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private-banking_mai_2022

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ILLUSTRATION: MARIN GOLEMINOV<br />

Es klingt fast wie eine Mär, aber es<br />

gab Zeiten, als sich das Geld auf<br />

dem Sparbuch ohne Zutun der<br />

Besitzer vermehrt hat. Damals gab es<br />

auch noch ein physisches Buch, mittlerweile<br />

drängen die Banken darauf, die<br />

Sparbücher aufzulösen und die Kunden<br />

in ein Onlinesparkonto zu integrieren.<br />

Den Spruch „Das liebste Buch der Österreicher<br />

ist das Sparbuch“ gibt es nicht zu<br />

Unrecht. Und die Zeiten sind noch gar<br />

nicht so lang her, Anfang der<br />

2000er-Jahre gab es über 3,5 Prozent für<br />

Sparer. Für festangelegtes Geld ab<br />

zwei Jahren fast 4,5 Prozent.<br />

70 Waschmaschinen pro Kopf<br />

Wenn eine Waschmaschine 500 Euro<br />

kostet, könnten sich die Österreicher von<br />

ihrem Ersparten aktuell rund<br />

600 Millionen Stück davon leisten.<br />

Genauer gesagt fast 70 Waschmaschinen<br />

pro Österreicher – vom Greis bis zum<br />

Säugling. So sagt es ein Papier der<br />

Agenda Austria und bewertet damit das<br />

Sparverhalten der Österreicher. Selbst in<br />

Zeiten der höchsten Inflation seit Jahrzehnten<br />

liegt sehr viel Geld ungenutzt auf<br />

Bankkonten – und verliert damit an Wert.<br />

„Derzeit ist Sparen die reine Geldvernichtung.“<br />

Auch Reinhold Baudisch,<br />

Geschäftsführer des Tarifvergleichsportals<br />

Durchblicker, lässt mit dieser nicht<br />

sehr positiven Aussage aufhorchen. Aber<br />

hat er Recht? Oder erleben Sparbücher<br />

heuer ihre Renaissance?<br />

Denn zum ersten Mal seit der Finanzkrise<br />

2008 steigen Zinsen bei den Banken<br />

wieder merklich an. Während sie sich in<br />

den letzten Jahren immer um den Nullpunkt<br />

drehten, zeigt sich durch die<br />

bevorstehende Zinswende der Europäischen<br />

Zentralbank langsam wieder eine<br />

Erholung im Finanzmarkt. Noch im<br />

Februar erhielten Sparende für ihre<br />

Einlage im Durchschnitt 0,06 bis<br />

0,07 Prozent Zinsen – für Sparkonten mit<br />

mehr als zwei Jahren Laufzeit<br />

0,36 Prozent. Nun gibt es aber – zumindest<br />

bei einer Bindung der Einlagen ab<br />

drei Jahren – einen Zinssatz von über<br />

einem Prozent. Und laut Baudisch steht<br />

auch eine Rückkehr der Bausparverträge<br />

im Raum. Denn die Konditionen der<br />

Bausparkassen würden sich mittlerweile<br />

kaum mehr von denen der Banken unterscheiden.<br />

„Angesichts der aktuellen Teuerungsrate<br />

ist das zwar für Sparerinnen und Sparer<br />

bestenfalls ein Tropfen auf den heißen<br />

Stein. Den Wertverlust der Einlagen<br />

kompensiert das nicht ansatzweise. Die<br />

Zinserhöhung auf einen Prozent bleibt<br />

weit unter der für <strong>2022</strong> erwarteten Inflationsrate<br />

von 6,8 Prozent. Wir sehen aber<br />

jetzt zumindest wieder eine leichte<br />

Trendumkehr. Wir gehen davon aus, dass<br />

wieder etwas mehr Bewegung in diesen<br />

Markt kommt“, so Baudisch.<br />

Österreicher besitzen<br />

rund 300 Milliarden<br />

Euro an Bargeld, auf<br />

Sparbüchern und<br />

Konten. In Zeiten der<br />

Inflation schmilzt<br />

das dahin.<br />

Doch zurück zu den Waschmaschinen –<br />

wie viel Geld braucht man für die<br />

„eiserne Reserve“? Wie viel Geld als<br />

Notgroschen gespart werden sollte, ist<br />

nicht einfach zu beantworten. Auch<br />

Profis geben unterschiedliche Auskünfte.<br />

Einige Experten empfehlen einem Singlehaushalt,<br />

mindestens drei, besser sechs<br />

verfügbare Monatsnettogehälter zu<br />

sparen. Bei voll berufstätigen Paaren<br />

sollten drei Monatseinkommen gespart<br />

werden. Andere Banker setzen eine fixe<br />

Summe, meist 10.000 Euro an, um die<br />

Höhe des Notgroschens zu beziffern.<br />

Wichtig ist, im Vorfeld zu wissen, welche<br />

Funktion der Notgroschen haben soll.<br />

Wird das Sparschwein regelmäßig<br />

geplündert – für Urlaube oder ein neues<br />

Handy – ist es kein richtiger Notfallfonds,<br />

der nur in Krisenzeiten helfen soll. Die<br />

unterschiedlichen Funktionen des<br />

Ersparten sollten getrennt werden. Den<br />

Notgroschen parkt man am besten auf<br />

dem Sparkonto, gern auch nicht bei der<br />

üblichen Bank, um das Geld gar nicht<br />

erst in Griffweite zu haben. Um eine Idee<br />

zu haben, wie viele Euros gespart werden<br />

sollen, ist ein Haushaltsbuch hilfreich,<br />

das genau zeigt, wofür Geld ausgegeben<br />

wird und wie viel im Monat reinkommt.<br />

Denn: Ein nicht unerheblicher Teil des<br />

Nettoeinkommens wird für Kleinkram<br />

ausgegeben.<br />

Bei Festgeld noch zuwarten<br />

Grundsätzlich rät Baudisch den motivierten<br />

Sparenden aber noch etwas abzuwarten,<br />

denn „die positiven Zinsen<br />

werden nicht so schnell weitergegeben<br />

wie die negativen“. Und wenn man noch<br />

etwas Geduld beweist, kann man in<br />

Zukunft mit dem Festgeld noch eine<br />

höhere Rendite rausschlagen.<br />

Rund 300 Milliarden Euro liegen derzeit<br />

ungenutzt in Österreich auf Sparbüchern,<br />

Konten oder als Bargeld. Um dem<br />

Vermögen nicht beim Schmelzen<br />

zusehen zu müssen, empfiehlt die<br />

Agenda Austria das Risiko zu erhöhen,<br />

denn „Geld ohne Risiko zu veranlagen,<br />

ist nie möglich“.<br />

Ganz egal, ob das Immobilien, Wertpapiere<br />

oder Kunst und Antiquitäten<br />

seien. Die Agenda rät, einen Teil des<br />

Portfolios auf dem Sparbuch zu belassen<br />

und den Rest zu investieren.<br />

Eine Faustregel gibt es dafür aus den<br />

Vereinigten Staaten: Tina („There is no<br />

Alternative“). 60 Prozent Aktien und<br />

40 Prozent Anleihen schlagen die Amerikaner<br />

vor, wobei die Anleihen hier für<br />

den „risikolosen“ Teil stehen – im österreichischen<br />

Fall also das Sparbuch. An<br />

den Aktienmärkten ist am ehesten eine<br />

Strategie zu finden, die den Bausparvertrag<br />

und das Sparbuch langfristig bereichern<br />

können.<br />

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PRIVATE<br />

BANKING 29

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