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Niklas Peuckmann: In kritischer Solidarität (Leseprobe)

Seit 1957 gibt es die Militärseelsorge in der Bundeswehr. Die deutschen Streitkräfte haben sich seither vielfach verändert, weiterentwickelt und nicht zuletzt auch professionalisiert. Zu den größten Veränderungen der letzten Jahrzehnte zählen, dass die Bundeswehr mittlerweile eine Einsatzarmee ist, dass Frauen in allen Teilbereichen als Soldatinnen dienen dürfen und dass die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt wurde. All dies geht mit neuen Fragen, Aufgaben und Herausforderungen einher, denen sich auch die Militärpfarrerinnen und Militärpfarrer stellen. Sie begleiten Soldatinnen und Soldaten in ihrem Dienst in den heimischen Kasernen, im Rahmen von Manöverübungen, auf den Schiffen der Marine oder im Feldlager im Auslandseinsatz. Dabei tritt deutlich hervor, worauf es bei der Militärseelsorge vor allem ankommt: auf die Seelsorge.

Seit 1957 gibt es die Militärseelsorge in der Bundeswehr. Die deutschen Streitkräfte haben sich seither vielfach verändert, weiterentwickelt und nicht zuletzt auch professionalisiert. Zu den größten Veränderungen der letzten Jahrzehnte zählen, dass die Bundeswehr mittlerweile eine Einsatzarmee ist, dass Frauen in allen Teilbereichen als Soldatinnen dienen dürfen und dass die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt wurde.
All dies geht mit neuen Fragen, Aufgaben und Herausforderungen einher, denen sich auch die Militärpfarrerinnen und Militärpfarrer stellen. Sie begleiten Soldatinnen und Soldaten in ihrem Dienst in den heimischen Kasernen, im Rahmen von Manöverübungen, auf den Schiffen der Marine oder im Feldlager im Auslandseinsatz. Dabei tritt deutlich hervor, worauf es bei der Militärseelsorge vor allem ankommt: auf die Seelsorge.

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2.1 Außenperspektiven 57<br />

»Repräsentant« 18 einer nichtmilitärischen Welt – wahrgenommen und geschätzt<br />

werden. 19 Die Soldatinnen und Soldaten erwarten von den Pfarrerinnen und<br />

Pfarrern »keinen verkleideten Sozialarbeiter, keinen Sozialtherapeuten, keinen<br />

Hobbypsychologen, keinen kirchlichen Wehrbeauftragen, keinen christlichen<br />

Verteidigungspolitiker.« 20 Für sie ist es wichtig, dass Militärseelsorgerinnen<br />

und Militärseelsorger im Hinblick auf die Bundeswehr unterscheidbar sind und<br />

bleiben. 21 Der Militärpfarrer »ist der schlechthin ›Fremde‹ in gleich mehreren<br />

Kontexten«. 22 Versuche einer militärischen Vereinnahmung der Seelsorge, 23 von<br />

denen Militärpfarrer teilweise berichten, 24 konterkarieren diese Erwartung.<br />

Ähnliches gilt für Pfarrerinnen und Pfarrer, die sich von den Dynamiken und<br />

Logiken der Bundeswehr affizieren lassen und sodie notwendige institutionelle<br />

Distanz – also ihre kritische Haltung – aufgeben.<br />

Es kommt vor, dass auch Militärpfarrerinnen oder Militärpfarrer ein Stück<br />

weit funktional in die Zusammenhänge und Abläufe der Bundeswehr einbezogen<br />

werden. Das ist in einer auf Technik und Funktionalität hin ausgerichteten Welt<br />

wie der Bundeswehr auch kaum anders möglich. Gerade im Kontext eines Einsatzes<br />

lassen sich Formen einer solchen Funktionalisierung beobachten. »So<br />

können Militärseelsorgerinnen und -seelsorger bei Transportflügen oder Konvoifahrten<br />

[die Erfahrung machen, dass sie] geradezu als ›Talismane‹ adressiert<br />

werden: ›Schön, Herr Pfarrer, dass Sie heute mit uns mit unsfliegen, dann kann<br />

uns ja nichts passieren.‹ <strong>In</strong> einer solchen Bemerkung artikuliert sich das Bedürfnis<br />

nach religiöser Deutung und damit zugleich nach der Bearbeitung von<br />

Kontingenz. Die Erwartung der Kontingenzbearbeitung richtet sich explizit an<br />

Militärseelsorgerinnen und-seelsorger, weil sie als Experten für Religion gelten.<br />

Zugleich wird in solcher Adressierung deutlich, dass die Soldatinnen und Soldaten<br />

die Militärseelsorge als unabhängige Einrichtung innerhalb der Bundeswehr<br />

wahrnehmen und schätzen. Ein ziviler Dolmetscher, eine Truppenpsy-<br />

18<br />

Vgl. Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr (Hg.), Begleitung im Licht des<br />

Evangeliums, 10.<br />

19<br />

Vgl. die Einsatzberichte in: Michaelis (Hg.), Für Ruhe in der Seele sorgen; vgl. auch<br />

Thiel, Geteiltes Leben, 500.<br />

20<br />

Bastian, Seelsorge in Extremsituationen, 65.<br />

21<br />

Vgl. u. a. Liermann, Seelsorge und Spiritualität in offenem Gelände.<br />

22<br />

Rink, Diener zweier Herren?, 183. Rink rekurriert mit diesem Satz auf das pastoraltheologische<br />

Bild des Pfarrers als dem »Anderen« von Manfred Josuttis. Vgl. Ders., Der<br />

Pfarrer ist anders.<br />

23<br />

Mit der Frage nach der <strong>In</strong>strumentalisierung von Kirche durch das Militär setzt sich u.a.<br />

Andreas Pawlas auseinander. Vgl. Ders.,Militärseelsorge – instrumentalisierte Religion oder<br />

unabhängige Kirche unter Soldaten?<br />

24<br />

Vgl. Ackermann,Das deutsche evangelische Militärseelsorgemodell im internationalen<br />

Praxistext 121; vgl. auch Beckmann, Treue. Bürgermut. Ungehorsam, 43 f.

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