doktorinwien 2022/09
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COVERSTORY AM PULS<br />
hat die Kammer im Verfahren den<br />
Kolleginnen und Kollegen sehr helfen<br />
können. Das war auch notwendig, weil<br />
die niedergelassenen Ärztinnen und<br />
Ärzte ja über keine Bürokratieapparate<br />
verfügen wie Spitäler. Das fällt jetzt<br />
weg und die Kolleginnen und Kollegen<br />
müssen sich bei den Ansuchen mit der<br />
Stadt Wien herumschlagen. Weiters<br />
waren die Verfahren für die Kolleginnen<br />
und Kollegen bis dato kostenlos.<br />
In Zukunft sollen sie kostenpflichtig<br />
werden, was auch kein zusätzlicher<br />
Anreiz ist, junge Ärztinnen und Ärzte<br />
auszubilden.<br />
Foto: Stefan Seelig<br />
Thomas Holzgruber: „Die Stadtpolitik will in der Ärzteausbildung keine Kooperation mit der Ärzteschaft.“<br />
konnte das durch die Ärztekammer<br />
kontrolliert werden. All das fällt jetzt<br />
weg. Wir wissen aber, dass der WIGEV<br />
zunehmend ein ärztliches Personalproblem<br />
hat. Das bedeutet folglich auch,<br />
dass der WIGEV in einzelnen Abteilungen<br />
ärztliche Ausbildungsstellen verliert,<br />
weil zu wenige Fachärztinnen und<br />
Fachärzte vorhanden sind, um eine gute<br />
Ausbildung aufrechtzuerhalten. Sprich,<br />
der Ausbildungsschlüssel – also das<br />
Verhältnis Fachärztinnen und Fachärzte<br />
zu Ausbildungsärztinnen und Ausbildungsärzten<br />
– kann nicht mehr eingehalten<br />
werden. Wenn wir heute von so<br />
einem Fall erfahren, beantragen wir bei<br />
der Österreichischen Ärztekammer eine<br />
Visitation und im Worst Case fallen die<br />
Ausbildungsstellen weg.<br />
<strong>doktorinwien</strong>: Und Sie glauben, dass<br />
das in Zukunft nicht mehr passieren wird?<br />
Holzgruber: Ich möchte hier niemandem<br />
etwas unterstellen, da ich die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter der Stadt<br />
Wien als sehr kompetente Partnerinnen<br />
und Partner kennengelernt habe. Aber<br />
allein die Vorstellung, welcher Druck<br />
auf den Personen der ab 1. Jänner 2023<br />
zuständigen Magistratsabteilung lastet,<br />
wenn von vornherein klar ist, dass eine<br />
versorgungsrelevante Abteilung durch<br />
die Streichung von Ausbildungsstellen<br />
höchstwahrscheinlich weniger leisten<br />
können wird, ist nicht lustig. Diese Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter stehen ja<br />
in einem direkten Weisungszusammenhang<br />
zu den politisch Verantwortlichen.<br />
Die Ärztekammer wird natürlich die<br />
Umsetzung der Gesetze verlangen und<br />
sollte das nicht 1:1 passieren, haben wir<br />
einen veritablen Konflikt, der die Kolleginnen,<br />
Kollegen und noch mehr die<br />
Patientinnen und Patienten natürlich<br />
verunsichern wird.<br />
<strong>doktorinwien</strong>: Was könnte das konkret<br />
bedeuten?<br />
Holzgruber: Sinnlosen Streit. Statt<br />
sich um die Qualität der Ausbildung<br />
Gedanken zu machen, die der Ärzteschaft<br />
wie der Stadt ein Anliegen sein<br />
muss, wird es politischen Streit geben,<br />
weil die Stadt der Meinung ist, alles<br />
diktieren zu müssen. Die Ärztekammer<br />
wird diese Missstände breit kommunizieren<br />
und das Wiener Gesundheitssystem<br />
wird Schaden nehmen. Das alles<br />
nur, weil ein Stadtrat im Gegensatz<br />
zu seinen Kolleginnen und Kollegen<br />
in den Bundesländern meint, die Ärzteschaft<br />
habe in der Frage der Qualität<br />
der Ausbildung keine gewichtige Rolle<br />
mehr zu spielen. Und bis jetzt gab es<br />
auch keine Angebote, die Ärztekammer<br />
in die neuen Verfahren in Wien als<br />
Partnerin einzubinden.<br />
<strong>doktorinwien</strong>: Gilt das auch für Lehrpraxen<br />
und Lehrgruppenpraxen?<br />
Holzgruber: Ja, auch die sind voll betroffen,<br />
sogar am massivsten. Bis dato<br />
„Die Ausbildung<br />
von<br />
Ärztinnen<br />
und Ärzten<br />
ist Förderalismus-untauglich.“<br />
<strong>doktorinwien</strong>: Sonst noch schlechte<br />
Nachrichten?<br />
Holzgruber: Leider ja. Die Rezertifizierung<br />
aller Ausbildungsstellen alle<br />
sieben Jahre soll nach Meinung der<br />
Länder wegfallen. Konkret heißt das:<br />
man will zwar die Macht, nicht aber die<br />
damit verbundene Arbeit. Da müsste<br />
man sich ja der Qualität der Ausbildung<br />
stellen und diese alle sieben Jahre<br />
überprüfen. Die Länder wollen zusätzlich<br />
auch die Visitationen übernehmen,<br />
damit man auch dieses Instrument in<br />
der Hand hat. Auch hier soll die externe<br />
Kontrolle abgeschafft werden.<br />
<strong>doktorinwien</strong>: Was passiert die nächsten<br />
Wochen?<br />
Holzgruber: Im Herbst soll eine Ärztegesetznovelle<br />
ins Parlament kommen,<br />
in der sich Regierung und Parlament<br />
bemühen, eine Lösung zu finden, die<br />
Ärztekammer massiv in die Verfahren<br />
einzubinden, damit die Qualität der<br />
Ausbildung gewahrt bleibt. Sollte Stadtrat<br />
Peter Hacker das weiter blockieren,<br />
dann ändert sich die Rolle der Ärztekammer:<br />
Bis dato sind wir für die Ausbildung<br />
mitverantwortlich und treffen<br />
Entscheidungen. Wenn das nicht mehr<br />
der Fall ist, wird die Ärztekammer in<br />
dieser Frage reine Interessenvertretung.<br />
Selbstverständlich werden wir uns darauf<br />
gut vorbereiten. Politisch werden<br />
wir die Forderung weiter aufrechthalten,<br />
bei der ärztlichen Ausbildung mitzuentscheiden,<br />
wir werden – so gut es geht<br />
– versuchen, die Stadt Wien zu kontrollieren,<br />
Fehlentscheidungen rechtlich zu<br />
bekämpfen und medial jeden einzelnen<br />
Fehler der Stadt sowie jede einzelne negative<br />
Entwicklung öffentlich aufzeigen<br />
und den Verantwortlichen für diese Entwicklung<br />
beim Namen nennen. <br />
<strong>09</strong>_<strong>2022</strong> doktor in wien 23