doktorinwien 2022/09
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INTERN NEWS<br />
Ukraine<br />
„In den Spitälern fehlt es an allem“<br />
Ärztekammer-Öffentlichkeitsreferent Christoph Pelanek hat den Nationalratsabgeordneten Helmut<br />
Brandstätter im Zuge einer bilateralen Freundschaftsreise in die Ukraine begleitet, um in Erfahrung zu<br />
bringen, wie man die Menschen vor Ort medizinisch unterstützen kann.<br />
Von Elisa Cavalieri<br />
► <strong>doktorinwien</strong>: Herr Dr. Brandstätter,<br />
Sie sind der Obmann der<br />
bilateralen parlamentarischen Gruppe<br />
Ukraine, Moldau, Belarus und in dieser<br />
Funktion im Juni mit einer Delegation in<br />
die Ukraine gereist. Wozu gibt es diese<br />
Gruppen und was war das Ziel Ihrer Reise?<br />
Brandstätter: Es gibt derzeit im österreichischen<br />
Parlament 44 solcher Gruppen.<br />
Diese Gruppen haben den Zweck,<br />
Parlamente weltweit zu vernetzen und<br />
auch einen Beitrag zur parlamentarischen<br />
Diplomatie und zum internationalen<br />
Austausch zu leisten. Das Ziel<br />
unserer Reise war es, Medikamente in<br />
ukrainische Spitäler zu bringen, Kontakte<br />
vor Ort herzustellen, uns ein Bild<br />
davon zu machen, was an medizinischer<br />
Unterstützung generell dringend gebraucht<br />
wird und wie wir langfristig<br />
helfen können. Wir haben vorab Kontakt<br />
zu den „Apothekern ohne Grenzen“<br />
gesucht, um eine Medikamentenlieferung<br />
zu organisieren, und auch zur<br />
Ärztekammer, mit dem Anliegen, ob uns<br />
jemand begleiten kann, der die Lage aus<br />
medizinischer Sicht etwas besser beurteilen<br />
kann. So ist es dazu gekommen,<br />
dass Herr Dr. Pelanek sich uns angeschlossen<br />
hat und ich bin dankbar, dass<br />
sich die Ärztekammer gleich bereiterklärt<br />
hat, hier zu unterstützen.<br />
<strong>doktorinwien</strong>: Welche Orte in der Ukraine<br />
haben Sie besucht?<br />
Brandstätter: Wir waren in Lemberg,<br />
in Kiew und in den von den russischen<br />
Angriffstruppen zerstörten Kiew-Vororten<br />
Butscha, Irpin und Borodjanka. In<br />
Kiew haben wir an der „Hineintragung“<br />
der EU-Fahne in das ukrainische Parlament<br />
teilgenommen und Gespräche<br />
mit dem Parlamentspräsidenten, Ruslan<br />
Stefantschuk, geführt, mit der stellvertretenden<br />
Ministerpräsidentin Olga Stefanishyna<br />
und einigen Abgeordneten.<br />
Neben allem, was an materieller Hilfe<br />
Helmut Brandstätter: „Es ist schon bewegend, zu sehen, wie die Menschen<br />
den widrigen Umständen trotzen.“<br />
„Neben<br />
allem, was<br />
an materieller<br />
Hilfe<br />
gebraucht<br />
wird, ist ein<br />
wesentlicher<br />
Punkt, zu signalisieren,<br />
dass uns der<br />
Krieg nicht<br />
egal ist.“<br />
gebraucht wird, ist ein wesentlicher<br />
Punkt, zu signalisieren, dass uns der<br />
Krieg nicht egal ist. Dass die Menschen<br />
verstehen, dass wir sie nicht vergessen,<br />
dass wir die Kriegshandlungen und Zerstörungen<br />
mitverfolgen und versuchen,<br />
zu helfen, wo wir können.<br />
<strong>doktorinwien</strong>: Gab es während Ihrer<br />
Reise auch gefährliche Situationen?<br />
Brandstätter: Dadurch, dass wir während<br />
unserer Reise vom österreichi<br />
schen Botschafter wirklich gut betreut<br />
wurden, haben wir uns weitgehend sicher<br />
gefühlt, und es gab in der Zeit, in<br />
der wir dort waren – im Gegensatz zu<br />
den Tagen zuvor – keinen Alarm. Wir<br />
wurden aber darauf vorbereitet, was bei<br />
Alarm zu tun ist: Weg von den Fenstern<br />
im Hotel, zumindest ins Badezimmer<br />
oder auf den Gang und eventuell sogar<br />
hinunter in den Keller.<br />
Und es ist schon bewegend, zu sehen,<br />
wie die Menschen den widrigen Umständen<br />
trotzen, wie sie trotz dieser<br />
Belastung ihr Leben weiterleben. Besonders<br />
berührend war für mich eine<br />
Situation in Butscha. Während uns der<br />
Bürgermeister von den Kriegsverbrechen<br />
erzählt hat, die dort stattgefunden<br />
haben, hat der Dolmetscher die Fassung<br />
verloren und zu weinen begonnen. Das<br />
ist wirklich nahegegangen.<br />
<strong>doktorinwien</strong>: Herr Dr. Pelanek, welche<br />
Spitäler haben Sie vor Ort besucht<br />
und welchen Eindruck haben Sie gewonnen?<br />
Pelanek: Wir waren in einem Spital<br />
in Lemberg und in einem Unfallkrankenhaus<br />
in Kiew, wo ich mir direkt<br />
Christoph Pelanek ließ sich von ukrainischen Kolleginnen und Kollegen schildern, an welchen<br />
Medikamenten und Utensilien es in den Spitälern besonders fehlt.<br />
Fotos: Stefan Seelig (Portraits); Christoph Pelanek (Fotos aus der Ukraine)<br />
12 doktor in wien <strong>09</strong>_<strong>2022</strong>