26. Juli 2022
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6 Quartier <strong>26.</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2022</strong><br />
UNTERWEGS MIT HEINZ GERBER<br />
Der «Mörcheler» sucht<br />
das Gold des Waldes<br />
Unser experimentierfreudiger<br />
Reporter Marc de Roche macht<br />
sich auf, die Morcheln kennenzulernen.<br />
Ein Pilz, der allseits sehr<br />
beliebt ist.<br />
Die Morchel gehört zu den köstlichsten<br />
und wertvollsten Pilzen.<br />
Sie eröffnet jedes Jahr die Pilzsaison<br />
und gilt als Spitzendelikatesse,<br />
die im Lebensmittelhandel<br />
meist nur getrocknet angeboten<br />
wird und schwer zu finden ist.<br />
Gut, dass wir in Bümpliz einen<br />
Spezialisten zu diesem Thema haben.<br />
Heinz Gerber, der 75-jährige<br />
«Mörcheler», empfängt mich in<br />
seiner Pergola im Stöckacker und<br />
stellt klar: «Morcheln spriessen<br />
gut getarnt in Auenwäldern,<br />
meist in der Nähe von Eschen, Erlen,<br />
Pappeln, Ulmen, Kirschbäumen<br />
Weiden und Holunder.»<br />
Welche Morcheln wachsen denn<br />
bei uns?<br />
Aus den vielen Arten der Morchelfamilie,<br />
die er vorstellt, sind<br />
die Rund- oder Spitz-Morcheln<br />
wichtig, die allesamt in einer Lebensgemeinschaft<br />
(Symbiose) mit<br />
Bäumen und anderen Pflanzen<br />
leben. Dabei kommt es zum Stoffaustausch,<br />
von welchem beide<br />
Teile profitieren.<br />
«Ist Petrus uns wohlgesinnt, beschert<br />
er uns feuchtwarmes Wetter<br />
und sorgt dafür, dass der Korb<br />
Pilz-Experte Heinz Gerber mit zwei Morchel-Exemplaren.<br />
des kundigen Sammlers sicher<br />
nicht leer bleibt. Wir bewegen<br />
uns bedächtigen Schrittes und<br />
lassen den Blick über den Waldboden<br />
schweifen. Intuition, Erfahrung<br />
und Sachverstand gehen<br />
auf der Pirsch stets Hand in<br />
Foto: mdr<br />
Hand», sagt Gerber. Ich merke,<br />
mit den üblichen Pilzsuchen im<br />
Sommer und Herbst hat die Morchelpirsch<br />
wenig gemein. Heinz<br />
Gerber erinnert sich noch genau<br />
an seinen ersten Gang durch die<br />
Auen. «Es war am 21. April 1976.<br />
Der Erfolg war bescheiden, aber<br />
wir waren glücklich, konnten wir<br />
doch eine Handvoll Graueli (Graue<br />
Rundmorcheln) mit nach Hause<br />
nehmen. Jede gefundene Morchel<br />
glich einem Goldstück. Zu Hause<br />
wurden die Pilze erst sorgfältig gereinigt,<br />
dann wieder bestaunt,<br />
verglichen, studiert und fotografiert.»<br />
«Was muss ich wissen, wenn ich<br />
selber Morcheln finden will», frage<br />
ich. Heinz Gerber lacht: «Wer<br />
sich ernsthaft mir der Morchelpirsch<br />
beschäftigen will, kauft sich<br />
am besten mein neues Buch «Morcheln<br />
– Ökologie und Lebensräume».<br />
Dieser Ratgeber macht Sammelerfolge<br />
wahrscheinlich. Im<br />
Juni muss man aber in die Höhe.»<br />
Und der fröhliche Rentner steigt<br />
ins Auto und fährt ins Engadin. Er<br />
weiss, wo es noch Morcheln gibt.<br />
Also lese ich jetzt sein Buch. Lesen?<br />
Nein, ich verschlinge es. Der<br />
Autor beschreibt nämlich nicht<br />
nur die essbaren Morchelarten<br />
und stellt Habitate, Ökologie und<br />
Zeigerpflanzen vor, nein, er lässt<br />
uns an seiner Leidenschaft teilhaben,<br />
empfiehlt bewährte Strategien<br />
und geizt nicht mit Tipps und<br />
Tricks. Weitere essbare Schätze<br />
aus dem Frühlingswald, Tipps zur<br />
Verwertung und raffinierte Rezepte<br />
mit den köstlichen Speisepilzen<br />
ergänzen diesen reichen Erfahrungsschatz.<br />
Marc de Roche<br />
Ein leckeres Morchelrezept<br />
Profis und Hobbyköche lieben<br />
Morcheln, weil sie ein breites Betätigungsfeld<br />
eröffnen. Eigenkreationen<br />
bringen stets eine<br />
ganz persönliche Note auf den<br />
Tisch und bereiten besondere<br />
Freude. Die Bümplizer Architektin<br />
Lorraine Nissille sammelt selber<br />
Morcheln in den Auenwäldern<br />
und weiss, wie man diese<br />
Pilze lecker zubereitet. Sie hat<br />
ihr Rezept für eine feine Morchelrahmsauce<br />
verraten:<br />
Eine Handvoll getrocknete Morcheln<br />
einige Stunden im lauwarmen<br />
Wasser einweichen. Morcheln<br />
herausnehmen und sorgfältig<br />
ausdrücken. Das Einweichwasser<br />
brauchen wir noch. Wir<br />
lassen es am besten langsam<br />
durch einen Kaffeefilter tropfen.<br />
So entfernen wir den Sand und<br />
sonstige Unreinheiten. Ein Zwiebel-Viertel<br />
fein schneiden und in<br />
Butter andünsten. Das Morchelwasser<br />
beigeben und stark reduzieren.<br />
Erst etwas Weisswein<br />
oder Madeira (portugiesischer<br />
Likörwein), dann die Morcheln<br />
und den Rahm beigeben. Jetzt<br />
noch einmal etwa zehn Minuten<br />
einkochen und mit Salz oder<br />
Bouillon würzen. Dazu passen<br />
nicht nur frische Tagliatelle und<br />
Schweinsfilet-Medaillons, sondern<br />
auch in Butter gebratene<br />
Spargeln, und nicht zu vergessen,<br />
lieber Freunde rund um den Tisch,<br />
um den Genuss zu teilen.