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FOTO: REUTERS<br />
Julian Assange gehörte. Die Cypherpunks hatten schon<br />
länger über digitale Zahlungen ohne Zwischeninstanzen<br />
nachgedacht. Mit der Finanzkrise, durch die das Vertrauen<br />
in Staaten und Banken schwer angeknackst worden war,<br />
schien die Zeit gekommen.<br />
Im November 2008 – keine zwei Monate nach der Pleite<br />
der US-Investmentbank Lehman Brothers, die eine globale<br />
Finanzkrise auslöste – veröffentlichte jemand mit dem<br />
Pseudonym Satoshi Nakamoto ein Whitepaper mit dem<br />
Titel „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic<br />
Cash System“. Der kurze, etwas sperrige<br />
Text ist im Internet abrufbar. Darin wird<br />
erklärt, wie Onlinezahlungen von einer<br />
Partei direkt an eine andere gesendet<br />
werden könnten, ohne über ein Finanzinstitut<br />
zu gehen. Die Lösung sah man in<br />
einem dezentralen Peer-to-Peer-Netzwerk<br />
(vielen Teilnehmern statt einer zentralen<br />
Instanz). Die Zahlungen würden nicht wie<br />
im herkömmlichen Bankensystem über<br />
Vertrauen legitimiert, sondern über unfälschbare kryptografische<br />
Nachweise. Betrug und Manipulation sollten<br />
damit unmöglich sein.<br />
Die Preisexplosion<br />
Anfang 2009 wurden die ersten Bitcoin „geschürft“. Man<br />
erhält sie als Belohnung, wenn man sich mit einem Hochleistungsrechner<br />
am Bitcoin-Netzwerk beteiligt und Transaktionen<br />
bestätigt. Inzwischen gibt es 19 Millionen, mehr<br />
als 21 Millionen kann es nicht geben. Bitcoin ist zudem so<br />
programmiert, dass die Entstehung neuer Bitcoin sukzessive<br />
verlangsamt wird. Etwa alle vier Jahre wird die Belohnung,<br />
die man für das Erstellen von Blöcken erhält,<br />
halbiert. Dieser Prozess heißt „Halving“. Die letzte Bitcoin-<br />
Einheit, deren Entstehung sich über Jahre hinziehen wird,<br />
wird erst um das Jahr 2140 herum geschürft sein. Da zudem<br />
immer wieder Bitcoin verschwinden, weil Nutzer ihre<br />
Zugangsdaten verlieren, ist Bitcoin ein knappes Gut.<br />
Und das hat den Preis in die Höhe getrieben. Im Mai 2010<br />
wurden zwei Pizzas gegen 10.000 Bitcoin geliefert (heutiger<br />
Gegenwert: 400 Millionen Dollar). Es war das erste Mal, dass<br />
ein reales Gut mit Bitcoin bezahlt wurde. Im Folgejahr überschritt<br />
der Bitcoin-Preis die Marken von einem und von<br />
zehn Dollar. 2013 war das Jahr, in dem die 100- sowie die<br />
1000-Dollar-Marke gerissen wurden. 2017 kostete ein Bitcoin<br />
erstmals 10.000 Dollar. Der steile Anstieg ging mit heftigen<br />
Schwankungen einher, während der Bitcoin-Preis immer<br />
wieder um bis zu 80 Prozent abrutschte – und zurückkehrte.<br />
Nach jedem Halving (Halbierung der Bitcoin-Belohnung pro<br />
Block) erfolgte ein neuer Höhenflug. Bisher gab es drei<br />
Bitcoin trotzt von<br />
seiner Konzeption her<br />
der Inflation,<br />
kurzfristig korreliert es<br />
nicht mit der<br />
Teuerung.<br />
Halvings in den Jahren 2012, 2016 und 2020. Dass beim<br />
letzten Zyklus noch nicht die Marke von 100.000 Dollar<br />
gefallen ist, enttäuschte viele. Das bisherige Rekordhoch<br />
wurde im November 2021 bei 68.000 Dollar eingestellt.<br />
Der starke Preisanstieg und die heftigen Schwankungen<br />
von Bitcoin rief eine Zielgruppe auf den Plan, die die<br />
Bitcoin-Gründer gar nicht primär im Sinn gehabt hatten:<br />
Spekulanten, die mit Bitcoin reich werden wollten, was im<br />
Laufe der Jahre allerdings in einem immer geringeren<br />
Ausmaß funktionierte. Starke Verbreitung<br />
erfuhr Bitcoin jedoch in Schwellenländern, in<br />
denen die Inflation noch viel verheerender<br />
zuschlägt, etwa in der Türkei oder Venezuela.<br />
Inzwischen haben zwei Länder, El Salvador<br />
und die Zentralafrikanische Republik, Bitcoin<br />
als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt.<br />
Dabei hat Bitcoin aufgrund seiner Knappheit<br />
überall das Potenzial, Inflationsschutz zu<br />
bieten – ähnlich wie Gold, das ebenfalls knapp<br />
ist: Zur bereits vorhandenen Menge von<br />
200.000 Tonnen kommen jährlich nur etwa 3000 bis<br />
4000 Tonnen dazu. Gold hat tatsächlich über die Jahrtausende<br />
und Jahrhunderte seine Kaufkraft erhalten.<br />
Zwischenzeitig gab es aber immer wieder Phasen, in denen<br />
das nicht so gut funktionierte. Wer Anfang der 1980er-Jahre<br />
Gold erwarb, musste sich Jahrzehnte gedulden, bis sich<br />
sein Investment rechnete. Doch seit der Jahrtausendwende<br />
hat sich der Preis für eine Feinunze Gold fast verachtfacht.<br />
Der Krypto-Inflationsschutz?<br />
Dass Bitcoin Inflationsschutz biete, werde oft missverstanden,<br />
meint Mark Valek, Kryptowährungsexperte bei der<br />
liechtensteinischen Fondsgesellschaft Incrementum: Bitcoin<br />
trotze von seiner Konzeption her der Inflation, kurzfristig sei<br />
jedoch keine Korrelation mit der Verbraucherpreis-Inflation<br />
feststellbar. Langfristig sollte Bitcoin vor Inflation schützen.<br />
Kurzfristig spiele die Adoption, also die weltweite Durchsetzung,<br />
eine größere Rolle als die Inflation, da Bitcoin ja noch<br />
eine sehr junge Assetklasse sei. Zuletzt schadete die Aussicht<br />
auf eine straffere Geldpolitik durch die US-Notenbank Fed<br />
Aktien und Bitcoin gleichermaßen.<br />
Wer sich als Anleger vor Inflation schützen wolle, sollte<br />
lieber zu einer Mischung an Anlagevehikeln greifen als nur<br />
zu Bitcoin, der zwischendurch sehr stark schwanken<br />
könnte, rät Valek. Dabei sei eine Mischung aus Gold,<br />
Rohstoffen und Bitcoin am besten geeignet, da Bitcoin<br />
auch relativ wenig mit Gold korreliere. Eine Alternative<br />
seien auch „Inflation Linked Bonds“, inflationsgebundene<br />
Anleihen. Mit solchen sei man aber wiederum von Staaten<br />
abhängig, was man mit Bitcoin und Gold nicht sei. l<br />
PRIVATE<br />
BANKING 85