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Kulturelle Bildung

Grundschule aktuell Heft 158 - Mai 2022

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Thema: <strong>Kulturelle</strong> <strong>Bildung</strong><br />

Kinder und ihrer Eltern zu entwickeln.<br />

Die Eltern als die bestimmende Determinante<br />

für ungleiche <strong>Bildung</strong>schancen<br />

( El-Mafaalani 2020) in diese Prozesse<br />

aktiv mit einzubinden, ist dabei genauso<br />

wichtig wie der enge und offene Austausch<br />

mit allen Partnern, die in Schule<br />

tätig werden.<br />

Diese Kooperationsleistungen erfordern<br />

zunächst zusätzliche Ressourcen<br />

zum Aufbau und zur Pflege dieses Netzwerkes.<br />

Wenn es jedoch gelingt, ein tragfähiges<br />

Netz an Beteiligten und Akteuren<br />

an die Schule zu binden, bedeutet dies<br />

langfristig eine Entlastung der Strukturen<br />

und damit auch einzelner Lehrkräfte.<br />

Eine ästhetische, d. h. mit <strong>Kulturelle</strong>r <strong>Bildung</strong><br />

durchzogene Schulkultur trägt<br />

schnell Früchte, indem durch die aktive<br />

und motivierte Mitwirkung vieler Beteiligter<br />

das System immer neue Impulse<br />

und Möglichkeiten hervorbringt und<br />

sich quasi selbst weiterentwickelt. Verschiedene<br />

Querschnittsthemen wie Diversität,<br />

Digitalität, Nachhaltigkeit oder<br />

aktuelle Themen wie Krieg, Pandemie<br />

oder Tod finden in ästhetischen Praktiken<br />

viel leichter und zugänglicher Ausdruck<br />

und damit eine Bewältigungsstrategie<br />

für Schüler_innen und Lehrkräfte.<br />

Worin liegen die Potenziale<br />

Frühkindlicher <strong>Kulturelle</strong>r <strong>Bildung</strong>?<br />

Die Potenziale (Frühkindlicher) <strong>Kulturelle</strong>r<br />

<strong>Bildung</strong> können kaum in einem<br />

Satz genannt werden. Zu abhängig sind<br />

die Wirkungen ästhetischer Praktiken<br />

von der jeweiligen Sparte, dem Individuum<br />

oder Umfeld, auf das sie wirken,<br />

oder auch der ästhetischen und<br />

pädagogischen (Prozess-)Qualität, in<br />

der sie angeboten werden. Bedeutsam<br />

ist jedoch, dass Kinder schon früh sehr<br />

unterschiedliche Künste und ästhetische<br />

Praktiken sowohl in ihrer Rezeption, d. h.<br />

Musik hören, Theater sehen oder Bilder<br />

besprechen, als auch in der Produktion,<br />

d. h. im Selbsttätigsein, erfahren. Nur so<br />

lernen sie verschiedene „Sprachen“ und<br />

Formen zu „lesen“ und sich und ihre<br />

Erkenntnisse auszudrücken. Auch das<br />

konkrete Alter ist zu beachten, wenn es<br />

um das „wie“ und mögliche Potenziale<br />

des ästhetischen Arbeitens geht.<br />

Am Beispiel des Umgangs mit digitalen<br />

Medien wird dies deutlich: Kein<br />

Kind kommt, wenn es das Grundschulalter<br />

erreicht hat, in seinem (familiären)<br />

Alltag an digitalen Medien vorbei. Es<br />

geht jedoch in der <strong>Kulturelle</strong>n <strong>Bildung</strong><br />

nicht darum, unhinterfragt Medienangebote<br />

zu konsumieren, sondern diese<br />

einzubetten in die Erfahrungswelten<br />

der Kinder. Was habe ich da gesehen?<br />

Was habe ich erfahren? Wie kann ich das<br />

Erfahrene selbst verarbeiten und meine<br />

eigene Rezeption widerspiegeln? Im<br />

kreativen Umgang mit digitalen Medien<br />

Kinder in ihren Gestaltungs- und Ausdrucksfähigkeiten<br />

ernst zu nehmen, bedeutet also,<br />

Teilhabe und „Teilgabe“ aktiv zu ermöglichen.<br />

lernen Kinder, ihren Medienkonsum zu<br />

reflektieren, Qualitätsunterschiede einzuschätzen,<br />

und machen die Erfahrung,<br />

dass sie selbst in der Lage sind, Medienangebote<br />

zu erstellen und zu verändern.<br />

Wirklichkeiten vorzutäuschen, Realität<br />

zu verfremden wird dekonstruiert. Filmemacher_innen<br />

in Schulen einzuladen,<br />

Kooperationen mit Medienbüros<br />

einzugehen oder auch Videoerstellung<br />

als ein Ausdrucksmittel zu nutzen, kann<br />

viele Unterrichtsthemen um eine weitere<br />

Dimension reicher machen. Kinder in<br />

ihren Gestaltungs- und Ausdrucksfähigkeiten<br />

ernst zu nehmen, bedeutet also,<br />

Teilhabe und „Teilgabe“ aktiv zu ermöglichen.<br />

Die Mitgestaltung von Schulgebäuden<br />

und damit Lernräumen auch<br />

ganz physisch zu begreifen, praktische<br />

Architekturerfahrung und nicht nur<br />

Dekorationserfahrung zu ermöglichen,<br />

könnte auch ganz nebenbei viele Schulräume<br />

lernadäquater entwickeln. Hierzu<br />

kann eine Kooperation mit Architekt_<br />

innen, die es gewohnt sind, mit Kindern<br />

zu arbeiten, hilfreich sein.<br />

Medien und Architektur sind nur zwei<br />

Beispiele, wie künstlerisches und kulturelles<br />

Lernen in den Lernalltag der Schule<br />

Eingang finden kann. Vor allem durch<br />

den Einbezug kultureller Fachkräfte können<br />

pädagogische und ästhetische Grundprinzipien<br />

<strong>Kulturelle</strong>r <strong>Bildung</strong> (z. B. Interessen-<br />

und Stärkenorientierung, Selbstwirksamkeitserfahrung,<br />

Anerkennung<br />

oder Ambiguität, Bezug zur Leiblichkeit,<br />

Enthusiasmus) (vgl. Braun/Schorn<br />

2012, 131 ff. und Rat für <strong>Kulturelle</strong> <strong>Bildung</strong><br />

2014, 44 f.) verwirklichbar werden,<br />

die das spezifische Potenzial und damit<br />

die Qualität <strong>Kulturelle</strong>r <strong>Bildung</strong> ausmachen<br />

(vgl. ergänzend den folgenden Beitrag<br />

von Stiller).<br />

Fazit: Was muss nun konkret bei<br />

der Gestaltung eines kulturellen<br />

Lernraums beachtet werden?<br />

Wie gelingt nun die Gestaltung eines<br />

kulturellen Lernraums Grundschule?<br />

Ein paar wichtige Grundsätze sind zu<br />

beachten, wenn <strong>Kulturelle</strong> <strong>Bildung</strong> als<br />

Querschnittsaufgabe in Schulen verankert<br />

werden soll und sich dadurch<br />

die Möglichkeit ergibt, auch drängende<br />

bildungspolitische Themen wie Ganztag,<br />

Diversität/Inklusion oder <strong>Bildung</strong>sungerechtigkeiten<br />

grundsätzlicher anzugehen<br />

und zu bearbeiten:<br />

1. <strong>Kulturelle</strong> <strong>Bildung</strong> ist paradox: sie<br />

wirkt nur, wenn sie zweckfrei betrieben<br />

wird. Das heißt, <strong>Kulturelle</strong> <strong>Bildung</strong> lässt<br />

sich nicht in ein schulisches Bewertungsschema<br />

pressen und ähnlich wie<br />

ein Fach abhandeln. Wenn sie nur im<br />

Schielen auf außerhalb der Künste liegende<br />

Kompetenzen betrieben wird,<br />

verliert sie ihre Stärke.<br />

2. <strong>Kulturelle</strong> <strong>Bildung</strong> ist kein Add-on.<br />

Ästhetische Praktiken in der (Grund-)<br />

Schule einzusetzen bedeutet, eine spezifische<br />

Lernkultur herauszubilden und<br />

zu kultivieren und alle Fächer mit ästhetischen<br />

Praktiken zu durchziehen.<br />

3. Für <strong>Kulturelle</strong> Schulentwicklung<br />

gibt es keine Schablone. Jede Schule<br />

muss ihren eigenen Weg finden im<br />

regionalen oder kommunalen Netzwerk,<br />

in dem sie sich befindet. Es gibt allerdings<br />

zahlreiche Schulen in der Republik,<br />

die sich schon auf den „kulturellen<br />

Weg“ gemacht haben, sodass der Austausch<br />

untereinander sehr wertvoll sein<br />

kann.<br />

4. <strong>Kulturelle</strong> <strong>Bildung</strong> in Schule systematisch<br />

zu entwickeln, braucht einen<br />

langen Atem und die Einbeziehung<br />

und Zusammenarbeit unterschiedlichster<br />

Akteure. Schulleitungen, das<br />

ganze oder zumindest die Mehrheit<br />

des Lehrerkollegiums, Kultur- und<br />

andere Partner aus dem Umfeld, die<br />

Einbindung von Eltern und die Stärkung<br />

der Gestaltungsfähigkeit der<br />

6 GS aktuell 158 • Mai 2022

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