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Untersuchung über das Vorkommen von Drüsen sowie Zahl und Verteilung ihrer Mündungen an der menschlichen Plica vocalis

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Aus dem Anatomischen Institut der

Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Direktor: Prof. Dr. med. habil. A. L. Schubel

Untersuchung über das Vorkommen von Drüsen

sowie Zahl und Verteilung ihrer Mündungen an

der menschlichen Plica vocalis

INAUGURAL- DISSERTATION

zur

Erlangung der Doktorwürde der Hohen Medizinischen

Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

vorgelegt von

EBERHARD GRUNDMANN

aus Dresden

Greifswald 1967


Dekan: Prof. Dr. med. habil. F. MÜLLER

Referent: Prof. Dr. med. habil. A. L. SCHUBEL

Korreferent: Prof. Dr. med. habil. R. ZIPPEL

Tag der Promotion: 18.9.1967


MEINEN LIEBEN ELTTERN

IN DANKBARKE1T

GEWIDMET


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung 1

1. Bemerkungen zur Nomenklatur 1

2.1. Überblick über die Literatur 2

2.2. Zusammenfassung der Literaturübersicht 9

3. Eigene Untersuchungen 10

3.1. Problemstellung 10

3.2. Material und Methodik 10

3.3. Ergebnisse 12

4. Erörterung der Befunde 24

5. Zusammenfassung 25

6. Literaturverzeichnis I


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis 1

0. Einleitung

In den neueren Lehr- und Handbüchern der Histologie und

mikroskopischen Anatomie sowie der Laryngologie wird bei der

Beschreibung der Plica vocalis des menschlichen Kehlkopfes angeführt,

dass diese gänzlich frei von Drüsen sei (PERNKOPF

1952, v. LANZ-WACHSMUTH 1955, ECKERT-MÖBIUS 1966), oder dass

wenigstens eine schmale Zone am Rande der Drüsen entbehre

(BARGMANN 1956, HEISS 1936, SCHUMACHER 1925); auf jeden Fall

aber sei das Lig. vocale, welches von der Plica vocalis nur

ein Bestandteil ist, drüsenlos.

H. VOSS (1965) beobachtete in zwei Fällen eine Drüse im

Lig. vocale - was ich in einer meiner Serien ebenfalls fand -

und widerlegte damit sogar die letzte Behauptung in ihrer Ausschließlichkeit.

Er beobachtete ferner (persönl. Mitt.) an einer

Plica vocalis einige Mündungen von Ausführungsgängen im

Bereich des Plattenepithels und regte mich zu einer quantitativen

Untersuchung über Häufigkeit und Verteilung solcher Drüsenmündungen

auf der Stimmfalte an.

1. Bemerkungen zur Nomenklatur

Nach den heute gültigen Pariser Nomina anatomica bezeichnet

man die gesamte, den M. vocalis und das Lig. vocale enthaltende

Schleimhautfalte, welche die laterale Kehlkopfinnenwand

nach medial hin überragt, als Plica vocalis; die scharfe Kante

beziehungsweise der „freie Rand“ der Plica hat keinen besonderen

Namen.

Die zwischen beiden Plicae befindliche Stimmritze trägt die

Bezeichnung Rima glottidis, die der Länge nach in eine vordere

Pars intermembranacea und eine hintere Pars intercartilaginea

unterteilt wird - gemäß den entsprechenden Teilen der Plica.

Früher wurden zahlreiche andere Benennungen gebraucht, die ich

- wo es notwendig schien - bei den einzelnen Autoren angeben

werde. Allgemein kann vorweggenommen werden, dass die meisten

mit „Stimmband“ (oder „wahres“ bzw. „unteres Stimmband“) die

Plica gemeint haben. Den freien Rand nannten sie dann Chorda


2

E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

vocalis (Stimmsaite) oder manchmal Labium vocale; letztere Bezeichnung

wurde aber auch für die Plica gebraucht und umgekehrt

(PERNKOPF 1952).

FRÄNKEL (1894) und verschiedene andere nahmen eine feinere

Längsunterteilung der Plica vor: die Pars membranacea hatte

ganz vorn zwischen dem Sesamknorpel (der sich laryngoskopisch

als „Macula flava ventralis“ zeigt) und der Insertion in die

Cartilago thyreoidea eine kleine Pars sesamoidea. Dahinter erstreckte

sich bis zum Processus vocalis des Gießbeckenknorpels

die Pars libera. Ganz hinten, der heutigen Pars cartilaginea

entsprechend, befand sich die Pars ad processum elasticum (laryngoskopisch

„Macula flava dorsalis“) und eine hintere Pars

ad processum hyalinum.

2.1 Überblick über die Literatur

1851 entdeckte der Schwede C. F. NAUMANN, dass die Stimmfalten

von Plattenepithel bedeckt sind. Da er sie für drüsenlos

hielt, äußerte er als erster den Gedanken, dass ihre Anfeuchtung

von den Drüsen der Taschenfalten und des Ventriculus laryngis

besorgt würde.

RHEINER (1852) gab an, dass „die unteren Stimmbänder und untere

Wand der Taschen“ der Drüsen vollständig entbehren. LUSCHKA

(1862) schrieb: „Gänzlich frei von Drüsen ... sind die freien

Ränder der unteren Stimmbänder“, wobei er den Begriff „freie

Ränder“ weiter ausdehnte als nur auf die scharfe Kante, denn

1869 berichtete er genauer: „Die unteren Stimmbänder sind in

ihrer ganzen Ausdehnung d. h. etwa 4 Mm. gegen die Ventrikel

und ebenso weit nach unten durch eine zarte, gänzlich drüsenlose

Schleimhaut verhüllt“. Das betonte er auch 1871 in seinem

grundlegenden Werk über den Kehlkopf, von dem FRÄNKEL 1889

sagte, es sei zur „anatomischen Bibel der Laryngologen“ geworden.

HENLE (1866) beobachtete reichlich Drüsenöffnungen im Kehlkopf

„... mit Ausnahme der oberen Fläche des Stimmbandes“. Ähnlich

äußerte sich QUAIN (1870), der zahlreiche Drüsen angab, „...

außer in der unmittelbaren Nähe der Stimmbänder“.


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis 3

Erstmalig erwähnte KNOLL (1872) Drüsen an der Plica vocalis:

„Normal finden sich die Schleimdrüsen an den Stimmbändern,

und zwar an deren unterer Fläche, als eine nahezu continuirliche

Schicht...“ Dieser Tatbestand wurde erst durch die

Untersuchungen von COYNE (1874) richtig bekannt. Er beschrieb

das Vorkommen zahlreicher traubenförmiger Drüsen zwischen der

Epithelschicht und dem Lig. vocale, die, in einer oberen und

unteren Gruppe angeordnet, ihre Ausführungsgänge zur oberen

bzw. unteren Fläche der Plica vocalis senden. Diese Drüsen

würden das „Stimmband“ befeuchten und so seine Funktion sichern.

Frei von Drüsen und deren Gangmündungen sei nur der papillentragende

freie Rand.

NICAISE (1874) sowie E. und J. BOECKEL (1875) übernahmen

diese Ergebnisse. Erst 1894 hat FRÄNKEL sich auf Grund eigener

Untersuchungen kritisch dazu geäußert: er habe die Drüsen „...

nie so nahe am freien Rande gefunden, als dies COYNE’s Abbildung

andeutet,“ außerdem habe er eine regelmäßige Anordnung

der Drüsen in zwei dem Stimmbandrande parallelen Säulen

nicht bestätigen können.

DISSE hatte schon 1875 Drüsen dicht über und unter der

Glottis erwähnt, ohne die genauere Lokalisation anzugeben. In

seiner Figur 5 zeigte er hinten zwischen den Aryknorpeln Drüsen;

da es sich aber um einen Horizontalschnitt handelt, kann

man nicht auf die genaue Höhe schließen.

1880 berichtete SOMMERBRODT von Stimmbandzysten in mehreren

Fällen mit der Bemerkung, WALDEYER habe ihm mitgeteilt, „dass

die normaler Weise in einer gewissen Entfernung unter dem

Stimmbandrande wieder auftretenden Schleimdrüsen sehr nahe an

den freien Rand heranrücken. Auf diese Weise“ fuhr SOMMERBRODT

fort, „scheint es mir möglich, dass Schleimdrüsen die Basis

für die kleinen Cysten-Geschwülste der wahren Stimmbänder abgeben“.

1887 gab HERYNG an, dass nach seinen Untersuchungen 2

bis 3 längliche, traubenförmige Schleimdrüsen „an den Rändern

der wahren Stimmbänder“ in der Gegend des Proc. vocalis vorkämen.

Ebenso fand R. HEYMANN (1889), dass auch am Rande der


4

E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

„wahren Stimmbänder“ über der Spitze des Proc. vocalis mitunter,

einige acinöse Drüsen lägen.

Durch FRÄNKEL und seinen Gegner, den Engländer KANTHACK,

wurde das Problem dann ausführlich diskutiert. Ersterer (1889,

1894) hatte am 11. Juli 1888 in der Berliner Medizinischen Gesellschaft

in vorläufiger und am 21. Juni 1889 vor der laryngologischen

Gesellschaft in ausführlicher Mitteilung dargelegt,

dass an der Stimmfalte Drüsen in aller Regelmäßigkeit

vorkämen, die nicht weit vom freien Rande entfernen seien, „ja

zuweilen auch in der Region der eigentlich stimmbildenden

Membran, der eigentlichen Chorda vocalis sich finden.“

Daraufhin wurde er im September 1889 (a) von KANTHACK angegriffen:

„In letzter Zeit nehmlich hat Prof. FRÄNKEL der laryngologischen

Gesellschaft zu Berlin eine Mittheilung gemacht,

durch welche wohl die meisten Laryngologen in Erstaunen

gesetzt wurden. Er beschrieb nehmlich und zeigte unter dem

Mikroskope Stimmbänder, die in ihrem Verlaufe Drüsen vorwiesen.“

Und aus eigenen Untersuchungen schloss KANTHACK: „Makroskopisch

sieht man absolut nichts, was auf ein Vorkommen von

Drüsen in den Stimmbändern schließen lässt. Mikroskopische Beobachtungen

haben diesen Befund in jedem Falle bestätigt.“ Er

habe lediglich vereinzelt in der vorderen Kommissur der Stimmbänder

Drüsen gefunden, in der Mehrzahl der Fälle jedoch sei

auch diese Stelle frei von Drüsen, „da dieses Gewebe zu derbe

ist, um Drüsen zu leiden“.

Im Oktober 1889 (b) schrieb KANTHACK, dass er am halb ausgetragenen

Fötus den gleichen Befund erhoben habe.

Jetzt aber war es FRÄNKEL, der im November 1889 KANTHACK in

heftiger Erwiderung vorwarf, einen künstlichen Widerspruch

zwischen den Befunden beider konstruiert zu haben, nämlich

durch andere Abgrenzung des „Stimmbandes“ auf Grund falscher

Interpretation LUSCHKA’s.

KANTHACK (1889 a) hielt „nur den Theil für Stimmband, der

zur Phonation gebraucht wird, d. i. den freien oberen Theil

der 'Crista vocalis', wie man ihn ja auch im laryngoskopischen


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis 5

Bilde sieht“. Im übrigen seien weder der Plattenepithelbereich

wegen der Schwankung seiner Grenzen noch das Vorkommen elastischer

Fasern, die schließlich bis an die Bronchi reichten, für

den Begriff „Stimmband“ repräsentativ. Trotzdem gab er an,

dass die Drüsenmündungen subglottisch „erst wieder unterhalb

der heller gefärbten Partie, die dem Stimmbande entspricht,

anfangen, da ungefähr, wo man die Falte sieht, die von der

Schleimhaut über dem Gießbeckenknorpel sich unterhalb der

Chorda zieht und parallel derselben“; damit hatte er die untere

Grenze des Plattenepithelbereiches angedeutet, die später

REINKE (1897) genau beschrieb und Linea arcuata inferior nannte.

FRÄNKEL (1889) behauptete von KANTHACK, letzterer habe unter

Stimmband „lediglich die Chorda vocalis, die Verdickung

der elastischen Kehlkopfhaut, die sich zwischen dem Winkel der

Schildknorpel und dem Processus vocalis ausspannt“, verstanden,

und er übersetze Chorda vocalis nicht, wie dies allein

richtig sei, mit Stimmsaite, sondern gebrauche die Worte

Chorda vocalis und Stimmband als identische Bezeichnungen.

Dagegen muss ich bemerken, das KANTHACK mit „Stimmband“

nicht das Lig. vocale heutiger Nomenklatur, sondern den

Schleimhautbezirk darüber meinte; dieser Unterschied ist jedoch

KANTHACK selbst nicht aufgefallen.

FRÄNKEL (1889) gab dann einen kurzen Bericht über die Entwicklung

des Begriffes "Stimmband", den er später (1894) ausführlich

ausbaute, und stellte schließlich fest: „...in der

Region, die Herr KANTHACK vom Stimmbande übrig lässt, habe ich

das Vorkommen von Drüsen niemals behauptet, im Gegentheil das

Fehlen derselben ausdrücklich hervorgehoben.“ KANTHACK hat darauf

in seiner Erwiderung zugegeben, dass er sich in Bezug auf

die Interpretation LUSCHKA's geirrt habe. FRÄNKEL hätte ihm

jedoch durch die Behauptung, Sängerknötchen rührten von Drüsen

her, bewiesen, dass letzterer Drüsen am freien Stimmbande postuliere

- und das sei nun eben ganz und gar falsch.


6

E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

Nach dem FRÄNKEL sich in einer letzten Erwiderung nochmals

verteidigt hatte, schwieg sein Gegner. KANTHACK hat erst im

Februar 1890 wieder über dieses Thema geschrieben und ohne Erwähnung

des Streites seine alte Meinung vertreten, während

FRÄNKEL 1890 der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte

in Heidelberg Abbildungen von Schnitten durch Sängerknötchen

mit drüsigem Inhalt vorführte. 1894 schließlich hat FRÄNKEL

auf den ersten Seiten des von ihm begründeten Archivs für Laryngologie

dem strittigen Thema die ausführlichste Darstellung

gewidmet. Er führte nochmals an, dass aller Streit über Drüsen

am Stimmbande auf mangelnde terminologische Übereinstimmung

zurückgeht. Nach seinen Untersuchungen bleibe der freie Rand

der Stimmbänder drüsenlos: nach oben ein 1,8 mm breiter Streifen,

nach unten an der Pars sesamoidea bis 1 mm, an der Pars

libera 1,5 bis 1,2 mm. Eine von ihm ziemlich regelmäßig am

hinteren Ende der Pars libera gefundene Drüse reiche jedoch

bis 1 mm und darunter an den freien Rand von unten heran (in

einem Falle sogar 0,6 bis 0,7 mm) und münde in die leistentragende

Gegend. Zusammenfassend bezifferte er die Breite der

drüsenfreien Zone mit 1 bis 1,5 mm nach unten und 1,8 bis 2,5

mm nach oben. Innerhalb dieses Streifens münde die oben genannte

besonders kantennahe Drüse.

P. HEYMANN (1890 - 1898), der laut FRÄNKEL (1894) ohne jede

Verbindung mit ihm gearbeitet hat, kam im wesentlichen zu den

gleichen Ergebnissen. Die Drüsen münden nach seinen Angaben

meist ziemlich genau an der Grenze zwischen Platten- und Zylinderepithel,

oben nie im Papillarbereich und unten selten.

Die besonders kantennahe Drüse FRÄNKEL's hielt P. HEYMANN

nicht für ein so regelmäßiges Vorkommnis.

Obwohl durch COYNE, FRÄNKEL und P. HEYMANN über die Drüsen

in der Stimmfalte hätte Klarheit herrschen müssen, berichtete

EICHLER (1897), dass noch nicht alle überzeugt seien. Das Vorkommen

von Drüsen im „wahren Stimmbande“ sei jedenfalls selten,

und deshalb hielte er es für angebracht, „einen weiteren

Fall von Drüse im wahren Stimmbande mitzutheilen“. Seine Abbildungen

sind unzuverlässig: auf der 120-fach vergrößerten


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis 7

ist die Mündung um 0,38 mm, auf der 40-fach vergrößerten um

0,75 mm vom freien Rande entfernt.

1898 erkannte Sophie FUCHS-WOLFRING, dass es sich bei den

Kehlkopfdrüsen nicht, wie vorher meist angegebenen, um rein

muköse, sondern um gemischte tubulo-alveoläre handelt.

ZUCKERKANDL (1898) schrieb im P. HEYMANN’schen Handbuch,

dass die Randportion des Stimmbandes sich von den „nachbarlichen

Schleimhautdistricten durch das Auftreten von Pflasterepithel

statt Flimmerepithel und durch den vollständigen

Mangel an Drüsen“ unterscheide. Ansonsten erklärte er seine

prinzipielle Übereinstimmung mit FRÄNKEL.

MERKEL (1902) erwähnte keine Drüsen an der Stimmfalte, sondern

nur, dass der schwingende Rand, die „Stimmlippe“, völlig

drüsenlos sei und vor Austrocknung durch Beträufeln mit Sekret

aus den Drüsen der Taschenfalte und Ventrikelwand geschützt

werde.

1905 machte GAULT die lapidare Feststellung, dass die Drüsenverhältnisse

am Stimmband von FRÄNKEL, KANTHACK, HEYMANN

und neueren Autoren beschrieben worden seien, wonach die Papillarregion,

wenn sie überhaupt einige Ausführungsgänge enthielte,

doch völlig frei von Drüsenkörpern zu sein scheine. Er

hätte in der vorderen Kommissur dicht unterm Epithel im Stroma

einer mittleren Papille einen Drüsengang längs der Stimmbandachse

parallel zum freien Rand gesehen; dabei handele es sich

ohne Zweifel um eine analoge Form von Einzeldrüse, wie sie

FRÄNKEL in dieser Region beschrieben und HEYMANN vergeblich

gesucht habe.

Demgegenüber muss ich daran erinnern, dass FRÄNKEL's kantennahe

Einzeldrüse nicht in der vorderen Kommissur, sondern

am hinteren Ende der Pars membranacea liegt, und P. HEYMANN

(R. HEYMANN kann hier nicht gemeint sein) sie sehr wohl auch

beobachtet - nur nicht für ganz regelmäßig befunden hat.

Lia KAPLAN (1905) bestätigte aus ihren Untersuchungen heraus

im wesentlichen FRÄNKEL, nur schienen ihr im Gegensatz zu


8

E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

ihm die Drüsen in den hinteren Teilen der „Stimmbänder“ häufiger

zu sein als in den vorderen. Die Ausführungsgänge mündeten

im „freien Rande“ gewöhnlich im Bereiche des Zylinderepithels

oder an der Stelle, wo dieser in das Plattenepithel übergeht.

Hieraus ist wieder ersichtlich, wie verschieden weit der

Begriff „freier Rand“ gefasst wurde: bei KAPLAN z. B. gehört

das Flimmerepithel zum Teil noch mit dazu.

In der Plattenepithel tragenden „Stimmlippe“ fand KAPLAN in

einem Falle Drüsen nahe an der Papillarregion und in zwei

Schnitten eine Mündung fast ganz an der Kante im papillaren

Teil.

Dagegen schrieb CAPALDO (1908), dass im Plattenepithelbereich

keine Drüsengänge münden würden.

SCHUMACHER (1925) zitierte und bestätigte im wesentlichen

Fränkel. Er gebrauchte dabei eine von den meisten vorhergehenden

Autoren abweichende Nomenklatur: Labium vocale sei der

ganze prismatische Körper (heute Stimmfalte) und Lig. vocale =

Stimmband sei das elastische Band. Damit hatte er sich der

heutigen Nomenklatur angenähert.

Die Drüsengänge münden nach SCHUMACHER sowohl oben als auch

unten etwa an der Grenze zwischen Platten- und Flimmerepithel.

BORŽIM (1927), HAJEK (1926) und HEISS (1936) zitieren ebenfalls

FRÄNKEL. Die beiden letzteren betonten das Wiederauftreten

der Drüsenmündungen nach dem freien Randstreifen an der

Grenze zwischen Flimmer- und Plattenepithel, die mit der Linea

arcuata inferior bzw. superior REINKE’s zusammenfalle.

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet die Kenntnis von den Drüsen

an der Stimmfalte weitgehend in Vergessenheit. PERNKOPF

(1952) gebrauchte wieder eine eigene Nomenklatur: die Plica

vocalis sei der freie Rand der prismatischen Stimmlippe, des

Labium vocale. Die Schleimhaut sei an der Lippe drüsenfrei und

besäße unterhalb der Stimmritze wieder flimmerndes Epithel und

wenig Drüsen.


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis 9

v. LANZ und WACHSMUTH (1955) gaben an, dass die Stimmlippen

drüsenlos wären und vom Sekret der Drüsen in den Taschenfalten

sowie im Ventrikel befeuchtet würden.

BARGMANN (1956) gab ziemlich genau die FRÄNKEL'sche Meinung

wieder, und VOSS (1965) fand darüber hinaus Drüsen im Lig. vocale

heutiger Nomenklatur - also inmitten elastischer Faserbündel.

Aber ECKERT-MÖBIUS schrieb 1966, dass Retentionszysten

von Schleimdrüsen nicht an den „Stimmbändern“ vorkommen, womit

das Fehlen der Drüsen impliziert ist.

Die historische Betrachtung lehrt, dass man sich bezüglich

der Kenntnis von Stimmfaltendrüsen heute im allgemeinen auf

dem selben Stand befindet wie vor über hundert Jahren.

2.2. Zusammenfassung der Literaturübersicht

Drüsen an der Plica vocalis wurden erstmalig von dem Deutschen

Ph. KNOLL (1872) erwähnt und von dem Franzosen P. COYNE

(1874) genauer beschrieben. In Deutschland hat dann B. FRÄNKEL

(1888 - 1894) diese Tatsache bekannt gemacht und sich dahingehend

geäußert, dass die Stimmfalten in ihrer oberen und unteren

Fläche regelmäßig Drüsen enthielten, an ihrem freien Rande

jedoch einen drüsenfreien Streifen von 1,8 bis 2,5 mm Breite

nach oben und 1 bis 1,5 mm nach unten besäßen. Innerhalb dieser

Zone münde meist am hinteren Ende der Pars libera eine besonders

kantennahe Einzeldrüse. Der leisten- und papillentragende

Teil des freien Randes sei fast stets frei von Drüsen

und deren Ausmündungen.

FRÄNKEL's Ergebnisse wurden anfangs angezweifelt, aber bald

von vielen bestätigt und zitiert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg findet sich in den meisten Werken

keine Erwähnung der Stimmfaltendrüsen mehr (PERNKOPF 1952,

von LANZ-WACHSMUTH 1955, ECKERT-MÖBIUS 1966).


10

E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

3. Eigene Untersuchungen

3.1. Problemstellung

Wie die Literaturübersicht zeigt, hat es über die Anwesenheit

von Drüsen an der Plica vocalis die verschiedensten Meinungen

gegeben, die durch unterschiedliche Nomenklaturen oft

in Widerspruch zueinander gerieten. Aber auch nach Angleichung

der Termini an einen gemeinsamen Nenner bleiben sachliche Unterschiede

zwischen den einzelnen Untersuchern bestehen.

Außerdem haben manche Autoren metrische Angaben über die Anordnung

der Drüsen gemacht (z. B. FRÄNKEL), während andere die

Beziehung zu benachbarten Strukturelementen betrachteten: etwa

zum Plattenepithel (z. B. HAJEK, HEISS) oder zur Papillarregion

(z. B. GAULT, P. HEYMANN).

Ich erhielt die Aufgabe, den Plattenepithelbereich der

Stimmfalte in ihrer ganzen Länge auf das Vorkommen von Drüsen

und deren Ausführungsgängen hin zu untersuchen. Die Beobachtungen

sollten sich auf das Plattenepithel beziehen, weil dies

die funktionsbedingte Oberflächenstruktur für die Phonation -

die Hauptaufgabe der menschlichen Plicae vocales - ist. Diesem

Bereich sind in der Vergangenheit Drüsen und deren Mündungen

mehr oder weniger abgesprochen worden, insbesondere aber der

äußersten Kante der Plica.

3.2. Material und Methodik

Aus formalinfixierten Kehlköpfen 1 präparierte ich nach dem

Wässern jeweils die rechte Stimmfalte einschließlich ihrer

Pars cartilaginea mit genügend benachbartem Gewebe heraus. Die

so gewonnenen Präparate wurden in ZENKER'scher Flüssigkeit

nachfixiert, dann gewässert, in 5%iger Salpetersäure entkalkt,

auf übliche Weise in Paraffin eingebettet und in lückenlose

Serien von 10 µm dicken Frontalschnitten zerlegt. Nach dem

Entparaffinieren der auf Objektträger aufgeklebten Schnitte

erfolgte die Azanfärbung nach HEIDENHAIN und Konservierung

durch Einschluss unter Deckgläschen mit Neutralbalsam. Dann

1

Herrn Prof. Dr. PATZELT, Direktor des hiesigen Pathologischen Institutes,

danke ich sehr für die Überlassung dieses Materials.


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis 11

wurden sämtliche Schnitte (etwa 14.000) unter dem Mikroskop

durchgemustert und dabei die Mündungen der Drüsenausführungsgänge

protokolliert. Anschließend habe ich vom Beginn bis zum

Ende der jeweiligen Plica vocalis die einzelnen Schnitte abgezählt,

um ein Maß für ihre Länge zu gewinnen und jede Mündung

lokalisieren zu können. Die auf diese Weise ermittelte räumliche

Verteilung der Mündungen auf den Stimmfalten ist in Schemata

veranschaulicht (s. Faltblatt), deren Länge im Maßstab

25:1 zur jeweils entsprechenden Stimmfaltenlänge steht. Jeder

untersuchten Stimmfalte entspricht eine Doppelzeile; über dieser

sind die Mündungen auf der oberen Fläche der Plica vocalis

dargestellt, darunter diejenigen auf der unteren Fläche. Im

Zwischenraum der Doppelzeile sind die Mündungen auf der äußersten

scharfen Kanten eingetragen.

Für Mündungen im Plattenepithelbereich steht ein senkrechter

Strich als Symbol, für solche an der Grenze zwischen Platten-

und Flimmerepithel ein Kreuz.

Die Schemata der zehn untersuchten Stimmfalten sind untereinander

auf einem Faltblatt angeordnet und an der Peripherie

des Bogens mit den für alle gemeinsam gültigen Orientierungsbezeichnungen

„anterior“ – „posterior“ und „superior“ – „inferior“

versehen.

Um die Änderung der Häufigkeit von Mündungen über die Länge

der Stimmfalten hin anschaulich zu machen, fertigte ich die

Abbildung 1 an: zunächst teilte ich jede Stimmfalte in Fünftel,

addierte dann die Anzahl der Mündungen aller Stimmfalten

im jeweiligen (1., 2. usw.) Fünftel, teilte jede dieser fünf

Summen durch die Anzahl der Plicae (10) und trug die sich ergebenden

Mittelwerte in das Diagramm ein. Die Punkte verband

ich durch Linien und verfuhr auf diese Weise einmal mit allen

erfassten Mündungen (gestrichelte Linie) und zum anderen mit

den reinen Plattenepithelmündungen - ohne Grenzfälle - (ausgezogene

Linie).


12

E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

Für die Länge dieser fiktiven Durchschnittsplica wurde

ebenfalls der Mittelwert der Längen aller zehn Stimmfalten

verwendet.

Einige ausgewählte Mikrophotogramme sollen der Veranschaulichung

und Dokumentation dienen. Die Aufnahmen wurden mit dem

Mikroskop „NFpK“ (Aufsatz „Miflex-Standard“ mit Belichtungsautomatik)

– VEB Carl ZEISS Jena - und der Kamera „Exakta Varex“

– Fa. Ihagee Dresden - (Filme: ORWO Isopan FF 10 und 15 DIN)

gemacht.

Die Angaben über Alter und Geschlecht der Individuen, von

denen die Stimmfalten entnommen wurden, sind in Tabelle 1 zusammengestellt.

Tab. 1. Alter und Geschlecht der Individuen, von

denen die verwendeten Kehlköpfe stammen.

Serien-Nr. Alter

Geschlecht

I 48 J. f

II 61 J. m

III 65 J. m

IV 88 J. f

V 70 J. f

VI 68 J. m

VII 49 J. m

VIII 87 J. f

IX 62 J. f

X 45 J. ?

3.3 Ergebnisse

Jede von mir untersuchten Plica vocalis (im Sinne heutiger

Nomenklatur und Definition - s. S. 1) besitzt Drüsen. In den

lateralen Bereichen beider Plicaflächen - unter dem Flimmerepithel

der oberen und unteren Fläche - sind sie reichlich

vorhanden. In dem Plattenepithelstreifen entlang des Stimmfaltenrandes

finden sie sich nicht so häufig, jedoch durchaus

noch zahlreich, wovon die grafische Darstellung auf dem Faltblatt

einen Eindruck vermittelt. Die Zahlen, die den Lageplä-


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis 13

nen der Drüsenmündungen auf dem Faltblatt entsprechen, sind in

den Tabellen 2 und 3 aufgeführt. Die Tabelle 2 bezieht sich

auf alle Mündungen im Plattenepithel und an seinen Grenzen,

während in Tabelle 3 zwischen beiden unterschieden wird.

Tab. 2 Zahlenangaben über die Drüsenmündungen an den

einzelnen Stimmfalten.

M ü n d u n g e n

Serien-Nr. oben Mitte unten insgesamt

I 14 14 29 57 (max.)

II - - 21 21

III 6 8 13 27

IV 4 3 17 24

V 3 - 8 11 (min.)

VI 2 15 8 25

VII 9 15 18 42

VIII - 1 28 29

IX 5 5 18 28

X 5 1 21 27

Summe 291

Mittelwert

29 pro Plica

Tab. 3 Aufschlüsselung der Mündungszahlen auf reine

Plattenepithel-Mündungen und Grenzfälle

Serien- Plattenepithel- Grenzfälle

Nr. mündungen oben unten insgesamt

I 55 1 1 2

II 14 - 7 7

III 23 1 3 4

IV 20 1 3 4

V 9 1 1 2

VI 25 - - -

VII 40 1 1 2

VIII 22 - 7 7

IX 21 2 5 7

X 20 4 3 7

Summe 249 42


14

E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

Faltblatt I Darstellung der Mündungen von Drüsenausführungsgängen auf den

Plicae vocales (| im Plattenepithelbereich; ^ an der Grenze zwischen

Platten- und Flimmerepithel; ¦ Zusammentreffen beider Fälle;

Zusammentreffen gleichartiger Fälle durch Zahlen angegeben) – an der Oberund

Unterfläche sowie am freien Rande (letzteres zwischenzeilig

eingetragen).


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis 15

Als Mittelwerte ergeben sich aus Tabelle 3:

25 reine Plattenepithel-Mündungen und 4 Grenzfälle pro Plica.

Abb. 1 Darstellung der Häufigkeit von Drüsenmündungen als Funktion des

Ortes auf der Plica. Die durchschnittlichen Gesamtzahlen der Mündungen in

jedem Fünftel der Stimmfaltenlänge sind durch Kurven verbunden:

gestrichelte Kurve (- - - -) für Mündungen im Plattenepithel und an seinen

Grenzen, ausgezogene Kurve (─────) für Mündungen nur im

Plattenepithelbezirk ohne Grenzfälle.

Die durchschnittliche Stimmfaltenlänge ist im Maßstab 10:1 gezeichnet

Eine Durchschnittsangabe über die Drüsenhäufigkeit an der

Plica vocalis erhält erst genauere Gültigkeit, wenn Sie zur

Stimmfaltenlänge in Beziehung gesetzt wird. Die durchschnittliche

Länge der zehn untersuchten Plicae beträgt rd. 11,3 mm,

also durch Schrumpfung weniger, als dies v. LANZ-WACHSMUTH

(1955) beim Lebenden angaben. Die Rechnung ergibt, dass ungefähr

alle 390 µm eine Drüse im Plattenepithelbereich und an

seine Grenzen mündet - ohne die Grenzfälle rd. alle 450 µm.

Da auch diese Mittelwerte zu pauschal sind, als dass sie

dem rechten Eindruck von der Drüsenverteilung auf den Stimmfalten

vermitteln könnten, habe ich die Drüsenhäufigkeit als

eine Funktion des Ortes auf der Plica vocalis in der Abb. 1


16

E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

dargestellt (s. auch S. 11). Die parabelförmigen Kurven zeigen,

dass die Drüsen am vorderen und hinteren Ende der Stimmfalten

im allgemeinen häufiger sind, während in der Mitte ein

Minimum erreicht wird.

Abb. 2 Frontalschnitt durch die Plica vocalis – Ausschnitt

(N = 8:1 ; P = 39,6:1 ; LK = 12 cm) 2

Orientierungsbild zu Abb. 2

(im Original transparentes Deckblatt)

1 Drüsen

2 M. vocalis

3 Ausführungsgang, der weithin in die

freie Kante der Stimmfalte zieht

4 Grenze zwischen Flimmerepithel (links,

ventrikelwärts) und Plattenepithel

5 Lig. vocale

Die Abbildung 2 stellt eine solche Drüse unter der oberen

Fläche der Stimmfalte dar, die sich vom Ventrikel her - noch

unter dem Flimmerepithel - nach medial hin erstreckt und ihren

Ausführungsgang gegen die freie Kante hin in den Plattenepithel-Bereich

sendet.

2

N = Negativvergrößerung, P = Positivvergrößerung; LK = lange Kante des

Bildes im Original


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis 17

Abb. 3 Ausführungsgang unmittelbar vor der Mündung an der Grenze zwischen

Platten- und Flimmerepithel.

(N = 50:1 ; P = 320:1 ; LK = 12 cm)

Ein Beispiel für die Ausmündung eines Ganges an der Grenze

zwischen Flimmer- und Plattenepithel stellt die Abbildung 3

dar, die den quer getroffenen Gang einen Schnitt vor der Mündung

zeigt. Schon im nächsten Schnitt öffnet sich der Ausführungsgang

zur freien Oberfläche hin; weil er sich dann im Einzelbild

nicht mehr eindeutig von einer Bucht des oberflächlichen

Epithels unterscheiden lässt, wurde die Situation kurz

vor der Ausmündung zur Darstellung gebracht.


18

E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

Abb. 4 Drüse mit großem Ausführungsgang im Bereich des mit Leisten (bzw.

Papillen) versehenen Plattenepithels.

(N = 20:1 ; P = 88:1 ; LK = 12 cm)

Orientierungsbild zu Abb. 4 (im

Original transparentes Deckblatt)

1 Plattenepithel

2 Leisten (quer getroffen, daher

als Papillen imponierend)

3 Ausführungsgang

4 Drüse

Die Abbildungen 4, 5 und 6 zeigen, wie sich auch die Drüsenkörper

selbst bis in den Plattenepithelbereich vorschieben,

ja sogar bis unter den Papillen tragenden Teil desselben.

Wie die Natur eine Sekretversorgung der den mechanischen

Anforderungen durch die Phonation besonders exponierten Plattenepithelien

auf der freie Kante der Stimmfalte geradezu anzustreben

scheint, ist aus den Abbildungen 7 und 8 mit den

weithin zur Kante ziehenden, axial getroffenen Ausführungsgängen

ersichtlich.


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis 19

Auch die Abbildungen 9, 10 und 11 zeigen, wie die Drüsen

auf die freie Kante der Stimmfalten hingeordnet sind. Dass

nicht nur Ausführungsgänge, sondern auch Drüsenkörper selbst

in der äußersten freien Kante einer Stimmfalte vorkommen können,

zeigen die Abbildungen 10, 11 und 12.

Abb. 5 Drüsen im trachealen Abhang der Plica vocalis unter dem

Plattenepithel – bis in die Papillargegend hinaufreichend.

(N = 8:1 ; P = 31,2:1 ; LK = 12 cm)

Orientierungsbild zu Abb. 5

(im Original transparentes Deckblatt)

1 Plattenepithel

2 Papillenregion

3 Drüsen


20

E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

Abb. 6 Drüsen in der Oberseite der Stimmfalte. Der vorgeschobenste

Ausführungsgang reicht in den Papillarbezirk.

(N = 8:1 ; P = 33,6:1; LK = 11,5 cm)

Orientierungsbild zu Abb. 6 (im

Original transparentes

Deckblatt)

1 Drüse

2 Ausführunsgang

3 Drüse

4 verschiedene Abschnitte

desselben Ausführugsganges

5 Papillarbezirk


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis 21

Abb. 7 Langes, verzweigtes Gangsystem (axial angeschnitten), das in der

Oberseite der Stimmfalte zur Kante und zu den Papillen zieht.

(N = 8:1 ; P = 33,2:1; LK = 12 cm)

Abb. 8 Drüsenausführungsgang der Pars cartilaginea, der an der Grenze

zwischen Flimmer- und Plattenepithel mündet.

(N = 20:1 ; P = 73,1:1 ; LK = 12 cm)


22

E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

Abb. 9 Drüsen in der trachealen

Seite der Pars cartilaginea, die

bis in die Papillarregion

reichen. Ihr Ausführungsgang ist

mehrfach angeschnitten und

mündet auf der äußersten Kante.

(N = 8:1 ; P = 32,1:1;

LK = 12 cm)

Abb. 10 Drüsen und

Ausführungsgang in der

äußersten Kante der Pars

membranacea.

(N = 8:1 ; P = 32,1:1 ;

LK = 12 cm)


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis 23

Abb. 11 Stärkere Vergrößerung aus Abb. 10.

(N = 20:1 ; P = 74,1:1 ; LK = 12 cm)

Abb. 12 Drüsen und Ausführungsgang

in der äußersten Kante der Pars

membranacea.

(N = 20:1 ; P = 72:1;

LK = 12 cm)

In einer der Serien fiel eine besondere Regelmäßigkeit in

der Anordnung der Drüsen auf: die vorn gelegenen Drüsen senden

ihre Gänge eine Strecke weit (um 100 bis 300 µm) nach hinten,

wo sie dann münden. In der Mitte der Stimmfalte erfolgt eine

Umkehr in der Richtung - die Gänge der hinteren Drüsen verlau-


24

E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

fen erst ein Stück nach vorn, um dann zu münden. Die Drüsen

mit ihren Ausführungsgängen erscheinen also um die Mitte der

Stimmfalte zentriert.

4. Erörterung der Befunde

Die Frage, ob die Plica vocalis überhaupt Drüsen enthält,

beantwortet sich aus den vorliegenden Untersuchungen im Sinne

COYNE's, FRÄNKEL's, P. HEYMANN's und anderer eindeutig positiv.

Darüber hinaus stellte ich fest, dass auch im freien Rand,

in der äußersten scharfen Kante, sowohl Drüsen als auch deren

Ausführungsgänge vorkommen - also auch im Papillar- oder Leistenbereich.

Wie die Lagepläne der Mündungen (s. Faltblatt) zeigen, kommen

die Ausmündungen auf dem freien Rand nicht nur dort vor,

wo FRÄNKEL seine besonders kantennahe Drüse angegeben hat.

Aus diesen Tatsachen ziehe ich den Schluss, dass der allgemeinen

gelehrte Satz, die Drüsen der Taschenfalten und des

Ventriculus laryngis würden die drüsenlosen Stimmfalten befeuchten,

in seiner Ausschließlichkeit aufgegeben werden muss;

vielmehr hat der Gedanke COYNE's Berechtigung, dass die Stimmfalten

durch ihre eigenen Drüsen angefeuchtet werden.

Es ist bei dem nach oben gerichteten Flimmerstrom unwahrscheinlich,

dass das Sekret der supraglottischen Drüsen auf

die Stimmfalten hinab gelangt. Ein Beträufeln (MERKEL), also

ein freies Herabtropfen ist schlechterdings unmöglich, denn es

wäre nur von den Kanten der Taschenfalten her denkbar, während

für die Hauptmasse der Drüsen im Ventrikel diese Möglichkeit

nicht in Betracht kommt. Eine funktionelle Untersuchung der

Sekretströmung und -verteilung könnte mehr Licht in diese Dinge

bringen.

Als zweite Schlussfolgerung ergibt sich aus den vorliegenden

Untersuchungen, dass von den anatomischen Voraussetzungen

her die Entstehung der Retentionszysten von Drüsen an den


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis 25

Stimmfalten - auch an den freien Rändern - durchaus möglich

ist, wie dies SOMMERBRODT und FRÄNKEL schon angegeben haben.

5. Zusammenfassung

Lückenlose Frontalschnittserien von 10 µm Schnittdicke aus

zehn Stimmfalten menschlicher Kehlköpfe ergaben, dass die Plicae

vocales nicht nur überhaupt Drüsen enthalten, sondern jeweils

auch am freien Rand (s. Nomenklatur S. 1). Mit dieser

Feststellung werden alte, weitgehend in Vergessenheit geratene

Erkenntnisse bestätigt und ergänzt.

Durch die genaue Auszählung wurden quantitative Angaben

über das Vorkommen und die Verteilung von Drüsenmündungen im

Plattenepithelbereich der Stimmfalten gewonnen. Es zeigt sich,

dass die Mündungen in der Mitte verhältnismäßig seltener als

am vorderen und hinteren Ende sind und dass durchschnittlich

alle 390 µm eine Drüse im Plattenepithelbezirk einschließlich

seiner Grenzen ausmündet.

Daraus ergibt sich, dass

1. die Stimmfalte mit eigenen Drüsen zu ihrer Anfeuchtung beiträgt

und

2. an der Stimmfalte - auch an ihrem freien Rand - die Entstehung

von Retentionszysten möglich ist.


I

E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

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V

E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis

Frau Prof. Dr. A. L. SCHUBEL, Direktor des Anatomischen Instituts,

danke ich herzlich für allseitige Förderung und die

Gewährung eines Arbeitsplatzes, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. H.

VOSS für die Überlassung des Themas und vielfältige Unterstützung

bei der Anfertigung der Arbeit.

Für das Untersuchungsmaterial sage ich Herrn Prof. Dr. K.

PATZELT, Direktor des Pathologischen Instituts, meinen aufrichtigen

Dank.

Den medizinisch-technischen Assistentinnen Fräulein HÄHN und

Frau HARTELT danke ich sehr für die Einführung in die histologische

Technik, Frau WILHELM für die Anfertigung der Mikrophotogramme.


E. W. Grundmann: Drüsen auf der Plica vocalis VI

Lebenslauf

Am 10.8.1942 wurde ich, Eberhard Wolfgang Grundmann, als Sohn

des Kaufmanns Gottfried Grundmann und dessen Ehefrau Felicitas

in Dresden geboren.

1960 legte ich in Sangerhausen die Reifeprüfung ab. Das praktische

Jahr absolvierte ich in Jena, wo ich auch die ersten

beiden Semester Medizin studierte. 1962 immatrikulierte ich

mich an der Universität Greifswald und legte dort 1964 das

Physikum und 1967 das Staatsexamen ab.

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