Erzgebirge – Wandermagazin 215
Erzgebirge Wandern im UNESCO-Welterbe – Wandermagazin-Chefredakteur Thorsten Hoyer geht Schritt für Schritt durch eine Wanderwelt voller Geschichten und Geschichte – nicht nur auf dem Kammweg.
Erzgebirge
Wandern im UNESCO-Welterbe – Wandermagazin-Chefredakteur Thorsten Hoyer geht Schritt für Schritt durch eine Wanderwelt voller Geschichten und Geschichte – nicht nur auf dem Kammweg.
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<strong>Erzgebirge</strong><br />
RegioPanorama<br />
Wandern im UNESCO-Welterbe<br />
© TVE, studio2media
REGIOPANORAMA ERZGEBIRGE <strong>–</strong> WANDERN IM UNESCO-WELTERBE<br />
Welterbe<br />
mit<br />
Weitblick<br />
<strong>Erzgebirge</strong><br />
Westerzgebirge, Mittleres <strong>Erzgebirge</strong> und Osterzgebirge<br />
sind Naturräume, die sich zum <strong>Erzgebirge</strong> zusammenschließen.<br />
Ein Mittelgebirge geprägt von tiefen Wäldern und luftigen Höhen, die im<br />
1.<strong>215</strong> Meter hohen Fichtelberg gipfeln und mit Weitsichten beeindrucken.<br />
Der Landschaft nähert man sich am intensivsten auf Wanderungen an<br />
oder bei gemächlichen Fahrten mit den historischen Dampf-Schmalspurbahnen<br />
der Fichtelberg-, Weißeritz- und Preßnitztalbahn oder der<br />
Museumsbahn Schönheide. Die Vielfältigkeit der Landschaft spiegelt sich<br />
in besonderem Maß auch in den Bergstädten wie Annaberg-Buchholz,<br />
Freiberg, Marienberg und Schneeberg. Eine Landschaft für Entdecker<br />
mit Lust auf Weitblick.<br />
2 WANDERMAGAZIN Sommer 2022
Auf dem Auersberg bei Eibenstock<br />
© TVE e.V., Dennis Stratmann<br />
www.wandermagazin.de<br />
3
REGIOPANORAMA ERZGEBIRGE <strong>–</strong> WANDERN IM UNESCO-WELTERBE<br />
Welterbe<br />
mit<br />
Geschichte<br />
<strong>Erzgebirge</strong><br />
Das <strong>Erzgebirge</strong> wurde einst als Miriquidi bezeichnet, was so viel wie<br />
Finster- oder Dunkelwald bedeutet. Aufgrund rauer klimatischer Bedingungen<br />
und geringer Möglichkeiten des Broterwerbes war die Region nur dünn<br />
besiedelt. Das änderte sich im 12. Jh. mit der Entdeckung von Silbererzen und<br />
dem ersten sogenannten „Berggeschrey“, dem die Menschen zum Arbeiten<br />
in die Bergwerke folgten. Waren die Erträge nicht ergiebig genug, wurde für<br />
ein zusätzliches Einkommen Nützliches sowie Spielzeug aus Holz geschnitzt.<br />
Hieraus entwickelte sich später die traditionelle erzgebirgische Volkskunst.<br />
Bis heute leben die reichen Traditionen in und<br />
mit den Menschen weiter.<br />
4 WANDERMAGAZIN Sommer 2022
Bergmannskanzel im Dom St. Marien in Freiberg<br />
© TVE e.V., Greg Snell, snellmedia.com<br />
www.wandermagazin.de<br />
5
REGIOPANORAMA ERZGEBIRGE <strong>–</strong> WANDERN IM UNESCO-WELTERBE<br />
6 WANDERMAGAZIN Sommer 2022
Am Röhrgraben bei Ehrenfriedersdorf<br />
© TVE e.V., Uwe Meinhold<br />
Welterbe<br />
mit der<br />
Familie<br />
<strong>Erzgebirge</strong><br />
Kinder und Wandern, das ist nicht immer die innigste Beziehung.<br />
Dabei gibt es kaum etwas Schöneres, wenn sich Groß und Klein gemeinsam<br />
aufmachen, um mit neugierigen Blicken durch die Welt zu gehen. Da diese<br />
bekanntlich ja schon vor der eigenen Haustüre beginnt, muss man gar nicht viel<br />
Zeit mit aufwändigem Planen verschwenden. Erst recht nicht, wenn die Wege<br />
ins <strong>Erzgebirge</strong> führen, denn hier verbinden sich Naturerlebnisse, spannende<br />
Geschichten und unterhaltsame Attraktionen zu einem natürlichen kurzweiligen<br />
Freizeitvergnügen. Wer künstliche Erlebniswelten sucht, wird im <strong>Erzgebirge</strong><br />
nicht fündig. Dafür gibt es zahllose Angebote, bei denen<br />
das authentische Erleben im Fokus steht.<br />
www.wandermagazin.de<br />
7
REGIOPANORAMA ERZGEBIRGE <strong>–</strong> WANDERN IM UNESCO-WELTERBE<br />
Wandern im<br />
UNESCO-Welterbe<br />
TEXTE: THORSTEN HOYER<br />
<strong>Erzgebirge</strong><br />
Schritt für Schritt<br />
durch eine Wanderwelt<br />
voller Geschichte(n)<br />
Mehr als 850 Jahre sind es her, dass der Bergbau seine<br />
ersten Spuren im harten Fels des <strong>Erzgebirge</strong>s hinterließ.<br />
Es war der Beginn einer Bergbaugeschichte,<br />
die die hiesige Kulturlandschaft nachhaltig formte und<br />
sie bis heute mit Leben füllt. Die grenzüberschreitende<br />
Montanregion <strong>Erzgebirge</strong>/Krušnohoří wurde aufgrund<br />
ihrer herausragenden Bedeutung im Juli 2019<br />
durch die UNESCO mit dem Titel Welterbe gekrönt.<br />
Zunächst mögen die ersten Schritte etwas theoretisch erscheinen,<br />
aber für die Annäherung an die Montanregion sind<br />
sie doch grundlegend. Die Erklärung des Begriffs „Montanregion“<br />
hat eine Art Schlüsselfunktion: Das lateinische „montanus“<br />
bedeutet so viel wie „Gebirge oder die Berge betreffend“<br />
und steht in dieser Verbindung für eine Region, die durch den<br />
Bergbau geprägt wurde <strong>–</strong> und bis heute ist. Ein sich über viele<br />
Jahre hinziehender Bewerbungs- und Prüfungsprozess endete<br />
schlussendlich mit der klaren Erkenntnis der UNESCO, dass<br />
das <strong>Erzgebirge</strong> eine einzigartige montane Kulturlandschaft von<br />
globaler Bedeutung ist. Mit den ersten Silberfunden im Jahr<br />
1168 entwickelten sich über Jahrhunderte Wissen und Technologie<br />
um den Bergbau, die weltweit Maßstäbe setzten. Aber es<br />
war nicht „nur“ der Bergbau alleine, parallel entstanden Infrastrukturen,<br />
wie ausgeklügelte Wassersysteme, effiziente Verar-<br />
Bergstadt Marienberg © TVE/Uwe Meinhold<br />
8 WANDERMAGAZIN Sommer 2022
Schwarzwassertal bei Pobershau<br />
© TVE/Uwe Meinhold<br />
mehr noch ist der einstige Reichtum der Stadt Schneeberg aber<br />
mit der Entdeckung eines anderen metallischen Stoffes verbunden:<br />
Kobalt. Der seltene Rohstoff war die Grundlage zur Gewinnung<br />
der begehrten blauen Farbe, die weit über die Grenzen<br />
Sachsens bis nach China zur Herstellung edelsten Glases und<br />
Porzellans begehrt war. Ein Weitblick, der seine Anfänge im<br />
Siebenschlehener Pochwerk nahm, wo neben Silber auch das<br />
begehrte Kobalt gewonnen wurde. Dazu sind die Weitsichten<br />
vom Schneeberger Panoramaweg aller Rede wert.<br />
GESCHICHTE Die Geschichte einer Region spiegelt sich<br />
in deren Traditionen und damit in ihren uralten Handwerkskünsten.<br />
Von alledem hat das <strong>Erzgebirge</strong> jede Menge zu bieten.<br />
„Menge“ bedeutet hier nicht „Masse“, sondern geht mit höchster<br />
Qualität einher, denn bis heute sind Handwerk und Kunst<br />
untrennbar verbunden. Macher und Macherinnen stehen für<br />
die Überzeugung, dass Originalität und Authentizität nur mit<br />
Leidenschaft in und für die Region möglich sein können. Wenn<br />
diese Verschmelzung so stimmig ist wie hier, kann aus der allgemeinen<br />
Bodenhaftung auch mal ein echter Höhenflug werden.<br />
beitung, weltweiter Handel und architektonisch eindrucksvolle<br />
Städte. Aber auch erste Lohnkämpfe, aufkommende Konkurrenz,<br />
Niedergang und Neuentstehung zeichnen die Region aus.<br />
Das Erbe sowohl unter Tage als auch darüber prägt bis heute<br />
die Menschen, für die Tradition Bodenständigkeit bedeutet,<br />
aber auch Verpflichtung, mit Weitblick die Moderne zu gestalten.<br />
Vier Persönlichkeiten, die dies mit Leidenschaft angehen,<br />
kommen auf den nächsten acht Seiten zu Wort. „Glück auf!“<br />
im Welterbe mit Weitblick.<br />
LANDSCHAFT Eine der insgesamt 22 Bergbaulandschaften<br />
der Montanregion <strong>Erzgebirge</strong>/Krušnohorí ist die um Schneeberg-Neustädtl<br />
ganz im Westen der Region. Wie in all den anderen<br />
Bergbaulandschaften, sorgte der „Silberrausch“ auch hier<br />
für eine enorme wirtschaftliche Entwicklung der Region. Viel<br />
FAMILIE Es dürfte wohl nur sehr wenige Schauschmieden<br />
geben, die ihre komplett originale technische Ausstattung über<br />
vier Jahrhunderte erhalten konnten. Erst recht, wenn diese imposante<br />
uralte Technik bis heute noch immer voll funktionsfähig<br />
ist. Der Frohnauer Hammer ist Deutschlands ältestes<br />
Schmiedemuseum, eines der bekanntesten Sehenswürdigkeiten<br />
des <strong>Erzgebirge</strong>s und ein zentraler Bestandteil der Montanregion.<br />
Neben dem historischen Hammerwerk mit seinen<br />
Wasserrädern, machen das angrenzende Hammerherrenhaus<br />
und der sogenannte Heimatberg das Welterbe zu einem lebendigen<br />
Erlebnis für große und kleine, alte und junge Besucher.<br />
KAMMWEG <strong>Erzgebirge</strong> Der 285 Kilometer lange Kammweg<br />
bringt jeden Wandernden an die Grenze. Das ist ganz und gar<br />
positiv gemeint, denn er folgt dem Kamm des <strong>Erzgebirge</strong>s<br />
von Geising im Osterzgebirge beständig entlang<br />
der Grenze zur Tschechischen Republik. Auf den ersten<br />
vier Etappen geht es durch die Montanregion <strong>Erzgebirge</strong>/Krušnohorí<br />
bis Olbernhau, so dass man auf<br />
59 Kilometern einige außergewöhnliche Orte erwandert,<br />
die tragende Säulen dieser Welterbestätte sind.<br />
Blick auf den Spiegelwald<br />
© TVE/RonnyKüttnerPhotoron<br />
Gelebte Tradition © TVE/R. Gaens<br />
www.wandermagazin.de<br />
9
REGIOPANORAMA ERZGEBIRGE SCHWÄBISCHE <strong>–</strong> WANDERN ALB IM UNESCO-WELTERBE<br />
WELTERBE MIT<br />
WEITBLICK<br />
Mit der Entdeckung bedeutender Kobalterzvorkommen in den hiesigen Bergwerken entwickelte<br />
sich die Bergbaulandschaft Schneeberg zum europaweit wichtigsten Zentrum für Gewinnung<br />
und Verarbeitung des begehrten und teuer gehandelten Kobalts. Geschichte und Geschichten<br />
rund um Stadt, Land und insbesondere den Bergbau erzählt und zeigt Stephan Tabel anschaulich<br />
und spannend im Siebenschlehener Pochwerk.<br />
oben:<br />
Auf dem Panoramaweg<br />
Schneeberg<br />
© TVE, Uwe Meinhold<br />
unten:<br />
Museum Schneeberg,<br />
Bortenreuther Haus<br />
© TVE, Uwe Meinhold<br />
Inmitten einer hügelig-geschwungenen<br />
Wald- und Wiesenlandschaft liegen die<br />
Häuser von Schneeberg, dessen Gründung<br />
mit dem im Jahr 1470 beginnenden Silberabbau<br />
einhergeht. Als neben Silber in großen<br />
Mengen auch Kobalt abgebaut wurde,<br />
war das die sprichwörtliche Goldgrube,<br />
was sich in den prächtige Bauten der Stadt<br />
Schneeberg bis heute zeigt. Besonders<br />
großzügig ging man bei der Errichtung der weithin sichtbaren<br />
St.-Wolfgangs-Kirche ans Werk, die aufgrund ihrer monumentalen<br />
Größe auch als Bergmannsdom bezeichnet wird.<br />
IM POCHWERK In direkter Nachbarschaft zu Schneeberg<br />
befindet sich in einem Wiesengrund am Ufer des Schlemabaches<br />
das Pochwerk, das nach der nahegelegenen Silber- und Kobaltfundgrube<br />
Siebenschlehen benannt wurde. Nicht ein einzelnes<br />
Gebäude empfängt die Besucher, sondern gleich ein Ensemble historischer<br />
Bauten aus den Jahren 1752 und 1753. Allem voran steht<br />
der 38-jährige Stephan Tabel, der seit 2013 die Besucher durch das<br />
Technische Museum führt. Für ihn, wie für die meisten anderen<br />
hier, ist das Arbeiten unter Tage etwas, das man aus Erzählungen<br />
kennt oder über das man gelesen hat. Inzwischen muss man in den<br />
Familiengeschichten schon etwas zurückblättern <strong>–</strong> sein Urgroßvater<br />
war Bergmann. Als die Erträge schrumpften und die Bergwerke<br />
nicht mehr wirtschaftlich arbeiten konnten, standen in den hiesigen<br />
Bergbaubetrieben irgendwann die letzten Schichten an. In<br />
der Grube Siebenschlehen war das im Jahr 1929. Und dennoch war<br />
die Bergbaugeschichte damit nicht zu Ende. Bis heute lebt sie in<br />
ihren Traditionen fort und ist für die Menschen Teil ihrer Heimat.<br />
Für Stephan Tabel ist es Leidenschaft und er fand seine Berufung<br />
als Leiter des Technischen Museums Siebenschlehener Pochwerk.<br />
„Solche Pochwerke waren für die Gewinnung des begehrten Kobalts<br />
unerlässlich, denn erst durch die mit Wasserkraft betrie-<br />
10 WANDERMAGAZIN Sommer 2022
Siebenschlehener Pochwerk<br />
© TVE, Uwe Meinhold<br />
Tourentipp<br />
Panoramaweg<br />
Schneeberg<br />
Rundtour • Länge: 22,6 km • Dauer: 6,5 Std.<br />
Höhenmeter: p 436 m q 396 m • Schwierigkeit:<br />
Start/Ziel: Rathaus Schneeberg • An- und Abreise:<br />
PKW/ÖPNV: Mark 1, 08289 Schneeberg;/<br />
Bahnhof Aue-Bad Schlema, Busverbindungen nach<br />
Schneeberg (Fahrzeit 16 Min.)<br />
Stephan Tabel,<br />
Leiter Technisches<br />
Museum Siebenschlehener<br />
Pochwerk in<br />
Schneeberg<br />
© Thorsten Hoyer<br />
benen Pochstempel konnten Gestein und Erz „gepocht“, also<br />
voneinander getrennt, werden“, erklärt er beim Betrachten der<br />
Wasserläufe und greift nach ein paar Steintrümmern, die bis vor<br />
kurzem noch ein Stück Fels waren. Für Pochwerke wie für den gesamten<br />
Bergbau war die sichere Versorgung mit Wasser unabdingbar,<br />
wodurch die Bergbaulandschaften auch immer von Teichen<br />
und Seen geprägt sind. Ein Beispiel hierfür ist der nahegelegene<br />
Filzteich, der im 15. Jh. angelegt wurde und damit die zweitälteste<br />
Talsperre Sachsens ist. Als beliebtes Naherholungsgebiet erfüllt<br />
der Filzteich auch heute noch einen wichtigen Zweck.<br />
Inmitten der Altstadt von Schneeberg startet der<br />
Panoramaweg am historischen Rathaus und führt<br />
zum Wahrzeichen der Stadt, der „Bergmannsdom“<br />
genannten St.-Wolfgang-Kirche. Mit Überqueren des<br />
Flüsschens Schlema steht der kräftigste Anstieg<br />
der Wanderung hinauf zum Köhlerturm auf dem<br />
Gleesberg an. Weiter geht’s durch ein Waldgebiet<br />
zum Förderturm des ehemaligen Türkschachtes.<br />
Anschließend führt der Weg zwischen den zusammengewachsenen<br />
Ortsteilen Neustädtel und Wolfgangmaßen<br />
zum Strandbad des Filzteichs. Jetzt<br />
wandert man durch eine Offenlandschaft ins Dorf<br />
Lindenau, dem sich Forstteich und Stockteich anschließen.<br />
Ein kleines Moorgebiet mit dem Roßner<br />
Teich wird passiert, um dem Weg in den Ortsteil<br />
Griesbach zu folgen. Am Ziegelteich vorbei wandert<br />
man zum Bismarckturm auf dem Keilberg, ehe es<br />
durch den Stadtpark zurück zum Rathaus geht.<br />
BEI COOLEN LEUTEN Er legt die Steine zurück und beginnt<br />
zu erzählen: „Silber und Kobalt sehen im Stein sehr ähnlich<br />
aus, vor allem bei der Dunkelheit unter Tage ist kaum ein Unterschied<br />
zu erkennen. In der Annahme, dass sie wie gewohnt Silber<br />
abbauten, hielten die Bergleute irgendwann aber Kobalt in den<br />
Händen, das ihnen unbekannt war. Bei der Weiterverarbeitung<br />
merkten sie, dass etwas nicht stimmte und glaubten, die Berggeister<br />
Nickel und Kobold gestört zu haben. Diese Silberräuber fressen<br />
Silber und hinterlassen wertloses Gestein. In der Schneeberger<br />
Kirche baten die Menschen darum, dass das Silber doch wieder<br />
erscheinen möge. Sie hatten wertvolles Kobalt und wussten nichts<br />
damit anzufangen.“ Stephan Tabel zeigt Weitblick, indem er das<br />
Pochwerk öffnet und Studierenden der Fakultät Angewandte<br />
Kunst Schneeberg eine künstlerische Heimat gibt, denn ein paar<br />
Studierende haben sich entschlossen, in der Region zu leben und<br />
zu arbeiten. „Wir sind ‘ne geile Region mit coolen Leuten“, bringt<br />
er es auf den Punkt.<br />
www.wandermagazin.de<br />
11
REGIOPANORAMA ERZGEBIRGE SCHWÄBISCHE <strong>–</strong> WANDERN ALB IM UNESCO-WELTERBE<br />
WELTERBE MIT<br />
GESCHICHTE<br />
Geschichte schafft Geschichten <strong>–</strong> ob Sagenhaftes über silberfressende Kobolde in<br />
Schneeberg oder über einen erzgebirgischen Nussknacker, dem die Welt zu klein<br />
wurde. Reiht sich erstere in die reiche Sagen- und Mythenwelt des <strong>Erzgebirge</strong>s ein,<br />
entspringt die zweite einer kleinen Werkstatt in Seiffen, wo Schutz und Erhaltung<br />
der alten Volkskunst eine Verpflichtung ist. Der Inhaber Markus Füchtner lebt die<br />
Tradition des Kunsthandwerkes, wofür er trotz aller Bodenhaftung auch mal abhebt.<br />
oben:<br />
Auf dem Köhlerweg Sosa<br />
© TVE, studio2media<br />
unten:<br />
Reifendrehen im<br />
Freilichtmuseum Seiffen<br />
© TVE, Greg Snell,<br />
snellmedia.com<br />
Seiffen, richtigerweise Kurort Seiffen, ist<br />
ein bemerkenswerter Ort. Ob mit Auto,<br />
Fahrrad oder wandernd auf dem Kammweg,<br />
man muss nicht nach dem suchen,<br />
was die 2.000-Seelen-Gemeinde so einzigartig<br />
macht. An fast jeder Straßenecke begegnet<br />
einem das traditionell handwerklich<br />
hergestellte Holzspielzeug, das den<br />
Ort weltweit als „Spielzeugdorf“ bekannt<br />
Markus Füchtner, Geburtshaus<br />
des Erzgebirgischen Nussknackers<br />
© TVE, Uwe Meinhold<br />
werden ließ. Dass Seiffen mal zu einem der bedeutendsten Orte<br />
der Erzgebirgischen Volkskunst werden sollte, steht <strong>–</strong> wie könnte<br />
es anders sein <strong>–</strong> in direkter Verbindung zum hiesigen Bergbau.<br />
War die Herstellung von zunächst hölzernen Gebrauchsgegenständen<br />
ein Zuverdienst zu den Arbeiten in den Zinngruben,<br />
wurde dieses Geschäft mit dem Niedergang der 400-jährigen Bergbautätigkeit<br />
und dem Verschwinden des letzten Pochwerkes zum<br />
maßgeblichen Broterwerb. Mit Kreativität und handwerklichem<br />
Geschick wurde geschnitzt und gedrechselt, wurden neue Techniken<br />
erfunden und Ideen in die Tat umgesetzt. So entwickelten sich<br />
das weltweit nur hier praktizierte Reifendrehen oder die Herstellung<br />
einzigartiger Nussknacker zur Erzgebirgischen Volkskunst.<br />
DIE NUSSKNACKER VON NEUHAUSEN Der Geschichte<br />
der Nussknacker kann man im ersten europäischen Nussknackermuseum<br />
in Neuhausen auf die Spur kommen <strong>–</strong> von Seiffen eine<br />
wunderschöne Fünf-Kilometer-Wanderung auf dem Kammweg.<br />
Gerade mal einen Kilometer ist es vom Kammweg zum Geburtshaus<br />
von Wilhelm Füchtner, der hier im Jahr 1870 seinen ersten<br />
Nussknacker auf die Welt brachte und nicht ahnen konnte, wie sie<br />
sich mehren sollten.<br />
12 WANDERMAGAZIN Sommer 2022
Traditionelle Holzkohleherstellung in Sosa<br />
© TVE, studio2media<br />
Tourentipp<br />
Köhlerlehrpfad<br />
rund um Sosa<br />
Rundtour • Länge: 12,2 km • Dauer: 3,5 Std.<br />
Höhenmeter: p q je 250 m • Schwierigkeit:<br />
Start/Ziel: Talsperre Sosa • An- und Abreise:<br />
PKW/ÖPNV: Parkplatz Talsperre Sosa, 08309 Eibenstock/Busverbindungen<br />
auch vom Bahnhof Aue-Bad<br />
Schlema<br />
„Geburtshaus des erzgebirgischen Nussknackers“, so bezeichnet<br />
der Ur-ur-ur-Enkel des Erfinders des erzgebirgischen Nussknackers<br />
das Haus, in dem er die Tradition seiner Vorfahren inzwischen<br />
in achter Generation fortführt. Äußerlich deutet nichts auf<br />
den Familienbetrieb hin, der die Volkskunst in Seiffen und dem<br />
<strong>Erzgebirge</strong> maßgeblich mitgeprägt hat. Ist man dem freundlichen<br />
Hinweis „Hereinspaziert“ im Vorhäuschen gefolgt, steigen Gerüche<br />
von Holz und Lack in die Nase. Halbfertige Nussknacker stehen<br />
hier, dort gibt’s einen farbigen Anstrich und im Raum nebenan<br />
fliegen die Späne, wenn der 41-jährige Markus Füchtner Nussknackerrohlinge<br />
drechselt. „Ich mache Holzmännel mit Stolz und das<br />
möchte ich vermitteln“, sagt er und nimmt den fertigen Rohling<br />
aus der Drechselmaschine.<br />
Die Wanderung rund um die Ortschaft Sosa startet<br />
am Parkplatz nahe der gleichnamigen Talsperre.<br />
In Höhe der ersten Häuser hält man sich rechts und<br />
folgt dem Pfad, der zwischen Ortsrand und dem<br />
742 Meter hohen Hirschknochen verläuft. Nach<br />
Queren der Riesenberger Straße gelangt man auf<br />
dem Köhlerpfad zu einem kleinen Teich am Waldrand,<br />
kurz darauf führt der Pfad durch ein kleines<br />
Waldgebiet zu einem weiteren Teich. Hier macht der<br />
Köhlerpfad eine Schlaufe, verläuft mit der Fällbacher<br />
Straße wieder in Richtung Sosa, um sogleich<br />
den 734 Meter hohen Sonnenberg halb zu umrunden.<br />
Mit dem Kirchsteig verlässt man das Waldgebiet<br />
und wandert über eine offene Landschaft zur<br />
Köhlerei Gläser, der letzten produzierenden Köhlerei<br />
im <strong>Erzgebirge</strong>. Über den Schrammberg setzt<br />
sich die Wanderung zum Röthenbach fort, dem bis<br />
zu einer T-Kreuzung gefolgt wird. Nach links führt<br />
der Köhlerpfad durch Sosa und über eine baumlose<br />
Hochfläche zurück zum Parkplatz an der Talsperre.<br />
Die Handwerks-Tradition und damit die seiner Familie ist für ihn<br />
Herzensangelegenheit und sogar pure Leidenschaft, die ihn geradezu<br />
beflügelt. Oder zumindest seinen Wilhelm, einen kleinen Nussknacker,<br />
der schon viele Länder bereiste und die Erde umrundete:<br />
Zusammen mit dem deutschen Astronauten Matthias Maurer hat<br />
er die ISS bereist. „Ich habe Ideen und setze sie um, dann gewinnen<br />
sie an Dynamik und es geschehen Dinge, die niemand für möglich<br />
hielt.“ Auch wenn er Wilhelm den Weg ins All ebnete, steht Füchtner<br />
mit beiden Beinen fest auf der Erde. „Früher hatte ich auch mal<br />
den Drang, was anderes zu machen. Aber ich spüre, was wir hier<br />
seit Generationen machen, und das ist ein sehr schönes Gefühl. Wir<br />
arbeiten mit den Händen, sehen etwas entstehen und fertig werden.<br />
Wird ein Nussknacker für den Versand verpackt, wird er von uns<br />
liebevoll mit einem Ritual verabschiedet: Wir richten ihm noch einmal<br />
das Haar und wünschen ihm eine gute Reise. Manchmal bekommen<br />
wir einen Nussknacker zurück, weil es etwas zu reparieren gibt.<br />
Dann gucke ich nach, ob er Druckstellen vom Nüsseknacken hat<br />
oder nur herumsteht. Ich freue mich, wenn sie in Gebrauch sind.“<br />
Markus Füchtner hat noch so einige Ideen für die Zukunft, blickt<br />
aber auch immer wieder zurück, um historische Nussknacker seiner<br />
Vorfahren aufzuspüren. Wo 1870 alles seinen Anfang nahm, sollen<br />
sie sich wieder einfinden.<br />
www.wandermagazin.de<br />
13
REGIOPANORAMA ERZGEBIRGE <strong>–</strong> WANDERN IM UNESCO-WELTERBE<br />
WELTERBE MIT<br />
FAMILIE<br />
Den Frohnauer Hammer habe ich schon zweimal besucht. Das war als Kind Anfang der 1980er Jahre,<br />
also schon ziemlich lange her. Ich kann gar nicht genau sagen, warum ich mich an diese Besuche noch<br />
so gut erinnern kann. War es dieser große, nur spärlich beleuchtete Raum, das Getöse der mächtigen<br />
Hämmer oder aber der feucht-modrige Geruch? Einerlei, dass es heute noch so ist wie damals, weckt<br />
schöne Erinnerungen.<br />
Anlaufpunkt in der Bergbaulandschaft<br />
Annaberg-Frohnau ist die traditionsreiche<br />
Bergstadt Annaberg-Buchholz mit<br />
der mächtigen St. Annenkirche. Zwischen<br />
dem Flüsschen Sehma und dem 832 m hohen<br />
Pöhlberg wurde in der zweiten Hälfte<br />
des 15. Jh. auf Geheiß von Herzog Georg<br />
die Siedlung „Neustadt am Schreckenberg“<br />
gegründet, aus der später Annaberg wurde.<br />
Annaberg ist die erste planmäßig angelegoben:<br />
Der Frohnauer<br />
Hammer<br />
© Dirk Rückschloss<br />
unten:<br />
Kupferhammer in der<br />
Saigerhütte Olbernhau<br />
© Fotostudio<br />
Schalling<br />
te Bergstadt, konsequent auf die Bedürfnisse des Bergbaus ausgerichtet.<br />
Aus der Gründungszeit stammt die St. Annenkirche, das<br />
Wahrzeichen des geschäftigen Städtchens. Am nahen Marktplatz<br />
zieht ein helles Gebäude mit hohen Fenstern und den Worten „Manufaktur<br />
der Träume“ Aufmerksamkeit auf sich. So klar sich das<br />
Gebäude von außen zeigt, so märchenhaft verspielt präsentiert es<br />
sich innen: ein Traumland, Aufbruch zu einer fantasievollen Reise<br />
mit allerlei überraschenden erzgebirgischen Begegnungen, die für<br />
strahlende Kinderaugen sorgen. Das wiederum freut Jörg Bräuer,<br />
der als Kurator nicht nur für das Erlebnismuseum verantwortlich<br />
ist, sondern auch für den Eisenhammer im Ortsteil Frohnau.<br />
DER HAMMER! Der Frohnauer Hammer mit seinem historischen<br />
Hammerwerk ist das älteste Schmiedemuseum Deutschlands.<br />
Jörg Bräuer öffnet die massive Holztür und betritt den Raum<br />
aus Natursteinwänden, auf denen das Jahrhundert alte Gebälk<br />
des mächtigen Dachstuhles sitzt. Das Licht der Lampen kann den<br />
großen Raum kaum durchdringen. Jörg Bräuer steht vor den drei<br />
Hämmern, hinter ihm ein nass-schimmerndes Mühlrad, von dem<br />
Wasser tropft. Es ist, als wäre hier die Zeit stehen geblieben. „Man<br />
könnte hier von heute auf morgen wieder schmieden. Die originale<br />
Ausstattung von früher, Schmiedefeuer und Blasebälge, sind<br />
erhalten und voll funktionsfähig. Das Wasser der Sehma wird mittels<br />
eines 300 m langen Grabens zu den Wasserrädern geleitet, die<br />
Hämmer und Blasebälge in Bewegung setzen.“ Seinen Worten lässt<br />
Bräuer Taten folgen. Wasser schießt über die hölzernen Räder und<br />
schon hebt sich einer der Hämmer, um gleich wieder mit Wucht<br />
14 WANDERMAGAZIN Sommer 2022
Manufaktur der Träume in Annaberg-Buchholz<br />
© TVE, Wolfgang Thieme<br />
Tourentipp<br />
Erzgebirgische<br />
Sagentour<br />
„Der Hüttenmatths“<br />
von Olbernhau<br />
Rundtour • Länge: 7 km • Dauer: 2 Std.<br />
Höhenmeter: p q je 209 m • Schwierigkeit:<br />
Start/Ziel: Saigerhüttengelände • An- und Abreise:<br />
PKW/ÖPNV: Wanderparkplatz Saigerhüttengelände<br />
09526 Grünthal/Bahnhof Olbernhau-Grünthal<br />
Jörg Bräuer, Kurator der<br />
Manufaktur der Träume<br />
© Thorsten Hoyer<br />
niederzukrachen. Gleichzeitig heben<br />
und senken sich zwei stattliche<br />
Blasebälge, die das Schmiedefeuer anfachen<br />
würden. Trotz der hohen Ingenieurskunst<br />
seinerzeit, war das Arbeiten echte<br />
Knochenarbeit. „Man muss sich vorstellen,<br />
dass hier von Tagesanbruch bis zur Dunkelheit<br />
bei Lärm, Staub und Fackelqualm<br />
gearbeitet wurde. Im Winter musste dann<br />
auch noch dafür gesorgt werden, dass kein<br />
Eis die Wasserversorgung beeinträchtigte.<br />
Gerade Kinder stehen immer wieder staunend,<br />
fast ungläubig da“, berichtet Bräuer<br />
und fügt fügt hinzu, dass der Betrieb solcher<br />
Museen ohne das Engagement von<br />
Vereinen und Ehrenamt nicht möglich<br />
wäre. „Zum Glück gibt es aber viele Interessierte,<br />
die sich kümmern und die Dinge<br />
am Leben erhalten.“ Das wundere ihn dann<br />
doch manchmal, sagt er und sieht dabei<br />
sehr zufrieden aus.<br />
Vom Frohnauer Hammer sind es rund<br />
45 km zum Kupferhammer im Denkmalkomplex<br />
Saigerhütte Olbernhau-Grünthal,<br />
ebenso Teil des UNESCO-Welterbes.<br />
Hierbei handelt es sich um eine beeindruckende<br />
Anlage, in der durch ein spezielles<br />
Verfahren, dem Saigern, Silber aus dem<br />
Kupfererz gewonnen wurde. Errichtet im<br />
16. Jh., entwickelte sich die Hütte zu einem<br />
Zentrum der Kupferverarbeitung. Unbedingt<br />
zu empfehlen sind die Erlebnisführungen<br />
für Familien mit Kindern.<br />
Interaktiv<br />
Tatock und das<br />
Geheimnis der<br />
Silberstraße<br />
Das neugierige Bergmännlein<br />
Tatock möchte<br />
das Geheimnis der Silberstraße<br />
enthüllen. Mit<br />
einem geheimnisvollen<br />
Brief beginnt seine Reise<br />
entlang der Silberstraße.<br />
Tatock besucht Städte<br />
und Orte im <strong>Erzgebirge</strong><br />
und muss ein feines Netz<br />
aus Rätseln und Knobeleien<br />
lösen, um den<br />
Schatz des Großvaters<br />
zu finden. Der digitale<br />
Erlebnisweg lädt ein, die<br />
außergewöhnlichen Geschichten<br />
des UNESCO-<br />
Welterbes Montanregion<br />
<strong>Erzgebirge</strong>/Krušnohoří<br />
zu erkunden.<br />
Vom Wanderparkplatz sind es nur wenige Schritte<br />
bis zum Kupferhammer im Museum Saigerhütte.<br />
Gleich darauf führt die Route über den Fluss Flöha<br />
ins Dorf Oberneuschönberg. Hier splittet sich der<br />
Weg, die auffällige Bergkirche lässt man rechts liegen,<br />
um dem Weg geradewegs durch den Hüttengrund<br />
zu folgen. Schattig führt die Sagentour durch<br />
den Wald, um unmittelbar vor einer großen Wegekreuzung<br />
namens „Hand“ rechts auf den Dürren<br />
Holzweg einzubiegen. Nach Queren eines Bächleins<br />
zweigt die Tour an der nächsten Kreuzung rechts ab<br />
und führt ein Stück parallel eines weiteren Baches in<br />
südliche Richtung. Dann heißt es erneut nach rechts<br />
abzubiegen, um am Waldrand zunächst die Aussicht<br />
vom Kirchweg auf die Bergkirche zu genießen. Anschließend<br />
wandert man an der Kirche vorbei wieder<br />
über die Flöha zum Ausgangspunkt der Sagentour.<br />
www.wandermagazin.de<br />
15
REGIOPANORAMA ERZGEBIRGE SCHWÄBISCHE <strong>–</strong> WANDERN ALB IM UNESCO-WELTERBE<br />
WELTERBE AUF DEM<br />
KAMMWEG<br />
Den Kammweg zu wandern heißt, sich Zeit nehmen zum Eintauchen in die Wald- und Kulturlandschaften<br />
des <strong>Erzgebirge</strong>s. Nicht nur wegen der Länge ist das eine gute Empfehlung, sondern auch für die zahlreichen<br />
kulturhistorischen Sehenswürdigkeiten rechts und links des Weges. Allein schon die kurze Etappe<br />
von Geising nach Altenberg kann sich sehen lassen. Unterwegs mit Jochen Löbel, dem ehemaligen langjährigen<br />
Hoteldirektor des Hotels Lugsteinhof in Zinnwald und nun Wanderführer beim Erzgebirgszweigverein<br />
Geising.<br />
oben:<br />
Kammweg <strong>Erzgebirge</strong><br />
© TVE, R. Gaens<br />
unten:<br />
Blick in die<br />
Altenberger Pinge<br />
© TVE, Studio2media<br />
Im Osterzgebirge unweit der deutschtschechischen<br />
Grenze befindet sich Geising,<br />
ein Stadtteil Altenbergs mit rund<br />
1.200 Menschen und einer Haltestelle der<br />
Müglitztalbahn. Eine dreiviertel Stunde<br />
benötigt der Zug von Heidenau nahe Dresden<br />
hierher. Was für die Bahn letzter Halt<br />
vor der Endstation Altenberg bedeutet, ist<br />
der Anfang des Kammweges <strong>–</strong> direkt vom<br />
Zug auf den Wanderweg! Jochen Löbel wurde hier geboren, ist<br />
hier aufgewachsen, mal weggegangen und wiedergekommen, um<br />
zu bleiben. Heimat, so sagt er, spüre er hier ganz intensiv. Familie<br />
und Freunde sind für ihn wie Anker, die die eigenen Wurzeln<br />
stark machen. „Der Kammweg ist durchgängig markiert, eine Vorgabe<br />
für zertifizierte Wanderwege“, sagt Jochen Löbel und zeigt<br />
auf das erste Markierungszeichen. „Die 285 Kilometer bis Blankenstein<br />
sind in 17 Etappen aufgeteilt. Bereits die fünf Kilometer<br />
bis Altenberg sind enorm abwechslungsreich und geprägt vom<br />
einstigen Bergbau.“<br />
SAGENHAFT Rechts und links des Weges erstrecken sich zwischen<br />
Wald herrliche Wiesenflächen, hier und da wachsen Gesträuch<br />
und Hecken. Diese offenen Bergwiesenlandschaften sind<br />
charakteristisch für das Osterzgebirge. „Durch das Naturschutzgroßprojekt<br />
Bergwiesen Osterzgebirge sind diese artenreichen<br />
Wiesen durch extensive Nutzung unter besonderen Schutz gestellt.<br />
Die klimatischen Bedingungen hier sind für diese Wiesen<br />
ideal“, weiß Löbel. Zu Füßen des markanten Geisingberges, ein<br />
824 Meter hoher freistehender Basaltkegel, gerät er beim Anblick<br />
eines Sees förmlich ins Schwärmen. Als Überbleibsel eines alten<br />
Steinbruches strahlt der von Wald und senkrecht aufragenden<br />
dunklen Basaltfelsen umgebene See eine verwunschene, fast magische<br />
Stimmung aus. Gleich darauf plätschert frisches Quellwasser<br />
aus dem Jungfernborn. Es sollen die Tränen der Grünen Frau vom<br />
Geisingberg sein. Mit einem Goldschatz soll sie im Berg sitzen und<br />
16 WANDERMAGAZIN Sommer 2022
Tourentipp<br />
Kammweg<br />
<strong>Erzgebirge</strong><br />
Vogtland<br />
Streckenwanderung • Länge: 285 km, 17 Etappen<br />
Höhenmeter: p 6.115 mq 6.279 m<br />
Schwierigkeit:<br />
Start/Ziel: Altenberg-Geising/Blankenstein<br />
An- und Abreise: Bahnhof Geising/Wanderdrehkreuz<br />
Blankenstein/Start- und Zielort sind mit der Bahn<br />
erreichbar<br />
Jochen Löbel,<br />
Wanderführer und<br />
ehemaliger Hoteldirektor,<br />
Geising<br />
© Thorsten Hoyer<br />
Besucherbergwerk<br />
Altenberg Zinnwald<br />
© TVE, Studio2media<br />
auf ihre Befreiung warten, die nur alle 100 Jahre möglich sei. Letztmalig<br />
soll es an der Raffgier des Auserwählten gescheitert sein.<br />
Wann es wieder so weit sein soll, weiß die Unglückliche wohl nur<br />
alleine.<br />
DIE PINGE Auf dem Geisingberg lädt die historische Bergbaude<br />
zur urig-gemütlichen Rast ein. Zuvor aber geht es noch<br />
hinauf auf den Louisenturm, von dem sich seit dem Jahr 1891 eine<br />
atemberaubende Fernsicht genießen lässt. Das Wetter passt und<br />
so fährt Jochen Löbels Finger von Dresden zur Festung Königstein<br />
in der Sächsischen Schweiz, zum Mückentürmchen auf der tschechischen<br />
Seite des Erzgebirgskamms, selbst die 1.603 Meter hohe<br />
Schneekoppe in rund 130 Kilometer Entfernung ist zu erkennen.<br />
Sozusagen zum Greifen nah ist dagegen am Fuße des Geisingberges<br />
die Pinge, womit man die Spuren des Zinnbergbaus in Altenberg<br />
in den Blick nimmt. Nach dem Abstieg fällt der Förderturm des<br />
Arno-Lippmann-Schachtes, ein Relikt der Industriearchitektur<br />
der DDR, ins Auge. Am Ortsrand von Altenberg führt der Kammweg<br />
direkt entlang der Pinge, ein Ausdruck, mit dem Bergleute einen<br />
Einbruchtrichter bezeichnen. „Entstanden ist die Pinge durch<br />
erste Einbrüche im Bergwerk bereits im 17. Jh., was in den folgenden<br />
Jahrhunderten immer wieder vorkam. So erreichte der bis zu<br />
150 Meter tiefe Trichter eine Größe von 400 Metern im Durchmesser.<br />
Im März 1991 war dann Schluss mit dem Zinnerzbergbau<br />
in Altenberg. „Das Gelände ist nicht frei zugänglich und nur<br />
im Rahmen einer Führung zu besichtigen“, sagt Jochen Löbel. Auf<br />
der Wanderung nach Olbernhau gibt es noch jede Menge zu sehen<br />
und erleben <strong>–</strong> schenken wir uns die Zeit dafür.<br />
Der vom Deutschen Wanderverband als Qualitätsweg<br />
zertifizierte Kammweg <strong>Erzgebirge</strong>-Vogtland<br />
nimmt im osterzgebirgischen Geising seinen Lauf.<br />
Die ersten 60 Kilometer bis Olbernhau stehen ganz<br />
im Zeichen des traditionellen Bergbaus im <strong>Erzgebirge</strong>.<br />
Orientierung gibt der Grenzverlauf zum Nachbarn<br />
Tschechien, dem der Kammweg entlang des<br />
Höhenrückens des <strong>Erzgebirge</strong>s stetig folgt. Hoch<br />
hinaus geht es z. B. im Kurort Oberwiesenthal sowie<br />
bei der Überschreitung des Fichtelberges. Es ist<br />
faszinierend, mit wie vielen grandiosen Aussichten<br />
der Kammweg aufwartet, aber auch immer wieder<br />
mit langen Strecken durch die charakteristischen<br />
tiefen Wälder. Diese bleiben zurück bzw. lichten sich<br />
mit dem Übergang ins Vogtland. Des Öfteren werden<br />
hier nun weite offene Flächen durchwandert, von<br />
denen die Blicke weit schweifen können. Die Grenze<br />
zu Tschechien bleibt zurück, dafür folgt der Kammweg<br />
dem Grünen Band entlang der Landesgrenze<br />
zu Bayern, bis das Ziel Blankenstein im Thüringer<br />
Schiefergebirge erreicht ist.<br />
Tipp: KAMM Woche<br />
Rundum-sorglos-Paket<br />
6 Tage unbeschwertes<br />
Kammwegwandern<br />
Altenberg-Geising > Olbernhau oder<br />
Olbernhau > Oberwiesenthal<br />
5 Übernachtungen mit Frühstück • 4 x Lunchpaket an den<br />
Wandertagen • 4 x Gepäcktransfer • Kammweg-Wanderkarte<br />
• Wanderunterlagen<br />
ab 438,- € p. P. im DZ, ab 553,- € p. P. im EZ<br />
www.wandermagazin.de<br />
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