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Niklas Peuckmann: In kritischer Solidarität (Leseprobe)

Seit 1957 gibt es die Militärseelsorge in der Bundeswehr. Die deutschen Streitkräfte haben sich seither vielfach verändert, weiterentwickelt und nicht zuletzt auch professionalisiert. Zu den größten Veränderungen der letzten Jahrzehnte zählen, dass die Bundeswehr mittlerweile eine Einsatzarmee ist, dass Frauen in allen Teilbereichen als Soldatinnen dienen dürfen und dass die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt wurde. All dies geht mit neuen Fragen, Aufgaben und Herausforderungen einher, denen sich auch die Militärpfarrerinnen und Militärpfarrer stellen. Sie begleiten Soldatinnen und Soldaten in ihrem Dienst in den heimischen Kasernen, im Rahmen von Manöverübungen, auf den Schiffen der Marine oder im Feldlager im Auslandseinsatz. Dabei tritt deutlich hervor, worauf es bei der Militärseelsorge vor allem ankommt: auf die Seelsorge.

Seit 1957 gibt es die Militärseelsorge in der Bundeswehr. Die deutschen Streitkräfte haben sich seither vielfach verändert, weiterentwickelt und nicht zuletzt auch professionalisiert. Zu den größten Veränderungen der letzten Jahrzehnte zählen, dass die Bundeswehr mittlerweile eine Einsatzarmee ist, dass Frauen in allen Teilbereichen als Soldatinnen dienen dürfen und dass die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt wurde.
All dies geht mit neuen Fragen, Aufgaben und Herausforderungen einher, denen sich auch die Militärpfarrerinnen und Militärpfarrer stellen. Sie begleiten Soldatinnen und Soldaten in ihrem Dienst in den heimischen Kasernen, im Rahmen von Manöverübungen, auf den Schiffen der Marine oder im Feldlager im Auslandseinsatz. Dabei tritt deutlich hervor, worauf es bei der Militärseelsorge vor allem ankommt: auf die Seelsorge.

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94 3. Seelsorgliche Zielperspektiven der Milit=rseelsorge<br />

Dennoch kann sich eine seelsorgliche Begleitung auch positiv auf einen<br />

Genesungsprozess auswirken. Gründe für die Genesung sind nicht immer nur<br />

somatisch bedingt, auch die Psyche eines Patienten spielt eine Rolle. Die Psychosomatik,<br />

eine vergleichsweise junge Krankheitslehre der Medizin, folgt<br />

deshalb einer ganzheitlichen Betrachtungsweise. Die Seelsorge kann in dieser<br />

Perspektive wirkungsvoll an Genesungsprozessen beteiligt werden. Das mag<br />

auch eine Erklärung dafür sein, warum Krankenhäuser ein mitunter ökonomisches<br />

<strong>In</strong>teresse an Seelsorge entwickeln und damit in ihrer Eigendarstellung<br />

werben. Das ändert allerdings nichts daran, dass Seelsorge weiterhin Teil des<br />

Religionssystems bleibt. Seelsorge strebt im Krankenhaus nicht nach Heilung,<br />

diese kann sich allerdings als »Nebenwirkung« einstellen. 172<br />

Heißt das im Umkehrschluss, dass die Militärseelsorge Soldatinnen und<br />

Soldaten zwar nicht explizit einsatzfähig macht, dies allerdings als »Nebenwirkung«<br />

ihrer Begleitung in Kauf nehmen muss?Hundertprozentig auszuschließen<br />

ist dies nicht, doch deuten zwei weitergehende Gedanken an, dass »fit-for-fight«<br />

niemals zu den <strong>In</strong>tentionen seelsorglicher Begleitung von Bundeswehrsoldaten<br />

gehören kann.<br />

So istzum einen darauf hinzuweisen, dass die Einsatzfähigkeit nicht mit dem<br />

Zustand des Gesundseins verglichen bzw. parallelisiert werden kann. Soldatinnen<br />

und Soldaten werden zur Einsatzfähigkeit trainiert und vorbereitet. Diese<br />

»Fähigkeit« stellt sich nicht einfach ein, sondern muss aktiv erworben, kultiviert<br />

und nicht zuletzt internalisiert werden, damit die notwendigen Handlungen in<br />

den erforderlichen Situationen rasch und nahezu automatisiert erfolgen können.<br />

173 Einsatzfähigkeit ist deshalb als eine professionelle Haltung der Soldatinnen<br />

und Soldaten zu verstehen, die im konkreten Moment frei von Emotionen<br />

abgerufen werden könnenmuss. Ein Bundeswehrsoldat berichtet davon in einem<br />

Feldpostbrief: »Plötzlich eine Detonation, der Boden unter den Füßen vibriert. […]<br />

Ich ziehe Weste und Helm an. Ein Zugführer schreit seine Soldaten an, nicht vor<br />

dem Fenstern zu stehen. Ein anderer brüllt: Gefechtsbereitschaft herstellen! Ich<br />

lade mein Gewehr und spüre Adrenalin. Ich bin perplex, dass ich weder Angst<br />

noch Panik verspüre.« 174<br />

Zum anderen ist der dynamische Zustand des Gesundseins grundsätzlich<br />

positiv besetzt. Wenn sich also andeutet, dass sich eine seelsorgliche Begleitung<br />

positiv auf einen Genesungsprozess auswirkt, wird dieser Prozess nicht<br />

behindert, sondern als erfreuliche »Nebenwirkung« begrüßt. Anders siehtdas bei<br />

172<br />

Karle, Perspektiven der Krankenhausseelsorge, 548.<br />

173<br />

Das heißt im Umkehrschluss allerdings nicht, dass sich Gesundheit lediglich passiv<br />

ergibt. Krankheiten werden durch Therapien aktiv behandelt, damit sich eine Genesung<br />

einstellt. Hieraus resultiert jedoch keine spezifische Fähigkeit – gar eine »Gesundheitsfähigkeit«.<br />

174<br />

Baumann/Langeder/Much/Obermayer/Storz (Hg.), Feldpost, 73 f.

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