04.07.2022 Aufrufe

Rainer Goltz: Zeigen, worauf es ankommt (Leseprobe)

Die religionspädagogische Forschung hat auf die anhaltende Krise des Religionsunterrichts, die sich in stetig schrumpfenden Lerngruppen und der immer weniger vorhandenen Vertrautheit mit »Religiosität« manifestiert, keine erfolgversprechende Antwort gefunden. Die systemischen Reaktionen sind eher ein Verwalten der Krise, die unterrichtlichen Reaktionen in Form einer Versachkundlichung oder Ethisierung entsprechen einer Preisgabe des Wesens der Religion. Als Kontrast zu diesen Trends entwirft das Buch auf der Basis von systematisch-theologischen Überlegungen zum Wesen des Glaubens und seiner Darstellbarkeit eine religionspädagogische Skizze von Unterricht, die das Verständnis der schulischen Vermittlung von Religion aufweitet und ihr selbst nicht nur als Objekt der Betrachtung, sondern auch als sich zeigendes Subjekt Raum gibt und so die Lebensbewegung des Glaubens für Lernende erfahrbar werden lassen kann.

Die religionspädagogische Forschung hat auf die anhaltende Krise des Religionsunterrichts, die sich in stetig schrumpfenden Lerngruppen und der immer weniger vorhandenen Vertrautheit mit »Religiosität« manifestiert, keine erfolgversprechende Antwort gefunden. Die systemischen Reaktionen sind eher ein Verwalten der Krise, die unterrichtlichen Reaktionen in Form einer Versachkundlichung oder Ethisierung entsprechen einer Preisgabe des Wesens der Religion.
Als Kontrast zu diesen Trends entwirft das Buch auf der Basis von systematisch-theologischen Überlegungen zum Wesen des Glaubens und seiner Darstellbarkeit eine religionspädagogische Skizze von Unterricht, die das Verständnis der schulischen Vermittlung von Religion aufweitet und ihr selbst nicht nur als Objekt der Betrachtung, sondern auch als sich zeigendes Subjekt Raum gibt und so die Lebensbewegung des Glaubens für Lernende erfahrbar werden lassen kann.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

26<br />

2 Der Religionsunterricht in der Gegenwart -- Erfolge und Scheitern<br />

reichsten Bund<strong>es</strong>land NRW in di<strong>es</strong>em Zeitraum dazu gewonnen hat. Dass sich in<br />

di<strong>es</strong>er Abnahme der Schülerinnen- und Schülerzahlen auch ein breiter Verlust<br />

an Akzeptanz und Wertschätzung religiöser Bildung und auch der Religion allgemein<br />

ausdrückt, kann wohl kaum b<strong>es</strong>tritten werden.<br />

Allerdings erhebt die Kultusministerkonferenz nur die Zahlen für den Primar-<br />

und Sekundarstufe I-Bereich. Für die Gymnasiale Oberstufe, in der für die<br />

Abwahl in der Praxis noch einmal niedrigere (Hemm-)schwellen gelten, kann ein<br />

guter Eindruck zum Religionsunterricht durch die Zahlen, die sich aus dem<br />

Wahlverhalten der Schülerinnen und Schüler für ihre Abiturfächer ergeben,<br />

gewonnen werden. Natürlich ist dadurch nicht valide und reliabel die Akzeptanz<br />

bzw. Wertschätzung d<strong>es</strong> Fachs zu erheben, aber <strong>es</strong> lassen sich durchaus Hinweise<br />

daraus ziehen, die als ein weiterer Beleg für die vergleichsweise geringe Bedeutung<br />

d<strong>es</strong> Religionsunterrichts interpretiert werden können. Zwar ist der<br />

Religionsunterricht unter den »Nicht-Kernfächern« b<strong>es</strong>onders privilegiert, da er<br />

--- anders als etwa G<strong>es</strong>chichte, Chemie, Physik oder Erdkunde --- in der g<strong>es</strong>amten<br />

Sekundarstufe I durchgängig erteilt wird, in den Wahlen etwa als schriftlich<strong>es</strong><br />

Abiturfach schlägt sich eine daraus zu vermutende größere Vertrautheit mit dem<br />

Fach allerdings nicht nieder. So haben in NRW im Jahr 2021 35 von 72.934 Prüflingen<br />

lediglich 243 (63 im Leistungskurs, 180 im Grundkurs) das Fach Evangelische<br />

Religionslehre in den zentralen Abiturprüfungen belegt. 36<br />

2.2.4 Gründe für die Krise<br />

Über die Gründe für die Geringschätzung und die fehlende Akzeptanz d<strong>es</strong> Religionsunterrichts<br />

und den Grad seiner Annahme durch Lernende gibt <strong>es</strong> regelmäßig<br />

Untersuchungen, die --- je nach Untersuchungssetting, Schulform oder<br />

dem Standort der erhobenen Schulen --- sehr unterschiedliche Ergebnisse zeitigen.<br />

Nicht immer kommt der Religionsunterricht dabei »gut weg«. Selbst wenn<br />

man anerkennt, dass g<strong>es</strong>icherte Erkenntnisse über den alltäglichen Religionsunterricht<br />

aus verschiedenen Gründen kaum vorliegen und so »über das, was faktisch<br />

im Religionsunterricht g<strong>es</strong>chieht, […] bisher nur bruchstückhafte Einsichten,<br />

die eher ernüchternd ausfallen« 37<br />

vorliegen, so ist doch eine Tendenz<br />

erkennbar. Immer wieder werden in Untersuchungen sowohl den Religionslehrerinnen<br />

und Religionslehrern auf unterrichtlicher Ebene »handwerkliche« Defi-<br />

35<br />

Vgl. zum Folgenden https://www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/cms/upload/<br />

abitur-gost/berichte/Zentralabitur-Gymnasiale-Oberstufe-2021.pdf.<br />

36<br />

Gegen die 180 Prüflinge in den Grundkursen stehen z.B. 282 im Fach Niederländisch<br />

oder 338 im Fach Latein. Selbst, wenn zu den 180 evangelischen noch die 193 katholischen<br />

Schülerinnen und Schüler hinzugezählt werden, können beide Fächer zusammen<br />

von den 1002 Prüflingen im Fach Philosophie nur träumen.<br />

37<br />

Riegel, Konturen weltanschaulicher Heterogenität, 89.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!