TRENDYone | Das Magazin – Allgäu – Juli 2022
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M24 PRO / CONTRA<br />
KIRCHENAUSTRITT: IN DER GLAUBENS<br />
ARGUMENTE<br />
FÜR UND GEGEN<br />
Name: Maximilian Richter<br />
Beruf: Mitarbeiter im Wahlkreisbüro von Susanne<br />
Ferschl, MdB<br />
(Sprecher*innenrat DIE LINKE. Augsburg)<br />
Bildquelle: Maximilian Richter<br />
Die Kritik an der katholischen Kirche ist groß. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten<br />
sind weniger als die Hälfte der Deutschen Mitglieder einer christlichen Kirche<br />
und die Zahlen sinken weiter. Für die Austrittswelle sorgen immer wieder zutage<br />
tretende Skandale und Gräueltaten. Die Kirchensteuer spielt dabei ebenso eine<br />
tragende Rolle, da für viele die Entscheidung, ob eine Person einer Religion zugehören<br />
möchte, keine Geldangelegenheit sein sollte. Wir von <strong>TRENDYone</strong> haben<br />
erneut zwei spannende Personen gegenübergestellt, um das Thema „Kirchenaustritt“<br />
genauer für euch unter die Lupe zu nehmen.<br />
Wie stehen Sie zu einem Kirchenaustritt?<br />
Ich begrüße die aktuelle Entwicklung, wonach die Mehrheit der Bevölkerung nicht<br />
mehr einer der beiden großen Kirchen angehört. Religionsfreiheit heißt eben auch,<br />
frei von Religion sein zu können und somit ist auch der Kirchenaustritt legitim.<br />
Allerdings muss dieser erheblich erleichtert werden, damit er für alle Menschen<br />
möglich wird. Dazu gehört unter anderen, dass keine Gebühren erhoben werden.<br />
Auch darf die Furcht vor Verlust des Arbeitsplatzes bei dieser Entscheidung keine<br />
Rolle spielen. Im Grundgesetz ist die Trennung von Kirche und Staat als wichtiger<br />
Grundpfeiler der Demokratie festgeschrieben. In der Realität sieht das allerdings<br />
oft anders aus. Kirchliche Sonderrechte, wie im Arbeitsrecht, müssten zunächst<br />
abgebaut werden. Gemäß des Neutralitätsgebotes sollten auch keine christlichen<br />
Symbole in öffentlichen Einrichtungen angebracht werden. Den Religionsunterricht<br />
gilt es durch einen allgemeinen Ethik- bzw. Philosophie-Unterricht zu ersetzen,<br />
bei dem Religions- und Ideologiekritik Bestandteil sein sollten.<br />
Was bewegt Ihrer Meinung nach Menschen zu einem Austritt?<br />
Da sind wohl verschiedene Faktoren ausschlaggebend. Zum einen gibt es natürlich<br />
eine lange Liste an Skandalen, nicht nur in den letzten Jahren. Bis heute beschäftigt<br />
viele die mangelhafte Aufklärung sexueller Übergriffe an Kindern durch<br />
Bedienstete der Kirche oder die massive Verschwendung finanzieller Mittel. Zum<br />
anderen spielt die Diskriminierung von queeren Personen und die Eingriffe in das<br />
Privatleben durch das kirchliche Arbeitsrecht sicher eine Rolle. Viele Menschen<br />
merken aber auch, dass die Kirche keine Antworten auf die Krisen unserer Zeit<br />
geben kann. Gerade jüngere Menschen haben auch kein Verständnis mehr für die<br />
rigide Sexualmoral oder Tanzverbote an bestimmten Feiertagen. Und nicht zuletzt<br />
natürlich die Kirchensteuer.<br />
RO<br />
Ist es für Sie noch zeitgemäß, für seinen Glauben zu bezahlen, während andere<br />
Glaubensrichtungen dies nicht tun?<br />
Keinesfalls. In vielen Ländern wäre es undenkbar, dass Religionsgemeinschaften<br />
und Kirchen direkt vom Staat finanziert werden oder, wie bei der Kirchensteuer,<br />
der Staat sich als Dienstleister der Kirchen aufstellt und deren Einnahmen einzieht.<br />
Wie beurteilen Sie die Konsequenzen, die nach einem Austritt erfolgen?<br />
Neben den kirchenrechtlichen Folgen, wenn es zum Beispiel um Hochzeiten oder<br />
Beerdigungen geht, sind hier die potenziellen Konsequenzen im Arbeitsleben wohl<br />
am gravierendsten. Da ein Austritt als Loyalitätsverstoß gesehen wird, muss man<br />
mit Kündigung oder Nichteinstellung rechnen. Dagegen sollte man sich in jedem<br />
Fall zur Wehr setzen.<br />
Vielerorts sind die Kirchen Träger von eigentlich staatlichen und damit der Neutralität<br />
verpflichteten Bildungseinrichtungen wie Schulen und Kindertagesstätten,<br />
aber auch im Bereich der Pflege. Aufgrund der langjährigen kirchlichen Sonderstellung<br />
stehen jedoch häufig gar keine konfessionsneutralen Träger zur Verfügung.<br />
Daher sollte diese Dominanz schrittweise aufgehoben werden. Dann gilt<br />
auch für alle Beschäftigten wieder das reguläre Arbeitsrecht und man muss keine<br />
Angst vor dem Kirchenaustritt haben.