Virtual Characters.indd - Yu-Chung Chen
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4.1.2. Kritik<br />
Obwohl die Uncanny Valley-These plausibel erscheint, leicht nachvollziehbar<br />
ist und auf erstaunlich viele Beispiele auch außerhalb der Robotik passt – so<br />
auch auf virtuelle Menschen und Horrorfilme –, wurde sie in den über 30 Jah-<br />
ren seit ihrer Veröffentlichung kaum wissenschaftlich bestätigt 28 . Sie ist also<br />
mit Vorsicht zu genießen und nicht als bequeme Antwort für jede misslungene<br />
Animation anzuführen.<br />
Der Parameter „Human likeness“ ist vage, definitionswürdig und in Moris<br />
Ausführung eindimensional. Ich gehe davon aus, dass er damit lediglich das<br />
oberflächliche Aussehen meint. Die Bewegung wurde als Modifikator der Kurve<br />
genannt und da Mori im gleichen Text empfiehlt, beim Roboter-Design den<br />
ersten Gipfel der Kurve, also nicht das Maximum, anzustreben, dürfte die In-<br />
telligenz nicht in der Kurve mit gemeint sein. Doch selbst wenn es nur um das<br />
oberflächliche Aussehen geht, gibt es unzählige Kriterien, wie ein „menschen-<br />
ähnliches“ Aussehen gestaltet werden kann.<br />
Im Bestreben, eine naive Annahme in der Robotergestaltung zu widerlegen,<br />
verfällt Mori also selbst dem ebenfalls verbreiteten Trügschluss, Menschen-<br />
ähnlichkeit wäre mit äußerem Realismus gleichzusetzen.<br />
Immerhin gibt es aus der Robotik-Forschung selbst vergleichbare Kritik: David<br />
Hanson zeigt mit einer vorläufigen Untersuchung den Ansatz, mit einer geän-<br />
derten Ästhetik in der Robotergestaltung die emotionale Akzeptanz zu beein-<br />
flussen und somit das Uncanny Valley umzugehen. 29<br />
Meines Erachtens ist allein Moris Ansatz schon irreführend. Bei der Nachah-<br />
mung der Menschen strebt Mori hauptsächlich eine bestimmte Äußerlichkeit<br />
an und setzt die emotionale Akzeptanz als abhängigen Parameter, obwohl<br />
diese der eigentlich ausschlaggebende ist. Dies ist ein typischer Fallstrick der<br />
Orientierung an der Disziplin statt am Inhalt, Optimierung der Spezifikation<br />
statt Problemlösung.<br />
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