540 Dormagen 0213360350<br />

He<strong>in</strong> Richard u. Elli <strong>Lauterbach</strong><br />

Schloss<br />

Inspektor<br />

He<strong>in</strong>, Dr. Alice Schilfweg 9 70599 St.-Hohenheim 0711<br />

Sonsteby, geb. Irene F<strong>in</strong>stadvollen 14 1475 F<strong>in</strong>stadtjordet<br />

He<strong>in</strong><br />

Norwegen<br />

He<strong>in</strong> Gertrud <strong>Lauterbach</strong><br />

Seite 61 von 102<br />

4587700<br />

Hasselbauer geb. Renate Gärtnerstraße 111 04209 Leipzig 0341<br />

He<strong>in</strong><br />

5906348<br />

Henschel Bruno <strong>Lauterbach</strong> 44 Wirtschaft Hübel<br />

Gr<strong>an</strong>etzki Herbert Aus 1. Ehe<br />

Gr<strong>an</strong>etzki Angelika Aus 1. Ehe<br />

Henschel Georg Aus 2. Ehe<br />

Henschel Maria Aus 2. Ehe<br />

Herzog Josef u. Else <strong>Lauterbach</strong> 31 Neben Frenzel<br />

Herzog Walter 37581 Ackenhausen verstorben<br />

Herzog Helmut verstorben<br />

Herzog He<strong>in</strong>z gefallen<br />

Herzog Otto, Alois,<br />

Josef, Liesel,<br />

Christa, Gerda<br />

Herzog Josef <strong>Lauterbach</strong> 14 Schneider<br />

Herzog Bernhard,<br />

H<strong>an</strong>s<br />

Herzog Josef u.<br />

Cäcilie<br />

<strong>Lauterbach</strong> 5 Rohrteich/Stellmach.<br />

Hauke geb. Maria Dorfstraße 93 2899 Kiesdorf über Görlitz 035823<br />

Herzog<br />

87398<br />

Herzog Georg Kampstraße 77 45768 Marl verstorben<br />

Herzog Hubert Rhe<strong>in</strong>talerstr. 82 45768 Marl +1996<br />

Herzog Josef Schmelzstr 30 02953 Bad Muskau verstorben<br />

Herzog Herbert J.Fucikstraße 31 01796 Pirna 2<br />

Hirsch Herm<strong>an</strong>n <strong>Lauterbach</strong> 16<br />

Hirsch Maria <strong>Lauterbach</strong> 78 Tischlerei<br />

Herm<strong>an</strong>n, geb. Helene 97941 Diestelhausen


Ziebold<br />

Hübel He<strong>in</strong>rich <strong>Lauterbach</strong> 44<br />

Hübel Maria <strong>Lauterbach</strong> 7<br />

Bierbach geb.<br />

Hübel<br />

Bärbel Forstr<strong>in</strong>g 75 63225 L<strong>an</strong>gen<br />

Ilgner Josef u.<br />

Emilie<br />

<strong>Lauterbach</strong> 7 Straßenhäuser<br />

Ilgner Richard vermisst<br />

Ilgner<br />

Sohn v. Josef u.<br />

Emi<br />

Weigelt, geb.<br />

Ilgner<br />

Josef Nach Schlaupitz<br />

gezo.<br />

Inge Platz der 8340 Schwarzenberg,<br />

Befreiung 8<br />

Erzgebirge<br />

Ilgner Erich Verstorben<br />

Jacobowsky Alfons <strong>Lauterbach</strong> 11<br />

Am Iberg 1a<br />

Seite 62 von 102<br />

37539<br />

Straßenhäuser<br />

Bad Grund<br />

*16.11.1894<br />

+1971<br />

Jacobowsky geb. Klara <strong>Lauterbach</strong> 11<br />

Straßenhäuser *3.12.1894<br />

Ha<strong>in</strong>ke<br />

Am Iberg 1a 37539 Bad Grund<br />

+1973<br />

Dell<strong>in</strong> geb. Birgitte Auf der Volme 2 58553 Halver bei<br />

*26.03.1926<br />

Jacobowskys<br />

Lüdenscheid 02351<br />

7748<br />

Patzelt geb. Hildegard Am Iberg 1a 37539 Bad Grund Harz *23.07.32<br />

Jacobowsky<br />

05237<br />

1038<br />

Jacobowky Horst Draisstraße 51 69502 Hemsbach *1.10.37<br />

06201<br />

74750<br />

Ha<strong>in</strong>ke M<strong>an</strong>fred Thür<strong>in</strong>gerstr. 191 37534 Gittelde a. Harz *1920<br />

+ 2007<br />

Jacobowski Richard <strong>Lauterbach</strong> 40<br />

Mittm<strong>an</strong>n geb.<br />

Jacobowski<br />

Käthe Fröbestraße 5 50354 Hürth +1998<br />

Kasig August <strong>Lauterbach</strong> Domäne<br />

Lerch Hildegard Nürnberg<br />

Kasig M<strong>an</strong>fred Eschstraße 1 92703 Krummennapp verstorben<br />

Schmid, geb.<br />

Kasig<br />

Gertrud Flurstraße 2 92703 Krummennapp<br />

Stacha, geb. Kasig Else Gerhard-<br />

Hauptm<strong>an</strong>nstr. 8<br />

Forchheim<br />

Kordus, geb. Lotte Schwalbengrund 44807 Werne/Lippe<br />

Kasig<br />

1<br />

S<strong>an</strong>ski geb. Kasig Lenchen Hamm 4<br />

Geb. Kasig Luzie Forchheim<br />

Kasig Alw<strong>in</strong> verstorben<br />

Kasig Günther<br />

Kasig Herbert<br />

Kasig Paul <strong>Lauterbach</strong> Domäne<br />

Hitziger geb. Kasig Martha Hegerskamp 10 48155 Münster 0251


314022<br />

Kasig He<strong>in</strong>z Moerserstr.e 400 47475 Kamp-L<strong>in</strong>tfort<br />

Kasig Werner Wilhelmstraße 7 47475 Kamp-L<strong>in</strong>tfort<br />

Kasig Elfriede verstorben<br />

Kabitzky Paul <strong>Lauterbach</strong> Domäne<br />

Kabitzky (Mutter<br />

von Christa)<br />

Lenchen Ohlbrocksweg 33330 Gütersloh verstorben<br />

Müller geb. Christa Westernfeld 24 33330 Gütersloh 05241<br />

Kabitzky<br />

13156<br />

Kirchste<strong>in</strong> Paul <strong>Lauterbach</strong> Domäne<br />

Kirschste<strong>in</strong>(Fulde) Helmut Dortmund<br />

Kirschste<strong>in</strong> Margot Hamburgerstr. 80 14146 Nauen<br />

Kle<strong>in</strong>er August <strong>Lauterbach</strong> Domäne<br />

Kle<strong>in</strong>er/Hausm<strong>an</strong>n Martha Berl<strong>in</strong> verstorben<br />

Kle<strong>in</strong>er/Hausm<strong>an</strong>n Helene verstorben<br />

Kle<strong>in</strong>er/Hausm<strong>an</strong>n Rudolf verstorben<br />

Kle<strong>in</strong>er M<strong>an</strong>fred W<strong>an</strong>ne-Eickel<br />

Kle<strong>in</strong>er Hubert<br />

Kle<strong>in</strong>er Herbert Berl<strong>in</strong> verstorben<br />

Kle<strong>in</strong>er Georg Riesl<strong>in</strong>gweg 10 Zaberfeld verstorben<br />

Glöckner geb. Gerda Buddestraße 13507 Berl<strong>in</strong> 030<br />

Kle<strong>in</strong>er<br />

4336796<br />

Kle<strong>in</strong>er Siegfried verstorben<br />

Klosig Fr<strong>an</strong>z <strong>Lauterbach</strong> 58 Bäckerei<br />

Klosig Günter 1925 am Klettenberg<br />

überfahren<br />

Klosig Fr<strong>an</strong>z Gefallen<br />

Klosig geb. Cäcilia (Frau Wombacherstraße 97816 Wombach Lohr +2008<br />

Schwer<br />

von Fr<strong>an</strong>z) 55<br />

Knauer/Ritter Paul <strong>Lauterbach</strong> 52<br />

Krauß, geb. Ritter Gretel Schilbacherstr.2 08261 Schöneck *31.01.<br />

+ 2007<br />

Knauer Herbert gefallen<br />

König Bruno <strong>Lauterbach</strong> 20<br />

Fabrytzek, geb.<br />

König<br />

Gretel Bornhausen verstorben<br />

König Herbert gefallen<br />

L<strong>an</strong>ger He<strong>in</strong>rich <strong>Lauterbach</strong> 76<br />

L<strong>an</strong>ger Josef Herderstraße 9 44147 Dortmund +2006<br />

L<strong>an</strong>ger Paul u.<br />

Karol<strong>in</strong>e<br />

<strong>Lauterbach</strong> 63 ? A.d. Kirchhofmauer<br />

L<strong>an</strong>ger H<strong>an</strong>s Sonnenweg 8 96472 Rödental II 09563<br />

2518<br />

Mai Erich u.<br />

W<strong>an</strong>da<br />

<strong>Lauterbach</strong> 63 ?<br />

Mai Werner Thür<strong>in</strong>gerstr. 8 37534 Gittelde 05327<br />

4443<br />

Mai Hubert Thür<strong>in</strong>gerstr. 22 37534 Badenhausen<br />

Howe, geb. Mai Alice S<strong>an</strong>dweg 12 37534 Gittelde 05327<br />

5488<br />

Seite 63 von 102


M<strong>an</strong>n Robert u. Ida <strong>Lauterbach</strong> 63 ? Frau Ida gestorben<br />

<strong>in</strong> Königswaldau?<br />

gefallen<br />

Scholz geb. M<strong>an</strong>n Inge<br />

Menzel Berta <strong>Lauterbach</strong> Domäne<br />

Menzel (Enkel) Siegfried Lattengasse 54 65604 Elz<br />

Grammel geb.<br />

Menzel<br />

Waltraud Lärchenweg 8644 Goslar<br />

Mücke Paul <strong>Lauterbach</strong> 6 Am Rohrteich<br />

Mücke He<strong>in</strong>z Gradsteg 46 1445 Radebeul<br />

Schröder, geb. Herbert Höppeweg 20 33397 Rietberg 05244<br />

Mücke<br />

Joh<strong>an</strong>na<br />

77142<br />

Mücke Richard <strong>Lauterbach</strong> 22<br />

Kirchste<strong>in</strong>, geb.<br />

Mücke<br />

Luzia Am Rösteberg 32 37539 Bad Grund verstorben<br />

Mücke Erw<strong>in</strong> Badenhausen<br />

Schneider, gb.<br />

Mücke<br />

Bärbel Badenhausen<br />

M<strong>an</strong>fred Osterode<br />

Münch Ernst u. Ida <strong>Lauterbach</strong> Domäne<br />

Ufm<strong>an</strong>n geb.<br />

Münche<br />

Ilse Blumenstraße 13 33790 Halle/Westfalen<br />

Münch Ehrhard Flur 11 33790 Halle-Künnebeck<br />

Nitsche Erich <strong>Lauterbach</strong> Domäne Kam 1942<br />

Obst August <strong>Lauterbach</strong><br />

Obst Günther L<strong>in</strong>tforterstr. 15 47638 Straelen 02834<br />

2795<br />

Spies, geb. Obst Luzie Tilsederstr. 11 47475 Kamp-L<strong>in</strong>dfort<br />

Pauer Robert <strong>Lauterbach</strong> Neben der Kirche Haus steht<br />

nicht mehr<br />

Pauer Ella<br />

Pauer (Enkel) Günther<br />

Rieger Joh<strong>an</strong>nes <strong>Lauterbach</strong> 15 Mühle<br />

Wauge, geb. Elli Am schwarzen 37539 W<strong>in</strong>dhausen 05327<br />

Rieger<br />

Wasser 24<br />

4290<br />

Hillebracht, geb.<br />

Rieger<br />

Dorchen Am Rösteberg 28 37539 Bad Grund verstorben<br />

Behnke Gertraud<br />

Sewald Sigrid<br />

Rieger Inge Mit 18 verstorben verstorben<br />

Rieger H<strong>an</strong>s-Werner verstorben<br />

Ritter Alfons <strong>Lauterbach</strong> 64<br />

Ritter, geb. Umlauf Hildegard +März 93<br />

Schade, geb. Ruth Ennenpfuhl 11 37534 Badenhausen ? 0531<br />

Umlauf<br />

8710<br />

S<strong>an</strong>der, geb. Ritter Hedel Am Burggraben<br />

14<br />

38732 Seesen-Rhüden<br />

Ritter Günther 38732 Seesen-Münchehof<br />

Ritter Bernhard <strong>Lauterbach</strong> 56 Zwischen Klose und<br />

Seidel<br />

Ritter (Bruder) Alois Beckum verstorben<br />

Ritter Karl-He<strong>in</strong>z Falkenbergerstr.3 59269 Beckum +2006<br />

Seite 64 von 102


Ritter Wolfg<strong>an</strong>g Vierweidenweg 8 59269 Beckum 02521<br />

7459<br />

Ritter Josef <strong>Lauterbach</strong> 69<br />

Ritter Max <strong>Lauterbach</strong> 12<br />

Ritter Alfred<br />

Magda<br />

Karl-Marxstr. 2 06686 Lützen<br />

Schirmag Georg <strong>Lauterbach</strong> 26<br />

Pickelm<strong>an</strong>n geb.<br />

Schirmag<br />

Erika Herriedenerstr.8 90449 Nürnberg 60<br />

Schirmag Paul <strong>Lauterbach</strong> 39 Kaufm<strong>an</strong>n<br />

Schirmag Gerhard verstorben<br />

Schirmag Lilly Buchwald 30 63303 Dreieich<br />

Sprendl<strong>in</strong>gen<br />

Killm<strong>an</strong>n, geb. Gertrud Semmelweiß 50- 72000 Tuttl<strong>in</strong>gen<br />

Schirmag<br />

51<br />

Schirmag Kurt verstorben<br />

Schmidt Oswald <strong>Lauterbach</strong> Domäne Früh verzog.<br />

Scholz Alois <strong>Lauterbach</strong> 12<br />

Schubert Alfons Kirchenbr<strong>in</strong>k 38723 Seesen-Ildehausen<br />

Warnecke, geb. Adelheid Am Hüttenkamp 38723 Seesen-Ildehausen 05381<br />

Schubert<br />

8466<br />

Schunke Ernst <strong>Lauterbach</strong> 19<br />

Schwede, verw. Joh<strong>an</strong>na <strong>Lauterbach</strong> 59 8632 Neustadt<br />

Wolf<br />

Höhnerstraße 30<br />

Schwede Hedwig u. Lauerbach 14<br />

August Höhnerstraße 30 8632 Neustadt<br />

Schwede Klemens Germ<strong>an</strong>enstr. 36 42653 Sol<strong>in</strong>gen 0212<br />

57375<br />

Schwede Bernhard Eigenheimstr. 17 96465 Neustadt/Coburg<br />

Schwede Alfons<br />

Schwede Wilhelm <strong>Lauterbach</strong> 14 Verst. 1942<br />

Schwer Josef <strong>Lauterbach</strong> Am Rohrteich<br />

Gläß, geb. Schwer Maria Schöneckerstr. 14 08223 Grünbach-<br />

037465<br />

Muldenberg<br />

6834<br />

Schwer Elisabeth Spessartstr. 7 91126 Rednitzhembach<br />

Schwer Herbert verstorben<br />

Schwer Robert u.<br />

Cilchen<br />

<strong>Lauterbach</strong> 54 Neben Knauer<br />

Schwer Alois<br />

Schwer Lenchen +J<strong>an</strong>. 89<br />

Schwer Hilde verstorben<br />

Seeliger Gustav <strong>Lauterbach</strong> Domäne<br />

Seidel Georg u.<br />

Gisela<br />

<strong>Lauterbach</strong> 55 Neben Görtler<br />

Seidel H<strong>an</strong>s-Dieter Kohnserweg 4 37574 E<strong>in</strong>beck 05561<br />

071660<br />

F<strong>an</strong>gm<strong>an</strong>n, geb. Magda Wagnerstr. 5 49377 Vechta<br />

04441<br />

Seidel<br />

Oldenburg<br />

2456<br />

Seidel Paul <strong>Lauterbach</strong> 55 Gegenü. Dorfteich<br />

Seidel M<strong>an</strong>fred Eisenbahnstr. 6 49124 Georgmarienhütte 05401<br />

40590<br />

Seidel Ehrhard Kleiststr. 5 49196 Bad Laer 05424<br />

Seite 65 von 102


8185<br />

Seifert Wilhelm u.<br />

Martha<br />

<strong>Lauterbach</strong> Domäne<br />

Rubbert, geb. Frieda Dorfstraße 24 39615 Falkenberg 039386<br />

Seifert<br />

51812<br />

Seifert Horst +1990<br />

Seifert Willi 14715 Liepe *1934<br />

+2004<br />

Seifert Erich Bei Magdeburg 39579 Kle<strong>in</strong>-Schwechten<br />

Seifert Paul Über Rathenow 39579 Kle<strong>in</strong>-Schwechten<br />

Ste<strong>in</strong>er Herbert u.<br />

Ella<br />

<strong>Lauterbach</strong> 73<br />

Vogel geb. Ste<strong>in</strong>er Juli<strong>an</strong>e Bleicherhof 6 40878 Rat<strong>in</strong>gen/Düsseld.<br />

Ste<strong>in</strong>er Norbert 40699 Erkrath/Düsseldorf<br />

Thamm Alfred <strong>Lauterbach</strong> 38<br />

Thamm geb. Helene Stühleshof 16 53347 Alfter/Bonn *1908<br />

Furche<br />

verstorben<br />

Engels geb. Resel Stühleshof 16 53347 Alfter/Bonn 02222<br />

Thamm<br />

5478<br />

Weiß August u.<br />

Fr<strong>an</strong>ziska<br />

<strong>Lauterbach</strong> 71<br />

Weiß Horst Dittrich-Platz 9 08523 Plauen 03741<br />

134803<br />

Ittner, geb. Weiß Dorothea Am Suhr 86 08261 Schöneck verstorben<br />

Welzel Erich u.<br />

Bertha<br />

<strong>Lauterbach</strong> Domäne<br />

Welzel Inge, Helga, ?<br />

Wessel Josef u. Anna <strong>Lauterbach</strong> 28<br />

Wessel Anna Tepoitstr. 4 65203 Wiesbaden-<br />

Biebrich<br />

verstorben<br />

Wessel Agnes<br />

Katzer (<strong>an</strong>genom) Hubert Untergasse 8 65201 Wiesbaden verstorben<br />

Katzer Gisela Untergasse 8 65201 Wiesbaden<br />

Katzer Gisela Jahnstraße 8 Nieder-Faulheim (doppelt ?9<br />

Fitgen (<strong>an</strong>genom) He<strong>in</strong>z *1929<br />

+2008<br />

Wittner (tralala) Alfred <strong>Lauterbach</strong> 20 Bei der Kirche, Blieb<br />

Wittner He<strong>in</strong>rich u.<br />

Maria<br />

<strong>Lauterbach</strong> 9 Straßenhäuser<br />

Wittner He<strong>in</strong>z gefallen<br />

Wittner Melitta Neue<br />

Bundesländer<br />

Wittner Paul <strong>Lauterbach</strong> 55 Neben Schmiede<br />

Wittner Bernhard 37520 Osterode 05522<br />

81765<br />

Wode August u.<br />

Maria<br />

<strong>Lauterbach</strong><br />

Wode Werner Waldstraße 16 33824 Werther 05203<br />

7781<br />

Wode Günther,<br />

He<strong>in</strong>z,<br />

Gerhard<br />

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Domaradzka geb.<br />

Wode<br />

Christa Legnizei/<strong>Schlesien</strong><br />

Die Gefallenen und Vermissten des ersten Weltkrieges von <strong>Lauterbach</strong> <strong>Kreis</strong> <strong>Reichenbach</strong>/<strong>Schlesien</strong><br />

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Gefallene und Vermisste des zweiten Weltkrieges von 1. September 1939 bis 8. Mai 1945 .<br />

Die noch lebenden , aus der Heimat vertriebenen <strong>Lauterbach</strong>er ehren mit dieser Gedenkurkunde die<br />

Gefallenen, Vermißten und Ermordeten des zweiten Weltkrieges. Ihnen konnte nach schlesischer<br />

und deutscher Tradition <strong>in</strong> der <strong>an</strong>gestammten Heimat ke<strong>in</strong> Denkmal gewidmet werden. Auch wurde<br />

es ihnen nicht vergönnt, Ihr Haupt <strong>in</strong> der schlesischen Heimaterde zur Ruhe zu legen.<br />

Die Gefallenen:<br />

B<strong>an</strong>nwitz Paul Kasig August<br />

Baum Josef König Herbert<br />

Bonke Hubert M<strong>an</strong>n Robert<br />

Brosig Alfred Obst Alfons<br />

Gast Gotthard Obst H<strong>an</strong>s<br />

Gast Werner Ritter Paul<br />

Görtler Alfred Ritter Walter<br />

Gruner Erw<strong>in</strong> Saft Herbert<br />

Gruner Herbert Scholz Alois<br />

Grunewald Karl Schubert Georg<br />

Heimlich Erich Weis August<br />

Herzog Alois Wittner He<strong>in</strong>z<br />

Herzog Otto Wode He<strong>in</strong>z<br />

Hirsch Kurt Wolf L<strong>in</strong>us<br />

Ilgner Richard Wolf Paul<br />

Ilgner Josef<br />

Die Vermissten:<br />

Fulde - Ernst<br />

Seidel – Paul<br />

Wittner – Paul<br />

Die Vertriebenen haben <strong>in</strong> der Charta der Heimatvertriebenen auf Rache und Gewalt<strong>an</strong>wendung<br />

verzichtet. Dieser Charta stimmen auch die aus der Heimat vertriebenen <strong>Lauterbach</strong>er zu. Dennoch<br />

ist und bleibt die Vertreibung der Deutschen aus Ihrer <strong>an</strong>gestammten Heimat e<strong>in</strong> Verbrechen gegen<br />

die Menschlichkeit. Die noch lebenden <strong>Lauterbach</strong>er werden nicht aufhören um ihre Gefallenen zu<br />

trauern und wider den Raub der Heimat gegen geltendes Völkerrecht zu protestieren.<br />

Der Autor:<br />

Horst Jacobowsky wurde am 1.10.1937 <strong>in</strong> <strong>Reichenbach</strong> unter<br />

der Eule geboren. Auf dem Bauernhof der Eltern <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong><br />

– südlich des Zobtens – verbrachte er se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dheit und wurde<br />

am 19. April 1946 zusammen mit se<strong>in</strong>en Eltern aus der Heimat<br />

vertrieben. Mit e<strong>in</strong>em Güterzug wurden die <strong>Lauterbach</strong>er <strong>in</strong><br />

sechs Tagen von <strong>Reichenbach</strong> bis nach Helmstedt-Marienborn<br />

gebracht. Mit Lastwagen g<strong>in</strong>g es weiter bis <strong>in</strong> das<br />

Harzstädtchen Seesen. Von hier wurden die Vertriebenen auf<br />

die umliegenden Dörfer verteilt. Die Familie Alfons Jacobowsky<br />

nach Gittelde am Harz. Hier g<strong>in</strong>g der Autor bis 1949 <strong>in</strong><br />

die Volksschule und <strong>an</strong>schließend <strong>in</strong> die Realschule nach Seesen am Harz, die er mit dem<br />

Abschluss der Mittleren Reife 1955 verließ. Sofort beg<strong>an</strong>n er e<strong>in</strong>e Lehre bei den Kamax-Werken <strong>in</strong><br />

Osterode am Harz und schloss die Lehre mit der Gesellenprüfung als Masch<strong>in</strong>enschlosser ab. Nach<br />

e<strong>in</strong>em Jahr Wehrpflicht bei der Luftwaffe der Bundeswehr beg<strong>an</strong>n er das Studium <strong>an</strong> der<br />

Ingenieurschule <strong>in</strong> H<strong>an</strong>nover. Nach sechs Semestern best<strong>an</strong>d er das Examen als Dipl-Ing. und<br />

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eg<strong>an</strong>n bei BBC <strong>in</strong> M<strong>an</strong>nheim se<strong>in</strong>e Tätigkeit als Projektierungs<strong>in</strong>genieur <strong>in</strong> der Kälte- und<br />

Klimatechnik. Vorträge und Fachveröffentlichungen über moderne und <strong>in</strong>teress<strong>an</strong>te Anlagensysteme<br />

<strong>in</strong> der Kälte- und Klimatechnik waren neben dem Vertrieb von Großkälte<strong>an</strong>lagen se<strong>in</strong>e primären<br />

Aufgaben. Nach 38-jähriger Ingenieurtätigkeit g<strong>in</strong>g er mit 65 Jahren <strong>in</strong> den Ruhest<strong>an</strong>d. Er ist mit e<strong>in</strong>er<br />

H<strong>an</strong>nover<strong>an</strong>er<strong>in</strong> seit 1964 verheiratet, hat zwei erwachsene K<strong>in</strong>der und drei Enkelk<strong>in</strong>der. 28 Jahre<br />

ehrenamtliche Tätigkeit <strong>in</strong> der Pfarrgeme<strong>in</strong>de St. Laurentius Hemsbach , davon 10 Jahre als<br />

Pfarrgeme<strong>in</strong>deratsvorsitzender und fünf als Vorsitzender des Baufördervere<strong>in</strong>s füllten die Freizeit<br />

aus.<br />

Seit dem E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die Rente beschäftigt er sich <strong>in</strong>tensiver mit der Heimat <strong>Schlesien</strong>, schreibt<br />

<strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> <strong>in</strong> der „Hohen Eule“, der Heimatzeitung des <strong>Kreis</strong>es <strong>Reichenbach</strong>, der schlesischen<br />

Wochenzeitung „Der Schlesier“ u.s.w. Se<strong>in</strong>e Digitalfilme über die Heimatbesuche erfreuen sich<br />

großer Beliebtheit. Reiseberichte und kle<strong>in</strong>e Chroniken von schlesischen Familien und Dörfern<br />

gehören ebenfalls zu se<strong>in</strong>em Hobby.<br />

Tel.-Nr. 06201 74750 , e-mail Jacobowsky@t-onl<strong>in</strong>e.de, Fax-Nr. 06201 472493 , Homepage:<br />

Horstjacobowsky.de<br />

Kle<strong>in</strong>e Familienchroniken von Bewohnern aus <strong>Lauterbach</strong> und ihrer Nachkommen nach der<br />

Vertreibung. Allen Familien, die dafür "ihre Dokumente" zur Verfügung gestellt haben, vielen D<strong>an</strong>k.<br />

Familienchronik von Alfons über Horst zu Heiko Jacobowsky.<br />

Aktualisierung und Erweiterung der <strong>Lauterbach</strong>er Chronik. (<strong>Lauterbach</strong>er Plaudereien Nr. 126)<br />

In der letzten "Hohen Eule" wurde die Familie von Günther Baum, se<strong>in</strong>e Vor- und Nachfahren<br />

vorgestellt. Wir wissen viel von unseren Vorfahren und den Familien, die damals <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong><br />

gewohnt haben. Die Namen s<strong>in</strong>d alle <strong>in</strong> der Chronik von <strong>Lauterbach</strong> erfasst. Jeder k<strong>an</strong>n kostenlos im<br />

Internet diese Informationen abrufen und sich auch ausdrucken. Dazu ist lediglich<br />

www.Horstjacobowsky.de aufzurufen und auf der pdf-Seite der sog. Homepage die "Chronik von<br />

<strong>Lauterbach</strong>" <strong>an</strong>zuklicken. Die Enkelk<strong>in</strong>der können dabei behilflich se<strong>in</strong>, denn die kennen sich <strong>in</strong> der<br />

Regel besser aus als wir von der älteren Generation. Wenn ich diese Unterstützung nicht hätte, wäre<br />

ich auch bei Problemen am Computer und bei den g<strong>an</strong>zen Programmen überfordert.<br />

Diese Chronik möchte ich gern erweitern und alle diejenigen Familien e<strong>in</strong>tragen, die erstens dar<strong>an</strong><br />

<strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d und zweitens mir ähnliches Material schicken wie ich am Beispiel me<strong>in</strong>er Familie und<br />

der von Günther Baum vorgestellt habe.<br />

Unsere Familienchronik lässt sich zurückverfolgen bis 1789. Das war gerade das Jahr der<br />

fr<strong>an</strong>zösischen Revolution und d<strong>an</strong>ach kam bek<strong>an</strong>ntlich Napoleon <strong>an</strong> die Macht, der g<strong>an</strong>z Europa<br />

überr<strong>an</strong>nte und sogar vor Moskau mit se<strong>in</strong>en Truppen st<strong>an</strong>d. In unserer <strong>Kreis</strong>stadt <strong>Reichenbach</strong><br />

wurde das Bündnis gegen den Korsen geschmiedet. Die wichtigsten Leute waren damals <strong>in</strong><br />

<strong>Reichenbach</strong> e<strong>in</strong>quartiert, der Zar z.B. übernachtete <strong>in</strong> Peterswaldau. Das ist alles sehr ausführlich <strong>in</strong><br />

der Chronik von <strong>Reichenbach</strong> niedergeschrieben. In diesem Jahr jedenfalls s<strong>in</strong>d zwei Brüder<br />

Jacobowsky von Tschenstochau nach <strong>Lauterbach</strong> gekommen und wurden sog. Freigärtner. D.h. sie<br />

waren freie Bauern und ke<strong>in</strong>e Leibeigenen. Warum diese beiden Brüder von Polen nach <strong>Lauterbach</strong><br />

gekommen s<strong>in</strong>d, darüber gibt es g<strong>an</strong>z unterschiedliche Legenden. Die Geschichte vom verarmten<br />

Adel oder von H<strong>in</strong>tergründen die dazu führten, dass die Beiden ihre Heimat verlassen mussten,<br />

konnte ich jedenfalls bisher nicht klären. Me<strong>in</strong> Vater Alfons Jacobowsky war ja damals im sog.<br />

"Dritten Reich" Ortsbauernführer und aufgrund dieser Vorfahren musste er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ariernachweis<br />

dokumentieren, dass ke<strong>in</strong> jüdisches Blut <strong>in</strong> unseren Adern fließt . Bek<strong>an</strong>ntlich s<strong>in</strong>d ja Mitglieder des<br />

Stammes Jakobs von Israel <strong>in</strong> den Norden gezogen und haben sich im Osten Europas<br />

niedergelassen. So hatten die Nazis den Verdacht, dass wir Abkömml<strong>in</strong>ge von Juden s<strong>in</strong>d. Natürlich<br />

konnte diese Verg<strong>an</strong>genheit durch e<strong>in</strong>en Ariernachweis weder bestätigt noch sicher ausgeschlossen<br />

werden. Bemühungen um e<strong>in</strong>e Kopie dieses Ausweises bei unseren heutigen Behörden waren<br />

bisher leider vergeblich.<br />

Joh<strong>an</strong>n Georg J. wurde am 6.03.1789 geb. , starb 1832 und war Freigärtner und Schuhmacher. Se<strong>in</strong><br />

Sohn August Flori<strong>an</strong> J. geb. 1826, gest. 1872 hatte vier Söhne, Clemens hatte e<strong>in</strong>en Zigarrenladen <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong>, Robert e<strong>in</strong>e Krämerladen <strong>in</strong> <strong>Reichenbach</strong>. Von ihm sagten die Leute <strong>in</strong> <strong>Reichenbach</strong>: "Der<br />

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Jacobowsky <strong>an</strong> der Ecke, der h<strong>an</strong>delt mit allem Drecke". E<strong>in</strong> Sohn ist ausgew<strong>an</strong>dert nach Amerika,<br />

hatte dort großes Heimweh und wollte wieder zurück. Er hatte sich genug für die Rückreise gespart,<br />

da brach der erste Weltkrieg aus und er konnte nicht mehr zurück. M<strong>an</strong> sagt, er ist <strong>an</strong> Heimweh<br />

gestorben, denn l<strong>an</strong>ge hat er nicht mehr im fremden L<strong>an</strong>d gelebt. Für mich ist er immer e<strong>in</strong> Symbol<br />

dafür, wie sehr die Schlesier ihre Heimat lieben und wie sehr sie auch <strong>an</strong> ihr hängen. Der Schlesier<br />

hat auch viele lobenswerte Eigenschaften. Und wenn m<strong>an</strong> z.B. vergleicht ,wie die Paläst<strong>in</strong>enser auf<br />

ihr Heimatrecht bestehen und noch nach Jahrzehnten darum kämpfen, und das wir Schlesier uns<br />

teilweise wie geduldige Schafe aus der Heimat treiben lassen haben, d<strong>an</strong>n s<strong>in</strong>d das auch g<strong>an</strong>z<br />

unterschiedliche Charaktereigenschaften. E<strong>in</strong> Sohn, Josef übernahm als L<strong>an</strong>dwirt das Elternhaus<br />

und heiratete e<strong>in</strong>e Ida Fischer aus Kle<strong>in</strong>-Neudorf. Von diesen Vorfahren gibt es die ersten Fotos.<br />

Diese Großeltern hatten <strong>in</strong>sgesamt vier K<strong>in</strong>der. Alfred ist im ersten Weltkrieg gefallen, se<strong>in</strong> Name<br />

steht auch auf dem Kriegerdenkmal wovon nur noch e<strong>in</strong>e Fotografie <strong>in</strong> der Chronik ist. Alle <strong>an</strong>deren<br />

Gefallenen s<strong>in</strong>d aber sehr gut lesbar auf dem Foto. Clemens ist mit 17 Jahren - wahrsche<strong>in</strong>lich nach<br />

reichlichem Genuss von Obst und darauf kaltes Wasser - verstorben. Auch die Tochter Hulda ist<br />

<strong>an</strong>geblich <strong>an</strong> Zahnkrämpfen gestorben, aber da gibt es unterschiedliche Me<strong>in</strong>ungen. Der Onkel Josef<br />

heiratete die Niklaus-Martha, Tochter des Rossschlächters aus Heidersdorf und sie hatten<br />

zusammen e<strong>in</strong> Bauernhof <strong>in</strong> Wättrisch. Onkel Josef war sehr bek<strong>an</strong>nt, fuhr er doch mit se<strong>in</strong>em<br />

Bulldog die Milchk<strong>an</strong>nen aus der Umgebung <strong>in</strong> die Molkerei von Jord<strong>an</strong>smühl. Hier wurde übrigens<br />

der Rotkäppchen-Camenbert-Käse erfunden. Me<strong>in</strong> Vater übernahm nun schon <strong>in</strong> der 4. Generation<br />

den Elternhof als L<strong>an</strong>dwirt und war bis zur Vertreibung dort sehr glücklich. D<strong>an</strong>ach war er e<strong>in</strong> <strong>an</strong>derer<br />

Mensch, nie wieder so fröhlich und sorglos und positiv gestimmt wie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er geliebten <strong>Lauterbach</strong>er<br />

Heimat. Er heiratet die Tochter vom Nuppern, das war der Gastwirt und Kretschmer Karl Ha<strong>in</strong>ke, der<br />

zuerst den Gasthof <strong>in</strong> den Praushäuser gepachtet und später die Gaststätte <strong>in</strong> den Straßenhäusern<br />

mit se<strong>in</strong>er tüchtigen Frau und neun K<strong>in</strong>dern gekauft hat. Die Frau Klara brachte den Sohn M<strong>an</strong>fred<br />

mit <strong>in</strong> die Ehe. Zuerst wurde die Tochter Brigitte, sechs Jahre später die Tochter Hildegard und<br />

d<strong>an</strong>ach der "Erbhofbauer" Horst geboren. Ich war e<strong>in</strong> Nachzügler, me<strong>in</strong>e Eltern waren damals beide<br />

43 Jahre alte. Als die Vertreibung 1946 g<strong>an</strong>z <strong>Schlesien</strong> und die Heimattreuen besonders<br />

erschütterte, war ich gerade neun Jahre alt. Dennoch ist mir <strong>Lauterbach</strong> immer noch als Paradies der<br />

K<strong>in</strong>dheit <strong>in</strong> lebhafter Er<strong>in</strong>nerung und das Bild der Straßenhäuser wie es sich auf dem Heimweg durch<br />

den Hof vom Mücka-Richard im Sonnensche<strong>in</strong> präsentierte, ist wie e<strong>in</strong>e Fotografie im Gedächtnis<br />

e<strong>in</strong>geprägt.<br />

Wie g<strong>in</strong>g die Familiengeschichte im Westen weiter. Brigitte heiratet ihren Rudi, e<strong>in</strong>en Buchdrucker<br />

und zog nach Lüdenscheid. Aus dieser Ehe g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> Sohn, Rüdiger hervor. M<strong>an</strong>fred heiratete<br />

Lenchen Schroppe, die Tochter des Gittelder Bürgermeisters. Dem Ehepaar wurde e<strong>in</strong>e Tochter , die<br />

Eva geschenkt. M<strong>an</strong>fred konnte aufgrund se<strong>in</strong>er Kriegsverletzung ke<strong>in</strong>e berufliche Tätigkeit<br />

aufnehmen, starb im hohen Alter von über 85 Jahren. Die jüngste Tochter Hildegard heiratete e<strong>in</strong>en<br />

Schlesier aus Geseß, e<strong>in</strong> Dorf am R<strong>an</strong>de der Sudeten <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe des Ottmachauer<br />

Staubeckens. Er stammte aus e<strong>in</strong>em großen Bauernhof, da jedoch der älteste Sohn als Erbhofbauer<br />

bestimmt war, lernte Berthold <strong>in</strong> Patschkau Elektriker und Masch<strong>in</strong>enschlosser. Diese Ausbildung<br />

konnte er nach se<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz im zweiten Weltkrieg - mit 17 e<strong>in</strong>gezogen - sehr gut <strong>an</strong>wenden.<br />

Durch Fleiß und die typische schlesische Beharrlichkeit baute sich das Ehepaar <strong>in</strong> Bad Grund e<strong>in</strong><br />

schönes E<strong>in</strong>familienhaus. Der Wunsch nach K<strong>in</strong>dern wurde ihnen leider nicht erfüllt. Zu früh für alle<br />

die diesen Menschen k<strong>an</strong>nten, starb Berthold <strong>an</strong> Herzschwäche. Der jüngste Sohn Horst, also ich,<br />

ist se<strong>in</strong>en Eltern unendlich d<strong>an</strong>kbar, dass sie ihm die Möglichkeit zum Besuch der Mittelschule <strong>in</strong><br />

Seesen gaben. Vater war etwas enttäuscht als ich ihm nach der Schulzeit me<strong>in</strong>en Wunsch<br />

Masch<strong>in</strong>enschlosser zu lernen, erläuterte. Er dachte mehr <strong>an</strong> Post- oder Bundesbahn<strong>an</strong>gestellter. Mit<br />

Uniform und sicherer Rente. Die Lehre bei Kamax <strong>in</strong> Osterode sollte nicht Endstation se<strong>in</strong>. Nach der<br />

Wehrpflicht beg<strong>an</strong>n 1961 das Studium im Fach "Apparatebau und Verfahrenstechnik" <strong>an</strong> der<br />

Ingenieurschule <strong>in</strong> H<strong>an</strong>nover. 1965, nach dem erfolgreichen Examen erfolgte der Umzug nach<br />

M<strong>an</strong>nheim und die Heirat der H<strong>an</strong>nover<strong>an</strong>er<strong>in</strong> Erika Harre. 1967 wurde Tochter Sab<strong>in</strong>e und 1969<br />

Sohn Heiko geboren. Beide K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d verheiratet, Sab<strong>in</strong>e ist Leiter<strong>in</strong> des K<strong>in</strong>dergartens <strong>in</strong><br />

Laudenbach, ihrem Wohnort und Heiko arbeitet als Ingenieur für Kälte- und Klimatechnik im Vertrieb.<br />

Tochter Sab<strong>in</strong>e und Re<strong>in</strong>er Diehlm<strong>an</strong>n haben drei K<strong>in</strong>der. Die Tochter Fr<strong>an</strong>ziska studiert Lehramt <strong>in</strong><br />

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Karlsruhe, Flori<strong>an</strong> macht 2011 se<strong>in</strong> Abitur und der jüngste Sohn Felix ist auf dem Gymnasium <strong>in</strong><br />

We<strong>in</strong>heim. Durch die Vertreibung s<strong>in</strong>d die Familien Wege geg<strong>an</strong>gen, <strong>an</strong> die sie damals <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong><br />

nie gedacht hätten. Die Nachfolgegenerationen haben ihren eigenen Bek<strong>an</strong>ntenkreis aufgebaut,<br />

waren gefordert aus e<strong>in</strong>fachsten Verhältnissen e<strong>in</strong>e Existenz aufzubauen und haben dadurch die<br />

B<strong>in</strong>dung zur Heimat verloren. Ihnen ist die Gegend Heimat, <strong>in</strong> der sie aufgewachsen oder geboren<br />

s<strong>in</strong>d. Dennoch schwärmen viele Enkelk<strong>in</strong>der, die mit den Eltern oder Großeltern <strong>in</strong> die Heimat<br />

<strong>Schlesien</strong> gefahren s<strong>in</strong>d, von diesem e<strong>in</strong>maligen L<strong>an</strong>d der Väter und sie können die Liebe und den<br />

Schmerz der Vertriebenen mehr als vorher verstehen.<br />

Nun liebe Leser "Laabt mer gesund", wie der Opa Karl Ha<strong>in</strong>ke , Kretschmer aus dem Kretscham der<br />

Straßenhäuser sich immer verabschiedet hat.<br />

Euer Horst Jacobowsky, der Nupper aus den <strong>Lauterbach</strong>er Straßenhäuser. Me<strong>in</strong>e Filme aus unserer<br />

Gegend könnt ihr unter www.youtube.de/HorstAlfons kostenlos <strong>an</strong>sehen.<br />

Alfons und Klara Jacobowsky, geb.<br />

Ha<strong>in</strong>ke mit M<strong>an</strong>fred, Brigitte, Hildegard<br />

und Horst<br />

Erika und Horst<br />

Jacobowsky mit<br />

K<strong>in</strong>dern und<br />

Schwiegerk<strong>in</strong>dern<br />

Seite 71 von 102<br />

Re<strong>in</strong>er u. Sab<strong>in</strong>e Diehlm<strong>an</strong>n<br />

(geb. Jacobowsky) mit<br />

Fr<strong>an</strong>ziska, Flori<strong>an</strong>, Felix


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Familie Günther Baum. Vorfahren <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> - Nachfahren <strong>in</strong> Hessen.<br />

Schlesische Wurzeln tragen reiche Früchte. (<strong>Lauterbach</strong>er Plaudereien Nr. 125)<br />

Egal <strong>in</strong> welchen Vere<strong>in</strong>en, Gruppen, Verbänden oder Familienfeiern Menschen zusammen kommen, immer<br />

s<strong>in</strong>d auch Menschen mit schlesischer Abstammung zu f<strong>in</strong>den. In den <strong>Lauterbach</strong>er Plaudereien s<strong>in</strong>d schon fast<br />

alle <strong>Lauterbach</strong>er Familien vorgestellt worden. Allerd<strong>in</strong>gs war dafür auch Voraussetzung, dass Bilder oder<br />

Erzählungen zur Verfügung st<strong>an</strong>den oder von den betreffenden Familien zur Verfügung gestellt worden s<strong>in</strong>d.<br />

Sollten noch irgendwo bisher nicht bek<strong>an</strong>nte Bilder von Familien oder aus <strong>Lauterbach</strong> vorh<strong>an</strong>den se<strong>in</strong>, können<br />

die nicht nur nachträglich veröffentlicht werden, sondern sie würden auch noch <strong>in</strong> die <strong>Lauterbach</strong>er Chronik<br />

aufgenommen werden. Dadurch könnte die Chronik weiter wachsen und e<strong>in</strong> noch ausführliches Dokument<br />

unser schlesischen Heimat werden. Wer die Chronik noch nicht hat, k<strong>an</strong>n sie im Internet <strong>in</strong> der Homepage:<br />

www.Horstjacobowsky.de f<strong>in</strong>den. Da gibt es e<strong>in</strong>e Seite mit sog. pdf-files. Wer die Chronik dar<strong>in</strong> <strong>an</strong>klickt,<br />

f<strong>in</strong>det das bisher 68-seitige Werk mit allen Bildern und Kommentaren.<br />

Die Berichte <strong>in</strong> dieser Chronik blicken aber mehr <strong>in</strong> die Verg<strong>an</strong>genheit als <strong>in</strong> die Gegenwart und Zukunft. Das<br />

ist auch verständlich, denn die Verg<strong>an</strong>genheit <strong>in</strong> der schlesischen Heimat ist das verb<strong>in</strong>dende B<strong>an</strong>d unter den<br />

Heimatvertriebenen. Diese B<strong>an</strong>de haben uns nun schon 65 Jahre zusammen gehalten und führen uns bei Treffen<br />

der <strong>Reichenbach</strong>er <strong>in</strong> Warendorf, dem Schlesiertreffen <strong>in</strong> H<strong>an</strong>nover, den <strong>Lauterbach</strong>er Treffen <strong>in</strong> Seesen am<br />

Harz oder bei privaten Feiern immer wieder zusammen.<br />

Am 13. November feierte unser Heimatfreund Günther Baum se<strong>in</strong>en 75. Geburtstag. Die "Hohe Eule" hat<br />

darüber <strong>in</strong>formiert. Die Geburtstagsgesellschaft war e<strong>in</strong> lebender Beweis, wie sich die Heimatvertriebenen <strong>in</strong><br />

ihrer neuen Umgebung nicht nur engagiert, sondern auch <strong>in</strong>tegriert haben. Nachbarn und Freunde mit<br />

hessischen Wurzeln und Menschen aus der schlesischen Heimat feierten <strong>in</strong> E<strong>in</strong>tracht und Harmonie unseren<br />

<strong>Lauterbach</strong>er L<strong>an</strong>dsm<strong>an</strong>n. Natürlich waren überall auch schlesische und hessische Symbole zu entdecken. Der<br />

schlesische "Moo- und Straßelkucha" lockte besonders die Menschen mit schlesischen Wurzeln ihre Diät zu<br />

vergessen. Und die Geschmacksorg<strong>an</strong>e weckten sofort die Er<strong>in</strong>nerung <strong>an</strong> die Kaffeerunden <strong>in</strong> der schlesischen<br />

Heimat und die dort üblichen Leibgerichte. Vor dem Abendbrot <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gemütlichen, hessischen Gaststätte<br />

brachte der Ges<strong>an</strong>gvere<strong>in</strong> Germ<strong>an</strong>ia dem S<strong>an</strong>gesbruder Günther Baum e<strong>in</strong>ige bemerkens- und hörenswerte<br />

Liedbeiträge auf hohem, ges<strong>an</strong>glichen Niveau. Der Vorsitzende des Vere<strong>in</strong>s er<strong>in</strong>nerte <strong>an</strong> die über 10jährige<br />

Mitgliedschaft unseres <strong>Lauterbach</strong>ers, sondern bestätigte ihm, e<strong>in</strong> willkommenes und immer gern gesehenes<br />

Mitglieds der Sängervere<strong>in</strong>igung zu se<strong>in</strong>. Schlesier, Heimatvertriebene und gebürtige Hessen s<strong>in</strong>d zu e<strong>in</strong>er<br />

harmonischen Geme<strong>in</strong>schaft gewachsen, <strong>in</strong> der unterschiedliche Lebenswege und Schicksale ke<strong>in</strong>e Rolle mehr<br />

spielen. Diese Harmonie und der Zusammenhalt ist auch Voraussetzung für Erfolge des Vere<strong>in</strong>s bei so vielen<br />

Sängerwettbewerben. Die Pokale und Auszeichnungen s<strong>in</strong>d vielfältig und beachtenswert. Die Frage st<strong>an</strong>d im<br />

Raum. Was verb<strong>in</strong>det den großen Dichter Joh<strong>an</strong>n Wolfg<strong>an</strong>g v. Goethe aus Hessen mit der Heimat von Günter<br />

Baum, unserem <strong>Schlesien</strong>. Er sprach bei se<strong>in</strong>en Besuchen von e<strong>in</strong>em "zehnfach-<strong>in</strong>teress<strong>an</strong>ten L<strong>an</strong>d". Darauf<br />

s<strong>in</strong>d die Schlesier natürlich nicht zu Unrecht sehr stolz. Und über M<strong>an</strong>gel <strong>an</strong> Dichtern k<strong>an</strong>n sich <strong>Schlesien</strong> und<br />

die Schlesier auch nicht beklagen. Da ist e<strong>in</strong>mal der wohl bek<strong>an</strong>nteste und beliebteste rom<strong>an</strong>tische Dichter<br />

Freiherr Josepf v. Eichendorf aus Lubowitz. Aber auch Gerhard Hauptm<strong>an</strong>n ist im gleichen Atemzug zu<br />

nennen, der nicht nur den Literaturnobelpreis nach <strong>Schlesien</strong> holte, sondern den schlesischen Dialekt mit se<strong>in</strong>en<br />

Schauspielen - wie z.b. " De Waber" sogar im Hoftheater <strong>in</strong> Wien weltberühmt machte. Es ist e<strong>in</strong> Drama, dass<br />

diese Sprache e<strong>in</strong>es fleißigen und erfolgreichen Volksstammes durch das ihm zugefügte Unrecht der<br />

kollektiven Vertreibung zu sterben droht.<br />

In der "Hohen Eule" wurde die Familie von Günther Baum schon e<strong>in</strong>mal vorgestellt. Inzwischen lebt die fünfte<br />

Generation , ausgehend von Günthers Großeltern. Zwei Generationen davon s<strong>in</strong>d schon nicht mehr <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong><br />

geboren. Das s<strong>in</strong>d der Sohn Stef<strong>an</strong> und die vier Enkelk<strong>in</strong>der. Diese junge Familie wohnt im Obergeschoss des<br />

großen Hauses <strong>in</strong> Eppersthausen, welches Günther und se<strong>in</strong>e Frau Brunhilde, e<strong>in</strong>e waschechte Hess<strong>in</strong>, mit viel<br />

Fleiß und Erfolg aufgebaut haben. E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Gedicht über die 75-jährige Lebensgeschichte e<strong>in</strong>es Schlesiers<br />

aus unserem Dorf <strong>Lauterbach</strong> beschreibt vorr<strong>an</strong>gig e<strong>in</strong>en persönlichen Lebensweg unseres L<strong>an</strong>dsm<strong>an</strong>nes. Das<br />

Gedicht könnte aber mit ger<strong>in</strong>gen Variationen für Millionen von Vertriebenen stehen. Sie haben sich trotz ihres<br />

ihnen zugefügten Unrechts nicht unterkriegen lassen und mit hochgekrempelten Ärmel e<strong>in</strong>en wesentlichen<br />

Beitrag geleistet, dass schon kurz nach dem Krieg von dem "deutschen Wirtschaftswunder" gesprochen wurde.<br />

Trotz allem technischen Fortschritt und erreichten Wohlst<strong>an</strong>d haben die vielen heimattreuen Schlesier das<br />

Paradies der K<strong>in</strong>dheit und Jugend niemals vergessen und freuen sich immer wieder darauf die unvergessenen<br />

Heimat am Zobten und Eulengebirge zu besuchen. Das haben auch Günther und Brunhilde mit dem Sohn vom<br />

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Frenzel Hubert, der Hübel-Bärbel und ihrer Tochter im verg<strong>an</strong>genen Jahr get<strong>an</strong>. Und es macht die Schlesier<br />

stolz und glücklich, wenn Nachfahren <strong>in</strong> das Loblied auf <strong>Schlesien</strong> und se<strong>in</strong>e wunderschöne Naturl<strong>an</strong>dschaft<br />

zusammen mit ihren Vorfahren e<strong>in</strong>stimmen. Viele, die <strong>Schlesien</strong> erstmalig besucht haben wollen das L<strong>an</strong>d<br />

unserer Väter auch zukünftig <strong>in</strong> ihre Urlaubspl<strong>an</strong>ungen aufnehmen. Hier das Gedicht zu Ehren von Günther<br />

Baum zu se<strong>in</strong>em 75.-Geburtstag.<br />

Der Günther kommt aus dem Schlesierl<strong>an</strong>d,<br />

das ist hier allen wohlbek<strong>an</strong>nt.<br />

Heut vor 75 Jahren erblickte unser Held,<br />

<strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> das Licht der Welt.<br />

Der Zobten, die Eichberge, und auch der Rohrteich,<br />

gehören alle zu se<strong>in</strong>em herrlichen Jugendreich.<br />

In den Straßenhäuser wohnte die Illgner-Oma,<br />

und zu Besuch war oft er da.<br />

Und h<strong>in</strong>term Haus - e<strong>in</strong> Paradies,<br />

e<strong>in</strong>e S<strong>an</strong>dgrube voll mit weißem Kies.<br />

Die Zeiten noch g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>ders waren,<br />

<strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong>, vor so vielen Jahren.<br />

Der Frühl<strong>in</strong>g mild, die Sommer heiß,<br />

der Herbst ph<strong>an</strong>tastisch, der W<strong>in</strong>ter kalt und weiß.<br />

Ihr könnt es glauben, bitte seht es e<strong>in</strong>,<br />

im Himmel k<strong>an</strong>n es wirklich schöner nicht se<strong>in</strong>.<br />

Und als er d<strong>an</strong>n so sieben Jahre war,<br />

ist auch die Schulpflicht plötzlich da.<br />

Beim <strong>Lauterbach</strong>er Dorfschullehrer Alfred He<strong>in</strong>,<br />

trat er <strong>in</strong>s erste Schuljahr e<strong>in</strong>.<br />

Doch leider g<strong>in</strong>g es fröhlich, sorglos, heiter<br />

<strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> und <strong>in</strong> g<strong>an</strong>z Deutschl<strong>an</strong>d nicht mehr weiter.<br />

Im Osten donnerten K<strong>an</strong>onen,<br />

deren Geschosse weder K<strong>in</strong>der noch Alte schonen.<br />

Und Niem<strong>an</strong>d k<strong>an</strong>n es heut noch nicht fassen,<br />

gegen geltendes Völkerrecht mussten die Schlesier die Heimat verlassen.<br />

Ausgeplündert, deprimiert und voller Sorgen,<br />

blickten die Vertriebenen <strong>in</strong> jeden neuen Morgen.<br />

Wer k<strong>an</strong>n das heute noch verstehen,<br />

hat er das Unglück der Menschen nicht selbst gesehen?<br />

Doch Jammern, Trauern oder resignieren nur,<br />

das ist nicht Schlesiers Natur.<br />

Er lässt so schnell sich nicht unterkriegen<br />

und will tapfer gegen Not und Elend siegen.<br />

In Eppertshausen, jedenfalls aus dem Hessenl<strong>an</strong>d,<br />

der Günther se<strong>in</strong>e Brunhilde f<strong>an</strong>d.<br />

Und sie vere<strong>in</strong>barten e<strong>in</strong> Ziel,<br />

welches Beiden außerordentlich gefiel.<br />

Sie schaufelten e<strong>in</strong>e Grube aus,<br />

und bauten sich e<strong>in</strong> schönes Haus.<br />

Tag und Nacht waren sie fast aktiv,<br />

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zu dieser Zeit m<strong>an</strong> wenig schlief.<br />

Doch bei all dem Arbeiten der Zwei.<br />

Waren sie d<strong>an</strong>n plötzlich doch auch Drei.<br />

Ihr g<strong>an</strong>zer Stolz das ist der Sohn,<br />

und das jetzt viele Jahre schon.<br />

Gleich vierfach ist die Freude gar<br />

über die stolze, nette Enkelschar.<br />

Und <strong>in</strong> der "Hohen Eule" steht es geschrieben,<br />

wie alle sie den Opa lieben.<br />

Sieht m<strong>an</strong> das Haus - wird Jedem klar,<br />

sie s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> super-starkes Paar.<br />

Die Brunhilde aus dem Volke der Hessen,<br />

und Günther aus <strong>Schlesien</strong> - wollen wir nicht vergessen.<br />

Ihr habt bewiesen - den nachfolgenden Generationen,<br />

wer etwas erreichen will, der darf sich nicht schonen.<br />

Die Zeiten s<strong>in</strong>d <strong>an</strong>ders heut,<br />

das wisst Ihr alle liebe Leut.<br />

Die Menschen kommen, die Menschen gehen,<br />

was die Zukunft br<strong>in</strong>g, k<strong>an</strong>n Ke<strong>in</strong>er sehen.<br />

Drum Freunde, hebt die Gläser froh und heiter,<br />

Günther und Hilde, macht m<strong>in</strong>destens 25 Jahre noch weiter.<br />

E<strong>in</strong> Prosit auf Günther, dazu lade ich e<strong>in</strong>,<br />

mit Bier, Cola, Wasser und goldenem We<strong>in</strong>.<br />

Und nun, liebe Leser," laabt mer gesund", wie me<strong>in</strong> Opa, der Ha<strong>in</strong>ka-Kolle, Gastwirt aus den<br />

Straßenhäusern, immer zu sagen pflegte. Glück auf, <strong>Schlesien</strong>. Euer Horst Jacobowsky<br />

Günther Baum mit den Geschwistern Ursula, Hubert und Eltern<br />

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Familie<br />

Stef<strong>an</strong> Baum mit<br />

K<strong>in</strong>dern


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Familie Günther<br />

Baum mit Sohn<br />

Stef<strong>an</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Familienchronik<br />

<strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> von Frieda Ruppert, geb. Seifert, <strong>Lauterbach</strong>.<br />

Redaktionelle Überarbeitung und Lay-out : Horst Jacobowsky<br />

Im Rückblick ersche<strong>in</strong>t mir me<strong>in</strong> Leben wie e<strong>in</strong> Bilderbuch. In diesem abenteuerlichen Leben spielt<br />

me<strong>in</strong> Heimatdorf <strong>Lauterbach</strong>, <strong>Kreis</strong> <strong>Reichenbach</strong> e<strong>in</strong>e g<strong>an</strong>z besondere Rolle. Me<strong>in</strong>e Eltern Martha<br />

und Wilhelm Seifert waren L<strong>an</strong>darbeiter auf der Domäne von Graf Seidlitz-S<strong>an</strong>dreski <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>.<br />

Damals mussten wir K<strong>in</strong>der schon mit jungen Jahren schwer auf dem Feld arbeiten. So leisteten<br />

schon wir K<strong>in</strong>der zur Aufbesserung der Familienkasse e<strong>in</strong>en bemerkenswerten Beitrag. Und die<br />

schönen K<strong>in</strong>dheitser<strong>in</strong>nerungen überwiegen zwar, doch bei nüchterner Betrachtung hatten wir es<br />

nicht leicht. Auch von der Schule hatte ich mir <strong>an</strong>dere Vorstellungen gemacht, Realität und Wunsch<br />

lagen auch hier weit ause<strong>in</strong><strong>an</strong>der. Da ich oft abends bei den Schularbeiten e<strong>in</strong>schlief, ist mir heute<br />

noch <strong>in</strong> guter Er<strong>in</strong>nerung, dass mir das warme Bett und der erholsame Schlaf wie e<strong>in</strong> Segen<br />

vorkamen.<br />

Familie<br />

Seifert <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong><br />

Siehe auch E<strong>in</strong>wohnerliste von<br />

<strong>Lauterbach</strong> <strong>in</strong> der Chronik<br />

Am 19. April 1944 wurde ich von Pastor Seidel aus L<strong>an</strong>genöls konfirmiert. Mit dabei waren die<br />

Konfirm<strong>an</strong>den aus P<strong>an</strong>thenau, Breitental, Groß-Ellguth, L<strong>an</strong>gseifersdorf und <strong>Lauterbach</strong>. Die<br />

P<strong>an</strong>thenauer Kirche - e<strong>in</strong>e Grenz- und Zufluchtskirche für die ev<strong>an</strong>gelischen Christen, gehört zu den<br />

wenigen Kirchen <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong>, die seit ihrer Gründung und E<strong>in</strong>weihung bis 1945 ausschließlich<br />

ev<strong>an</strong>gelischen Christen als Gebets- und Gottesdienststätte diente. Heute ist es e<strong>in</strong>e katholische<br />

Kirche. In ihr f<strong>an</strong>den damals die Gottesdienste und Konfirmationen und alle christlichen Feste der


ev<strong>an</strong>gelischen Brüder und Schwestern der Umgebung statt. Nach Schulzeit und Konfirmation beg<strong>an</strong>n<br />

der Ernst des Lebens. Am 1. Mai beg<strong>an</strong>n das obligatorische Pflichtjahr der damaligen Zeit, für mich<br />

bei Bauer Alfred Bonke. Punka-Fred, so n<strong>an</strong>nten ihn die alten <strong>Lauterbach</strong>er <strong>in</strong> ihrem schlesischen<br />

Dialekt. Me<strong>in</strong> Berufswunsch war Schneider<strong>in</strong> oder Frisöse. Am 30. Oktober bescherte mir e<strong>in</strong> Unfall<br />

e<strong>in</strong>en Knöchelbruch am l<strong>in</strong>ken Fuß. Als ich wieder gehen konnte hatte sich die militärische Lage <strong>in</strong><br />

<strong>Schlesien</strong> so verschlechtert, dass die große Flucht nicht mehr aufzuhalten war.<br />

Bruder Paul Seifert. Immer und<br />

heute noch e<strong>in</strong> Pferdenarr<br />

Bruder Horst Seifert<br />

Messebesuch Leipzig<br />

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Taufe des 1. K<strong>in</strong>de <strong>in</strong><br />

Berckhusenstraße 24,<br />

H<strong>an</strong>nover<br />

Die Bewohner der Dörfer und Städte flüchteten vor der nun die Oder überschreitenden, russischen<br />

Verbänden. Am 15. Februar waren die <strong>Lauterbach</strong>er Familien des Dom<strong>in</strong>ium mit e<strong>in</strong>em Traktor <strong>in</strong><br />

Richtung Eulengebirge unterwegs. Von Neurode aus durchliefen wir noch drei Massenlager, letztes<br />

war die H<strong>an</strong>s Schenn- Schule <strong>in</strong> Buchholz bei Neurode. Zuletzt endlich waren wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Privatquartier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Bergdorf bei Neurode. Am 4. Mai wollte unsere Mutter unbed<strong>in</strong>gt<br />

e<strong>in</strong>mal unserer Heimat <strong>Lauterbach</strong> e<strong>in</strong>en Besuch abstatten. Früh um sieben Uhr machten wir uns zu<br />

Fuß auf den ca. 60km l<strong>an</strong>gen Weg. Erschöpft von den Strapazen des l<strong>an</strong>gen Marsches erreichten wir<br />

gegen 16 Uhr <strong>Lauterbach</strong> und die Müdigkeit trieb uns <strong>in</strong> die Betten. Am nächsten Tag halfen wir<br />

Mutter beim Zubereiten von Kartoffelmehl. Diese Arbeit füllte unseren g<strong>an</strong>zen Tag aus. In der Nacht<br />

vom 5. auf den 6. Mai verstärkte sich der unheimliche Lärm der immer näher rückenden Front. Es<br />

war nur noch e<strong>in</strong>e Frage der Zeit, w<strong>an</strong>n uns die E<strong>in</strong>schläge der Artellerie erreichen würden. Dennoch<br />

schaffte es me<strong>in</strong>e Mutter nicht, mich aus dem Bett zu bekommen. Um 11 Uhr st<strong>an</strong>d der Kasig-August<br />

<strong>in</strong> unser Tür mit der bedrohlichen Botschaft: " Ihr müsst sofort raus, der Russe ist <strong>an</strong> drei Fronten<br />

durchgebrochen. Jetzt war höchste Eile <strong>an</strong>gesagt. Ich lief sofort zu Frau Thamm, die zum Glück auch<br />

zu Hause war, und holte e<strong>in</strong>ige Eier. Hastig wurde die letzte Mahlzeit verzehrt und d<strong>an</strong>n nicht wie<br />

weg, wieder <strong>in</strong> Richtung Glatzer-Kessel, <strong>in</strong>s Madonnenländchen <strong>Schlesien</strong>s, der Grafschaft. Unsere<br />

Treck schlossen sich <strong>an</strong>: Der Kle<strong>in</strong>er-Siegfried, welcher zu Besuch bei se<strong>in</strong>em Vater war, me<strong>in</strong>e<br />

Patent<strong>an</strong>te, die Kirschste<strong>in</strong>-Ida mit ihrer Tochter Margot. Die kle<strong>in</strong>e Gruppe machte sich zu Fuß auf<br />

den Weg <strong>in</strong> Richtung <strong>Reichenbach</strong>. T<strong>an</strong>te Ida entschloss sich <strong>in</strong> <strong>Reichenbach</strong>, den Zug zu nehmen.<br />

Mit der Erlaubnis me<strong>in</strong>er Mutter durften me<strong>in</strong>e jüngeren Brüder Horst und Paul ebenfalls den Zug<br />

benutzen. Der Zug <strong>in</strong> <strong>Reichenbach</strong> war brechend voll. Im Abteil für Mutter und K<strong>in</strong>d bot sich noch e<strong>in</strong><br />

Stehplatz <strong>an</strong>. E<strong>in</strong> M<strong>an</strong>n mit e<strong>in</strong>em übervollen Rucksack und ausländischen Aussehen, drängte sich<br />

noch <strong>in</strong> den Raum. Se<strong>in</strong> Rucksack nahm mir im wahrsten S<strong>in</strong>ne des Wortes die Luft zum Atmen.<br />

Dicht <strong>an</strong> dicht st<strong>an</strong>den die Menschen, ke<strong>in</strong>er konnte den Fuß vor den <strong>an</strong>deren setzen. Die Rettung<br />

leitete e<strong>in</strong> Zugführer e<strong>in</strong>, denn der M<strong>an</strong>n mit dem prallen Rucksack der mir fast die Luft zum Atmen<br />

genommen hätte, musste das Mutter-und-K<strong>in</strong>d-Abteil verlassen. Der Zug fuhr <strong>in</strong> Richtung Glatz.<br />

Lebensbedrohlich klebten die Menschen wie Schwalbennester am Zug, der sie vor der roten Gefahr<br />

retten sollte. In Glatz gel<strong>an</strong>g es mir, die beiden Brüder auf die Plattform zu bugsieren, ich selbst<br />

erwischte noch e<strong>in</strong>en Stehplatz auf der letzten Treppe beim E<strong>in</strong>stieg. Uns gegenüber st<strong>an</strong>d e<strong>in</strong><br />

l<strong>an</strong>ger Militärzug abfahrbereit nach <strong>Reichenbach</strong> <strong>an</strong> die Front. E<strong>in</strong>er der Soldaten rief mir noch zu:<br />

"Mädel, fall bloß nicht runter, halt dich ja fest". Der Zug rollte ab, e<strong>in</strong> M<strong>an</strong>n, der <strong>an</strong> der W<strong>an</strong>ge blutete


kommentierte die Szene. " Das wärs, das war der letzten Zug, über diese Brücke fährt ke<strong>in</strong> Zug<br />

mehr, sie wird e<strong>in</strong> Opfer mehr von den vielen Sprengkomm<strong>an</strong>dos, die den Rückzug der Deutschen<br />

begleiten. In Neurode traf ich zu me<strong>in</strong>er Überraschung me<strong>in</strong>en Onkel der bei der Wehrmacht war. Er<br />

machte mich auf die sogen<strong>an</strong>nten Kettenhunde aufmerksam und vertraute mir h<strong>in</strong>ter vorgehaltener<br />

H<strong>an</strong>d, dass alle die Soldaten, die sich nicht ausweisen konnten sofort <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> der Nähe<br />

bef<strong>in</strong>dlichen Baracke st<strong>an</strong>drechtlich erschossen wurden. Noch heute k<strong>an</strong>n ich - wie damals als noch<br />

sehr junger Mensch - nicht verstehen, dass so kurz vor dem Zusammenbruch noch so viele<br />

Menschen ihr Leben lassen mussten. Das Elend der Bevölkerung und der deutschen Wehrmacht war<br />

jedoch mit dem Kriegsende am 8. Mai 1945 nicht zu Ende, es beg<strong>an</strong>n nur e<strong>in</strong> neues Kapitel. Die<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge, die Zuflucht <strong>in</strong> den südlichen Bergen und der Grafschaft gesucht und gefunden hatten,<br />

kehrten wieder <strong>in</strong> ihre Heimatdörfer zurück. Alle Flüchtl<strong>in</strong>ge, die jedoch die Neiße überschritten<br />

hatten, wurden schon damals - also l<strong>an</strong>ge vor der sog. Potsdamer Konferenz - nicht mehr <strong>in</strong> die<br />

Heimat gelassen. In Görlitz spielten sich unbeschreibliche Dramen ab. Aber niem<strong>an</strong>d wurde<br />

verschont. Hunger, Krätze, Typus, e<strong>in</strong> unendliches Leid und Elend waren die Melodien der<br />

Schreckenszeit. Die Deutschen waren hilflos und vorgelfrei, verspottet wie Christus am Kreuz von<br />

se<strong>in</strong>en Häschern. "Wenn du Gottes Sohn bist, d<strong>an</strong>n hilf dir doch selbst". Hauptnahrung für uns waren<br />

Kartoffeln und Viehsalz. Letzteres f<strong>an</strong>den wir noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stall im Dom<strong>in</strong>ium. Ausgewaschen und<br />

getrocknet war es <strong>in</strong> der Not e<strong>in</strong>e g<strong>an</strong>z wichtige Beigabe zu den Kartoffeln.<br />

Es dauerte nicht l<strong>an</strong>ge, da zog e<strong>in</strong> russisches Komm<strong>an</strong>do <strong>in</strong> das Dom<strong>in</strong>ium e<strong>in</strong>. Diese brachten auch<br />

Pferde aus Bögendorf mit. Wie <strong>in</strong> diesen Chaostagen üblich, hatten die Russen e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>ige<br />

Jungen zw<strong>an</strong>gsverpflichtet, aus dem <strong>Kreis</strong> der Familie entrissen und als Treiber für die geraubten<br />

Viehherden gezwungen. So bewegten sich unzählige Herden aus den deutschen L<strong>an</strong>den <strong>in</strong> die<br />

unendlichen Weiten der russischen Länder.<br />

Das Komm<strong>an</strong>do hatte aber den Vorteil, wir wurden von plündernden Polen und russischen<br />

Vergewaltigungsorgien von durchziehenden Soldaten verschont. Menschen aus dem Dorf holten sich<br />

öfter auch bei Plünderungen und Ause<strong>in</strong><strong>an</strong>dersetzungen von Polen und Deutschen diese Männer zu<br />

Hilfe.<br />

Ich arbeitete mit Frau Seeliger <strong>in</strong> der Küche. Kartoffeln, Salz und Milch waren immer noch alles was<br />

wir hatten. Die Russ<strong>in</strong> Maria beschwerte sich. Wir machten ihr klar, dass wir nichts <strong>an</strong>deres hatten.<br />

Nun wurde ab und zu im Schlachthaus von Fleischermeister Dierig e<strong>in</strong>e Kuh geschlachtet. Abfälle<br />

wurden e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> die L<strong>an</strong>dschaft oder den Bach geworfen. Die Russ<strong>in</strong> löste uns <strong>in</strong> der Küche ab.<br />

Iw<strong>an</strong> brauchte aber auch im Stall Frauen zum Kuhmelken. Für die Verpflegung wurde gearbeitet,<br />

zweimal täglich bekam Jeder e<strong>in</strong>e Suppe. Graupen und Peluschken - e<strong>in</strong>e schwarz Erbse - war zwar<br />

e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>töniger Speisepl<strong>an</strong> und wo es gekocht wurde, k<strong>an</strong>n ich heute noch nicht g<strong>an</strong>z genau sagen.<br />

Es waren - so me<strong>in</strong>e ich - zwei Frauen, Frau Bendschneider gehörte wohl dazu. Alle zehn Tage gab<br />

es pro Arbeitskraft e<strong>in</strong> Eimer Sauerkraut, e<strong>in</strong> Brot. K<strong>in</strong>der und alte Menschen bekamen da nicht.<br />

Später gab es auch etwas Geld, mal mehr, mal weniger. Me<strong>in</strong>e Mutter sagte immer: " Wenn Iw<strong>an</strong> <strong>in</strong><br />

die Tasche greift gibt es viel, <strong>an</strong>dernfalls wenig". E<strong>in</strong>e Zeit arbeitete ich als Apothekenhelfer<strong>in</strong> mit<br />

e<strong>in</strong>em Tierarzt zusammen. E<strong>in</strong>e Weile g<strong>in</strong>g es g<strong>an</strong>z gut, bis mir der Dr. zu sehr auf die Pelle rücken<br />

wollte. Ich n<strong>an</strong>nte ihn e<strong>in</strong> russische Schwe<strong>in</strong>, bekam e<strong>in</strong>e Ohrfeige und r<strong>an</strong>nte was das Zeug hält<br />

davon. Nun arbeitete ich bei den Polen auf dem Hof von Gast-Alfred. E<strong>in</strong>es Tages kam aber der Iw<strong>an</strong><br />

und forderte mich auf, im Dom<strong>in</strong>ium zu arbeiten. Ich nahm mir e<strong>in</strong>en Eimer, g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> den Kuhstall und<br />

lies Iw<strong>an</strong> sitzen. Um 13 Uhr war er wieder da, doch jetzt wurde es ernst. "In zehn M<strong>in</strong>uten trittst Du<br />

De<strong>in</strong>e Arbeit <strong>an</strong>" war se<strong>in</strong> drohender Befehl. Ich lief nach Hause, packte etwas Wäsche en und floh<br />

durch das H<strong>in</strong>terfenster, da Iw<strong>an</strong> die Haustür e<strong>in</strong>schlug.<br />

In <strong>Reichenbach</strong> f<strong>an</strong>d ich Arbeit bei e<strong>in</strong>em Juden. Sie hatten den Textiladen von Eitner-Paul. In<br />

<strong>Lauterbach</strong> dufte ich mich natürlich nicht mehr sehen lassen. Dennoch schlich ich mich e<strong>in</strong>ige Male<br />

durch die Eichberge, musste aber vor Tages<strong>an</strong>bruch wieder das Dorf verlassen. Auf diesen<br />

nächtlichen Trips waren mir die Eichberge immer etwas unheimlich . Inzwischen hatte sich der Iw<strong>an</strong><br />

wieder beruhigt und so durfte ich nach Hause kommen. Arbeiten tat ich hier und dort bei<br />

verschiedenen Polen . E<strong>in</strong>es Tages hörte ich lautes Gebrüll aus unserer Küche. Da sah ich den<br />

"Sat<strong>an</strong>" - den wir wegen se<strong>in</strong>er Grausamkeiten so n<strong>an</strong>nten - der mit e<strong>in</strong>em Messer me<strong>in</strong>e Mutter<br />

bedrohte. Ich schaute ihn <strong>in</strong> die Augen und gab ihm mit Gesten zu verstehen: "Das nicht gut". Zu<br />

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me<strong>in</strong>er Überraschung erzielte ich damit Wirkung. Er ließ los und forderte mich aus <strong>in</strong> zehn M<strong>in</strong>uten<br />

die Küche und das Haus zu verlassen. Waladja kam h<strong>in</strong>zu, ich bat ihn , noch den Speisenschr<strong>an</strong>k<br />

ausräumen zu dürfen, dem er überraschend auch zu stimmte.<br />

Wir wussten nicht, woh<strong>in</strong> <strong>in</strong> dieser Nacht. Wir verteilten uns auf verschiedene Polenfamilien und bei<br />

Frau Kabitzki. Am nächsten Morgen zogen wir <strong>in</strong> die Wohnung von Frau Berta Heimlich <strong>an</strong> der<br />

Dorfstraße, etwas unterhalb von Bauer Frieba-Mart<strong>in</strong>. Nun arbeiteten wir bei Genneck, dem<br />

Bürgermeister, er hatte sich auf dem Hof von Brosig breit gemacht. Nur Bruder Paul blieb bei den<br />

Russen mit e<strong>in</strong>em Pferdegesp<strong>an</strong>n. Später - es war der 17. Juni 1947 - verhalf uns Genneck zur<br />

Flucht nach Deutschl<strong>an</strong>d. Über Kohlfurt l<strong>an</strong>deten wir d<strong>an</strong>n im <strong>Kreis</strong> Salzwedel. Hierher kam auch<br />

me<strong>in</strong> Vater aus Bayreuth und Bruder Erich aus dem Odenwald zu uns. E<strong>in</strong> g<strong>an</strong>z neuer<br />

Lebensabschnitt beg<strong>an</strong>n.<br />

Jahr für Jahr verg<strong>in</strong>gen. Inzwischen s<strong>in</strong>d die Eltern, die Brüder Erich, Willi, Horst verstorben. Auch<br />

die Frau me<strong>in</strong>es Bruders Paul, ebenfalls me<strong>in</strong> M<strong>an</strong>n s<strong>in</strong>d nicht mehr unter uns. Von der e<strong>in</strong>st<br />

siebenköpfigen Familie s<strong>in</strong>d nur noch me<strong>in</strong> Bruder Paul und ich übrig.<br />

Goldene Hochzeit von Frieda Rubbert. Die<br />

K<strong>in</strong>der von l<strong>in</strong>ks: Wilfried, Mutter Frieda, Silvio,<br />

Sigrun, Rolf<br />

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Enkel von l<strong>in</strong>ks: Steven, T<strong>in</strong>o auf dem<br />

Arm Anja, Stef<strong>an</strong>, Thomas, Mart<strong>in</strong>,<br />

Dennis<br />

Das Leben geht jedoch auch ohne der Erlebnisgeneration , die Vertreibung und Elend des Krieges<br />

überlebt haben, weiter. Frieda Rubbert hat vier K<strong>in</strong>dern das Leben geschenkt. Inzwischen ist sie<br />

stolze Oma und Uroma. Ihr g<strong>an</strong>zer Stolz s<strong>in</strong>d neben ihren vier K<strong>in</strong>der natürlich die vierzehn Enkel<br />

und 9 Urenkel. Wenn sie e<strong>in</strong>mal älter werden, wird sie mehr als heute das Leben und der Lebensweg<br />

ihrer Vorfahren <strong>in</strong>teressieren. Und bei diesem Blick <strong>in</strong> die Verg<strong>an</strong>genheit wird auch immer wieder das<br />

Schicksal der Vertreibung und das Leid während und nach dem zweiten Weltkrieg lebendig. Die<br />

Vertriebenen haben Großes beim Wiederaufbau Deutschl<strong>an</strong>ds geleistet, sie haben wenig<br />

Verständnis erfahren bei den Deutschen, die nicht ihr Schicksal teilen mussten. Mit dem Verlust und<br />

Raub ihrer Heimat haben sie für die Taten e<strong>in</strong>er deutschen M<strong>in</strong>derheit mehr bezahlen müssen als die<br />

Menschen, die <strong>in</strong> ihrer Heimat bleiben durften. Die Menschen der Erlebnisgeneration haben aber<br />

noch den Wunsch, dass über das Vertreibungsschicksal ehrlich und unverfälscht berichtet wird und<br />

dass diese Vertreibung schon 1946 gegen geltendes Völkerrecht durchgeführt wurde. Ihr Leid hätte<br />

wenigstens e<strong>in</strong>e Signalwirkung, wenn sich die Völker der Welt dafür e<strong>in</strong>setzen, dass niemals wieder<br />

e<strong>in</strong>e solche Massenvertreibung von Millionen von Menschen aus ihrer <strong>an</strong>gestammten Heimat<br />

möglich ist.


Sohn Silvio mit Enkel<strong>in</strong> Anja <strong>in</strong> Österreich Sohn Silvio, Schwiegertochter und<br />

Enkelsohn Steven <strong>in</strong> Warendorf<br />

2000<br />

v.l. V<strong>an</strong>essa, Leonie, Je<strong>an</strong>ett (Mutter<br />

N<strong>an</strong>cy) Angelika,Jeremie, Michelle<br />

(Vater Timo)<br />

Towart Stefen Rubbert zweite Reihe,<br />

zweiter von l<strong>in</strong>ks. Erfolgreicher<br />

Keeper<br />

Seite 80 von 102


Je<strong>an</strong>et, Tochter von Sohn Rolf<br />

1983 mit 1,5 Jahren <strong>an</strong> Leukämie gest.<br />

Anja, Tochter von Silvio<br />

Dazu gehört Bruder Steven<br />

Maja, Tochter von Enkel Stef<strong>an</strong><br />

Fabien, Tocher von Enkel Thomas<br />

Beide Väter s<strong>in</strong>d Söhne von Tochter Sigrun<br />

Zwill<strong>in</strong>ge Just<strong>in</strong> und Jenny , Vater ist<br />

Sohn Silvio<br />

S<strong>an</strong>dra, Tochter von Silvio<br />

Seite 81 von 102<br />

Urenkel H<strong>an</strong>na, Tochter von Enkel<br />

Steven. Vater von Steven ist Sohn<br />

Silvio<br />

Die Nachkommen von Karl Ha<strong>in</strong>ke und se<strong>in</strong>er Ehefrau Anna Karbe.<br />

Karl Ha<strong>in</strong>ke, Kretschmer der Gaststätte <strong>in</strong> den <strong>Lauterbach</strong>er Straßenhäuser, hat e<strong>in</strong>e impos<strong>an</strong>te<br />

Lebensgeschichte und mit se<strong>in</strong>er großen Nachkommenschaft viele Spuren h<strong>in</strong>terlassen. Se<strong>in</strong>e Eltern<br />

waren Schiffseigner und schipperten auf der Oder unterschiedlichste Frachten von Oberschlesien bis


zur Ostsee. Da der Sohn Karl e<strong>in</strong>e feste Bleibe haben sollte, vere<strong>in</strong>barten sie mit e<strong>in</strong>em L<strong>an</strong>dwirt<br />

ohne K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>e Betreuung ihres Sohnes. Karl wurde zwar für alle Arbeiten auf dem Bauernhof<br />

e<strong>in</strong>gesetzt, aber - wie sich erst viel später herausstelle, nicht <strong>in</strong> die Schule geschickt. Se<strong>in</strong>e<br />

Berufstätigkeit beg<strong>an</strong>n er als sog. Friedrich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Hotel <strong>in</strong> Schweidnitz, dazu würde m<strong>an</strong> heute<br />

wohl Hausmeister sagen. Dort arbeitete e<strong>in</strong>e Kaltmamsell, Anna Karbe, die diesen fleißigen<br />

"Friedrich" <strong>in</strong> ihr Herz geschlossen hatte. Durch Fleiß und Sparsamkeit pachteten die beiden <strong>in</strong> den<br />

"Praußhäusern" , <strong>an</strong> der Straßenkreuzung Eichberge-<strong>Reichenbach</strong> und Stoschendorf-Olbersdort -<br />

den Kratschem und lebten von den E<strong>in</strong>nahmen, die vor allem die rastenden Fuhrleute mit ihren<br />

Gesp<strong>an</strong>nen dort sicherten. Karl hatte sich <strong>in</strong>zwischen das Lesen und Schreiben auf e<strong>in</strong>er alten<br />

Schiefertafel selbst leidlich beigebracht. Se<strong>in</strong> Talent wurde durch die Fähigkeiten se<strong>in</strong>er Anna zu<br />

e<strong>in</strong>er Erfolgsgeschichte, die <strong>in</strong> der damaligen Zeit se<strong>in</strong>esgleichen sucht. Schon nach wenigen Jahren<br />

konnten sich die Beiden e<strong>in</strong>e Gaststätte <strong>in</strong> den <strong>Lauterbach</strong>er Straßenhäusern kaufen. Diese lag <strong>an</strong><br />

der viel befahrenen Straße zwischen Heidersdorf und Schweidnitz. In unmittelbarer Nähe gehörte der<br />

Familie auch e<strong>in</strong>e S<strong>an</strong>dgrube, die e<strong>in</strong>e willkommene Ergänzung des E<strong>in</strong>kommens aus der Gaststätte<br />

war.<br />

Insgesamt wurden dem Ehepaar neun K<strong>in</strong>der geschenkt. Der älteste Sohn war Herm<strong>an</strong>n, er<br />

übernahm später die Gaststätte, S<strong>an</strong>dgrube und den Hof. Herrm<strong>an</strong>n heiratete die Herzog-Maria. Sie<br />

hatten zwei K<strong>in</strong>der, den Bernhard und die Margarete. Maria starb im jugendlichen Alter und Herm<strong>an</strong>n<br />

heiratete Gertrud Friebe. Ihr Bruder Mart<strong>in</strong> hatte e<strong>in</strong>e L<strong>an</strong>dwirtschaft gegenüber dem Felisgasthaus.<br />

Die Geschwister waren aus Pompsen bei Jauer nach <strong>Lauterbach</strong> wegen der Übernahme der<br />

L<strong>an</strong>dwirtschaft gezogen. In Familienkreisen war Gertrud immer nur die "Pumpsa-Trude" und wir<br />

K<strong>in</strong>der hatten natürlich bei diesem Namen unsere eigenen Ged<strong>an</strong>ken. K<strong>an</strong>nten wir doch damals<br />

auch noch nicht das Dorf Pompsen. Der zweiten Ehe von Herm<strong>an</strong>n waren drei K<strong>in</strong>der geschenkt,<br />

Margot, Günther, Klaus. Herm<strong>an</strong>n war im Dorf bek<strong>an</strong>nt und sehr beliebt, e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Voraussetzung für die erfolgreiche Führung e<strong>in</strong>er Gaststätte. Als Feuerwehrhauptm<strong>an</strong>n k<strong>an</strong>nte ihn<br />

jedes K<strong>in</strong>d im Dorfe und wollte gern so werden wie der fest zupackende Hauptm<strong>an</strong>n. Unter se<strong>in</strong>er<br />

Führung schaffte sich die <strong>Lauterbach</strong>er Feuerwehr auch die erste Motorspritze mit Fahrzeug <strong>an</strong>. Wir<br />

K<strong>in</strong>der durften damals e<strong>in</strong>e Fahrt über P<strong>an</strong>thenau, Groß-Ellguth , Eichberge nach <strong>Lauterbach</strong><br />

mitmachen. E<strong>in</strong> Erlebnis, welches sich besonders <strong>in</strong> die Regale der Er<strong>in</strong>nerung e<strong>in</strong>sortiert hat.<br />

Herm<strong>an</strong>n war auch e<strong>in</strong> flotter Tänzer. Noch beim Schlesiertreffen <strong>in</strong> Nürnberg glühten die Augen der<br />

älteren Damen, die damals bei e<strong>in</strong>em Straußwalzer von ihm über das Parkett geführt worden s<strong>in</strong>d.<br />

Die g<strong>an</strong>ze Familie wurden - wie Millionen von Schlesier und Ostdeutschen - 1946 aus Ihrer<br />

<strong>an</strong>gestammten und ererbten Heimat vertrieben. Es existiert noch e<strong>in</strong>e Anmeldung bei der<br />

polizeilichen Meldebehörde vom 25. April 1946, dass diese Familie bei dem Bauern Ohlendorf <strong>in</strong><br />

Badenhausen e<strong>in</strong>quartiert wurde. Auf der Liste fehlt der Sohn Bernhard, der nach dem Krieg <strong>in</strong><br />

Schleswig-Holste<strong>in</strong> l<strong>an</strong>dete, dort Lisbeth Guthm<strong>an</strong>n heiratete, die den Sohn Bernd <strong>in</strong> die Ehe<br />

brachte. Die Eheleute bekamen den Sohn M<strong>an</strong>fred. Der Familienname Ha<strong>in</strong>ke wird aber <strong>in</strong> diesem<br />

Stammbaumzweig nicht weiter gegeben, weil M<strong>an</strong>fred und se<strong>in</strong>e Frau ke<strong>in</strong>e weiblichen<br />

Nachkommen haben.<br />

Margarete brachte ihren Sohn Edmund noch <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> zur Welt. Er ist der letzte <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>(<br />

12.11.1945 ) -kurz vor der Vertreibung am 19. April 1945 -Geborene. Er wurde später von dem<br />

Ehem<strong>an</strong>n Rackow adoptiert und trägt den Namen Ha<strong>in</strong>ke dadurch auch nicht <strong>in</strong> die Zukunft. Edmund<br />

heiratete Marita Sprengel, sie haben die Tochter Pamela.<br />

Margot heiratete den Sohn von Bäckermeister Behrens aus Badenhausen. Ihm gehörte auch e<strong>in</strong>e<br />

Gaststätte und so kehrte Margot beruflich sozusagen zurück zu den heimatlichen Wurzeln. Das<br />

Talent, solch e<strong>in</strong> Geschäft zusammen mit ihrem Ehem<strong>an</strong>n zu führen ist sicher durch die Gene von<br />

Opa Karl über Vatel Herm<strong>an</strong>n weiter gegeben worden. Zu der Gaststätte gehörte auch e<strong>in</strong> Saal, <strong>in</strong><br />

dem nicht nur Feste gefeiert wurden, sondern auch die Tischtennisplatten aufgestellt und Turniere<br />

abgehalten wurden. Aus der Ehe gehen die Söhne H<strong>an</strong>s-Georg und Uwe Behrens hervor. H<strong>an</strong>s-<br />

Georg (geb. 2.06.1949) und se<strong>in</strong>e Frau Sonja Klawitter haben die Tochter T<strong>an</strong>ja. Uwe Behrens<br />

(geb.4.3.1956) heiratete Angela Nagel. Sie haben Sohn Trist<strong>an</strong> und Tochter Therese.<br />

Günther Ha<strong>in</strong>ke heiratete die Badenhäuser<strong>in</strong> Gerda . Ihr Sohn Jürgen, (geb. 25.3.1955) hat Reg<strong>in</strong>a<br />

Möhrke geheiratet hat und die Töchter Verena und Cor<strong>in</strong>na s<strong>in</strong>d ihr g<strong>an</strong>zer Stolz.<br />

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Artur Ha<strong>in</strong>ke, der Bruder von Herrm<strong>an</strong>n ist nach dem ersten Weltkrieg verunglückt. Er war bei e<strong>in</strong>em<br />

Sprengkomm<strong>an</strong>do <strong>in</strong> Oels bei Breslau. Als e<strong>in</strong>e Sprengladung nicht zündete - und das trotz sehr<br />

l<strong>an</strong>gem Wartens-, machten sich E<strong>in</strong>ige auf den Weg um die Ursache zu klären. Als sie vor Ort waren,<br />

zündete die Sprengladung sehr verspätet und alle Kameraden waren sofort tot. In Oels wurde<br />

damals e<strong>in</strong> Denkmal aufgestellt. Artur wurde <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> beerdigt und ließ se<strong>in</strong>e traurige Verlobte<br />

Anna zurück. Se<strong>in</strong> Grabste<strong>in</strong> war zusammen mit dem von Anna Karbe, se<strong>in</strong>er Mutter, e<strong>in</strong>er der<br />

wenigen die während der Polenzeit auf dem <strong>Lauterbach</strong>er Friedhof von den vertriebenen Deutschen<br />

kündeten.<br />

Karl Ha<strong>in</strong>ke verlor se<strong>in</strong> Leben im zweiten Weltkrieg. Er hatte zusammen mit se<strong>in</strong>er Frau e<strong>in</strong><br />

Fuhrunternehmen <strong>in</strong> Beuthen <strong>an</strong> der Oder. Nach dem Krieg arbeitete se<strong>in</strong>e Witwe Lucia <strong>in</strong> Friedl<strong>an</strong>d<br />

und wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Die Familie hatte die K<strong>in</strong>der Klaus, Inge<br />

und Anneliese. Inge w<strong>an</strong>derte nach Australien aus, starb dort aber sehr jung.<br />

Ewald Ha<strong>in</strong>ke war Soldat und hatte Gertrud Sack geheiratet. Sie wohnten <strong>in</strong> Breslau. Die erste<br />

Tochter starb sehr früh, die zweite Tochter Ruth heiratete <strong>in</strong> L<strong>an</strong>gelsheim am Harz Berthold Pfeil.<br />

Zusammen hatten sie vier Söhne. Die Frau von Ewald war e<strong>in</strong>e moderne Frau, e<strong>in</strong>e Städter<strong>in</strong>, die<br />

immer großes Aufsehen bei ihren Besuchen auf dem L<strong>an</strong>de erregte. Schon ihr "Outfit" war immer auf<br />

dem neuesten St<strong>an</strong>d, seien es der damals beliebte "Bubikopf" oder die jeweils aktuelle Mode.<br />

Frauen, die rauchten, waren damals selten. Sie rauchte Attika und deshalb war sie <strong>in</strong> der<br />

Verw<strong>an</strong>dtschaft nur die "T<strong>an</strong>te Attika". Sie war bei Jung und Alt . vor allem aber bei den Männern -<br />

sehr beliebt.<br />

Felix Ha<strong>in</strong>ke und Ida Schöbel wohnten <strong>in</strong> Schönau. Felix war gelernter Tischler. Sie hatten den Sohn<br />

Klaus. Felix war <strong>in</strong> Gef<strong>an</strong>genschaft und arbeitete <strong>in</strong> belgischen Bergwerken. Se<strong>in</strong>e Frau Ida und der<br />

Sohn Klaus kamen sehr spät durch Vermittlung des DRKs <strong>in</strong> die Bundesrepublik. Sie arbeiteten <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Seniorenheim St. Antonius <strong>in</strong> Wiesbaden. Der Sohn Klaus hat e<strong>in</strong>en Sohn und die Tochter<br />

Claudia.<br />

Der jüngste Sohn von Karl Ha<strong>in</strong>ke ist Georg. Er hat Klempner gelernt und hatte sehr früh e<strong>in</strong><br />

Motorrad, war leidenschaftlicher Techniker. Nach Krieg und Entlassung aus amerik<strong>an</strong>ischer<br />

Gef<strong>an</strong>genschaft beg<strong>an</strong>n er <strong>in</strong> Wiesbaden aus Stahlhelmen Töpfe zu machen. Er hatte schon über<br />

dreißig Angestellte, konnte sich aber gegen die aufblühende Industrie nicht durchsetzen. Deshalb<br />

wurde er Autohändler und hat das ererbte Verh<strong>an</strong>dlungsgeschick se<strong>in</strong>es Vaters bei allen se<strong>in</strong>en<br />

erfolgreichen Geschäften pfiffig e<strong>in</strong>gesetzt. Nachdem se<strong>in</strong>e schlesische Ehe gescheitert war, se<strong>in</strong>e<br />

Frau lebte d<strong>an</strong>ach mit e<strong>in</strong>er Partner<strong>in</strong>, heiratete Georg e<strong>in</strong>e Wiesbadener Witwe mit Sohn Jürgen.<br />

Onkel Georg starb mit viel Geld auf dem Konto, das auch se<strong>in</strong>en Zigarettenautomaten e<strong>in</strong>gespielt<br />

hatten. Er war e<strong>in</strong> typischer Schlesier und konnte aus jeder Situation etwas S<strong>in</strong>nvolles und<br />

Erfolgreiches zaubern.<br />

Hedwig ist die älteste Tochter von Karl und Anna. Sie heiratete den L<strong>an</strong>ger-Josef auch <strong>Lauterbach</strong>.<br />

E<strong>in</strong> Zimmerm<strong>an</strong>n. Ihr Häuschen <strong>in</strong> Heidersdorf <strong>in</strong> der neuen Siedlung gegenüber dem neuen<br />

Bahnhof war immer e<strong>in</strong>e Puppenstube. In der fühlte ich mich als Bauernsohn, der das Rustikalere<br />

gewöhnt war selten wohl. Denn dauernd gab es Ermahnungen etwas schmutzig oder kaputt zu<br />

machen. Ihr erstes K<strong>in</strong>d ist gestorben, d<strong>an</strong>ach hatten die die Söhne Hubert und Alfred. Hubert war <strong>in</strong><br />

Bielefeld verheiratet, starb sehr früh, arbeitete zuletzt bei den Stadtwerken als Schaffner. Alfred ist <strong>in</strong><br />

München als Stadtgärtner <strong>in</strong> Rente geg<strong>an</strong>gen .Mit se<strong>in</strong>er Frau Ritsch führte er e<strong>in</strong>e glückliche Ehe.<br />

Er war <strong>in</strong> all den Jahren e<strong>in</strong> Bayer geworden, sowohl <strong>in</strong> Sprache als auch <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>stellung, liebte<br />

aber nach wie vor se<strong>in</strong>e schlesische Heimat. Als Junge aß er gern und er würde gehänselt mit "<br />

Nimm doas Löffela und mach pobse, pobse".<br />

Über die Tochter Klara Ha<strong>in</strong>ke gibt die Familiengeschichte vom Ehem<strong>an</strong>n Jacobowsky-Alfons<br />

Auskunft.<br />

Die Tochter Gertrud Ha<strong>in</strong>ke heiratete e<strong>in</strong>e Dekorateur , den Meier. Sie wohnten <strong>in</strong> Breslau und hatten<br />

die Tochter Dorchen und den Sohn Theo. Theo verunglückte mit ca. zw<strong>an</strong>zig Jahren beim Üben mit<br />

e<strong>in</strong>er P<strong>an</strong>zerfaust. Der Feuerstrahl gab ihm ke<strong>in</strong>e Überlebensch<strong>an</strong>ce. Die Vertreibung schlug das<br />

Ehepaar und die Tochter nach München. Wer Gertrud <strong>in</strong> den letzten Jahren erlebt, me<strong>in</strong>te e<strong>in</strong>e<br />

Urmünchner<strong>in</strong> zu treffen. Ihre Ehe wurde geschieden. Ihr M<strong>an</strong>n arbeitete <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Münchner Hotel<br />

und übte die Tätigkeit aus, die se<strong>in</strong> Schwiegervater e<strong>in</strong>st <strong>in</strong> Schweidnitz - zu Beg<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>er Karriere -<br />

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ausfüllte. Die Tochter Dorchen war schon <strong>in</strong> Breslau im Büro. Sie heiratete e<strong>in</strong>en M<strong>an</strong>n aus der<br />

L<strong>an</strong>dmasch<strong>in</strong>enbr<strong>an</strong>che und hatte mit ihm zwei Mädchen. Leider starb sie sehr früh und ließ die<br />

beiden noch sehr jungen K<strong>in</strong>der alle<strong>in</strong> mit ihrem Vater zurück.<br />

Die Familie mit schlesischen Wurzeln, deren Vorfahren alle <strong>in</strong> schlesischer Erde ruhen, ist durch die<br />

Vertreibung ause<strong>in</strong><strong>an</strong>dergerissen, durch den Krieg dezimiert und aller erworbenen Eigentümer<br />

völkerrechtswidrig beraubt worden. Sie f<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> der "Stunde- Null Deutschl<strong>an</strong>ds" mit Null <strong>an</strong> und<br />

haben mit schlesischem Überlebungswillen, Fleiß und Sparsamkeit e<strong>in</strong> neues und oft auch<br />

erfolgreiches Leben begonnen. Obwohl Karl und Anna Ha<strong>in</strong>ke fünf Jungen mit ihrem Namen auf die<br />

Weltreise geschickt haben, ist <strong>in</strong> der fünften Generation ke<strong>in</strong> Stammhalter mit dem Traditionsnamen<br />

des schlesischen, <strong>Lauterbach</strong>er Kretschmer Karl Ha<strong>in</strong>ke<br />

Bildergalerie zur Familiengeschichte der Ha<strong>in</strong>ke aus <strong>Lauterbach</strong>/<strong>Kreis</strong> <strong>Reichenbach</strong>.<br />

Karl Ha<strong>in</strong>ke und Anna, geb.<br />

Karbe<br />

Familie Karl Ha<strong>in</strong>ke <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong><br />

Hochzeit Herm<strong>an</strong>n Ha<strong>in</strong>ke mit se<strong>in</strong>er ersten Frau Maria Herzog<br />

K<strong>in</strong>der: Bernhard und Margarete<br />

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Herrm<strong>an</strong>n Ha<strong>in</strong>ke und Gertrud<br />

Friebe K<strong>in</strong>der:<br />

Margot,Günther;Klaus<br />

Hochzeit vonGünther Ha<strong>in</strong>ke<br />

und Gerda<br />

Margot, Grete, Gerda,<br />

Günther, Klaus es fehlt<br />

Bernhard<br />

Margot Behrens,<br />

geb. Ha<strong>in</strong>ke und<br />

Sohn H<strong>an</strong>s-Georg<br />

Margots Hochzeit<br />

mit Georg<br />

Behrens<br />

Hochzeit der Tochter Gertrud <strong>in</strong> Karl Ha<strong>in</strong>kes Gasthof <strong>in</strong><br />

<strong>Lauterbach</strong> <strong>in</strong> den Straßenhäusern. K<strong>in</strong>der Dorchen und<br />

Theo<br />

Herm<strong>an</strong>n Ha<strong>in</strong>ke und<br />

Sohn Klaus bei<br />

Ohlendorf auf dem Hof<br />

H<strong>an</strong>s-Georg und<br />

Uwe Behrens<br />

Familie Frenzel<br />

Von <strong>Lauterbach</strong> am Eulengebirge nach Dreieichenha<strong>in</strong> <strong>in</strong> Hessen.<br />

Seite 85 von 102<br />

Günther Ha<strong>in</strong>ke als<br />

Pferdeführer bei Ohlendorf<br />

Margot, H<strong>an</strong>s-Georg<br />

Behrens und Herta Sowa,<br />

geb. Dierich , Tochter<br />

vom Flescher aus<br />

<strong>Lauterbach</strong>


Quellen: Familienalbum , Berichte von Günther Baum.<br />

Elternhaus <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>, Straßenseite Hofseite , Foto bei e<strong>in</strong>em Besuch<br />

Hubert Frenzel wurde am 9. März 1923 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Heimatdorf <strong>Lauterbach</strong> <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong>, südlich<br />

des Zobtens geboren. Der Heilige Berg der Schlesier konnte <strong>in</strong> die Wohnstuben und Höfe der<br />

<strong>Lauterbach</strong>er alles beobachten. Huberts Eltern, Marta und Karl Frenzel, schenkten noch neun<br />

Geschwistern das Leben. E<strong>in</strong> Mädel, die Martel , ist schon mit zehn Jahren <strong>an</strong> Masern<br />

gestorben. Solche K<strong>in</strong>derschar war damals <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> ke<strong>in</strong>e Seltenheit. Alle K<strong>in</strong>der konnten<br />

natürlich nicht den Hof oder Beruf des Vaters weiter führen. Sie machten irgendwo e<strong>in</strong>e Lehre.<br />

Die Städte zogen die Menschen aus den Dörfern wie das Licht die Motten <strong>in</strong> ihren B<strong>an</strong>n.<br />

Familie Frenzel ist damit e<strong>in</strong>e typische schlesische Familie, wie es Tausende <strong>in</strong> der Zeit<br />

zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg gab. Das Dorf gehört zur <strong>Kreis</strong>stadt <strong>Reichenbach</strong>,<br />

die <strong>in</strong> der schlesischen Geschichte ke<strong>in</strong>e unbedeutende Rolle gespielt hat und auf<br />

entscheidende Ereignisse <strong>in</strong> ihrer über 750-jährigen deutschen Geschichte verweisen k<strong>an</strong>n.<br />

Das historisch wichtigste Ereignis war wohl das Treffen der Gegner Napoleons. Sogar der<br />

russische Zar besuchte die Stadt und hier wurde das Netz gegen den fr<strong>an</strong>zösischen Kaiser –<br />

Napoleon Bonaparte – gesponnen, <strong>in</strong> dem er und se<strong>in</strong>e bis dah<strong>in</strong> erfolgreiche Armee sich<br />

verf<strong>an</strong>gen sollten. Marschall „Vorwärts“, der berühmte Feldmarschall Blücher gew<strong>an</strong>n <strong>an</strong> der<br />

Katzbach e<strong>in</strong>e erste aber entscheidende Schlacht und trieb die geschlagene Armee über den<br />

Rhe<strong>in</strong>. Bei Waterloo wurde er erneut gestellt. Well<strong>in</strong>gton, der englische Heerführer war am<br />

Ende se<strong>in</strong>er Kraft. Berühmt se<strong>in</strong> Ausspruch: „ Ich wollte es würde Nacht oder die Preußen<br />

kämen“. Und sie kamen, sahen und siegten, fast wie der berühmte römische Feldherr Cäsar.<br />

Napoleon wurde auf e<strong>in</strong>e Insel verb<strong>an</strong>nt, von wo er e<strong>in</strong>en allerd<strong>in</strong>gs erfolglosen Neubeg<strong>in</strong>n<br />

versuchte. Beim Wiener Kongress wurde nicht nur get<strong>an</strong>zt, sondern Europa erhielt nach dem<br />

Unterg<strong>an</strong>g Napoleons e<strong>in</strong> <strong>an</strong>deres Gesicht. <strong>Schlesien</strong> erholte sich und se<strong>in</strong>e Industrie machte<br />

bemerkenswerte Fortschritte und war führend <strong>in</strong> Europa beim E<strong>in</strong>satz neuer Technologien.<br />

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Die Eltern Marta u.Karl Frenzel <strong>in</strong><br />

<strong>Lauterbach</strong><br />

5. v.l. Karl Frenzel mit se<strong>in</strong>en Söhnen und Töchtern nach der<br />

Vertreibung, 2. v. rechts Hubert Frenzel<br />

Bei der Geburt von Frenzel Hubert war der erste Weltkrieg gerade erst vier Jahre zu Ende.<br />

Deutschl<strong>an</strong>d hatte sich davon noch nicht erholt und litt sehr unter dem undiplomatischen,<br />

diktierten Friedensvertrag von Versailles. 1921 musste Deutschl<strong>an</strong>d e<strong>in</strong>e weitere Schmach<br />

h<strong>in</strong>nehmen. Trotz e<strong>in</strong>er für Deutschl<strong>an</strong>d erfolgreichen Volksabstimmung <strong>in</strong> Oberschlesien<br />

wurden die wichtigsten Lagerstätten von Kohle und Erzen mit den entsprechenden, sehr<br />

fortschrittlichen Industrie<strong>an</strong>lagen den Polen zugesprochen. Deutschl<strong>an</strong>d hatte schon damals<br />

unter den maßgeblichen Ländern des Völkerbundes ke<strong>in</strong>e wohlme<strong>in</strong>ende Freunde. In e<strong>in</strong>er<br />

bemerkenswerten Rede prophezeite der schlesische Nobelpreisträger für Literatur, Gerhard<br />

Hauptm<strong>an</strong>n, dass der Knebelvertrag von Versailles und die völkerrechtswidrige L<strong>an</strong>dnahme <strong>in</strong><br />

Oberschlesien Ause<strong>in</strong><strong>an</strong>dersetzungen und Kriege generieren würden, viel schlimmer als der<br />

erste Weltkrieg. Hauptm<strong>an</strong>n sollte sich nicht irren, die politische Entwicklung schien<br />

unaufhaltsam. 1939 beg<strong>an</strong>n e<strong>in</strong> zweiter Weltkrieg. Nie wurden so viele Menschen getötet,<br />

vertrieben, verschleppt. Auch nach diesem Krieg h<strong>an</strong>delten die Siegermächte nicht<br />

zukunftorientiert im S<strong>in</strong>ne der Sicherung des Friedens und guter Partnerschaft, sondern<br />

h<strong>an</strong>delten mit der Vertreibung von fast 15 Millionen von Deutschen gegen schon damals<br />

geltendes Völkerrecht.<br />

Fast jede Familie von den am Kampfgeschehen beteiligten Ländern hatte Tote, Verwunde oder<br />

Vermisste zu beklagen.<br />

Hubert Frenzel war zu Beg<strong>in</strong>n des Krieges gerade 16 Jahre. Er gehört somit zu den<br />

Jahrgängen, die durch diesen Menschen verschl<strong>in</strong>genden Krieg um die schönste Zeit ihres<br />

Lebens – die Jugend – betrogen worden s<strong>in</strong>d. Mit e<strong>in</strong>em bemerkenswert guten Zeugnis<br />

schloss Hubert die Volksschule <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> ab. Weitsichtig, wie er schon damals war und<br />

dazu technisch besessen, machte er e<strong>in</strong>e Lehre <strong>in</strong> der <strong>Kreis</strong>stadt <strong>Reichenbach</strong> als<br />

Kraftfahrzeugschlosser. Gleich nach Abschluss der Lehre kam der zu der damaligen Zeit<br />

obligatorische E<strong>in</strong>berufungsbescheid für diese Generation. Aufgrund se<strong>in</strong>er technischen<br />

Ausbildung l<strong>an</strong>dete er bei e<strong>in</strong>em Werkstattzug der Luftwaffe und hatte es mit Motoren<br />

verschiedenster Fabrikate zu tun. Mit Ehrgeiz und Ph<strong>an</strong>tasie aber viel mehr noch mit<br />

technischem Verständnis erarbeitete er sich die notwendigen Kenntnisse, um auch den<br />

aussichtslos ersche<strong>in</strong>enden Schadensfall wieder zu reparieren. Se<strong>in</strong> Zug war <strong>an</strong> der<br />

Russl<strong>an</strong>dfront e<strong>in</strong>gesetzt. Etappenruhe und L<strong>an</strong>derkundung – wie <strong>an</strong> m<strong>an</strong>chen Fronten – war<br />

hier g<strong>an</strong>z selten auf dem Programm. Hier <strong>an</strong> der russischen Front wurde der Gegner nach<br />

<strong>an</strong>fänglichen Niederlagen <strong>in</strong> großen Kesselschlachten immer aggressiver. Ausgerüstet mit<br />

modernsten weißen Tarn<strong>an</strong>zügen und Kriegsmaterial durch die verbündeten Amerik<strong>an</strong>er<br />

gel<strong>an</strong>g es, die Front vor Moskau zum Stehen zu br<strong>in</strong>gen und die Niederlagen <strong>in</strong> Stal<strong>in</strong>- und<br />

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Len<strong>in</strong>grad abzuwenden. Der außerordentlich strenge W<strong>in</strong>ter, Schneemassen und die<br />

schlechte Versorgungslage der Wehrmacht mit der dr<strong>in</strong>gend notwendigen W<strong>in</strong>terbekleidung,<br />

führten zu dem bek<strong>an</strong>nten Chaos <strong>an</strong> der Ostfront. Das Kriegsglück – wenn m<strong>an</strong> davon<br />

überhaupt bei Millionen von Toten reden k<strong>an</strong>n – hatte die Seiten gewechselt. So wie die<br />

Russen von den Deutschen <strong>in</strong> Kesselschlachten nach Osten getrieben wurden, trieben jetzt<br />

die Sowjets die deutsche Wehrmacht zurück <strong>in</strong>s Reich. Weichsel und Oder – ja sogar der von<br />

den russischen Generälen gefürchtete Ostwall waren ke<strong>in</strong> ernstliches H<strong>in</strong>dernis mehr. Die<br />

führenden Generäle der Sowjet konnten es nicht glauben, dass der deutsche Widerst<strong>an</strong>d so<br />

schnell zusammen gebrochen war. Aber hier fehlte es auch <strong>an</strong> Allem. Ke<strong>in</strong> Benz<strong>in</strong>, ke<strong>in</strong>e<br />

Munition, die Luftabwehr war praktisch zum Erliegen gekommen und die Kampfverbände<br />

waren mit unerfahrenen und kurz ausgebildeten Soldaten – m<strong>an</strong>chmal noch fast K<strong>in</strong>der –<br />

aufgefüllt worden. Auch die todesmutigen Kampfflieger, die sich mit ihren Masch<strong>in</strong>en auf die<br />

russischen P<strong>an</strong>zer stürzten und so den Oderüberg<strong>an</strong>g verh<strong>in</strong>dern wollten, waren nur s<strong>in</strong>nlose<br />

Opfer. So kam es zur letzten P<strong>an</strong>zerschlacht des zweiten Weltkrieges vor den Seelower-Höhen<br />

mit noch e<strong>in</strong>mal Tausenden Toten auf beiden Seiten. Der Krieg aber war verloren, der Führer<br />

hatte sich durch Selbstmord se<strong>in</strong>er Ver<strong>an</strong>twortung entzogen. Se<strong>in</strong> Volk musste alle<strong>in</strong> sehen,<br />

wie es mit dieser totalen Niederlage und ihren Folgen fertig werden wollte. Mit Millionen von<br />

deutschen Soldaten kam Hubert <strong>in</strong> Gef<strong>an</strong>genschaft. Er hatte Glück im Unglück, er kam nicht<br />

<strong>in</strong> die russische sondern englische Gef<strong>an</strong>genschaft <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong>. Der Weg <strong>in</strong> die<br />

Heimat war versperrt. Hier hatten schon die Polen wachsam dafür gesorgt, dass die<br />

Deutschen, die auf der Flucht vor der russischen Kriegswalze die Ostgebiete verlassen<br />

hatten, nicht mehr zurück über die Oder-Neiße-L<strong>in</strong>ie konnten. An den Übergängen spielten<br />

sich tränenreiche und unmenschliche Szenen ab. Der Krieg war zwar aus. Aber der Hass und<br />

die Gewalt diktierten nun die H<strong>an</strong>dlungen der Sieger. Polen – überhaupt nicht <strong>an</strong> der<br />

Niederlage der deutschen Wehrmacht beteiligt – h<strong>an</strong>delte zusammen mit den Alliierten und<br />

verst<strong>an</strong>d sich als Sieger. Die politische Situation und das Chaos der Nachkriegszeit nutzte<br />

das L<strong>an</strong>d, um endlich die Sehnsüchte e<strong>in</strong>er nach Westen verschobenen Grenze zu realisieren.<br />

Dafür war jedes Mittel Recht. Die Vertreibungen beg<strong>an</strong>nen schon l<strong>an</strong>ge vor der Potsdamer<br />

Konferenz, als die ersten russischen Verbände deutsches Reich im Osten betraten. Den<br />

Verh<strong>an</strong>dlungsführern <strong>in</strong> Potsdam wurden durch polnische Exilpolitiker gegen besseres<br />

Wissen falsches Zahlenmaterial geliefert und Stal<strong>in</strong> behauptete sogar, das Gebiet wäre schon<br />

frei von Deutschen und die wenigen, die dort noch lebten, würden ihre Heimat sowieso bald<br />

verlassen. So kam es, dass für 1.5 Millionen Polen aus den Gebieten östlich der sog. Curzon-<br />

L<strong>in</strong>ie, die zehnfache Zahl von Deutschen ihre mehr als 750-jährige Heimat verlassen mussten.<br />

Hubert Frenzel Heimattreffen <strong>in</strong> der Patenstadt Warendorf<br />

Viele deutsche Kriegsgef<strong>an</strong>genen aus den deutschen Ostländern, waren d<strong>an</strong>kbar, dass<br />

Kriegskameraden im Westen bereit waren, ihnen Unterkunft und den Neustart <strong>in</strong> die Zukunft<br />

zu ermöglichen. Dazu gehörte auch der Frenzel-Hubert. Er l<strong>an</strong>dete <strong>in</strong> Dreieichenha<strong>in</strong> und f<strong>an</strong>d<br />

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Arbeit <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Lehrberuf, konnte hier se<strong>in</strong>e Kenntnisse e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen. Se<strong>in</strong> Arbeitgeber, der<br />

später e<strong>in</strong>mal se<strong>in</strong> Schwiegervater werden sollte, machte mit ihm e<strong>in</strong>e bemerkenswerte<br />

„Aufnahmeprüfung“. In e<strong>in</strong>er Werkstattecke lag e<strong>in</strong> alter, hoffnungslos wirkender<br />

Maybachmotor. Der Meister glaubte wohl selbst nicht dar<strong>an</strong>, dass dieser Schrotthaufen noch<br />

e<strong>in</strong>mal zum Laufen gebracht werden könnte. Doch Hubert hatte gelernt, nicht aufzugeben,<br />

macht hier se<strong>in</strong> Meisterstück.. Maybachmotoren waren neben Horch, W<strong>an</strong>derer usw. se<strong>in</strong>e<br />

Spezialität. Und <strong>in</strong> kürzerer Zeit als erwartet, blies der Motor se<strong>in</strong>e ersten schwarzen<br />

Rußwolken <strong>in</strong> die Atmosphäre. Nun kam die Fe<strong>in</strong>arbeit und mit den richtigen Drehungen <strong>an</strong><br />

den dafür zuständigen Stellschrauben schnurrte der Motor bald wie am Tage se<strong>in</strong>er Geburt.<br />

Nun hatte der Meister <strong>an</strong> den Fähigkeiten se<strong>in</strong>es neuen, schlesischen Mitarbeiters ke<strong>in</strong>en<br />

Zweifel mehr. Das Vertrauen wuchs, Hubert heiratete die Tochter des Meisters, die nun<br />

„se<strong>in</strong>e“ Magda war und übernahm selbst als KFZ-Meister den Betrieb des Schwiegervaters.<br />

Es g<strong>in</strong>g bei den jungen Familie Frenzel <strong>in</strong> den Jahren der stürmischen Entwicklung der<br />

Bundesrepublik nicht nur im Geschäft aufwärts. Nach Fahrrädern, Mopeds, Motorräder<br />

kauften die Bundesbürger nun Personenkraftwagen. Der Käfer aus den Automobilwerken<br />

Wolfsburg lief und lief, musste aber auch gewartet werden. H<strong>in</strong>zu kamen die <strong>an</strong>deren Marken,<br />

die sich auf den Markt wagten, weil Volkswagen alle<strong>in</strong> die große Nachfrage nicht befriedigen<br />

konnte. Das Wirtschaftswunder wurde geboren. Deutschl<strong>an</strong>d und die Deutschen waren wie<br />

Phönix aus der Asche plötzlich wieder auferst<strong>an</strong>den und bestimmten – nicht immer nur zur<br />

Freude der ehemaligen Kriegsgegner – den Takt und die Melodie <strong>in</strong> der Weltwirtschaft.<br />

Deutsche Produkte erfreuten sich auf dem Weltmarkt wieder großer Nachfrage. „ Made <strong>in</strong><br />

Germ<strong>an</strong>y“ elektrisierte die Staaten rund um den Globus.<br />

Karl-He<strong>in</strong>z und Wolfg<strong>an</strong>g Frenzel leiten nun<br />

den Betrieb von Magda und Hubert<br />

Hofseite von „Autohaus Gross“. Bildmitte<br />

Hubert Frenzel<br />

Privat wurde Hubert und se<strong>in</strong>er Magda erst der Sohn Karl-He<strong>in</strong>z und fast 15 Jahre später noch<br />

der Sohn Wolfg<strong>an</strong>g geschenkt. Beide haben <strong>in</strong>zwischen schon l<strong>an</strong>ge ihre Meisterprüfung<br />

erfolgreich abgelegt, Karl-He<strong>in</strong>z als KFZ-Meister und Wolfg<strong>an</strong>g als Karosseriebaumeister. Sie<br />

führen den Betrieb „Auto-Gross“ <strong>in</strong> Dreieichenha<strong>in</strong> nun schon seit 1996 und Ehepaar Magda<br />

und Hubert Frenzel konnten sich über den Fleiß, den E<strong>in</strong>satzwillen und das Können ihrer<br />

beiden Söhne nur freuen. Der Heimat <strong>Schlesien</strong> blieb Hubert bis zu se<strong>in</strong>em Tode verbunden.<br />

Er war mehrmals im Heimatdorf und konnte das Grab se<strong>in</strong>er Mutter besuchen und<br />

schmücken. Dieses Grab gehört zu den wenigen deutschen Gräbern auf dem Friedhof des<br />

Heimatdorfes, das bei dem f<strong>an</strong>atischem Deutschenhass der Polen kurz nach dem Krieg nicht<br />

dem Erdboden gleich gemacht worden ist. Immer, wenn die Schlesier sich trafen ob <strong>in</strong><br />

H<strong>an</strong>nover, Nürnberg, Warendorf oder bei den kle<strong>in</strong>eren Dorftreffen, war Hubert dabei. In den<br />

letzten Jahren machte ihm se<strong>in</strong>e Gesundheit die Besuche unmöglich. In der Zeit, <strong>in</strong> der ihm<br />

die Kr<strong>an</strong>kheit immer mehr für sich <strong>in</strong> Anspruch nahm, war se<strong>in</strong> größter Wunsch, noch e<strong>in</strong>mal<br />

<strong>Lauterbach</strong>, se<strong>in</strong>en Heimatort zu besuchen. Er schaffte es leider nicht mehr. Gläubige<br />

Menschen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Familie, se<strong>in</strong>em Bek<strong>an</strong>ntenkreis und die Heimatfreunde aus <strong>Lauterbach</strong><br />

wissen jedoch, dass mit dem Tod e<strong>in</strong> neuer Anf<strong>an</strong>g gemacht worden ist. In e<strong>in</strong>er Welt, wo alle<br />

Tränen getrocknet werden und das Heimweh endet, weil d<strong>an</strong>n der Mensch endlich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

ewige Heimat <strong>an</strong>gekommen ist. Am 22. Mai 2008, dem Tag <strong>an</strong> dem die gläubigen Katholiken<br />

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ihr größtes und höchstes Fest feiern - Fronleichnam, die E<strong>in</strong>setzung des Heiligen<br />

Abendmahls - schloss Hubert für immer die Augen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em irdischen Leben. Am 27. 05 war<br />

die Beerdigung, treue Schlesier begleiteten ihn auf se<strong>in</strong>en letzten irdischen Weg h<strong>in</strong> zum<br />

himmlischen Vater. Gläubige hoffen, dass Gott denen, die <strong>an</strong> ihn glauben, wie se<strong>in</strong>em Sohn<br />

die Augen zu e<strong>in</strong>em neuen, ewigen Leben öffnen wird.<br />

Das irdische Leben geht jedoch weiter, trotz Vertreibung, trotz ständigem W<strong>an</strong>del. Die Söhne<br />

des Schlesiers Hubert Frenzel schreiten <strong>in</strong> den Spuren ihrer Eltern weiter, s<strong>in</strong>d aber selbst e<strong>in</strong><br />

Teil <strong>Schlesien</strong>s, deren vertriebene Menschen und ihre Nachfolgegenerationen <strong>in</strong> so vielen<br />

Regionen der Welt bleibende Spuren h<strong>in</strong>terlassen.<br />

Bärbel He<strong>in</strong>-Weism<strong>an</strong>tel<br />

Von Breslau über Kamenz, <strong>Lauterbach</strong>/<strong>Schlesien</strong> nach Dormagen, Rhe<strong>in</strong>l<strong>an</strong>d.<br />

Quellen: Buch „Heilende <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong>“, Privatfotoalben.<br />

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Bärbel Weism<strong>an</strong>tel- He<strong>in</strong> Heute<br />

Bei vielen heimatvertriebenen Schlesiern beg<strong>an</strong>n der Lebensweg <strong>in</strong> der unvergleichlichen,<br />

schlesischen Hauptstadt Breslau. Der Charme dieser Stadt, die rom<strong>an</strong>tischen Park<strong>an</strong>lagen,<br />

modernen Kaufhäuser, das kulturelle Angebot, die Universität, Technische Hochschule und<br />

alle <strong>an</strong>deren Bildungsstätten machen diese Stadt zu etwas g<strong>an</strong>z Besonderen. Hier pulsiert das<br />

Leben. Die „Elektrische“ rattert über die Schienen, der ständig zunehmende Kraftzeugverkehr<br />

spielt <strong>in</strong> dieser Symphonie des Fortschritts e<strong>in</strong>e immer dom<strong>in</strong>ierendere Rolle. Aber am 3. April<br />

1932, dem Geburtstag von Barbara He<strong>in</strong>, s<strong>in</strong>d die gemütlichen Pferdefuhrwerke noch nicht<br />

g<strong>an</strong>z aus der Stadt verb<strong>an</strong>nt. L<strong>an</strong>dwirte aus der Umgebung von Breslau haben ihre Gesp<strong>an</strong>ne<br />

<strong>in</strong> der Nähe des impos<strong>an</strong>ten Rathauses abgestellt und lassen es sich nicht nehmen, beim<br />

Besuch <strong>in</strong> Breslau auch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> kühles, frisches Schweidnitzer Bier im berühmten<br />

„Schweidnitzerkeller“ mit e<strong>in</strong>em kurzen Kümmel zu genießen und sich für die Heimfahrt zu


stärken. Am Stammtisch im Heimatdorf wird der Aufenthalt <strong>in</strong> „Gruß-Brassel“ e<strong>in</strong>mal mehr im<br />

Mittelpunkt stehen. Immer wieder gab es etwas Neues zu berichten, den die Stadt explodierte<br />

förmlich, ließ immer wieder neue bemerkenswerte Bauten <strong>in</strong> den schlesischen Himmel<br />

wachsen und fraß immer mehr fruchtbares L<strong>an</strong>d der Oderniederung. Davon unberührt zogen<br />

die Wassermassen des Oderstromes fast lautlos durch das Hausermeer und sie erfreuten sich<br />

dar<strong>an</strong>, welche prachtvollen Brücken, impos<strong>an</strong>te Gebäude und immer schönere Kirchturme<br />

sich <strong>in</strong> ihnen spiegelten. Allen vor<strong>an</strong> die beiden „F<strong>in</strong>ger Gottes“, des e<strong>in</strong>zigartigen Breslauer<br />

Domes und die nicht endende Fassade der Universität, die Perle und der Stolz der g<strong>an</strong>zen<br />

Stadt. Die Eltern von Bärbel He<strong>in</strong> waren Lehrer. Der Vater wurde zuerst nach Kamenz versetzt,<br />

der berühmten Kle<strong>in</strong>stadt mit Kloster und dem auf dem naheliegenden Klosterberg<br />

thronenden Schloss. E<strong>in</strong> Juwel der Architektur, e<strong>in</strong>es der Meisterwerke von Karl Friedrich<br />

Sch<strong>in</strong>kel. Von hier wurde Fam. He<strong>in</strong> d<strong>an</strong>n nach <strong>Lauterbach</strong>, <strong>Kreis</strong> <strong>Reichenbach</strong> am<br />

Eulengebirge versetzt.<br />

Erste Heilige Kommunion Bärbel He<strong>in</strong>, vorne, zweite von rechts.<br />

Das Dorf war dafür bek<strong>an</strong>nt, dass hier der Hitlergruß nicht g<strong>an</strong>z so zackig ausgeführt wurde<br />

wie es sich die nationalsozialistische Partei wünschte. Zwar waren auf Anweisung der<br />

<strong>Kreis</strong>leitung alle notwendigen Org<strong>an</strong>isationsstrukturen der Partei vorh<strong>an</strong>den. Aber nur, um<br />

den Anordnungen Genüge zu tun. Menschen, die schon damals ahnten, dass aus diesem<br />

F<strong>an</strong>atismus des Nationalsozialismus nichts Friedvolles entstehen konnten, wurden hier<br />

e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> Ruhe gelassen und konnten auf bessere Zeiten hoffen.<br />

Die Zeiten wurden aber nicht besser. 1943, nach der verlorenen Schlacht um Stal<strong>in</strong>grad kam<br />

der Wendepunkt nach <strong>an</strong>fänglichen militärischen Erfolgen der deutschen Wehrmacht. So wie<br />

die deutschen Soldaten mit Kesselschlachten unaufhaltsam <strong>in</strong> das Sowjetreich gestoßen<br />

s<strong>in</strong>d, reagierte nun die rote Armee. Mittels unvorstellbarer materieller Unterstützung durch die<br />

Vere<strong>in</strong>igten Staaten hatten die schon fast geschlagenen Armeen der Sowjets plötzlich warme,<br />

weiße Kampf<strong>an</strong>züge und modernstes Kriegsgerät, welches über Wladiwostok im Osten des<br />

unendlichen Reiches <strong>an</strong> die Front gebracht wurde. Noch heute hat Russl<strong>an</strong>d die dadurch<br />

entst<strong>an</strong>denen Schulden gegenüber Amerika nicht getilgt. Dar<strong>an</strong> war während der Zeit des sog.<br />

kalten Krieges von den Kommunisten ke<strong>in</strong> Ged<strong>an</strong>ke verschwendet worden. Unter diesen<br />

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Umständen war der Krieg für Deutschl<strong>an</strong>d nicht mehr zu gew<strong>in</strong>nen und die Russen dr<strong>an</strong>gen<br />

immer schneller zurück <strong>in</strong> den Westen und st<strong>an</strong>den plötzlich vor den deutschen Grenzen.<br />

Die Eltern von Bärbel und Joh<strong>an</strong>nes He<strong>in</strong>, beide Lehrer, im Schulgarten<br />

Am 8. Mai 1945 musste Deutschl<strong>an</strong>d bed<strong>in</strong>gungslos kapitulieren und Millionen Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />

fluteten zurück <strong>in</strong> ihre Heimatdörfer. Teilweise wurden sie dar<strong>an</strong> schon von Polen <strong>an</strong> der<br />

Lausitzer Neiße geh<strong>in</strong>dert. Und sehr früh im Jahre 1945 beg<strong>an</strong>nen die polnischen Milizen mit<br />

der Jagd auf Deutsche und deren Vertreibung. Obwohl sich zu diesem Zeitpunkt die drei<br />

Großmächte immer noch nicht über den Status von Deutschl<strong>an</strong>d nach dem zweiten Weltkrieg<br />

gee<strong>in</strong>igt hatten. Heute wollen die polnischen Politiker – wie Pontius Pilatus bei der<br />

Verurteilung von Jesus – ihre Hände <strong>in</strong> Unschuld waschen und die Schuld <strong>an</strong> der<br />

völkerrechtswidrigen Vertreibung alle<strong>in</strong> den Staaten Amerika, Engl<strong>an</strong>d und Russl<strong>an</strong>d<br />

zuweisen. Die Menschen aus <strong>Lauterbach</strong> wurden am 19. April 1946 aus ihrer <strong>an</strong>gestammten<br />

Heimat verjagt. Über <strong>Reichenbach</strong>, als Sammellager des <strong>Kreis</strong>es, kamen sie <strong>in</strong> Viehwaggons<br />

bis <strong>in</strong> das Sammellager Marienthal bei Helmstedt. E<strong>in</strong>e Strecke, die heute mit dem Auto <strong>in</strong><br />

sechs Stunden zurück gelegt werden k<strong>an</strong>n, dauerte für die leidende Bevölkerung sechs Tage.<br />

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Bärbel und Joh<strong>an</strong>nes <strong>Lauterbach</strong>er Friedhof Pfr. Hartwig, Mutter und<br />

Schwester.<br />

Der Weitertr<strong>an</strong>sport geschah mit LKWs bis <strong>in</strong> das Schützenhaus <strong>in</strong> Seesen am Harz. Bärbel<br />

He<strong>in</strong> und ihre Familie kamen nach Ackenhausen, e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Harzvorort im <strong>Kreis</strong>e<br />

G<strong>an</strong>dersheim. Hier, <strong>in</strong> der vorwiegend von Protest<strong>an</strong>ten bewohnten Gegend, machten die<br />

mehrheitlich katholischen Vertriebenen auf die E<strong>in</strong>heimischen e<strong>in</strong>en bemerkenswerten<br />

E<strong>in</strong>druck, denn sie g<strong>in</strong>gen jeden Sonntag, bei jedem Wetter, den l<strong>an</strong>gen Weg zu Fuß <strong>in</strong> die<br />

<strong>Kreis</strong>stadt zum sonntäglichen Gottesdienst. Wie durch e<strong>in</strong> Wunder wurde die getrennte<br />

Familie im Rhe<strong>in</strong>l<strong>an</strong>d wieder zusammen geführt. Der Bruder, der noch <strong>in</strong> Breslau im<br />

berühmten Mathiasgymnasium se<strong>in</strong> Abitur mit sehr guten Noten abgelegt hatte, war <strong>in</strong> den<br />

von den Sowjets beherrschten Teil Deutschl<strong>an</strong>ds gel<strong>an</strong>det. Joh<strong>an</strong>nes He<strong>in</strong> machte – wie se<strong>in</strong>e<br />

Schwester Bärbel - Karriere und wurde Professor Dr. Dr. für Musik und dozierte <strong>in</strong> Essen <strong>an</strong><br />

der Fachhochschule für Musik. Bärbel machte 1954 ihr Abitur <strong>an</strong> der Frauenoberschule<br />

Marienberg <strong>in</strong> Neuss/Rhe<strong>in</strong>l<strong>an</strong>d. Sie legte bereits 1956 ihr erstes Saatsexamen ab für das<br />

Lehramt <strong>an</strong> der Volksschule. Von 1956 bis 1966 war sie Lehrer<strong>in</strong> und Konrektor<strong>in</strong> <strong>an</strong> der<br />

katholischen Volksschule <strong>in</strong> Stürzelberg, <strong>Kreis</strong> Grevenbroich. Im Jahr 1960 folgte das zweite<br />

Saatsexamen und Tätigkeiten <strong>in</strong> der Lehrerfortbildung . Von 1966 bis 1988 war sie<br />

Hauptlehrer<strong>in</strong> und Rektor<strong>in</strong> <strong>an</strong> der Regenbogen-Schule <strong>in</strong> Dormagen-Rhe<strong>in</strong>feld. Sie heiratete<br />

1971 Philipp Weism<strong>an</strong>tel, wurde 1988 pensioniert und schon 1995 Witwe. Mit Ihrer Heimat<br />

<strong>Schlesien</strong> war sie über die vielen Jahre immer verbunden, besuchte diese auch mehrmals,<br />

u.a. als Wallfahrer<strong>in</strong> mit den von dem Visitator der Priester und Gläubigen aus dem Erzbistum<br />

Breslau und der Grafschaft Glatz org<strong>an</strong>isierten Fahrten <strong>in</strong> die Heimat. Auch bei den<br />

Schlesiertreffen des <strong>Kreis</strong>es <strong>Reichenbach</strong> <strong>in</strong> Warendorf war sie und ihr Bruder immer dabei.<br />

Der Bruder Joh<strong>an</strong>nes machte dafür Mundartgedichte über das Heimatdorf und se<strong>in</strong>e<br />

Bewohner, die gelegentlich noch heute bei den Warendorftreffen vorgelesen werden. Er war<br />

e<strong>in</strong> begeisterter Hobbyfotograf. Bärbel hat ihre Ged<strong>an</strong>ken, ihre Sehnsucht und die<br />

<strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> <strong>an</strong> die schlesische Familie und die Heimat <strong>in</strong> dem Buch „Heilende<br />

<strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong>“ – Verlorene Wurzeln e<strong>in</strong>er schlesischen Familie – niedergeschrieben. Es ist e<strong>in</strong><br />

Zeitzeugnis der Erlebnisgeneration, welches <strong>an</strong> die nachfolgenden Generationen als Mahnung<br />

aber auch als Dokument, wie es wirklich war, weitergegeben werden sollte. Das Buch ist unter<br />

der ISBN-Nr. 3-87595-311-8 <strong>in</strong> jeder Buchh<strong>an</strong>dlung oder über das Internet bei www.amazon.de<br />

zu beziehen.<br />

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Die Familie He<strong>in</strong> wohnte im Schulhaus zu<br />

<strong>Lauterbach</strong>. Dort verbrachten die beiden<br />

„K<strong>an</strong>ter-K<strong>in</strong>der“, die K<strong>an</strong>ter-Barbel und der<br />

K<strong>an</strong>ter-H<strong>an</strong>sel ihre K<strong>in</strong>dheit. Der Vater war<br />

neben se<strong>in</strong>er Lehrertätigkeit Org<strong>an</strong>ist und Leiter<br />

des Kirchenchores. Joh<strong>an</strong>nes g<strong>in</strong>g auf das<br />

Breslauer Mathias-Gymnasium und die<br />

<strong>Lauterbach</strong>er Jugend freute sich auf jeden<br />

Urlaub, wenn der K<strong>an</strong>ter-H<strong>an</strong>sel wieder nach<br />

<strong>Lauterbach</strong> kam und d<strong>an</strong>n lustige Streiche und<br />

sorglose Jugendtage <strong>in</strong> der herrlichen Natur -<br />

am idyllischen Rohrteich – verbracht wurden.<br />

Über diese unbeschwerte K<strong>in</strong>dheit und<br />

Jugendzeit berichtet Bärbel <strong>in</strong> ihrem Buch sehr<br />

mitfühlend und liebevoll. Der Vater musste <strong>in</strong><br />

den Krieg ziehen, die Mutter – selbst<br />

ausgebildete Lehrer<strong>in</strong> - übernahm die<br />

Lehrtätigkeit <strong>in</strong> dem Dorf und beg<strong>an</strong>n auch<br />

nach dem Zusammenbruch mit dem<br />

Schulunterricht <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

musste sie diesen auf Ver<strong>an</strong>lassung der Sieger<br />

sofort wieder e<strong>in</strong>stellen. Die Ereignisse während der schlimmen Zeit nach dem Krieg und bis<br />

zu Vertreibung – Schicksale von Millionen von Schlesiern – werden noch e<strong>in</strong>mal lebendig. Die<br />

Vertreibung, der Kampf ums Überleben <strong>in</strong> der Fremde und die glückliche<br />

Familienzusammenführung im Rhe<strong>in</strong>l<strong>an</strong>d s<strong>in</strong>d weitere Stationen der Familiensaga.<br />

Die Worte auf dem Buchumschlag könnten nicht besser das Anliegen der Autor<strong>in</strong><br />

ausdrücken:“ Heilende <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong>, s<strong>in</strong>d erschütternde Rem<strong>in</strong>iszenzen der heute<br />

siebzigjährigen Autor<strong>in</strong> <strong>an</strong> ihre verlorene Heimat. Sie führt den Leser zurück <strong>in</strong> das Breslau<br />

der Vorkriegszeit. Das Aufkommen des Nationalsozialismus erlebt sie im Eulengebirge, <strong>Kreis</strong><br />

<strong>Reichenbach</strong>. In <strong>Lauterbach</strong> muss sie die Greuel und Ängste der Nachkriegszeit und die<br />

Vertreibung aus der Heimat Ostern 1946 erleiden.<br />

Die Autor<strong>in</strong> wendet sich vor allem <strong>an</strong> die heutige, jüngere Generation. „Für Euch und die<br />

vielen Euerer Generation, welche K<strong>in</strong>der und Enkel der vertriebenen Schlesier s<strong>in</strong>d, schreibe<br />

ich auf, was mir <strong>an</strong> K<strong>in</strong>dheitserlebnissen <strong>in</strong> unserer verlorenen Heimat im Gedächtnis<br />

geblieben ist. Wenn auch die Zeit Wunden heilt, sie brechen dennoch immer wieder auf“. Zum<br />

Schluss des Vorwortes sagt Bärbel Weism<strong>an</strong>tel-He<strong>in</strong>:“ Verlorene Heimat, verlorene Identität<br />

und ausgerissene Wurzeln verschmerzt der Mensch nicht.“ Der Beweis dafür ist e<strong>in</strong>e<br />

Begebenheit, die sich die jetzt <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>, <strong>Schlesien</strong> lebenden Polen immer wieder<br />

erzählen. E<strong>in</strong>e Pol<strong>in</strong> hat <strong>in</strong> der <strong>Lauterbach</strong>er Kirche e<strong>in</strong>e Frau beobachtet, <strong>in</strong> Tränen aufgelöst.<br />

Da sie diese als Deutsche identifiziert, holt sie e<strong>in</strong>e Nachbar<strong>in</strong>, die deutsch sprechen k<strong>an</strong>n.<br />

Die Herbeigerufene kennt die we<strong>in</strong>ende Frau. Es ist die K<strong>an</strong>ter-Bärbel, die <strong>an</strong> die Stätte ihrer<br />

glücklichen K<strong>in</strong>dheit zurück gekehrt ist und von den <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> <strong>an</strong> historischer Stätte<br />

überwältigt worden war. Damit wird nicht der Titel der Buches <strong>in</strong> Frage gestellt, dass<br />

<strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> sehr wohl heilen können. Aber m<strong>an</strong>chmal werden durch <strong>Er<strong>in</strong>nerungen</strong> wieder<br />

alte Wunden geöffnet und der Schmerz macht der Seele durch die Tränen Luft.<br />

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<strong>Lauterbach</strong>, e<strong>in</strong> schlesisches Dorf, unvergessen für alle, die dort lebten.<br />

Erich Mai, L<strong>an</strong>dwirt <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>, <strong>Kreis</strong> <strong>Reichenbach</strong>/<strong>Schlesien</strong>.<br />

Werner und Hubert Mai, Söhne von Erich, L<strong>an</strong>dwirte <strong>in</strong> Gittelde/Harz und Badenhausen/Harz <strong>in</strong> Niedersachsen.<br />

Heimathof <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> Hof von Werner Mai <strong>in</strong> Gittelde am Harz<br />

Noch leben viele Schlesier, die bei der größten Vertreibung <strong>in</strong> der Geschichte der Menschheit dabei<br />

waren. 61 Jahre Kampf um die verlorene Heimat haben bei den meisten Schlesier Resignation<br />

erzeugt. An e<strong>in</strong>e Rückkehr <strong>in</strong> die geraubte Heimat denken nur noch wenige Schlesier, weil damit den<br />

jetzt dort lebenden Menschen das weggenommen würde, was sie nach solch l<strong>an</strong>ger Zeit als ihre<br />

Heimat empf<strong>in</strong>den. Die Vertriebenen haben schon 1950 auf Rache und Gewalt<strong>an</strong>wendung verzichtet,<br />

s<strong>in</strong>d aber zu Recht enttäuscht, dass Polen sich nicht zu se<strong>in</strong>em Anteil <strong>an</strong> Schuld und der Vertreibung<br />

und den Verbrechen <strong>an</strong> Deutschen nach dem Krieg und während der Vertreibungsorgien bekennen<br />

will. Damit schaffen die polnischen Politiker ke<strong>in</strong>e gute Grundlage für e<strong>in</strong>e partnerschaftliche und<br />

friedvolle Zusammenarbeit <strong>in</strong> der Zukunft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vere<strong>in</strong>igten Europa.<br />

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Immer, wenn Schlesier zusammentreffen, wird neben den tagespolitischen Ereignissen auch über<br />

das Leben <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> und die dort erlebten kulturellen und gesellschaftlichen Ereignisse<br />

gesprochen. G<strong>an</strong>z im Osten von <strong>Lauterbach</strong>, im letzten Hof <strong>in</strong> Richtung P<strong>an</strong>thenau lebten der Maia-<br />

Erich , se<strong>in</strong>e Frau W<strong>an</strong>da und die K<strong>in</strong>der Werner, Hubert und Alice. Es war zwar nicht der größte Hof<br />

<strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong>, den hatte der Görtler-Pauer, aber Hof und Felder waren auf dem damals modernsten<br />

St<strong>an</strong>d. Sogar Selbsttränken waren schon <strong>in</strong> den Kuhställen vorh<strong>an</strong>den. 1946 – im April – musste<br />

auch die Familie Mai zusammen mit den <strong>an</strong>deren <strong>Lauterbach</strong>ern – das geliebte Heimatdorf<br />

verlassen. Überhaupt wurden zuerst L<strong>an</strong>dwirte, Bauern von ihren Höfen gejagt und Polen bezogen<br />

die frei gewordenen Anwesen. E<strong>in</strong> unglaublicher Vorg<strong>an</strong>g, der von Unbeteiligten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Dramatik<br />

heute nach sechzig Jahren immer noch nicht verst<strong>an</strong>den wird.<br />

E<strong>in</strong> Teil der <strong>Lauterbach</strong>er hatte Glück im Unglück, denn sie l<strong>an</strong>deten im westlichen Vorharz <strong>in</strong> der<br />

englisch besetzten Zone. Für die ältere Generation beg<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>e schwere Zeit. Sie mussten für ihre<br />

Familien um das nackte Überleben kämpfen. Nahrung, Kleidung und alle notwendigen D<strong>in</strong>ge des<br />

Lebensunterhalts waren M<strong>an</strong>gelware. Die Schlesier ließen sich aber nicht so schnell unterkriegen<br />

und krempelten die Ärmel hoch, und waren mit ihrem E<strong>in</strong>satz nicht unwesentlich <strong>an</strong> dem Aufstieg der<br />

deutschen Wirtschaft – dem sog. Wirtschaftswunder – beteiligt. Heute können Werner Mai und se<strong>in</strong>e<br />

Frau Martha auf e<strong>in</strong>e stolze Lebensleistung zurück blicken. 400 Morgen , davon ca. die Hälfte<br />

Grünl<strong>an</strong>d werden von ihnen bewirtschaftet. Inzwischen haben der Sohn Re<strong>in</strong>hard und se<strong>in</strong>e Frau<br />

Heidi engagiert und mit viel Liebe und E<strong>in</strong>satzwillen die bäuerlichen Geschäfte übernommen. Und e<strong>in</strong><br />

Enkelsohn bereitet sich mit se<strong>in</strong>er Meisterprüfung auf die Zukunft vor. Der Hof von Mai ist <strong>in</strong>zwischen<br />

der Größte <strong>in</strong> Gittelde am Harz und, wie bei den Vorfahren damals <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong>, so s<strong>in</strong>d auch hier<br />

nach 61 Jahren die modernsten Masch<strong>in</strong>en und aktuellsten l<strong>an</strong>dwirtschaftlichen Verfahren<br />

<strong>an</strong>zutreffen. 65 Milchkühe – je mit e<strong>in</strong>er durchschnittlichen Jahresleistung von 8000 Liter s<strong>in</strong>d der<br />

g<strong>an</strong>ze Stolz des Unternehmens. Zweimal am Tag wird mit modernsten Melk<strong>an</strong>lagen das flüssige<br />

weiße Gold <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Edelstahlt<strong>an</strong>k abgepumpt. Alle zwei Tage kommt e<strong>in</strong> großer Lastwagen auf den<br />

Hof und holt die <strong>in</strong> der Zwischenzeit gelagerte und gekühlte Milch ab. Dabei müssen alle<br />

e<strong>in</strong>schlägigen Hygienevorschriften akribisch erfüllt werden. Mit modernster elektronischer<br />

Computertechnik werden die Kühe <strong>in</strong>dividuell mit den für sie extra ausgearbeiteten Speisezettel<br />

versorgt. Sender am Halsb<strong>an</strong>d aktivieren bei dem Futterautomaten welche Kuh mit welchem<br />

Magenfahrpl<strong>an</strong> <strong>an</strong> der „Zapfsäule“ steht. G<strong>an</strong>z neu ist e<strong>in</strong>e „Wellnesse<strong>in</strong>richtung“ für die Kühe, <strong>an</strong> der<br />

sie sich gegen Plagegeister auf dem Fell wehren können. Es dauerte nicht l<strong>an</strong>ge, da hatten die Kühe<br />

die wohltuende Massagewirkung die diese E<strong>in</strong>richtung im Fell und auf der Haut spendet, verst<strong>an</strong>den.<br />

Erich Mai mit se<strong>in</strong>er Flügelmasch<strong>in</strong>e im<br />

Erntee<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong>.<br />

Vorne rechts se<strong>in</strong>e Frau W<strong>an</strong>da.<br />

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Die Mai-Söhne noch <strong>in</strong> der<br />

schlesischen Heimat<br />

Bei dem E<strong>in</strong>satz von alternativen Energien spielt die Produktion von Biodiesel e<strong>in</strong>e nicht<br />

unwesentliche Rolle. Ca. 35 Morgen Rapsfelder – alle<strong>in</strong> von L<strong>an</strong>dwirt Mai - verzaubern den Vorharz<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e vom Gelb des blühenden Rapses beherrschte L<strong>an</strong>dschaft. Das ist jedoch nicht die e<strong>in</strong>zige


Zukunftsmelodie, die auf dem Hof gespielt wird. Ca. 100 qm Fotovoltaikfläche f<strong>an</strong>gen das Licht der<br />

Sonne e<strong>in</strong> und w<strong>an</strong>deln es <strong>in</strong> elektrischen Strom, der <strong>in</strong> das öffentliche Netz gespeist wird. Bei der<br />

Bekämpfung von Schädl<strong>in</strong>gen s<strong>in</strong>d komplizierte Vorschriften der Europäischen Union zu beachten,<br />

die diese ständig überwacht. Werden die zugelassenen Werte überschritten, hat das sofort negative,<br />

f<strong>in</strong><strong>an</strong>zielle Folgen für den Betrieb. E<strong>in</strong> bäuerlicher Betrieb vor sechzig Jahren <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong>, wo<br />

Hühner, Enten, Gänse, Kühe, Schwe<strong>in</strong>e, Pferde sich tummelten und auf den Feldern von e<strong>in</strong>em<br />

Betrieb gleichzeitig Kartoffeln, Getreide, Zucker- und Futterrüben, Heu, Klee u.v.a.m. <strong>an</strong>gebaut<br />

wurden, hat mit e<strong>in</strong>er modernen bäuerlichen Produktionsstätte nichts mehr geme<strong>in</strong>. Der technische<br />

W<strong>an</strong>del auf den Bauernhöfen ist gewaltig, die Anforderungen <strong>an</strong> die Agrar<strong>in</strong>genieure entsprechend.<br />

Dennoch produzieren unsere L<strong>an</strong>dwirte die für die Bevölkerung so wichtigen Grundnahrungsmittel.<br />

Inzwischen wissen – vor allem die K<strong>in</strong>der der großen Städte – nicht mehr viel darüber wo Mehl,<br />

Milch, Kartoffeln herkommen. Die Leistung unserer fleißigen und vielseitigen L<strong>an</strong>dwirte bekommt<br />

leider <strong>in</strong> unserer <strong>in</strong>dustriellen Gesellschaft nicht die gebührende Anerkennung. Das war nach dem<br />

Zusammenbruch <strong>in</strong> den Jahren nach dem Krieg g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>ders. Damals zogen die Städter h<strong>in</strong>aus aufs<br />

flache L<strong>an</strong>d und „hamsterten“ bei den Bauern. Viele brachten Wertgegenstände und Teppiche mit<br />

und waren froh und glücklich, wenn sie dafür e<strong>in</strong>en Sack Kartoffeln <strong>in</strong> die Stadt schleppen konnten.<br />

Auf dem schwarzen Markt konnten dafür <strong>an</strong>dere Produkte e<strong>in</strong>getauscht werden.<br />

Werner Mai und se<strong>in</strong>e Frau Martha bewirtschafteten <strong>in</strong> dem Harzdorf Gittelde nunmehr den größten<br />

Hof des Dorfes. Ihre Söhne und Enkelsöhne haben die Leidenschaft und Begeisterung des Vaters<br />

und Großvaters geerbt und arbeiten mit Begeisterung und Talent <strong>in</strong> diesem schönen Beruf. Die<br />

Mehrheit der Bevölkerung – vor allem <strong>in</strong> den großen Städten – hat ke<strong>in</strong>e Vorstellungen, welche<br />

Anforderungen und gestellt und welches Wissen verl<strong>an</strong>gt wird. Und die L<strong>an</strong>dwirtschaft hat Zukunft,<br />

denn die Biokraftstoffe der zweiten Generation werden nicht nur aus den Früchten des Raps, Mais<br />

und Getreides gewonnen, sondern die g<strong>an</strong>ze Biomasse k<strong>an</strong>n dadurch verwendet werden. Bis zu 10<br />

% des Energieverbrauchs für Antriebsaggregate wird <strong>in</strong> nicht allzu ferner Zukunft von den Feldern<br />

der L<strong>an</strong>dwirte gedeckt werden. L<strong>an</strong>dwirtschaftliche Brachflächen dürften zukünftig schon alle<strong>in</strong><br />

wegen der wachsenden Weltbevölkerung und der Erosion durch sich ändernde Klimaverhältnisse der<br />

Verg<strong>an</strong>genheit <strong>an</strong>gehören. Die ausgewogene Bal<strong>an</strong>ce zwischen Erzeugung von Nahrungsmittel und<br />

Biosprit und Biogas wird sich zu e<strong>in</strong>em wichtigen Thema der Agrarpl<strong>an</strong>ung entwickeln.<br />

Mit gleichem Erfolg arbeitet Bruder Hubert Mai im Nachbarort Badenhausen/Harz. Auch er ist nun<br />

der größte Bauer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em neuen Heimatort und arbeitet ebenfalls mit schlesischem Eifer, Fleiß und<br />

unermüdlicher Ausdauer. Das s<strong>in</strong>d die „Geheimrezepte“ schlesischer Mentalität, die aus der<br />

jeweiligen Situation das beste zu machen versteht. Der Hof wird auch schon von der<br />

Nachfolgegeneration bewirtschaftet. Beide Brüder – und so s<strong>in</strong>d nun e<strong>in</strong>mal die Schlesier – legen<br />

natürlich nicht die Hände <strong>in</strong> den Schoß. Täglich s<strong>in</strong>d sie noch auf den Be<strong>in</strong>en und unterstützen ihre<br />

K<strong>in</strong>der mit Rat und Tat , aber vor allem mit dem reichen Schatz <strong>an</strong> Können und Wissen.<br />

Beim Rübenhacken <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong><br />

Nach der Vertreibung. W<strong>an</strong>da und<br />

Erich , rechts mit Freunden aus<br />

<strong>Schlesien</strong><br />

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Horst Jacobowsky, <strong>Lauterbach</strong><br />

Ingrid Haas, geb. Färber, jetzt Nürnberg<br />

Kle<strong>in</strong>e Chronik der Müllerfamilie Färber aus <strong>Lauterbach</strong><br />

Zusammengestellt von:<br />

Nach Angaben von:<br />

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Die Schwestern Frieda und Emma bei e<strong>in</strong>em Besuch <strong>in</strong> K<strong>an</strong>ada<br />

Die Färber-Familie aus <strong>Lauterbach</strong>.<br />

Horst Jacobowsky, der Nupper aus den Straßenhäusern, südlich des Zoata-Bärges.<br />

Nach Angaben aus der Familienchronik von Ingrid Haas, geb. Kühner.<br />

Millionen Familien s<strong>in</strong>d nach dem zweiten Weltkrieg aus ihrer <strong>an</strong>gestammten Heimat im Osten<br />

Deutschl<strong>an</strong>ds kollektiv durch die Vertreibung für die Verbrechen e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Clique von deutschen<br />

Rassisten bestraft worden. E<strong>in</strong> Vorg<strong>an</strong>g, wie er bisher <strong>in</strong> dieser Größenordnung <strong>in</strong> der Geschichte<br />

der Menschheit noch nie praktiziert wurde. Die Ver<strong>an</strong>twortlichen s<strong>in</strong>d dafür bisher nicht zur<br />

Ver<strong>an</strong>twortung gezogen worden und die Demokratien dieser Welt – sonst überall auf der Welt für<br />

Recht und Freiheit aktiv – kümmern sich e<strong>in</strong>fach nicht um dieses Thema, während die<br />

Bundesregierung diese offenen Fragen der Vertreibung und des Eigentums der Vertriebenen e<strong>in</strong>fach<br />

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ignoriert und durch diese Diskrim<strong>in</strong>ierung e<strong>in</strong>es Teiles der deutschen Bundesbürger, ihren<br />

Verpflichtungen nicht nachkommt.<br />

Jede deutsche Familie hat durch die Ereignisse des zweiten Weltkrieges viel Leid und Trauer<br />

ertragen müssen. Besonders die Menschen <strong>in</strong> den Terrornächten während der Bomben<strong>an</strong>griffe und<br />

die Flüchtl<strong>in</strong>ge vor der aus dem Osten <strong>in</strong> das deutsche Reich e<strong>in</strong>brechenden Kriegsfurie litten am<br />

meisten. Aber auch nach Ende der Kriegsh<strong>an</strong>dlungen mussten mehr als 2.5 Millionen Deutsche <strong>in</strong><br />

den Lagern und während der chaotischen Vertreibung <strong>in</strong> klirrender Kälte <strong>in</strong> ungeheizten – teils<br />

offenen - Viehtr<strong>an</strong>sportern der Reichsbahn ihr Leben lassen. Ungezählte wurden auf ihren eigenen<br />

Höfen oder <strong>in</strong> den eigenen Wohnungen teilweise wegen Nichtigkeiten e<strong>in</strong>fach ermordet. Die Täter<br />

wurden nie verfolgt, sie schützten <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong>, Ostpreußen, Pommern die Bierut- und im<br />

Sudetenl<strong>an</strong>d die Benesch-Dekrete. Verglichen mit den Vertreibungen nach dem zweiten Weltkrieg<br />

waren die Völkerw<strong>an</strong>derungen sonntägliche Familienausflüge.<br />

Oma Klara, Emma, Enkelk<strong>in</strong>d Ingrid Frieda Meier, geb. Färber<br />

Die Müllerfamilie Färber hatte im kle<strong>in</strong>en Dorf <strong>Lauterbach</strong> <strong>in</strong> <strong>Schlesien</strong> mit ungefähr 450 E<strong>in</strong>wohnern<br />

e<strong>in</strong>e Wassermühle und immer genügend Arbeit durch die Bauern <strong>in</strong> und um <strong>Lauterbach</strong>. Das für den<br />

Antrieb des Mühlenrades notwendige Wasser lieferte der unweit der Mühle <strong>an</strong>gelegte künstliche See.<br />

E<strong>in</strong> Eldorado für Wasserratten im Sommer, für Schlittschuhläufer im W<strong>in</strong>ter. Gleichzeitig aber auch<br />

e<strong>in</strong> Biotop für die Pfl<strong>an</strong>zen- und Tierwelt. Der Graf – größter Grundstückbesitzer des <strong>Kreis</strong>es<br />

<strong>Reichenbach</strong> - züchtete dar<strong>in</strong> die berühmten schlesischen Karpfen, Delikatessen für die Weihnachts-<br />

und Silvesterfeiern. Und die Umgebung des Teiches war rom<strong>an</strong>tische Kulisse für so m<strong>an</strong>ches<br />

Liebesabenteuer der Jugend aber auch Treffpunkt so m<strong>an</strong>cher heimlicher, verbotener Liebschaften.<br />

Der Müller Herrm<strong>an</strong>n Paul Färber und se<strong>in</strong>e Frau Klare betrieben die Mühle bis zum Jahr 1937,<br />

Nachfolger war die Familie Rieger. Deshalb hatte die Mühle bei den <strong>Lauterbach</strong>ern zwei Namen: Die<br />

Färbermühle oder die Riegermühle. Das Ehepaar Färber hatte <strong>in</strong>sgesamt sieben K<strong>in</strong>der, damals<br />

nichts Besonderes. Die ältesten K<strong>in</strong>der wurden noch <strong>in</strong> <strong>Lauterbach</strong> geboren und fühlen sich heute<br />

noch im hohen Alter von über 90 Jahren als echte <strong>Lauterbach</strong>er und kommen – wenn irgendwie<br />

möglich – zu jedem Treffen. Treuer als sie k<strong>an</strong>n e<strong>in</strong>fach niem<strong>an</strong>d zu se<strong>in</strong>er Heimat stehen. Die Kühn-<br />

Emma, geb. Färber lebt heute <strong>in</strong> Nürnberg bei ihrer Tochter Ingrid. Sie wurde 1939 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> geboren.<br />

Ihr Bruder Erw<strong>in</strong> ist auf dem Hochzeitsfoto der T<strong>an</strong>te Erna Breiter, geb. Färber dabei.<br />

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Martha Reim<strong>an</strong>n u. Sohn M<strong>an</strong>fred Hochzeit Erna Breiter, geb. Färber<br />

Martha Reim<strong>an</strong>n, geb. Färber heiratete e<strong>in</strong>en Bäckermeister. Die Bäckerei war <strong>in</strong> Mondschitz. E<strong>in</strong><br />

repräsentatives, großes Anwesen. Typisch für schlesische Bauernhöfe waren die Wohnhäuser,<br />

Stallungen, Unterkünfte für Knechte und Mägde hufeisenförmig <strong>an</strong>geordnet. Die schlesischen Bäcker<br />

verkauften nicht nur im eigenen Laden, sondern sie brachten mit Pferd und Wagen ihre köstlichen<br />

Produkte direkt zu den Kunden <strong>in</strong> die Höfe der umliegenden Dörfler. In unmittelbarer Nähe des<br />

Anwesens war e<strong>in</strong> größerer Teich wie es unzählige <strong>in</strong> g<strong>an</strong>z <strong>Schlesien</strong> gab und die e<strong>in</strong>fach zur<br />

schlesischen Kulturl<strong>an</strong>dschaft gehörten wie Rübezahl zur Schneekoppe und der Dom zu Breslau.<br />

Die Idylle <strong>in</strong> der Heimat <strong>Schlesien</strong> wurde durch die Vertreibung brutal zerstört. Der Bäckermeister<br />

war im Krieg, die Martha und ihre fünf K<strong>in</strong>der kamen bis Leipzig. Glück im allgeme<strong>in</strong>en Unglück, der<br />

Vater und Ehem<strong>an</strong>n kam aus Gef<strong>an</strong>genschaft glücklich zu se<strong>in</strong>er Familie zurück. Der Schlesier hat<br />

viele Eigenschaften. Er lässt sich so schnell nicht unterkriegen. So auch Bäckermeister Reim<strong>an</strong>n. In<br />

der Siebenkussstraße 25 eröffnete er e<strong>in</strong>e Bäckerei und war sofort mit se<strong>in</strong>en schlesischen<br />

Spezialitäten nicht nur bei den vertriebenen Schlesier <strong>in</strong> Nürnberg bek<strong>an</strong>nt. Sträßelkucha, Mookucha,<br />

Semmeln und Baben waren jeden Samstag total ausverkauft. Zwei Söhne lernten das Bäcker- und<br />

Konditorenh<strong>an</strong>dwerk. Der Sohn M<strong>an</strong>fred machte sich <strong>in</strong> Kiel selbstständig. Die Töchter Ursula und<br />

Inge lernten Bäckerreifachverkäufer<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>dere Odyssee erlebte die Frieda Meier, geb. Färber. Sie lebte <strong>in</strong> <strong>Reichenbach</strong>, direkt <strong>an</strong><br />

der Peile. In unmittelbarer Nähe war e<strong>in</strong>e Fabrik. Das Haus konnte über e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Peilebrücke<br />

betreten werden. Nach der Vertreibung w<strong>an</strong>derte die Familie mit ihren beiden K<strong>in</strong>dern Else und<br />

Günther aus. Ihr Ziel war K<strong>an</strong>ada. Dort besuchte die Emma ihre Schwester öfter und jeder<br />

<strong>Lauterbach</strong>er hörte begeistert zu wenn sie von ihren Flugreisen <strong>in</strong>s ferne K<strong>an</strong>ada zu ihrer Schwester<br />

aus der schlesischen Heimat erzählte. Die K<strong>in</strong>der mit schlesischen Wurzeln leben heute noch <strong>in</strong><br />

K<strong>an</strong>ada und h<strong>in</strong>terlassen Spuren ihrer schlesischen Heimat und geben sicher die e<strong>in</strong>e oder <strong>an</strong>dere<br />

Tradition <strong>an</strong> folgende Generationen weiter. Allerd<strong>in</strong>gs „schlesisch Pauern“ k<strong>an</strong>n ke<strong>in</strong>er mehr.<br />

Karl Reim<strong>an</strong>n, Paul Färber, Erna,<br />

Emma, Ella, Martha<br />

Die Neue Mühle <strong>in</strong> Schwabhausen<br />

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Besonders tragisch ist das Schicksal von Erna Breiter, geb. Färber. Sie verlor auf der Flucht ihre<br />

beiden K<strong>in</strong>der. Sie lebte <strong>in</strong> Le<strong>in</strong>efeld, damals DDR. Ihr M<strong>an</strong>n war Webermeister. Beide s<strong>in</strong>d<br />

allerd<strong>in</strong>gs schon gestorben.<br />

Neben Emma Kühner, die am 18.09.09 ihren 95. Geburtstag feiern k<strong>an</strong>n, lebt nur noch Agnes Stolz,<br />

geb. Färber <strong>in</strong> Lauf <strong>an</strong> der Pegnitz. Sie ist 90 Jahre alt, brachte Oma Klara Färber von der DDR <strong>in</strong><br />

den Westen. Der Opa Herm<strong>an</strong>n Paul Färber war schon früher bei se<strong>in</strong>em Sohn Paul <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen<br />

gestorben. Das Ehepaar Paul und Ella hatte drei Töchter und 2 Söhne. Der Sohn Paul setzte die<br />

Familientradition als Müllermeister fort. Er betrieb wieder e<strong>in</strong>e „Färbermühle“ <strong>in</strong> Schwabhausen,<br />

sogar zu DDR-Zeiten. Nach dem Tode von Paul senior übernahm Paul junior die Ver<strong>an</strong>twortung für<br />

die „Neue Mühle“. Auch se<strong>in</strong> Bruder M<strong>an</strong>fred hatte das Müllerh<strong>an</strong>dwerk gelernt. Paul junior hatte e<strong>in</strong>e<br />

Tochter. Die weitere Entwicklung der Mühle und die Familienchronik der Tochter ist nicht bek<strong>an</strong>nt.<br />

Der zweite Sohn Otto aus der Färberfamilie wurde <strong>in</strong> der Blütezeit se<strong>in</strong>es jungen Lebens – wie viele<br />

se<strong>in</strong>er Leidensgenossen – dienstverpflichtet. Er kam nie mehr <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e schlesische Heimat zurück.<br />

E<strong>in</strong> Opfer von Millionen, die <strong>in</strong> dem grausamsten Krieg der Menschheitsgeschichte ihr junges Leben<br />

lassen mussten. Aber daraus sche<strong>in</strong>t die Menschheit nichts gelernt zu haben. Noch immer me<strong>in</strong>en<br />

F<strong>an</strong>atiker, dass Probleme und unterschiedliche Auffassungen oder Me<strong>in</strong>ungen mit brutaler Gewalt<br />

geklärt werden müssen, <strong>an</strong>statt menschliche und hum<strong>an</strong>e Lösungen <strong>in</strong> fairen Verh<strong>an</strong>dlungen zu<br />

f<strong>in</strong>den.<br />

E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Anekdote von Günter Ha<strong>in</strong>ke. Am Weihnachstabend kamen die Nachbarn nach der<br />

Bescherung immer im Gasthaus Ha<strong>in</strong>ke zusammen. Die K<strong>in</strong>der begutachteten gegenseitig die<br />

Geschenke und die Erwachsenen labten sich <strong>in</strong> Punsch oder heißem Grog. Auch die K<strong>in</strong>der<br />

bekamen warmen Himbeersaft oder auch K<strong>in</strong>derpunsch. Unbestrittener Höhepunkt war jedoch immer<br />

das geme<strong>in</strong>same „Mooklisla-Assa“. Herm<strong>an</strong>n Ha<strong>in</strong>e kündigte gegen Mitternacht das geme<strong>in</strong>same,<br />

lukullische Vergnügen <strong>an</strong> und brachte damit se<strong>in</strong>e Frau – die Pumpsa-Trude – sie kam aus<br />

Pompsen, <strong>in</strong> große Verlegenheit. Sie hatte <strong>in</strong> der Hektik der Weihnachtsvorbereitung vergessen, den<br />

Mohn zu malen. Verlegen machte sie die Gesellschaft darauf aufmerksam. Die ältesten Jungen,<br />

M<strong>an</strong>fred , Bernhard und Günther wollten die Situation retten und stimmten das beliebte<br />

Weihnachtslied „ Stille Nacht, heilig Nacht <strong>an</strong>. Sie s<strong>an</strong>gen es aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vari<strong>an</strong>ten, die sich d<strong>an</strong>n<br />

so <strong>an</strong>hörte: „ Stille Nacht ....ohne Mooklisla, Heilige Nacht ... ohne Mooklisla..., Alles schläft...ohne<br />

Mooklisla, e<strong>in</strong>sam wacht ... ohne Mooklisla. Nur das traute, hochheilige Paar... ohne Mooklisla,<br />

holder Knabe im lockigen Haar.. ohne Mooklisla, schlaf <strong>in</strong> himmlischer Ruh...ohne Mooklisla. Herm<strong>an</strong><br />

der Wirt der Gaststätte <strong>in</strong> den Straßenhäusern amüsierte sich kräftig über se<strong>in</strong>en Nachwuchs und<br />

se<strong>in</strong>e Frau hat nie wieder das „Mooklisla-Mahlen“ am Weihnachtsabend vergessen. Und nun laabt<br />

mir gesund, wie Opa Kolle, der Gastwirt und Vater von neun K<strong>in</strong>dern immer zu sagen pflegte.<br />

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