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Leseprobe_Tiemeyer_Schreker

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2.1. Spezifische Eigenschaften des Klangs<br />

die baskische Trommel), zwei kleine Trommeln, Rührtrommel, Große Trommel<br />

und sogar ein mit Papier bespannter Holzrahmen. Eine derart reichhaltige<br />

Besetzung des Schlagwerks sowie die zusätzliche Verwendung von Harfe und<br />

Celesta findet sich jedoch auch in den Bühnenwerken von Richard Strauss oder<br />

Alexander von Zemlinsky, sodass <strong>Schreker</strong>s Orchesterbesetzung keine Besonderheit,<br />

sondern die Regel für das Musikdrama der Wiener Moderne darstellt. 6<br />

Da die Orchestersatztechnik zwischen Wagner und <strong>Schreker</strong> erheblich voranschritt,<br />

stand dem Jüngeren ein weitaus größeres Arsenal an durch Mischung<br />

erzeugten, synthetischen Klängen zur Verfügung. Während für Wagner die<br />

drei Orchesterchöre Streicher, Holzbläser und Blechbläser die Grundlage seiner<br />

Klangkonzeption darstellten, erweiterte sich die orchestrale Sprache um<br />

1900 dergestalt, dass sich zunehmend jede einzelne instrumentale Farbe miteinander<br />

kombinieren ließ. 7 Diese Freiheit in der Zusammenstellung der Instrumente<br />

führte zu einer neuen „Sensibilität gegenüber dem Klang und den<br />

Möglichkeiten seiner Veränderung und Nuancierung“. 8<br />

Die Tatsache, dass sich der <strong>Schreker</strong>-Klang wesentlich von demjenigen<br />

Wagners unterscheidet, liegt damit zum einen an der Möglichkeit der freieren<br />

Kombination von Individualklängen. Zum anderen ist <strong>Schreker</strong>s prononcierte<br />

Verwendung der Celesta maßgeblich für die Klanggestalt seiner Opern<br />

verantwortlich. Diese zählt durch ihre schillernde, gläserne Farbe und ihren<br />

spezifisch obertonreichen, funkelnden Klang zu dem markantesten Instrument<br />

in <strong>Schreker</strong>s Partituren. Die Celesta gehört mit den zwei Harfen zur Standardbesetzung<br />

von <strong>Schreker</strong>s Opernorchester und wird immer dann gezielt<br />

eingesetzt, wenn ein klangliches Ereignis im Zentrum der musikalischen<br />

Darstellung steht: „Spielt der Klang als solcher eine Rolle, so bedarf das<br />

Orchester einer grundsätzlichen Erweiterung, und zwar um Tasten- und<br />

Zupfinstrumente.“ 9<br />

Hebt sich also die Orchesterbesetzung bei <strong>Schreker</strong> nicht sonderlich von den<br />

Gepflogenheiten seiner Zeitgenossen ab, so nutzt er dennoch zwei spezifische<br />

Elemente, die seinen Partituren eine distinguierte Individualität verleihen:<br />

Dies ist zum einen die Verwendung von Vokalisen in hinter oder seitwärts<br />

6 Weiterführend zur Orchestertechnik in den Opern von Richard Strauss siehe Jürgen<br />

Maehder, „Klangfarbenkomposition“, S. 139–181.<br />

7 Janz, Klangdramaturgie, S. 121: „Wenn für Wagner die Chorteilung des Orchesters noch<br />

die Grundlage des orchestralen Denkens darstellt, geht der nachwagnersche Orchestersatz<br />

generell stärker auf eine kompositorische Aufhebung der Chorgrenzen, so daß<br />

schließlich virtuell jede Farbe mit jeder anderen kombinierbar wird.“ Am sinnfälligsten<br />

ereignet sich dies in Maurice Ravels Boléro aus dem Jahr 1928.<br />

8 Jost, Instrumentation, S. 59.<br />

9 Rudolf Stephan, „Franz <strong>Schreker</strong>“, in Rudolf Stephan. Vom musikalischen Denken. Gesammelte<br />

Vorträge, hrsg. von Rainer Damm und Andreas Traub, Mainz 1985, S. 162–167, hier S. 167.<br />

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