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ILLUSTRATION: MARIN GOLEMINOV<br />
Es klingt fast wie eine Mär, aber es<br />
gab Zeiten, als sich das Geld auf<br />
dem Sparbuch ohne Zutun der<br />
Besitzer vermehrt hat. Damals gab es<br />
auch noch ein physisches Buch, mittlerweile<br />
drängen die Banken darauf, die<br />
Sparbücher aufzulösen und die Kunden<br />
in ein Onlinesparkonto zu integrieren.<br />
Den Spruch „Das liebste Buch der Österreicher<br />
ist das Sparbuch“ gibt es nicht zu<br />
Unrecht. Und die Zeiten sind noch gar<br />
nicht so lang her, Anfang der<br />
2000er-Jahre gab es über 3,5 Prozent für<br />
Sparer. Für festangelegtes Geld ab<br />
zwei Jahren fast 4,5 Prozent.<br />
70 Waschmaschinen pro Kopf<br />
Wenn eine Waschmaschine 500 Euro<br />
kostet, könnten sich die Österreicher von<br />
ihrem Ersparten aktuell rund<br />
600 Millionen Stück davon leisten.<br />
Genauer gesagt fast 70 Waschmaschinen<br />
pro Österreicher – vom Greis bis zum<br />
Säugling. So sagt es ein Papier der<br />
Agenda Austria und bewertet damit das<br />
Sparverhalten der Österreicher. Selbst in<br />
Zeiten der höchsten Inflation seit Jahrzehnten<br />
liegt sehr viel Geld ungenutzt auf<br />
Bankkonten – und verliert damit an Wert.<br />
„Derzeit ist Sparen die reine Geldvernichtung.“<br />
Auch Reinhold Baudisch,<br />
Geschäftsführer des Tarifvergleichsportals<br />
Durchblicker, lässt mit dieser nicht<br />
sehr positiven Aussage aufhorchen. Aber<br />
hat er Recht? Oder erleben Sparbücher<br />
heuer ihre Renaissance?<br />
Denn zum ersten Mal seit der Finanzkrise<br />
2008 steigen Zinsen bei den Banken<br />
wieder merklich an. Während sie sich in<br />
den letzten Jahren immer um den Nullpunkt<br />
drehten, zeigt sich durch die<br />
bevorstehende Zinswende der Europäischen<br />
Zentralbank langsam wieder eine<br />
Erholung im Finanzmarkt. Noch im<br />
Februar erhielten Sparende für ihre<br />
Einlage im Durchschnitt 0,06 bis<br />
0,07 Prozent Zinsen – für Sparkonten mit<br />
mehr als zwei Jahren Laufzeit<br />
0,36 Prozent. Nun gibt es aber – zumindest<br />
bei einer Bindung der Einlagen ab<br />
drei Jahren – einen Zinssatz von über<br />
einem Prozent. Und laut Baudisch steht<br />
auch eine Rückkehr der Bausparverträge<br />
im Raum. Denn die Konditionen der<br />
Bausparkassen würden sich mittlerweile<br />
kaum mehr von denen der Banken unterscheiden.<br />
„Angesichts der aktuellen Teuerungsrate<br />
ist das zwar für Sparerinnen und Sparer<br />
bestenfalls ein Tropfen auf den heißen<br />
Stein. Den Wertverlust der Einlagen<br />
kompensiert das nicht ansatzweise. Die<br />
Zinserhöhung auf einen Prozent bleibt<br />
weit unter der für <strong>2022</strong> erwarteten Inflationsrate<br />
von 6,8 Prozent. Wir sehen aber<br />
jetzt zumindest wieder eine leichte<br />
Trendumkehr. Wir gehen davon aus, dass<br />
wieder etwas mehr Bewegung in diesen<br />
Markt kommt“, so Baudisch.<br />
Österreicher besitzen<br />
rund 300 Milliarden<br />
Euro an Bargeld, auf<br />
Sparbüchern und<br />
Konten. In Zeiten der<br />
Inflation schmilzt<br />
das dahin.<br />
Doch zurück zu den Waschmaschinen –<br />
wie viel Geld braucht man für die<br />
„eiserne Reserve“? Wie viel Geld als<br />
Notgroschen gespart werden sollte, ist<br />
nicht einfach zu beantworten. Auch<br />
Profis geben unterschiedliche Auskünfte.<br />
Einige Experten empfehlen einem Singlehaushalt,<br />
mindestens drei, besser sechs<br />
verfügbare Monatsnettogehälter zu<br />
sparen. Bei voll berufstätigen Paaren<br />
sollten drei Monatseinkommen gespart<br />
werden. Andere Banker setzen eine fixe<br />
Summe, meist 10.000 Euro an, um die<br />
Höhe des Notgroschens zu beziffern.<br />
Wichtig ist, im Vorfeld zu wissen, welche<br />
Funktion der Notgroschen haben soll.<br />
Wird das Sparschwein regelmäßig<br />
geplündert – für Urlaube oder ein neues<br />
Handy – ist es kein richtiger Notfallfonds,<br />
der nur in Krisenzeiten helfen soll. Die<br />
unterschiedlichen Funktionen des<br />
Ersparten sollten getrennt werden. Den<br />
Notgroschen parkt man am besten auf<br />
dem Sparkonto, gern auch nicht bei der<br />
üblichen Bank, um das Geld gar nicht<br />
erst in Griffweite zu haben. Um eine Idee<br />
zu haben, wie viele Euros gespart werden<br />
sollen, ist ein Haushaltsbuch hilfreich,<br />
das genau zeigt, wofür Geld ausgegeben<br />
wird und wie viel im Monat reinkommt.<br />
Denn: Ein nicht unerheblicher Teil des<br />
Nettoeinkommens wird für Kleinkram<br />
ausgegeben.<br />
Bei Festgeld noch zuwarten<br />
Grundsätzlich rät Baudisch den motivierten<br />
Sparenden aber noch etwas abzuwarten,<br />
denn „die positiven Zinsen<br />
werden nicht so schnell weitergegeben<br />
wie die negativen“. Und wenn man noch<br />
etwas Geduld beweist, kann man in<br />
Zukunft mit dem Festgeld noch eine<br />
höhere Rendite rausschlagen.<br />
Rund 300 Milliarden Euro liegen derzeit<br />
ungenutzt in Österreich auf Sparbüchern,<br />
Konten oder als Bargeld. Um dem<br />
Vermögen nicht beim Schmelzen<br />
zusehen zu müssen, empfiehlt die<br />
Agenda Austria das Risiko zu erhöhen,<br />
denn „Geld ohne Risiko zu veranlagen,<br />
ist nie möglich“.<br />
Ganz egal, ob das Immobilien, Wertpapiere<br />
oder Kunst und Antiquitäten<br />
seien. Die Agenda rät, einen Teil des<br />
Portfolios auf dem Sparbuch zu belassen<br />
und den Rest zu investieren.<br />
Eine Faustregel gibt es dafür aus den<br />
Vereinigten Staaten: Tina („There is no<br />
Alternative“). 60 Prozent Aktien und<br />
40 Prozent Anleihen schlagen die Amerikaner<br />
vor, wobei die Anleihen hier für<br />
den „risikolosen“ Teil stehen – im österreichischen<br />
Fall also das Sparbuch. An<br />
den Aktienmärkten ist am ehesten eine<br />
Strategie zu finden, die den Bausparvertrag<br />
und das Sparbuch langfristig bereichern<br />
können.<br />
l<br />
PRIVATE<br />
BANKING 29