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Frieden - SIFAT Heft 3/2022 - Leseprobe

Diese Ausgabe entstand unter dem Eindruck des schrecklichen Krieges in Europa. Keiner weiß, wie sich die Lage darstellen wird, wenn Sie dieses Heft in den Händen halten. Auch in unserer Gemeinschaft gibt es unterschiedliche Meinungen über Verlauf und Folgen dieser Katastrophe. Der verstorbene Imam Seyed Mehdi Razvi, der in der Chishti-Tradition lebte, hat es so formuliert: „Ein Sufi ist ein Mensch, der ganz und gar, mit Leib und Seele, mit Herz und Verstand, auf Gott vertraut. Der Gott mehr vertraut als den Menschen. Und weil er dieses absolute Gottvertrauen hat, kann er auch den Menschen vertrauen – im Vertrauen auf Gottes Rechtleitung.“ Das ist der Weg des „Großen Dschihad“ oder des „Tikkun olam“ der jüdischen Mystik. In den Evangelien lesen wir: „Was Ihr für eines dieser meiner geringsten Geschwister getan habt, das habt Ihr für mich getan.“ Oder wie ein buddhistischer Bekannter auf die Frage, was die Hauptaufgabe Gläubiger in Kriegszeiten sei, neulich antwortete: „Dorthin gehen, wo mein Herz brennt.“ In diesem Heft möchten wir bewusst einigen Ideen Raum geben, die positive Gegenentwürfe zur angstmachenden Gegenwart darstellen. Wir hoffen, neben der ernsthaften Auseinandersetzung mit den finsteren Zeiten, auch der Hoffnung sowie dem Licht des göttlichen Friedens Raum gegeben zu haben.

Diese Ausgabe entstand unter dem Eindruck des schrecklichen Krieges in Europa. Keiner weiß, wie sich die Lage darstellen wird, wenn Sie dieses Heft in den Händen halten. Auch in unserer Gemeinschaft gibt es unterschiedliche Meinungen über Verlauf und Folgen dieser Katastrophe.
Der verstorbene Imam Seyed Mehdi Razvi, der in der Chishti-Tradition lebte, hat es so formuliert: „Ein Sufi ist ein Mensch, der ganz und gar, mit Leib und Seele, mit Herz und Verstand, auf Gott vertraut. Der Gott mehr vertraut als den Menschen. Und weil er dieses absolute Gottvertrauen hat, kann er auch den Menschen vertrauen – im Vertrauen auf Gottes Rechtleitung.“ Das ist der Weg des „Großen Dschihad“ oder des „Tikkun olam“ der jüdischen Mystik. In den Evangelien lesen wir: „Was Ihr für eines dieser meiner geringsten Geschwister getan habt, das habt Ihr für mich getan.“ Oder wie ein buddhistischer Bekannter auf die Frage, was die Hauptaufgabe Gläubiger in Kriegszeiten sei, neulich antwortete: „Dorthin gehen, wo mein Herz brennt.“

In diesem Heft möchten wir bewusst einigen Ideen Raum geben, die positive Gegenentwürfe zur angstmachenden Gegenwart darstellen. Wir hoffen, neben der ernsthaften Auseinandersetzung mit den finsteren Zeiten, auch der Hoffnung sowie dem Licht des göttlichen Friedens Raum gegeben zu haben.

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Mikhail Horowitz: Pir Vilayat im Angesicht des Krieges

Dies ist der Augenblick, da wir – befreit vom Werdeprozess, genau wie der

sitzende Buddha – Frieden finden mitten im Sturm, anstatt aus dem Sturm zu

flüchten. Das Rezept ist: Wann immer Sie dazu Gelegenheit finden, tilgen Sie

alles aus Ihrem Bewusstsein, was sich auf die Vergangenheit bezieht (Gewissensbisse,

Schuldzuweisungen, Groll), und hören Sie auf, sich um die Zukunft zu

sorgen (was Sie erwerben, haben, bekommen möchten) – und erkennen Sie das

Privileg, das Ihnen vom Universum geschenkt wurde, das Wunder des Lebens

während eines Durchbruchs der Erkenntnis erleben zu dürfen!

Ähnlich wie Henri Bergson unterscheiden die Sufis den Augenblick von der

Dauer. Lesen Sie, was im 11. Jahrhundert der afghanische Sufi Hjwiri, dessen

Grab sich in Lahore befindet, gesagt hat: „Die Zeit ist ein schneidendes

Schwert. Es schneidet das auf die Vergangenheit bezogene Bedauern und die auf

die Zukunft bezogene Habgier ab und tilgt die Beschäftigung mit gestern und

morgen aus dem Herzen.“

Dank diesem Gefühl des „zeitlosen Augenblicks“

befreit man sich davon, dass die Zukunft durch die

Vergangenheit bedingt wird, und kann sie stattdessen

selbst bestimmen, so wie es im Zen demonstriert

wird. In Herrigels „Zen in der Kunst des Bogenschießens“

sagt der Lehrer: „Das Ziel war es, das den Weg

des Pfeils bestimmt hat – nicht meine Hand.“ – Werdeprozess

ist Schicksal, Ewigkeit ist Freiheit.

aus: Pir Vilayat Inayat Khan, Keeping in Touch Nr. 62

(entstanden zur Zeit des Golfkrieges 1991)

Mikhail Horowitz

Pir Vilayat im Angesicht des Krieges

A

n einem Nachmittag im Juni 1940 saßen Noor und Vilayat im Wohnzimmer

von Fazal Manzil und besprachen, was zu tun sei. Die Deutschen

näherten sich Paris und die Zeit war knapp. Sie waren beide keine französischen

Staatsbürger. Vilayat mit seinem englischen Pass könnte verhaftet werden. Noor

war in Moskau geboren, aber ihr Vater war Inder und ihre Mutter Amerikanerin.

Sie hatten kaum Verbindungen nach England. Tatsächlich galten ihre Sympathien

Indien und Gandhis Kampf für die Unabhängigkeit vom britischen

SIFAT 3 | 2022 – Frieden 13

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