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FOCUS_25_Fleischhauer

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JAN FLEISCHHAUER<br />

Der schwarze Kanal<br />

Bloß raus aus<br />

diesem Klub<br />

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen<br />

hat sich diese Woche neu zusammengefunden.<br />

Mit dabei: China, Pakistan, Nordkorea und Kuba.<br />

Woran sich die Frage anschließt:<br />

Was machen wir noch in der UN?<br />

Was tut eine Menschenrechtsbeauftragte?<br />

Sich um die Verbesserung de Menschenrechte<br />

kümmern, wäre die naheliegende<br />

Antwort.<br />

Vor drei Wochen war die UN-Menschenrechtskommissarin<br />

Michelle<br />

Bachelet in China. Der Zeitpunkt hätte kaum passender<br />

sein können. Zeitgleich zu ihrem Besuch hatte die internationale<br />

Presse ausführlich über die Praktiken in den Folterlagern<br />

berichtet, in denen die chinesische Staatsführung<br />

Hunderttausende von Uiguren gefangen hält. Die Uiguren<br />

gehören mehrheitlich der Glaubensgruppe der Muslime an.<br />

Das reicht in China, um als Subjekt zu gelten, das man am<br />

besten wegsperrt.<br />

Über die vergangenen Jahre hat China in der Provinz<br />

Xinjiang das größte Lagersystem seit dem Ende des Gulag<br />

errichtet. Bislang war man auf Augenzeugenberichte über<br />

die Zustände in den Lagern angewiesen, die systematische<br />

Entrechtung, den Terror, um den Willen der Menschen zu<br />

brechen, die permanente Gehirnwäsche. Jetzt veröffentlichten<br />

führende Presseorgane im Westen die Auswertung<br />

interner Polizeiakten, die über ein Datenleck in die Hände<br />

von Menschenrechtsaktivisten gelangt waren.<br />

Wer in dieser Schreckenswelt<br />

verschwindet, kommt nur als<br />

»<br />

Rassismus ist eine Karte,<br />

die immer zieht. Den Bogen<br />

hat inzwischen die kleinste<br />

Dschungel-Despotie raus<br />

«<br />

Schattenwesen wieder heraus.<br />

Und es ist völlig willkürlich, was<br />

einen zum Verbrecher stempelt.<br />

Der eine landet im Lager, weil er<br />

sich zu oft mit dem Handy im Netz<br />

bewegt hat – ein anderer, weil<br />

er über Monate die Onlinewelt<br />

strikt gemieden hat. Alles kann<br />

als Uigure gegen einen ausgelegt<br />

werden, alles macht einen verdächtig.<br />

Das Einzige, worauf Verlass<br />

ist, ist die Härte der Strafe: sieben Jahre für das Öffnen<br />

eines Gebetsbuchs, zwölf Jahre für die Teilnahme an einem<br />

Gebetskreis, sechzehn Jahre für das Umgehen einer Internetsperre.<br />

Entsprechend hoch waren daher die Erwartungen an<br />

den Besuch von Frau Bachelet. Endlich jemand, der die<br />

Zustände in Xinjiang zur Sprache bringen würde! Der letzte<br />

Besuch eines hohen Vertreters der Vereinten Nationen lag<br />

17 Jahre zurück. Aber was tat die UN-Menschenrechtsbeauftragte<br />

bei ihrer Pressekonferenz in Peking? Sie bedankte<br />

sich artig für die Gelegenheit, die „Ausbildungszentren“<br />

gesehen zu haben, wie die Staatsführung die Internierungslager<br />

nennt, und redete dann ausführlich über die „erschütternden<br />

Menschenrechtsverletzungen“ in den USA.<br />

Ein Wort über den Gulag in Xinjiang? I wo. Man will<br />

ja als hochrangiges Mitglied der Vereinten Nationen die<br />

Gastgeber nicht verstören. Wie anschließend zu lesen war,<br />

konnten die Chinesen ihr Glück kaum fassen.<br />

Die meisten Menschen denken, wenn sie an die UN<br />

denken, an ein Parlament der Völker, eine Art Riesen-NGO,<br />

in der sich die Weltgemeinschaft im diplomatischen Ringen<br />

darauf verständigt, wie man den größten Übeln der<br />

Menschheit beikommt. Mag sein, dass es mal so lief – vielleicht<br />

1948, als Eleanor Roosevelt als erste Vorsitzende der<br />

Menschenrechtskommission die Allgemeine Erklärung der<br />

Menschenrechte verkündete. Heute ist es eine Show, um<br />

den schlimmsten Diktaturen der Welt den Anstrich der Ehrbarkeit<br />

zu verleihen.<br />

Es reicht ein Blick auf die Mitgliederliste des Menschenrechtsrats,<br />

dem Gremium, in dem über die<br />

Einhaltung der berühmten Charta gewacht wird,<br />

und man weiß, woran man ist. Zu den Mitgliedern<br />

dieser Herzkammer der Vereinten Nationen zählen:<br />

Venezuela, Pakistan, China, Libyen, Kuba, Katar, Sudan,<br />

Gabun, Kasachstan, Usbekistan. Diese Woche hat sich das<br />

Gremium gerade zu seiner 50. Sitzung zusammengefunden.<br />

Iran ist jetzt raus, wenn ich es richtig sehe. Dafür ist Kuba<br />

wieder dabei.<br />

Gut, hier sitzen die Richtigen<br />

zusammen, kann man sagen. In<br />

allen diesen Ländern ist man als<br />

Freigeist schneller im Gefängnis,<br />

als man das Wort „Freiheit“ aussprechen<br />

kann. Wobei man noch<br />

Glück hat, wenn man im Gefängnis<br />

landet. Wenn man Pech hat, ist<br />

man gleich tot.<br />

Es ist auch nicht so, dass das<br />

Gremium tatenlos bliebe. Ich bin<br />

kürzlich beim Surfen im Netz auf<br />

Fo t o : M a r k u s C . H u r e k f ü r F O C U S - M a g a z i n<br />

6 <strong>FOCUS</strong> <strong>25</strong>/2022

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