04.07.2022 Aufrufe

Jan Mathis | Gerald Kretzschmar (Hrsg.): versprochen (Leseprobe)

Die liturgische Sprache jenseits der Predigt ist bislang kaum Thema des praktisch-theologischen Diskurses. Zur Beseitigung dieses Desiderats haben die Evangelische Predigeranstalt (Tübingen) und das Zentrum für evangelische Gottesdienst- und Predigtkultur (Wittenberg) eine empirische »Tiefenbohrung« unternommen: Vertreterinnen und Vertreter aus unterschiedlichen nicht-theologischen Kontexten haben die liturgische Sprache eines unter realen Bedingungen gefeierten agendarischen Gottesdienstes präzise in den Blick genommen. Eine Reihe praktischer Theologinnen und Theologen hat diese Wahrnehmungen anschließend daraufhin befragt, was sie in Bezug auf die Sprache der Liturgie weiter zu denken geben können. Aus interdisziplinärer Perspektive werden somit gleichermaßen grundständige und innovative Impulse für das Nachdenken über die liturgische Sprache präsentiert.

Die liturgische Sprache jenseits der Predigt ist bislang kaum Thema des praktisch-theologischen Diskurses. Zur Beseitigung dieses Desiderats haben die Evangelische Predigeranstalt (Tübingen) und das Zentrum für evangelische Gottesdienst- und Predigtkultur (Wittenberg) eine empirische »Tiefenbohrung« unternommen: Vertreterinnen und Vertreter aus unterschiedlichen nicht-theologischen Kontexten haben die liturgische Sprache eines unter realen Bedingungen gefeierten agendarischen Gottesdienstes präzise in den Blick genommen. Eine Reihe praktischer Theologinnen und Theologen hat diese Wahrnehmungen anschließend daraufhin befragt, was sie in Bezug auf die Sprache der Liturgie weiter zu denken geben können. Aus interdisziplinärer Perspektive werden somit gleichermaßen grundständige und innovative Impulse für das Nachdenken über die liturgische Sprache präsentiert.

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Franziska Seeberg<br />

Ein Flirren liegt in der Luft, das von den Jugendlichen ausgeht<br />

und den Raum erfasst. Auch die älteren Gottesdienstbesucher<br />

werden nun lebhafter; man spricht lauter, scherzt,<br />

grüßt sich über mehrere Bänke hinweg. Es ist fünf Minuten<br />

vor Gottesdienstbeginn und immer noch strömen Besucher<br />

in die Kirche. Ich blicke mich um und schätze, dass etwa zweihundert<br />

Menschen gekommen sind. Sobald die Orgelmusik<br />

einsetzt, verstummen die meisten. Einige führen noch ihre<br />

Gespräche zu Ende, dann werden auch sie ruhig und hören<br />

der Musik zu. Festlich, im Viervierteltakt schreitet sie einher<br />

und stimmt feier lich auf den Gottesdienst ein.<br />

2<br />

Noch während die Gemeinde singt, betreten Pfarrer Block<br />

und der Lektor den Altarraum. Der Lektor begibt sich an das<br />

Lesepult auf der linken Seite, Pfarrer Block schreitet nach<br />

hinten und stellt sich ins Zentrum unter das Altarbild. Bis<br />

zum Ende der Musik hat er der Gemeinde den Rücken zugewandt.<br />

Mit den letzten Takten dreht er sich um und blickt<br />

nach vorne. Nach ein paar einleitenden Worten des Lektors<br />

zum Predigttext lesen beide mit verteilten Rollen einen Ausschnitt<br />

aus dem Matthäusevangelium. Der Text handelt von<br />

der Taufe Jesu. Pfarrer und Lektor stehen diagonal zueinander<br />

versetzt. Sie lesen ihre Passagen im ruhigen Tonfall. Auch<br />

Pfarrer Block interpretiert die wörtliche Rede kaum. Nur<br />

einmal, als er die »Rolle« von Johannes dem Täufer spricht,<br />

erlaubt er sich eine kleine Betonung des »du« bei der Frage<br />

»… und du kommst zu mir?« (GD 331). Am Ende der Szene<br />

eine kleine Irritation – der Kantor, der von der Orgel-Empore<br />

auf der anderen Seite des Kirchenraumes »Ehre sei dir, Herr«<br />

(GD 331) rufen sollte, verschläft seinen Einsatz.<br />

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