LE-5-2022
LOGISTIK EXPRESS JOURNAL 5/2022
LOGISTIK EXPRESS JOURNAL 5/2022
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AUSGABE 5/<strong>2022</strong><br />
KRISE BESCH<strong>LE</strong>UNIGT DIGITALISIERUNG<br />
OMNICHANNEL ALS CHANCE FÜR DEN LOKA<strong>LE</strong>N HANDEL<br />
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LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong>|S2<br />
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U2
INHALT / EDITORIAL / IMPRESSUM<br />
INHALTE<br />
<strong>LE</strong> 5/<strong>2022</strong><br />
03 Inhalt / Editorial / Impressum<br />
04 Kann wirklich Interventionismus die Rettung sein?<br />
08 Rohstoffnachfrage: Verfügbarkeit steht über allem<br />
12 Krise beschleunigt Digitalisierung und Omnichannel-Integration<br />
16 Omnichannel als Chance für den lokalen Handel<br />
20 Die erste eCommerce-Landkarte für Österreich<br />
24 TECH DAY <strong>2022</strong>: Gipfeltreffen der heimischen Retail-Tech-Szene<br />
28 eCommerce boomt, aber Österreich hat (fast) nichts davon<br />
32 Wie viel Energie uns Kaufentscheidungen kosten und wie KI helfen kann<br />
36 KNAPP ist Technologie-Partner für effiziente E-Commerce-Logistik<br />
40 Pick-Buddies – die neue Welt der kollaborativen Lager-Roboter<br />
44 Cyber Days – Effizientes Omnichannel Fulfillment auch in Peak-Zeiten<br />
48 Von Anfang an richtig: Ganzheitliche Fabriksplanung<br />
52 IDIH Logistikreise unterstützt durch die logistic-natives ein voller Erfolg<br />
56 Auf die Terminals kommt es an<br />
60 In allen Häfen war Österreich<br />
64 Zentralverband Spedition & Logistik setzt auf Kontinuität<br />
66 Großteil der Deutschen blickt düster in die Zukunft<br />
68 Energie- und Rohstoffpreise für einige Unternehmen ein Betriebsrisiko<br />
70 Taiwan-Konflikt: 6 Maßnahmen gegen Lieferengpässe bei Mikrochips<br />
72 Vielfältige Krisen machen Österreichs Finanzvorständen zu schaffen<br />
74 Kapitalmarktausblick 2023: Zwischen Resilienz und Rezession<br />
78 Digitale Diktatur – Digitalisierung der Währungen<br />
82 Vielen Dank für Ihr Interesse an unseren Leistungen & Services<br />
HERZLICHES DANKESCHÖN AN UNSERE MEDIENPARTNER:<br />
Wir steigern das Bruttosozialprodukt…<br />
Ein turbulentes Jahr neigt sich dem Ende<br />
zu und mit großen Schritten gehen wir<br />
dem Jahr 2023 entgegen, das sich nicht<br />
wohlwollender präsentieren wird. Denn die<br />
Inflation ist gekommen, um zu bleiben und<br />
Unternehmer sowie Arbeitnehmer zahlen<br />
die Zeche. Damit einhergehend schlittern<br />
wir in eine herausfordernde Rohstoff- und<br />
Energiekrise, verbunden mit so manchem<br />
Jobverlust und Mangel an qualifiziertem<br />
Personal. Unabhängig, mit Blick auf die<br />
kostenintensiven und sozialen Herausforderungen<br />
von den (nicht erwünschten)<br />
jährlichen Massenaufläufen an unseren<br />
Landesgrenzen. Hinzu kommt, dass sich die<br />
europäische Autoindustrie mit dem Verbrenner-Verbot<br />
selbst aus dem Spiel nimmt,<br />
da sämtliche Teile von Elektromobilen andernorts<br />
durchaus gut und preiswerter<br />
produziert werden können als in Europa.<br />
Zudem treibt die geopolitische Lage eine<br />
Unsicherheit voran, wobei Chinas Seidenstraßentransporte<br />
stocken. Doch vielleicht<br />
drückt der liebe Herr/Frau/Sonstiges im Himmel<br />
ein Äuglein zu und verleiht den Playern<br />
eine friedvolle Hand, sodass sich das Blatt<br />
zumindest bis Mitte des Jahres zum Guten<br />
wendet... China seine Null-Covid Position<br />
ad acta gelegt, Peking seine Meinungsfreiheit<br />
wiedererlangt, China Taiwan<br />
nicht mehr unmittelbar bedroht und der<br />
russisch-ukrainische (Stellvertreter)krieg in<br />
Europa nicht eskaliert oder für beendet<br />
erklärt ist. Ungeachtet davon, dass Hunderttausende<br />
bislang unnötig aufgrund europäischer<br />
"Ignoranter-Politik" gestorben sind.<br />
Lassen wir uns überraschen, was das neue<br />
Jahr bringt und vielleicht erspart es uns künftig<br />
weitere Polit-Narren, mit schelmischem<br />
Blick zu unserem Lieblingsnachbarn. Kurzum,<br />
jetzt wird wieder in die Hände gespuckt…<br />
Markus Jaklitsch | MJR MEDIA WORLD<br />
LOGISTIK EXPRESS & UMWELT JOURNAL<br />
Hameaustraße 44, 1190 Wien<br />
T: +43 (0)676 7035206 / E: info@logistik-express.at<br />
StV. | Redaktion: Peter Nestler, Angelika Gabor,<br />
Dirk Ruppik, Peter Baumgartner<br />
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Ausgabe. In diesem Sinne wünschen wir<br />
Ihnen frohe Weihnachtstage sowie ein<br />
Gutes, Neues Jahr und holen Sie sich Ihre<br />
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für Ihren Informationsvorsprung.<br />
Markus Jaklitsch
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S4<br />
WIRTSCHAFT POLITIK<br />
Kann wirklich<br />
Interventionismus<br />
die Rettung sein?<br />
Österreich und viele andere europäische<br />
Länder stöhnen unter den Energiepreisen,<br />
ein Preisdeckel soll das Problem<br />
lösen. Ob das so schlau ist? Die Verhandlungen<br />
dazu sind zäh – ebenso<br />
wie die der Kollektivvertrags-„Partner“.<br />
Erste Streiks lähmen bereits Wirtschaft und<br />
Alltagsleben, während man sich in anderen<br />
Ländern bereits die Hände reibt: ist Österreich<br />
als Industriestandort bald Geschichte?<br />
REDAKTION: ANGELIKA GABOR<br />
Beim Blick auf die Energiekostenabrechnung<br />
kommt derzeit vielen Österreichern<br />
das Grauen. Statt für Geschenke<br />
wird bei mehr Haushalten als<br />
je zuvor die Weihnachtsremuneration zur Abdeckung<br />
laufender Kosten herhalten müssen.<br />
Laut aktueller Umfrage des Instituts für Handel,<br />
Absatz und Marketing der Johannes Kepler Universität<br />
(JKU) Linz will mehr als ein Drittel (38 %)<br />
der Befragten bei Geschenken sparen und<br />
weniger ausgeben als zuletzt – und das, wo<br />
in der Weihnachtssaison 2021 der stationäre<br />
Handel teilweise aufgrund der Pandemie geschlossen<br />
war.<br />
Einzelne Bundesländer – wie beispielsweise<br />
Wien – haben Unterstützungsprogramme für<br />
Private, wie den Energiebonus oder die Energiekostenpauschale.<br />
Auf Europäischer Ebene<br />
wird weiter um eine Lösung zur Eindämmung<br />
der Großhandelspreise für Gas gerungen.<br />
Auch beim letzten Treffen der EU-Energieminister<br />
im Sonderministerrat kam es (wie erwartet)<br />
zu keiner Einigung, zu sehr sind die Standpunkte<br />
der Mitgliedsblöcke voneinander entfernt.<br />
Damit steht auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
der EU-Länder auf dem Spiel,<br />
es droht eine industrielle Abwanderung – und<br />
damit direkt und indirekt der Verlust tausender<br />
Arbeitsplätze.<br />
So prophezeit etwa Harald Mahrer, u.a. Präsident<br />
der österreichischen Bundeswirtschaftskammer,<br />
dass die Wettbewerbsfähigkeit mit<br />
dem Rest der Welt in vielen zentralen Bereichen<br />
verloren ginge, wenn nicht rasch gemeinsame<br />
Schritte aller EU-Staaten erfolgten.<br />
Alternativ müsste es seiner Meinung nach in<br />
Österreich ähnlich wie in Deutschland, mit
dessen Wirtschaft wir besonders eng verbunden<br />
sind, ein nationales Rettungsprogramm<br />
geben. Im am 22. November präsentierten<br />
Vorschlag der EU-Kommission beinhaltet die<br />
Einführung eines „Preiskontrollmechanismus“<br />
im Großhandel: im Unterschied zum von beispielsweise<br />
Frankreich, Griechenland und<br />
Spanien geforderten absoluten Gaspreisdeckel<br />
mit direkter staatlicher Subvention der<br />
Verbraucherpreise für Industrie und Haushalte<br />
sieht dieser Mechanismus erst dann ein Eingreifen<br />
vor, wenn der Referenzmarktpreis für<br />
LNG-Gas in den Niederlanden bei 275 Euro<br />
pro Megawattstunde liegt – und zwei Wochen<br />
lang 58 Euro über der globalen Benchmark.<br />
Das dann vorgesehene automatische Aussetzen<br />
des Großhandels mit Gas soll zu einer<br />
Marktberuhigung führen. Denn ein absoluter<br />
Preisdeckel könnte zu Versorgungslücken führen,<br />
wenn Händler aufgrund des aus ihrer Sicht<br />
zu geringen Gewinnes die Belieferung einfach<br />
einstellen würden, weshalb sich Deutschland,<br />
Österreich, Ungarn, Bulgarien und die Niederlande<br />
vehement dagegen aussprechen.<br />
Am Schluss war man sich einig, dass man sich<br />
nicht einig war – und dass im Dezember der<br />
nächste Sonderministerrat zum Thema „Gaspreisdeckel/Marktkorrekturmaßnahme“<br />
stattfindet.<br />
Einzige Ergebnisse: eine Beschleunigung der<br />
Genehmigungsverfahren für die Erzeugung<br />
erneuerbarer Energie und ein Solidaritätsplan,<br />
quasi eine Beistandspflicht bei schweren Gasversorgungskrisen.<br />
Man hat fast den Eindruck,<br />
dass so lange gewartet wird, dass sich das<br />
Problem von selbst löst. Vielleicht haben die<br />
Entscheidungsträger die Hoffnung, dass Putin<br />
sich noch vor Wintereinbruch komplett zurückzieht<br />
und erklärt, es habe sich um ein Missverständnis<br />
gehandelt. Die Sanktionen enden,<br />
Gas fließt wieder normal, die Preise sinken und<br />
alle stoßen mit einem zünftigen Sbiten (traditionelles<br />
russisches Getränk auf Honigbasis)<br />
auf das gegenseitige Wohl an. Noch ein paar<br />
nette Schulterklopfer und der Wiederaufbau<br />
kann beginnen.<br />
Mehr Staat vs. freier Markt<br />
Die erfolgreiche freie Marktwirtschaft beruht<br />
darauf, dass Angebot und Nachfrage sich<br />
selbst und damit die Preise regulieren. Das<br />
stimmt auch, wenn allerdings ein unvorhergesehenes<br />
Ereignis wie der Krieg in der Ukraine<br />
und damit einhergehendes Chaos auf gewissen<br />
Märkten samt eklatanter Verknappung die<br />
Preise unverhältnismäßig in die Höhe schnellen<br />
lassen, wird der Ruf nach „mehr Staat“ und<br />
Regulierung von oben laut. Denn eigentlich<br />
soll der Staat im System der freien Marktwirtschaft<br />
lediglich die Bürger vor gewaltsamen<br />
Angriffen von innen und außen verteidigen.<br />
In gewisser Weise könnte man aber sagen,<br />
dass unleistbare Energiepreise ein Angriff auf<br />
das Wohl und den Lebensstandard des Einzelnen<br />
bedeuten und ein Eingreifen durchaus<br />
gerechtfertigt ist. Ähnlich wie früher ein weiser<br />
König die Geschicke seiner Untertanen lenkte,<br />
wird nun eine staatliche Lösung für wirtschaftliche<br />
Probleme herbeigesehnt. Diese Eingriffe<br />
weit über die Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit<br />
hinaus nennt man Interventionismus. Was<br />
verlockend klingt, birgt durchaus Gefahren:<br />
der Eingriff in die Preisbildung und Gewinne –<br />
Stichwort Übergewinnsteuer – unterbricht den<br />
reibungslosen Ablauf der Marktwirtschaftsprin-
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S6<br />
zipien. Was zu mehr Angebot führen soll, kann<br />
den gegenteiligen Effekt bewirken und einen<br />
ganzen Rattenschwanz an Folgen nach sich<br />
ziehen. Im aktuellen Fall würde das bedeuten,<br />
dass einfach weniger Gas nach Österreich<br />
geliefert wird. Würde die Regierung allerdings<br />
die Differenz zum Marktpreis aus Steuermitteln<br />
finanzieren, wäre zwar im ersten Moment<br />
dem einzelnen Verbraucher geholfen – aber<br />
im Endeffekt müssen wir es auf lange Sicht<br />
doch durch Steuererhöhungen ausbaden. So<br />
schätzt beispielsweise die deutsche Gas-Kommission<br />
die Kosten für die geplanten Entlastungen<br />
auf etwa 96 Mrd. Euro von März 2023 bis<br />
Ende April 2024. Wie man es auch dreht und<br />
wendet, die Situation ist verfahren. Gewinnabschöpfungen<br />
und Energierationalisierungen<br />
sind Gift für den Wirtschaftsstandort – welches<br />
Unternehmen siedelt sich freiwillig bei solchen<br />
Bedingungen an? Österreich gilt ohnehin als<br />
Hochpreisland – hohe Steuern, hohe Lohnnebenkosten.<br />
Und der Plafond ist nicht erreicht…<br />
Kollektivvertrag und Streiklust<br />
Zum Glück leben wir nicht in Frankreich: dort<br />
gehen laut Statistik (datawrapper) pro Jahr<br />
durchschnittlich 150 Arbeitstage pro 1.000<br />
Beschäftigte durch Streiks verloren. Während<br />
es bei unseren deutschen Nachbarn 16 Tage<br />
sind, rangiert Österreich aktuell mit 2 Streiktagen<br />
am unteren Ende der Tabelle. Sieht man<br />
sich die momentanen Kollektivvertragsverhandlungen<br />
an, könnte sich dieser Wert bald<br />
unangenehm erhöhen. Die Warnstreiks bei<br />
Brauern, Personal in Ordensspitälern und den<br />
Schienenbahnen (Personen- und Güterverkehr)<br />
sind nur der Anfang. Auch wenn in Österreich<br />
das Recht auf Streik im Arbeitskampf<br />
verfassungsrechtlich geschützt ist (Artikel 11<br />
EMRK), hält sich das Verständnis dafür in der<br />
Bevölkerung oft in Grenzen. Sieht man sich die<br />
Diskrepanz zwischen den Positionen der Verhandler<br />
an, fragt man sich manchmal, in welcher<br />
Realität diese sich bewegen. Das Gefühl,<br />
dass der Stolz einzelner Beteiligter eine rasche<br />
Einigung verhindert, lässt sich nicht so leicht<br />
abschütteln. Fast so, als ob eine Gewerkschaft<br />
ihre Daseinsberechtigung daraus schöpft, in<br />
den Kampf zu ziehen – koste es, was es wolle.<br />
Dabei ist die Ursprungsidee des Kollektivvertrags,<br />
der für gewöhnlich zwischen den<br />
Fachgewerkschaften des Österreichischen<br />
Gewerkschaftsbunds (ÖGB) und den Fachorganisationen<br />
der Wirtschaftskammer ausverhandelt<br />
wird, durchaus praktisch: statt dass<br />
jedes Unternehmen sein eigenes Süppchen<br />
kochen muss, gibt es eine Leitlinie für die gesamte<br />
Branche. Die KV-Verhandlungen für die<br />
Metallindustrie, traditionell richtungsweisend<br />
für alle rund 450 Verträge, die jährlich neu ausverhandelt<br />
werden, hatten ein sattes Plus von<br />
bis zu 8,9 Prozent der Ist-Einkommen ergeben.<br />
Die Forderungen der Handelsangestellten,<br />
Brauer und Beschäftigten der Privatkrankenanstalten<br />
liegen bei mindestens 10 Prozent<br />
Gehaltsplus. So sehr ich dieses Bedürfnis<br />
nach mehr Gehalt nachvollziehen kann – eine<br />
tote Kuh kann man nicht melken. Die Auswirkungen<br />
der Pandemie sind längst nicht vorbei.<br />
Alleine in den ersten drei Quartalen sind in Österreich<br />
3.482 Unternehmen in eine Insolvenz<br />
geschlittert, Tendenz steigend. Man darf nicht<br />
vergessen, dass die Arbeitgeber ja nicht nur<br />
das Gehalt, sondern auch die hohen Lohnnebenkosten<br />
stemmen müssen. Ein Hebel, mit<br />
dem der Staat übrigens sehr viel bewegen<br />
könnte: durch die schon lange geforderte<br />
Senkung dieser Nebenkosten könnte man auf<br />
einen Schlag die Einkommen erhöhen und<br />
sich somit die Regulierung sparen. Durch die<br />
damit einhergehende Steigerung der Kaufkraft<br />
ist auch der Wirtschaft geholfen – und<br />
das ohne Zinsanpassung.<br />
Wirtschaftsstandort sichern<br />
Im World Competitiveness Ranking des International<br />
Institute for Management Development<br />
IMD belegt Österreich im Jahr <strong>2022</strong> international<br />
Rang 20, Rang 11 in Europa. Das<br />
ist um einen Platz schlechter als 2021. Aktuell<br />
investiert der Chemieriese BASF gerade 10 Milliarden<br />
Euro in einen neuen Verbundstandort<br />
in der südchinesischen Provinz Guangdong.<br />
Warum nicht in Europa? Die Gründe dafür liegen<br />
klar auf der Hand: Regulierungen im Rahmen<br />
des Green Deals der EU, die gestiegenen<br />
Energiepreise und das rückläufige Wachstum<br />
in Europa machen Werke hierzulande unlukrativ.<br />
Andererseits sind Maßnahmen zum<br />
Klimaschutz dringend nötig, man kann nicht<br />
einfach darauf verzichten. Gesamtglobal betrachtet,<br />
ist es wohl egal, wo Emissionen durch<br />
Industrieanlagen entstehen. Aber im Hinblick<br />
auf den gewohnten Wohlstand können wir es<br />
uns in Österreich nicht leisten, sämtliche Produzenten<br />
zu vergraulen und somit unzählige<br />
Arbeitsplätze zu verlieren. Es ist ein schmaler<br />
Grat. Hoffentlich stürzen wir nicht ab. (AG)
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LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S8<br />
WIRTSCHAFT POLITIK<br />
Rohstoffnachfrage:<br />
Verfügbarkeit steht<br />
über allem<br />
Der hohen Rohstoffnachfrage in der Industrie<br />
stehen nicht unberechenbare Lieferketten<br />
gegenüber. Mehr Lieferanten statt nur einen<br />
zu haben ist für produzierende Unternehmen<br />
das Gebot der Stunde.<br />
TEXT: REDAKTION<br />
Viele heimische Industrieunternehmen<br />
stehen derzeit in Sachen Logistik<br />
vor großen Herausforderungen.<br />
Nach den Behinderungen bei der<br />
Rohstoffbeschaffung infolge der Corona-Pandemie<br />
und den Ukraine-Krieg wurde offensichtlich,<br />
wie von einem Tag auf den anderen<br />
eingespielte Lieferketten zerbrechen können.<br />
War in der „normalen“ Vergangenheit meist<br />
der Preis das Maß aller Dinge, so hat sich das<br />
Blatt infolge gleich mehrer Krisen gewandelt,<br />
steht heute die Verfügbarkeit von Rohstoffen<br />
und Transportkapazitäten eindeutig über dem<br />
Preis, so der Tenor in Industriekreisen.<br />
„In der Inbound-Logistik müssen wir die Logistikketten<br />
vom Lieferanten bis zu unseren<br />
Werken weltweit aufrechterhalten. Bei Abweichungen<br />
wie Lieferausfällen müssen neue<br />
Wege gefunden und schnell bedient werden.<br />
Die Ukraine Krise erforderte zudem eine besonders<br />
rasche Umstellung von Lieferungen aus<br />
den betroffenen Regionen hin zu alternativen<br />
Quellen“, erklärt Christian Janecek, Geschäftsführer<br />
des Voestalpine-eigenen Logistik-Dienstleisters<br />
LogServ.<br />
Im Outbound-Verkehr geht es um Sicherung<br />
von Transportressourcen, Reaktion auf tägliche<br />
Änderungen und professionelles Management<br />
von Ungewissheiten. Voestalpine Stahl<br />
benötigt pro Jahr an die 12 Mio. t Rohstoffe wie<br />
beispielsweise Eisenerz, Kohle, Schrott, Kalk,<br />
Legierungen, Metalle etc. Den Transport dieser<br />
Rohstoffe zu organisieren ist Job der LogServ<br />
gemeinsam mit ihrer Tochter CargoServ. Im Export<br />
gehen vom Linzer Werk jährlich rund 5 Mio. t<br />
Fertigprodukte wie etwa Coils oder Grobbleche<br />
in die Welt hinaus. Das Gros der Transporte<br />
von rund 55 Prozent erfolgt auf der Schiene, mit
dem Lkw werden 35 Prozent transportiert und<br />
mit dem Binnenschiff rund zehn Prozent. Bei der<br />
Beschaffung der Rohstoffe setzt Voestalpine-<br />
Stahl auf Multiple-Sourcing oder zumindest<br />
Dual-Sourcing. „Da dies aber nicht immer und<br />
überall möglich ist gibt es auch wenige Single-<br />
Sourcing-Lieferanten“, merkt Markus Schinko,<br />
ebenfalls Geschäftsführer von LogServ an.<br />
Turbulente Lieferketten lassen sich seiner<br />
Meinung nach am besten beruhigen durch<br />
langjährige Partnerschaffen mit Lieferanten,<br />
innovativen Logistik-Konzepten wie beispielsweise<br />
mit dem Erz-Container-Shuttle und<br />
Nutzen eigener Assets, die im LogServ eigenen<br />
Bahnunternehmen CargoServ zur<br />
Verfügung stehen. Und Schinko betont:<br />
„Logistik ist kein reiner Kostenfaktor, sondern<br />
ein wichtiger Wettbewerbsfaktor“. Im Werk<br />
Linz gibt es ein Rohstofflager wie es auch<br />
entlang der Logistikketten solche gibt.<br />
Janecek: „Die Verwerfungen in der Logistik<br />
in diesem Jahr wären ohne entsprechende<br />
KONZENTRIEREN SIE SICH AUF DAS WESENTLICHE.<br />
MIT LOGISTIK-OUTSOURCING VON LOGSERV.<br />
Wir verbinden, was zusammen gehört. Wirtschaftliche<br />
Abläufe und effiziente Transporte sind heute wichtiger<br />
denn je. Als Full-Service-Spezialist für industrielle Logistik<br />
sind Ihre Herausforderungen bei uns bestens aufgehoben.<br />
Kontrakt- und Projektlogistik<br />
Zolldienstleistungen<br />
Eisenbahn-Sicherungstechnik und -Bautechnik<br />
Instandhaltung Lokomotiven und Waggons<br />
Werkstätten Schwer- und Sonderfahrzeuge<br />
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Logistik in Bewegung.
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S10<br />
Vorkehrungen nicht zu bewältigen gewesen.<br />
Die aufeinander abgestimmte Taktung der<br />
Rohstoffverkehre inklusive Lagermenge stellt<br />
die Versorgung sicher.“ Beide Manager wissen:<br />
Natürlich sind Transportpreise nach wie vor<br />
wichtig, doch Zuverlässigkeit und Logistik-<br />
Qualität sind nicht weniger wichtige Kriterien.<br />
LogServ ist eine 100%ige Tochter der Voestalpine<br />
Stahl GmbH und organisiert als Logistikdienstleister<br />
der Steel Division des Voestalpine<br />
Konzerns jährlich den Transport von<br />
rund 68 Mio. t Cargo. Darunter fallen auch<br />
Werksverkehre sowie Importe und Exporte.<br />
Ein Teil der In- und Outbound-Verkehre<br />
werden durch die hauseigene CargoServ abgefahren,<br />
die über 13 eigene Lokomotiven verfügt.<br />
LogServ designt Logistikketten und kauft<br />
und managt die Transportdienstleistungen.<br />
Außerhalb der Voestalpine betreut LogServ<br />
als Full-Service-Provider zahlreiche Industriekunden<br />
sowie im Bahnbereich Betreiber von<br />
Anschluss- und Werksbahnen, private Bahngesellschaften<br />
und Privatgüterwagenvermieter.<br />
Am Voestalpine-Standort in Linz betreibt LogServ<br />
Österreichs größte Anschlussbahn sowie<br />
einen eigenen Donauhafen mit entsprechenden<br />
Umschlagsanlagen.<br />
Globalisierung stößt an ihre Grenzen<br />
Auch der Industriekonzern RHI Magnesita ist in<br />
der Inbound und Outbound-Logistik mit großen<br />
Herausforderungen konfrontiert. „In den letzten<br />
beiden Jahren waren die Verfügbarkeit<br />
von Schiffskapazitäten und verlängerte<br />
Durchlaufzeiten aufgrund von Aufhäufungen<br />
präsent“, berichtet Daniel Prutti, Head of<br />
Global Logistics bei RHI Magnesita, aus der täglichen<br />
Praxis. Aber auch das Niedrigwasser auf<br />
den Binnenwasserstraßen, Lagerkapazitäten<br />
in den Häfen, Preisvolatilität im Seefracht-und<br />
Verpackungsbereich sowie Konkurrenzfähigkeit<br />
von Bahnlösungen aufgrund gestiegener<br />
Energiekosten sind große Herausforderungen.<br />
Die Auswahl der Dienstleister erfolgt nach<br />
einem holistischen „Total Cost of Ownership<br />
Modell“, und bei RHI Magnesita steht Choice<br />
& Value im Zentrum, „daher gibt es auf vielen<br />
Routen zwei bis drei Servicemodelle und Servicelevels.<br />
Transportdienstleistungen werden<br />
laufend innerhalb eines strikten Performance-<br />
managements validiert und verbessert“, erklärt<br />
der Logistikmanager. RHI Magnesita betreibt<br />
Werke in verschiedenen Ländern und<br />
setzt dabei auf Multiple Sourcing sowohl beim<br />
Rohstoffeinkauf als auch bei der Wahl der logistischen<br />
Infrastruktur. Exporte werden z. B. via<br />
Koper, Hamburg, Bremerhaven, Rotterdam,<br />
Antwerpen oder Triest abgewickelt.<br />
Prutti: „Bei der Auswahl der Transportdienstleister<br />
haben strategische Allianzen Vorrang, da<br />
vor allem im Seefrachtbereich die Marktmacht<br />
einiger weniger Reedereien signifikant ist.“ Die<br />
Absicherung der Lieferketten erfolgt ebenso<br />
durch strategische Allianzen, integrierte<br />
Planung (IBP), resiliente Transportrouten und<br />
ein optimiertes Produktionsnetzwerk. Rohstoffe<br />
werden in verpackter und unverpackter Form<br />
vorrangig aus Österreich, China, Brasilien und<br />
der Türkei lokal per Bahn oder Lkw und international<br />
auf Bulkschiffen und in Containern<br />
herbeigeschafft, Fertigprodukte hauptsächlich<br />
in verpackter Form transportiert. Seeseitig<br />
transportiert RHI Magnesita jährlich 40.000 bis<br />
45.000 Container, wobei der intensivste Austausch<br />
zwischen Europa-USA, China-Indien<br />
und Europa-Indien erfolgt.<br />
In Sachen Logistikdienstleister hat RHI Magnesita<br />
in diesem Jahr eine Allianz mit Kühne<br />
+Nagel, JAS und MSC gestartet. Strategisch<br />
gesteuert wird die Haus-Haus-Logistik aus den<br />
definierten Regionen China, Ostasien, Europa,<br />
CIS & Türkei, Indien, Westasien und Afrika sowie<br />
Nord-und Südamerika. RHI Magnesita betreibt<br />
eine Schmalspurbahn an seinem Standort<br />
Breitenau und einen Containerterminal in<br />
Hochfilzen. An diesem Standort wurden 2021<br />
sämtliche Transporte von der Straße auf die<br />
Schiene verlagert. Um resilient zu sein, leistet<br />
man sich auch wieder ein gutes altes Pufferlager,<br />
um Störungen entgegenzuwirken.<br />
Für Prutti hat die Globalisierung aktuell ihre<br />
Grenzen erreicht: "Wir stehen ein für eine intelligente<br />
Globalisierung, bei der ein regionaler<br />
Unterschied nicht gleich zu einem massiven<br />
Wettbewerbsnachteil wird." In Europa sollten<br />
die Energie sowie der CO2-Ausstoß vernünftig<br />
bepreist werden, damit die in Europa<br />
hergestellten Produkte für den Kunden günstiger<br />
sind als Waren aus Asien, so Prutti.<br />
(RED)
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LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S12<br />
WIRTSCHAFT POLITIK<br />
Krise beschleunigt<br />
Digitalisierung und<br />
Omnichannel-<br />
Integration<br />
Der chinesische Logistikmarkt erholt sich<br />
rasant von der Pandemie. Die Krise führt zu<br />
einer Beschleunigung der Digitalisierung in<br />
der Logistikbranche, Omnichannel-Integration<br />
und zu einer Zunahme von Fusionen.<br />
REDAKTION: DIRK RUPPIK<br />
Der chinesische Logistikmarkt hat<br />
sich nach dem massiven Einbruch<br />
durch die Lockdowns in 2020 mit<br />
großer Geschwindigkeit wieder erholt.<br />
Neben beschleunigten Logistikprozessen<br />
hat die Pandemie zudem zu einer komplexeren<br />
Logistik und zu einer zunehmenden Digitalisierung<br />
und Automatisierung von Logistikprozessen<br />
besonders im E-Commerce geführt.<br />
Konsolidierung bei 3PL- und Express-<br />
Dienstleistern<br />
Die ungeheuer schnelle Erholung der Nachfrage<br />
führt laut McKinsey (1) auch zur Umstrukturierung<br />
des 3PL-Dienstleistungs-Bereichs.<br />
Einerseits sind mehr Fusionen und Übernahmen<br />
zu verzeichnen, anderseits fokussieren die<br />
Unternehmen zunehmend auf Digitalisierung<br />
und Omnichannel-Integration. Ein Beispiel ist<br />
die Gründung der China Logistics Group im<br />
Februar <strong>2022</strong> aus der Fusion von fünf Staatsunternehmen<br />
- darunter die ehemalige China<br />
Railway Materials Group.<br />
Als strategische Investoren sind zudem die<br />
China Eastern Airlines, die China COSCO Shipping<br />
Group und die China Merchants Group<br />
beteiligt. Der neue Logistikriese soll internationale<br />
Handelsverbindungen und Frachtdienstleistungen<br />
entwickeln und so die globalen Lieferketten<br />
(re-)organisieren. Andere Beispiele<br />
sind der Kauf eines Anteils von 15 Prozent in Air<br />
China Cargo durch Alibabas Logistikunternehmen<br />
Cainiao und die Akquisition eines Mehrheitsanteils<br />
von 51,8 Prozent in Kerry Logistics<br />
durch SF Holding. Auf dem Expressmarkt hat<br />
die enorme Zunahme an Paketen (rund 30 Prozent)<br />
zu einem extremen Preiskampf geführt,<br />
der zu einer Senkung der Preise zwischen zwölf<br />
und 27 Prozent und zu schrumpfenden Profiten
führte. Auch hier wird eine weitere Konsolidierung<br />
der Unternehmen erwartet. Kleinere Expressdienstleister<br />
werden zunehmend von den<br />
größeren gefressen.<br />
Luftfracht wird für E-Commerce bedeutender<br />
In bestimmten E-Commerce-Branchen wie der<br />
Modebranche verändert sich die Lieferstrategie.<br />
Früher wurden die Güter massenhaft auf<br />
Containerschiffen versendet, allerdings wird<br />
jetzt der Luftweg aufgrund von kundenindividueller<br />
Massenproduktion wichtiger. Z. B. sendet<br />
das chinesische Modeunternehmen Shein<br />
seine Ware in Großmengen via Lufttransport<br />
in den Zielmarkt (Direkt Line Modell) und versendet<br />
sie dann lokal über Postunternehmen.<br />
Viele E-Commerce-Giganten und deren Logistiker<br />
wie JD Logistics, Cainiao, SF Express und<br />
YTO Express bauen aufgrund des Direkt Line<br />
Modells zunehmend ihre Luftfrachtflotte aus.<br />
Omnichannel-Integration und Lagerhaus-<br />
Automatisierung stehen im Fokus<br />
Beim Omnichannel-Vertrieb werden alle<br />
Verkaufskanäle konsistent miteinander verschmolzen<br />
und ein leichter Wechsel der Kanäle<br />
ist möglich. D. h. der Kunde kann online<br />
bestellen und die Ware z. B. im Ladengeschäft<br />
abholen (Click & Collect). Auf allen Kanälen<br />
sind die erhobenen Kundeninformationen<br />
gleichermaßen vorhanden. Dies können beispielsweise<br />
Daten über vorhergehende Käufe,<br />
verlassene Warenkörbe, Kundendienst-Anfragen,<br />
Verweildauer auf Produktseiten im Web,<br />
etc. sein. Alle Kanäle werden miteinander mit<br />
dem Ziel verschmolzen, Verkäufe zu generieren.<br />
Der Kunde steht dabei im Mittelpunkt und<br />
die sog. Customer Experience soll sukzessiv optimiert<br />
werden. Es ensteht ein durchgehendes<br />
kanalübergreifendes Markterlebnis. Die Omnichannel-Strategie<br />
stellt allerdings u. a. große<br />
Anforderungen an die Intralogistik und Logistik.
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S14<br />
LITERATUR:<br />
1 Five Crucial Things About<br />
the Chinese Logistics<br />
Market Heading into <strong>2022</strong>:<br />
McKinsey, Logistics Asia<br />
2 JD.com ramps up<br />
omnichannel approach<br />
as it looks beyond e-commerce,<br />
SupplychainDive,<br />
Industry Dive<br />
3 JD.com Operates Automated<br />
Warehouses in<br />
Europe, JD.com Corporate<br />
Blog<br />
4 Harry Liu, Logistik-Trends in<br />
China: Die Vergangenheit<br />
würdigen – Die Zukunft gestalten,<br />
Wisetech Global<br />
5 Guide to the Regional<br />
Comprehensive Economic<br />
Partnership, International<br />
Cargo Express, Oktober<br />
<strong>2022</strong><br />
6 Yi Wu, How the RCEP Has<br />
Benefitted China: Initial<br />
Findings from <strong>2022</strong>, China<br />
Briefing, May <strong>2022</strong><br />
Neben einer Vielzahl an Produkten in geringer<br />
Losgröße ist auch die im E-Commerce<br />
übliche hohe Retourenquote zu bewältigen.<br />
Eine große Mehrheit der Konsumenten in<br />
China bestellt On- und Offline. Daher steht<br />
auch im Land der Mitte die Omnichannel-Integration<br />
im Fokus. In der Intralogistik<br />
bedeutet das in erster Linie die Zusammenführung<br />
von Off- und Online-Bestellungen<br />
im Lager. Aufgrund steigender Arbeitskosten<br />
und Landpreise auch in China sowie der<br />
enormen Geschwindigkeit mit der Bestellungen<br />
heutzutage bearbeitet und ausgeliefert<br />
werden müssen, muss die gesamte<br />
Supply Chain digitalisiert werden. Die Digitalisierung<br />
ermöglicht zusammen mit Industrie<br />
4.0, Künstlicher Intelligenz und Automatisierung<br />
eine Optimierung der Lieferketten.<br />
Die chinesische Online-Handelsplattform JD.<br />
com (2) hat in den letzten Jahren massiv auf<br />
hochautomatisierte Lagerhäuser gesetzt, um<br />
die Logistik zu beschleunigen. Zudem baut das<br />
Unternehmen auch seinen eigenen Omnichannel-Service<br />
für Millionen von konventionellen<br />
Händler aus, über die JD auch seine<br />
Waren vertreibt. Das eigene Omnichannel<br />
Fulfillment wählt den Einzelhändler in Echtzeit,<br />
der die Waren der Kundenbestellung vorhält<br />
und am nächsten zum Kunden liegt. Ein Kurier<br />
bringt die Ware dann auf optimierten Routen<br />
zum Besteller. Laut der Leiterin der Finanzabteilung<br />
von JD.com Sandy Xu sind Kosteneffizienz<br />
und positive Kundenerfahrung entscheidende<br />
Faktoren beim Langzeiterfolg im<br />
Einzelhandel. Diese werden besonders von<br />
einer leistungsfähigen Logistik beeinflusst.<br />
Die Lagerhausfläche des Handelsriesen hat<br />
sich in den letzten fünf Jahren (2016-2021)<br />
verfünffacht und er betreibt nun 1200 Lagerhäuser<br />
im gesamten Land. Das Unternehmen<br />
bezeichnet sich seit kurzem als führenden<br />
Supply Chain-basierten Technologie- und<br />
Serviceanbieter und will diese Position zusammen<br />
mit Lieferanten und Partnern ausbauen.<br />
JD.com hat zudem damit begonnen seine<br />
Technologie zu exportieren und eröffnete im<br />
April 2021 zwei hochautomatisierte Lagerhäuser<br />
in Polen an der Grenze zu Deutschland<br />
und in Frankfurt (3). Durch sie kann ganz<br />
Europa extrem schnell beliefert werden. Zudem<br />
sollen sie als Vorbilder für andere State<br />
of the Art-Lagerhäuser in Europa dienen. Das<br />
Kernstück des Lagerhauses besteht aus einem<br />
Fahrerlosen Transportsystem, das den Kommissionierprozess<br />
revolutioniert und zweieinhalb<br />
Mal effizienter ist als übliche Pick-Systeme.<br />
Auch in anderen Bereichen wird<br />
kräftig digitalisiert<br />
Die Pandemie hat auch dazu geführt, dass<br />
digitale Frachtplattformen wie Cargowise von<br />
manchen Firmen im Land der Mitte implementiert<br />
wurden (4). Der chinesische Spediteur<br />
Sanco International nutzt die cloud-basierte<br />
Plattform zur Prozessintegration und Steigerung<br />
der Daten- bzw. Informationstransparenz<br />
im Frachtbereich. Darüber hinaus ermöglicht<br />
sie eine bessere globale Kommunikation in<br />
Echtzeit und führt besonders in Krisenzeiten<br />
zur Aufrechterhaltung eines hohen Standards<br />
bei den Logistikdienstleistungen des Unternehmens.<br />
Während der Pandemie konnte<br />
dadurch die Panik und Unsicherheit im Zaum<br />
gehalten werden. Laut der Geschäftsführerin<br />
Daphne Ma hat die Einführung der Plattform<br />
zu mehr Effizienz, Steigerung des Geschäftsvolumens<br />
und Profits sowie zu einer Begrenzung<br />
der Arbeitskosten geführt.<br />
Regionale Zusammenarbeit<br />
wird immer wichtiger<br />
Im ersten Quartal 2020 wurden die ASE-<br />
AN-Staaten zum wichtigsten Handelspartner<br />
Chinas und überholten damit die USA und<br />
die EU. In diesem Zusammenhang ist auch die<br />
Ratifizierung des größten Freihandelsabkommens<br />
der Welt, der Regionalen umfassenden<br />
Wirtschaftspartnerschaft (Regional Comprehensive<br />
Economic Partnership, RCEP, 5) der<br />
ASEAN-Staaten, durch das chinesische Handelsministerium<br />
Anfang März 2021 wichtig.<br />
Durch das RCEP wird u. a. eine Steigerung des<br />
Handels zwischen den Mitgliedsstaaten und<br />
eine schnellere Erholung von der Pandemie,<br />
eine Zunahme an Investitionen und Dienstleistungen,<br />
eine höhere Rechtssicherheit und<br />
Schutz des intellektuellen Eigentums sowie eine<br />
Zunahme des E-Commerce erwartet. Im ersten<br />
Quartal <strong>2022</strong> nahm der Handel zwischen<br />
dem Land der Mitte und den ASEAN-Staaten<br />
um 6,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf<br />
448,6 Milliarden US-Dollar (433 Milliarden Euro)<br />
zu. Nutznießer davon sind insbesondere der<br />
Maschinenbau und die Elektroindustrie, der<br />
E-Commerce und generell kleine und mittlere<br />
Unternehmen. (DR)
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LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S16<br />
HANDEL LOGISTIK<br />
Omnichannel als<br />
Chance für den<br />
lokalen Handel<br />
Heutzutage gehört die Nutzung von Online-<br />
Handelswegen genauso zum täglichen Einkaufsverhalten<br />
wie Einkäufe vor Ort in den<br />
Filialen. Entscheiden sich Unternehmen,<br />
beide Vertriebswege zu nutzen, handeln<br />
Sie in moderner Weise nach den Anforderungen<br />
des Marktes und ihrer Kunden.<br />
BEITRAG: REDAKTION<br />
Zum Erreichen der Kundenzufriedenheit<br />
ist es heute unabdingbar,<br />
alle zur Verfügung stehenden Verkaufskanäle<br />
anzubieten. Gerade<br />
die jüngere Generation wächst in einem<br />
Verständnis der permanenten, Rund-umdie-Uhr-Verfügbarkeit<br />
an Waren auf. Ohne<br />
einen schnellen und unkomplizierten Betrieb<br />
eines Online-Shops können Händler,<br />
egal welcher Branche, heute fast nicht<br />
mehr profitabel im Marktgeschehen agieren.<br />
Dies aber bringt ganz neue Herausforderungen<br />
mit sich, insbesondere hinsichtlich<br />
der Frage, wie man die Investitionen in<br />
beide Kanäle optimiert.<br />
Im Kontext des modernen Handels stellt<br />
sich die Frage, inwieweit eine geschickte<br />
Verzahnung von Online- und Filialgeschäft<br />
in diesen Tagen für Unternehmen die gewinnbringendste<br />
und zukunftsreichste<br />
Variante darstellt. Dass es in den meisten<br />
Fällen nicht mehr genügt, lediglich ein<br />
stationäres Geschäft zu betreiben, über<br />
welches den Kunden die Waren und/oder<br />
Dienstleistungen angeboten werden, zeigt<br />
sich natürlich auch anhand der Erfolgsgeschichten<br />
bekannter Online-Giganten wie<br />
Amazon und Co., welche die Welt des Online-Handels<br />
revolutioniert bzw. sozusagen<br />
erst so richtig ins Rollen gebracht haben.<br />
Der enorme Erfolg und die bereitwillige<br />
Annahme des E-Commerce-Angebots<br />
durch die Kunden zeigen deutlich, dass<br />
Online-Marktplätze gefragt und gefordert<br />
sind. Wie in allen Geschäftsfeldern gibt es<br />
bei einer Verflechtung diverser Handelswege<br />
auch Herausforderungen zu bewältigen<br />
und Punkte zu berücksichtigen, die<br />
anhand der Markterfordernisse auf die<br />
Händler zukommen. Eine geschickte Handhabung<br />
all dessen, soll im Folgenden näher<br />
beleuchtet werden.
Keine unbegrenzten Kapazitäten<br />
im Online-Handel<br />
Prinzipiell haben beide Handelswege<br />
─ stationär und online ─ ihre jeweiligen<br />
Vor- und Nachteile. „Online-Handelswege<br />
bestechen durch ihre Effizienz,<br />
das One-Click-Shopping, eine enorme<br />
Produktvielfalt, ein Nichtvorhandensein<br />
von physikalischen Grenzen, was<br />
sich vor allem bei nicht digitalisierten<br />
Produkten wie beispielsweise Kleidung<br />
als äußerst wichtig erweist, sowie eine<br />
globale 24/7-Erreichbarkeit“, erläutert<br />
Dr. Jürgen Brock, CEO von fulfillmenttools,<br />
einem Kölner Softwareanbieter,<br />
der sich auf Omnichannel Order<br />
Fulfillment im Handel spezialisiert hat.<br />
„Die Schwächen des E-Commerce<br />
sind dabei wiederum die Stärken<br />
des stationären Handels. Im Filialgeschäft<br />
kann der Kunde die Waren<br />
anfassen, riechen, anprobieren.<br />
Als Kunde kann man vor Ort mit seinen<br />
Sinnen das Shopping genießen.“<br />
Als wichtige Entwicklung ist auch zu beobachten,<br />
dass beispielsweise Online-<br />
Giganten sich mehr und mehr auch örtliche<br />
Niederlassungen aneignen und im<br />
Gegenzug alteingesessene Filialriesen<br />
ihre ersten Online-Shops eröffnen. Es<br />
zeichnet sich also ein Trend ab in Richtung<br />
Omnichannel, die intelligente Verzahnung<br />
von On- und Offlinekanälen.<br />
„Zum einen ist es ein großer Vorteil des<br />
stationären Einzelhandels, in der (physikalischen)<br />
Nähe seiner Kunden zu<br />
sein und dass er sofortige Erreichbarkeit<br />
und Verfügbarkeit Kunden anbieten<br />
kann. Im Vergleich hierzu ist die<br />
kurzfristige Verfügbarkeit bei global<br />
agierenden Online-Händlern, die ein<br />
Zentrallager an einem kostengünstigen<br />
Standort betreiben, oft verhält-<br />
Intelligente Technologien<br />
für erfolgreiche<br />
Wertschöpfungsketten<br />
#ValueChainTechPartner
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S18<br />
nismäßig schlechter und der Kunde wartet<br />
länger auf das Produkt, als wenn er es im<br />
Geschäft um die Ecke erwirbt“, so Brock.<br />
Hinsichtlich des viel diskutierten Sterbens der<br />
Filialgeschäfte bzw. Aussterbens der Innenstädte,<br />
lassen sich die gewichtigen Vorteile für<br />
Händler erkennen, ein in guter Lage angesiedeltes<br />
Filialgeschäft weiterhin zu betreiben und<br />
den Kunden als Omnichannelkanal anzubieten.<br />
Denn es zeigt sich im direkten Warenzugriff<br />
ein Vorteil gegenüber dem Online-Handel.<br />
Verzahnung der Vertriebswege<br />
„Ein äußerst wichtiger Aspekt, den es zu diskutieren<br />
gilt, ist die richtige und wichtige intelligente<br />
Verzahnung von physikalischem<br />
Handel und Online-Handel. Als Beispiel sei hier<br />
‚Click&Collect‘ zu erwähnen. Darin lässt sich<br />
sehr gut der Nutzen eines gut funktionierenden<br />
Ineinandergreifens beider Kanäle erkennen<br />
wie auch die Vorteile von standortmäßig<br />
gut filialisierten Geschäften“, fügt Brock hinzu.<br />
Langfristig wird die optimierte Verzahnung<br />
beider Verkaufskanäle für die Unternehmen<br />
essenziell werden. Ein gut aufgestelltes Omnichannel-Modell<br />
wird in Zukunft notwendig<br />
sein, um alle Kundenbedürfnisse zuverlässig<br />
zu erfüllen. Der Retail-Markt ist zudem durch<br />
sich ändernde Marktverhältnisse und Kundenwünsche<br />
gezwungen, sich immer wieder neu<br />
zu erfinden. Auch hinsichtlich der Vermarktungsstrategie<br />
ist dies zu beachten. In Zukunft<br />
werden diese Marktentwicklungen und auch<br />
Entwicklungsströme im Kaufverhalten der Kunden<br />
noch mehr Aufmerksamkeit seitens der<br />
Händler erfordern. Ein „Verschlafen“ neuer<br />
Erfordernisse und Entwicklungen ist in der Vergangenheit<br />
den großen traditionellen Warenhäusern<br />
bereits zum Verhängnis geworden.<br />
Neue Potenziale durch Zusammenspiel der<br />
Vertriebswege<br />
Durch Nutzen beider Vertriebskanäle sollen<br />
zuerst natürlich die Vorteile beider vereint<br />
und zugleich die Schwächen der jeweiligen<br />
Channels ausgemerzt werden. „Trotzdem ist<br />
es leider der Fall, dass bei klassischen Business-<br />
Modellen, bei welchen der Kunde online ‚Click<br />
& Collect‘ bestellt, oft die Ware erst aus dem<br />
Zentrallager zur örtlichen Zweigstelle geschickt<br />
werden muss und hierbei einfach eine zu lange<br />
Lieferzeit entsteht. Erfahrungsgemäß führt dies<br />
ab Tag 5 zu erhöhten Stornierungsquoten, weil<br />
die Kunden nicht so lange warten möchten“,<br />
erörtert Brock die Problematik. „Dem kann<br />
durch eine Verzahnung der Kanäle entgegengewirkt<br />
werden. Mit einem modernen<br />
‚ship-from-store‘ Ansatz wird zum Beispiel das<br />
Filialgeschäft mobilisiert, das sich in unmittelbarer<br />
Nähe zum Wohnort des Kunden befindet.<br />
Dort hat man die bestellte Ware im Lager<br />
und könnte diese dem Kunden sofort anbieten,<br />
was eine erhöhte Servicequalität und dadurch<br />
einen zufriedenen Kunden ermöglichen<br />
würde.“ Die Umschlagsgeschwindigkeit ist hier<br />
ein wichtiger Aspekt − gerade auch im Bereich<br />
Fashion, in der die Ware saisonbedingt eine<br />
begrenzte Vermarktungszeit hat. Eine Optimierung<br />
der Liefergeschwindigkeit führt eben<br />
nicht nur zum explizit erwünschten Aspekt der<br />
Kundenzufriedenheit, sondern optimiert auch<br />
den Warenbestand.<br />
„Im Bereich Omnichannel ist auch der Begrifff<br />
‚One-Voice‘ bedeutend, versichert er doch<br />
dem Kunden, dass ihm online das gleiche versprochen<br />
und kommuniziert wird wie offline<br />
bzw.im Filialgeschäft.“, erklärt Brock. Dies vermittelt<br />
eine Übereinstimmung des Online-Angebots<br />
und des Angebots vor Ort. Auch das<br />
Unternehmen soll sich so als Einheit präsentieren,<br />
also in sich stimmig, was es so nach<br />
außen repräsentiert. Diese Verzahnung wirkt<br />
sich positiv auf die Customer Journeys aus,<br />
wenn beispielsweise ein Artikel online erworben<br />
wird, und im Falle eines Umtauschs oder<br />
einer Rückgabe die Möglichkeit besteht, dies<br />
im Filialgeschäft abzuwickeln. Demnach ist<br />
auch eine Interaktion zwischen den einzelnen<br />
Filialen unabdingbar, da hierdurch dem Kunden<br />
ein Mehrwert an Serviceleistungen angeboten<br />
werden kann.<br />
„Grundsätzlich ist es extrem wichtig für Händler,<br />
sich als ‚eine einheitliche Firma bzw. Marke‘<br />
zu präsentieren. Nichts ist für die Kunden ärgerlicher<br />
und schädigt das Vertrauen nachhaltiger,<br />
als wenn auf einem Kanal des Händlers,<br />
zum Beispiel per E-Mail, die eine Botschaft verbreitet<br />
wird, aber über einen anderen Kanal,<br />
zum Beispiel via klassischer Werbung in der<br />
Filiale, eine ganz andere. Das irritiert den Kunden,<br />
schädigt das Image und sollte unbedingt<br />
verhindert werden“, so Brock.
Neue Umsetzungsmöglichkeiten<br />
„Ein wichtiges Element zur Umsetzung sind<br />
zum Beispiel Distributed Order Management<br />
Systeme, kurz DOMS, die die verschiedenen<br />
Vertriebswege und Optionen intelligent verwalten.<br />
Ein Beispiel: Eine Bestellung geht über<br />
den Online-Weg ein. Dann ist es im Folgenden<br />
die Aufgabe des Systems, zu prüfen, wie diese<br />
Bestellung am besten erfüllt, also fulfilled, werden<br />
kann ─ sprich, wo beispielsweise das Produkt<br />
am für den Kunden günstigsten Ort abgeholt<br />
werden kann“, merkt Brock an.<br />
Ein anderes wichtiges Element ist die Aktivierung<br />
und Befähigung der Filialen. Das heißt,<br />
dass via App von Mitarbeitern in der Filiale<br />
geprüft wird, ob z. B. der bestellte Artikel vorhanden<br />
ist. Danach wird dies dem Kunden auf<br />
dem gleichen Kanal kommuniziert. Bei Bedarf<br />
wird ein Versanddienstleister hinzugeschaltet.<br />
Click & Collect oder Click & Reserve können<br />
hierbei als weitere Beispiele herangezogen<br />
werden: Der Kunde kann an einem bestimmten<br />
Tag die Ware bestellen und dann am<br />
nächsten oder auch am gleichen Tag auf unkomplizierte<br />
Weise und ohne lange Wartezeit<br />
die Ware, bei Click&Collect sogar bereits bezahlt,<br />
abholen.<br />
Benefits für Online- und Filialhandel<br />
„Die Vorzüge lassen sich wie bereits angesprochen<br />
an den jeweiligen spezifischen Stärken<br />
der Kanäle festmachen, so wie beispielsweise<br />
die Ortsunabhängigkeit beim Online-Handel.<br />
Der Kunde kann von zu Hause oder vom Urlaubsort<br />
aus bestellen. Dagegen kann der<br />
Kunde sich beim Händler vor Ort von der Ware<br />
ein besseres Bild machen und diese bei Gefallen<br />
sofort erstehen und mitnehmen“, erläutert<br />
Brock. Auch die einfache Abwicklung der Bezahlung<br />
ist im E-Commerce ein großer Nutzen.<br />
Der Kunde kann aus verschiedenen Zahlungsmethoden<br />
die für sich am besten geeignete<br />
wählen.<br />
„Wenn der Kunde online kauft, hat er zudem<br />
den Vorteil ganz anderer, weitaus besserer<br />
Retouren- und Umtauschbedingungen“,<br />
merkt Brock an. „Heute ist ein Umtauschrecht<br />
von 30 Tagen plus keine Seltenheit mehr. Diese<br />
Regelungen können für die Kunden um einiges<br />
attraktiver als im Filialgeschäft sein.“<br />
Für die Händler ist die Nutzung von Omnichannel<br />
außerdem hinsichtlich der Mitarbeiter von<br />
Vorteil, denn hierdurch erweitert sich deren<br />
Aufgabenspektrum, da sie auch den Fulfillment-Gedanken<br />
maßgeblich mitgestalten.<br />
Zudem können die Kosten, die im Filialgeschäft<br />
ohnehin anfallen, durch Omnichannel<br />
besser ausgeglichen bzw. kompensiert werden.<br />
Die Filialen untereinander werden so auf<br />
Dauer optimal aufeinander abgestimmt und<br />
miteinander vernetzt, wodurch sich die Kundenfrequenz<br />
in den Geschäften erhöht.<br />
Wichtig für den Mehrwert für Kunden und Anbieter<br />
ist es zudem, alles so einfach wie möglich<br />
zu gestalten. So sollten zum Beispiel die<br />
verwendeten Apps einfach zu bedienen sein.<br />
Gerade in der Logistik ist darauf zu achten, die<br />
Arbeitsmittel so nutzerfreundlich wie möglich<br />
zu gestalten. Im Filialgeschäft soll für den Endanwender<br />
die Prozessgestaltung schnell umsetzbar<br />
sein, trotz vorhandener Komplexität.<br />
Neue Kundensegmente und Kundenbindung<br />
„Wenn den Kunden neue Kanäle zur Verfügung<br />
gestellt werden, geben sie im Durchschnitt<br />
etwas mehr an Geld aus. Omnichannel-Customer<br />
sind also bereit, mehr Geld beim<br />
Shopping in die Hand zu nehmen. Auch wechseln<br />
moderne User schneller den Händler bei<br />
Unzufriedenheit ─ Omnichannel Marken dagegen<br />
werden nicht so schnell vom Kunden<br />
aufgegeben“, erörtert Dr. Brock. „Bei Click &<br />
Collect Angeboten hat dies auch einen Vorteil<br />
aus Kundensicht. Die Verzahnung von diversen<br />
Vertriebszielen und die Omnichannel-<br />
Präsenz zielt unter anderem auch auf die<br />
Gewinnung von Kunden aus der ‚Next Generation‘<br />
wie Millenials und Gen-Z.“<br />
„In Zukunft wird der Omnichannel-Handel eine<br />
immer größer werdende Rolle spielen. Konsumenten<br />
fordern vom Handel eine intelligente<br />
Verzahnung des Online- und des Offline- Filialgeschäftes“,<br />
resümiert Brock. „Der Vor-Ort-Service<br />
eines Händlers bietet diverse Vorteile, die<br />
durch den reinen Online-Handel nicht abgebildet<br />
werden können. Daher ist ein intelligenter<br />
Mix aus Online und Offline für Handelsunternehmen<br />
zukünftig ein Muss.“<br />
(RED)
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S20<br />
HANDEL LOGISTIK<br />
Die erste<br />
eCommerce-Landkarte<br />
für Österreich<br />
Der Handelsverband hat gemeinsam mit der<br />
Österreichischen Post und der OTTO/UNITO<br />
Gruppe die erste eCommerce-Map des<br />
Landes präsentiert. 11 Segmente und 160<br />
führende Dienstleister sind darin abgebildet.<br />
9.000 heimische Webhops setzen auf die<br />
Digitalisierung und trotzen dem ersten Umsatzrückgang<br />
im Onlinehandel seit knapp<br />
zwei Jahrzenten. BEITRAG: GERALD KÜHBERGER<br />
Der österreichische Onlinehandel<br />
durfte sich 2021 über ein Allzeit-Ausgabenhoch<br />
freuen, erstmals<br />
konnte bei den privaten<br />
Haushaltsausgaben (ohne KFZ-Handel) die<br />
Marke von 8,315 Milliarden Euro geknackt<br />
werden (+10% Wachstum). Heuer ist alles<br />
anders: Allein im zweiten Quartal sind die<br />
eCommerce-Umsätze hierzulande laut<br />
Statistik Austria inflationsbereinigt um -4,8<br />
Prozent zurückgegangen. Für das Gesamtjahr<br />
<strong>2022</strong> erwarten der Handelsverband und<br />
Kreutzer, Fischer & Partner einzelhandelsrelevante<br />
Online-Ausgaben von rund 8,5 Milliarden<br />
Euro – und damit erstmals seit fast zwanzig<br />
Jahren ein reales Minus von 3 Prozent.<br />
Die Onlinequote im Bereich der einzelhandelsrelevanten<br />
Ausgaben wird von 11,9 Prozent<br />
im Jahr 2021 auf 11,6 Prozent schrumpfen.<br />
Substanzielle Anteilsgewinne sind lediglich im<br />
Bereich Health Care, Körperpflege und Kosmetik<br />
zu erwarten, ein moderates Plus wird<br />
es bei Elektrogeräten & IT sowie Druckwerken<br />
geben. Rückläufig entwickelt sich der eCommerce<br />
heuer insbesondere bei Mode- und<br />
Sportartikel. So fällt beispielsweise die Onlinequote<br />
im Bekleidungssegment von 30% auf<br />
25%, bei Sportartikel von 18% auf 16%. Der<br />
Onlinehandel kämpft aber nicht nur mit stagnierenden<br />
Umsatzzahlen, sondern auch mit<br />
der hohen Inflation (zuletzt +11%), Personalmangel<br />
(44%) sowie explodierenden Energieund<br />
Logistikkosten.<br />
RAINER WILL, PETER UMUNDUM, HARALD GUTSCHI<br />
Zahl der aktiven Webshops steigt auf 9.000<br />
Die positive Nachricht: Trotz aller Herausforderungen<br />
und multipler Krisen setzen immer mehr<br />
heimische Händler auf die Digitalisierung.<br />
"9.000 heimische Webshops bilden den Kern
Enterprise & B2B<br />
eCommerce Partners Payment Bonität, Identität & Loyalty<br />
eCommerce<br />
Landkarte Österreich 2023<br />
KMU Forschung Austria auf 5,4 Millionen angestiegen<br />
Zustellung (+3% im Vergleich zu 2021). Die durchschnittlichen<br />
eCommerce- Ausgaben der<br />
Österreicher liegen aktuell pro Kopf bei 1.930<br />
Euro im Jahr. Die Top-Warengruppen sind Bekleidung/Textilien,<br />
Elektro sowie Möbel/Deko.<br />
Marktplätze,<br />
ttformen & Visibility<br />
Analytics<br />
Kundenservice<br />
der österreichischen eCommerce-Szene, die<br />
den aktuellen Krisen trotzt. Erstmals in seiner<br />
Geschichte muss der heimische Onlinehandel<br />
heuer ein reales Umsatzminus verkraften. Dennoch<br />
betreiben mittlerweile 84 Prozent aller<br />
Einzelhandelsunternehmen des Landes eine<br />
eigene Website, um digital auffindbar zu sein<br />
und mehr als 35 Prozent verkaufen via Internet<br />
erfolgreich - auch Cross-Border", bilanziert<br />
Handelsverband-Geschäftsführer Rainer<br />
Will. Die österreichischen Webshops erwirtschaften<br />
damit einen Brutto-Jahresumsatz von<br />
4,8 Milliarden Euro. Auf Konsumentenseite ist<br />
die Zahl der Online-Shopperinnen zuletzt laut<br />
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72% kämpfen mit Lieferverzögerungen –<br />
Entspannung in Sicht<br />
Gütesiegel, Vertrauen &<br />
Auch in<br />
Rechtssicherheit<br />
puncto Lieferverzögerungen und<br />
-engpässe hat sich die Lage im Vergleich<br />
zum Vorjahr laut einer aktuellen Händlerbefragung<br />
des Handelsverbandes leicht entspannt.<br />
Aktuell kämpfen zwar immer noch 72 Prozent<br />
der heimischen Online- und Omnichannel-Händler<br />
mit Lieferverzögerungen und Lieferantenausfällen.<br />
Knapp zwei Drittel erwarten<br />
in ihrem Segment Lieferengpässe im Weihnachtsgeschäft.<br />
Allerdings betrifft dies nur einige<br />
wenige Produkte im Sortiment, beispielsweise<br />
Heizdecken, Elektro-Heizstrahler oder<br />
neue iPhones. Die Verbraucher sind weiterhin<br />
gut beraten, ihre Weihnachtsgeschenke möglichst<br />
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LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S22<br />
Black Friday - Weihnachtsgeschäft Start<br />
Apropos frühzeitig: November und Dezember<br />
sind für den heimischen Handel traditionell die<br />
umsatzstärksten Monate, die in vielen Branchen<br />
über ein erfolgreiches Geschäftsjahr entscheiden.<br />
"Black Friday" (25.11.<strong>2022</strong>) und "Cyber<br />
Monday" (28.11.<strong>2022</strong>) heißen die beiden<br />
Aktionstage, die hierzulande mittlerweile zu<br />
den wichtigsten Shoppingterminen des Jahres<br />
zählen und das Weihnachtsgeschäft einläuten.<br />
Heuer haben zwei Drittel der Österreicher<br />
in der Black Week Aktionsprodukte gekauft,<br />
mehr als drei Viertel davon haben auch schon<br />
erste Weihnachtsgeschenke gekauft. Im<br />
Schnitt haben die heimischen Konsumenten in<br />
der Black Friday- und Cyber Monday-Woche<br />
<strong>2022</strong> 297 Euro ausgeben – exakt gleich viel wie<br />
schon im Vorjahr. Das ergibt einen bundesweiten<br />
Handelsumsatz von rund 450 Millionen Euro.<br />
"Der Onlinehandel hatte mit 2020 und 2021<br />
zwei unglaublich gute Jahre. Definitiv kann<br />
man es jetzt zwar noch nicht sagen, aber <strong>2022</strong><br />
wird auf dem Online-Markt wahrscheinlich<br />
mit einer Stagnation oder einem Rückgang<br />
beendet werden. Es ist eine komplett normale<br />
Entwicklung, dass es nach zwei Jahren,<br />
in denen der Onlinehandel wie verrückt gewachsen<br />
ist, ein Jahr stagniert oder wieder<br />
runtergeht", so Harald Gutschi, Vizepräsident<br />
des Handelsverbandes und Geschäftsführer<br />
der UNITO/OTTO Gruppe. Für 2023 ist Gutschi<br />
optimistisch und rechnet mit einer normalen<br />
Entwicklung mit 5 bis 8 Prozent Online-Wachstum<br />
und eCommerce-Umsätzen sehr deutlich<br />
über Vor-Pandemie-Niveau. "Momentan wird<br />
im Non-Food-Bereich jeder fünfte Euro im Onlinehandel<br />
ausgegeben, perspektivisch in drei<br />
bis fünf Jahren wird es jeder dritte Euro sein", ist<br />
er überzeugt.<br />
B2C Paketvolumen bewegt sich auf hohem Niveau<br />
des Vorjahres<br />
Mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft stellt<br />
sich auch Jahr für Jahr die Frage nach der Entwicklung<br />
des Paketvolumens im B2C-Bereich.<br />
Dieses kannte in der letzten Dekade nur eine<br />
Richtung: steil nach oben. 2021 wurden in<br />
Österreich laut Branchenradar.com insgesamt<br />
mehr als 139 Millionen Pakete an Privathaushalte<br />
zugestellt. Das B2C-Paketvolumen<br />
bewegt sich auch <strong>2022</strong> auf dem hohen<br />
Niveau des Vorjahres. "In den letzten beiden<br />
Pandemiejahren sind unsere Paketmengen<br />
lockdownbedingt um 40 Prozent auf 184 Millionen<br />
Pakete angestiegen. Mittlerweile haben<br />
sich die Zahlen auf einem hohen Niveau<br />
eingependelt", bestätigt Peter Umundum, Vorstandsdirektor<br />
für Paket & Logistik der Österreichischen<br />
Post AG.<br />
Brandneu: "eCommerce-Landkarte<br />
Österreich 2023"<br />
Im Rahmen einer Pressekonferenz wurde<br />
am 17. November im Rahmen des HV TECH<br />
DAY auch erstmals die brandneue "eCommerce-Landkarte<br />
Österreich 2023" mit den 160<br />
führenden heimischen eCommerce-Dienstleistern<br />
präsentiert. Die Karte deckt 11 zentrale<br />
Bereiche des Onlinehandels ab: Shop-Systeme;<br />
Shop-Verzeichnisse; Marktplätze &<br />
Plattfor-men; Payment; Bonität, Identität &<br />
Loyalty; Fulfillment; Zustellung; Analytics; Kundenservice;<br />
Gütesiegel & Rechtssicherheit<br />
sowie Enterprise & B2B Partner. Sie soll den<br />
Händlern einen kompakten Überblick über<br />
das österreichische Ökosystem Onlinehandel<br />
geben und die wichtigsten Player abbilden.<br />
Die gemeinsam von Post und Handelsverband<br />
erstellte Karte soll regelmäßig aktualisiert<br />
und weiterentwickelt werden. Dienstleister<br />
haben die Möglichkeit, sich und ihre Leistungen<br />
in kommenden Ausgaben der "eCommerce-Landkarte<br />
Österreich" zu verorten. "Wir<br />
wollen die Österreich-Quote im eCommerce<br />
anheben. Damit der heimische Handel stärker<br />
von den hohen Paketmengen profitiert,<br />
haben wir gemeinsam mit dem Handelsverband<br />
die eCommerce-Landkarte ins Leben<br />
gerufen. Händler erhalten damit einen kompakten<br />
Überblick zu rot-weiß-roten Dienstleistern<br />
im Onlinehandel", erklärt Peter Umundum.<br />
(GK)
WAS WOLLTEN SIE<br />
HANDELSEXPERT:INNEN<br />
IMMER SCHON<br />
FRAGEN?<br />
HV-Geschäftsführer Rainer Will spricht<br />
mit Expert:innen, Händler:innen und<br />
Innovator:innen über die Gegenwart und<br />
Zukunft des österreichischen Handels.<br />
Jetzt reinhören<br />
auf<br />
BISHERIGE GÄSTE<br />
Roland Fink<br />
(niceshops)<br />
Gerhard Drexel<br />
(SPAR)<br />
Katharina Schneider<br />
(Mediashop)<br />
Claus Kahn<br />
(Innenministerium)<br />
Carsten Keller<br />
(Zalando)<br />
Jasmin Turek-Rezac<br />
(Turek)<br />
Heini Staudinger<br />
(GEA)<br />
Georg Pölzl<br />
(Österreichische Post)<br />
Eugen Prosquill<br />
(WARDA)<br />
Marco Pogo<br />
(Bierpartei)<br />
Thomas Tauchner,<br />
Philipp Gersing<br />
(Jentis & Ireen)<br />
Nick Holscher,<br />
Rainer Rauch<br />
(Zalando & Mode Roth)<br />
Hagen Höhl<br />
(GLORY)<br />
Marcel Harastzi<br />
(REWE)<br />
Daniel Schlögl<br />
(Wiener Tafel)
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S24<br />
HANDEL LOGISTIK<br />
TECH DAY <strong>2022</strong>:<br />
Gipfeltreffen der<br />
heimischen Retail-<br />
Tech-Szene<br />
Das digitalaffine Who is Who der österreichischen<br />
Handelsbranche hat sich am 17.<br />
November beim alljährlichen TECH DAY des<br />
Handelsverbandes im 35. Stock des Thirty<br />
Five am Wienerberg getroffen.<br />
BEITRAG: GERALD KÜHBERGER<br />
Der traditionelle Pflichttermin für die<br />
(Online)Handelsszene sowie Brancheninteressierte<br />
fand bereits zum<br />
11. Mal statt. 230 Teilnehmer verfolgten<br />
das von Handelsverband-Präsident<br />
Stephan Mayer-Heinisch und Handelsverband-Geschäftsführer<br />
Rainer Will eröffnete<br />
Tech-Event – ein neuer Besucherrekord. Die<br />
begehrten "Retail Innovation Awards" gingen<br />
an IKEA, Decathlon, Fressnapf, Augenstern<br />
Kindermode und Refurbed.<br />
Unter dem Kongressmotto "The Future of Retail<br />
Technology" durfte das Publikum des TECH<br />
DAY <strong>2022</strong> dem Best Practice Beispiel von<br />
Hermann Erlach (Microsoft Österreich) und<br />
Andreas Kranabitl (SPAR Österreich) lauschen,<br />
gefolgt von Jan Königstätter (Otago), der<br />
den brandneuen "Digital Visibility Report <strong>2022</strong><br />
(DiVi)" präsentierte – ein Überblick der Performance<br />
und Sichtbarkeit heimischer Handelsbetriebe<br />
auf Google. Die Kundenperspektive<br />
übernahm Josef Grabner (LINK Mobility). Er<br />
sprach über die digitale Zukunft der Customer<br />
Journey – konkret darüber, was moderne Kunden<br />
wirklich wollen. Kremena Irinkova (Payment<br />
Services Austria) präsentierte in ihrem<br />
Vortrag die Mehrwerte der neuen ich.app für<br />
den österreichischen Handel. Für Begeisterung<br />
sorgte auch die Keynote "DevOps in Retail"<br />
der bekannten Influencerin Nana Janashia<br />
(TechWorld with Nana).<br />
RAINER WILL<br />
Durch das alljährliche Startup Zapping führte<br />
Markus Kuntke, Leiter des Trend- und Innovationsmanagements<br />
bei REWE International<br />
und Ressortleiter der Handelsverband-Plattform<br />
"Omnichannel, Innovation & Startups".<br />
Sechs ausgewählte Retail-Startups durften ihre
digitalen Lösungen für den Handel präsentieren.<br />
Heuer am Start: Rainer Franke und Martin<br />
Schmutterer von IOSS Europe, Miriam Jonas<br />
von Prewave, Felix Kogler von Systempilot,<br />
Stefan Kohlbacher von fiskaly, Mark Lützner<br />
von exonode und Philip Tropper vom Handelsverband<br />
E-Mobilitätspartner ELOOP.<br />
Potenzial: Mit Digitaler Identität könnte Österreich<br />
8 Mrd. Euro jährlich einsparen<br />
Eines der Highlights beim TECH DAY war die<br />
Podiumsdiskussion zu Digitaler Identität und<br />
self-sovereign identity. Dabei wurden u.a. die<br />
Plattform-Lösung von CRIF, die ich.app der<br />
PSA und die European netID Foundation vorgestellt.<br />
Live on Stage diskutierten Gerald Eder<br />
(CRIF), Sabine Walch (danube.ai), Harald<br />
Flatscher (PSA), Jörn Strehlau (netID), Alfred<br />
Taudes (WU Wien), Martin Sprengseis (bluesource)<br />
und der bekannte Datenschützer<br />
Thomas Lohninger von epicenter.works. Spannend:<br />
Schätzungen der estnischen Regierung<br />
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LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S26<br />
zufolge spart allein die Nutzung elektronischer<br />
Unterschriften jährlich rund 2% des BIP ein.<br />
Umgelegt auf Österreich wären das mehr als<br />
8 Milliarden Euro pro Jahr – das Potenzial der<br />
Digitalen Identität ist also riesig.<br />
Wie können Payment-Technologien den Handel<br />
positiv beeinflussen? Darüber sprach Jürgen<br />
Schübel (VISA) in seinem vielbeachteten<br />
Best Practice Vortrag. Der Fokus lag dabei auf<br />
sog. "In Car Payments" die dafür sorgen könnten,<br />
dass unsere Autos künftig zur fahrenden<br />
digitalen Geldbörse werden. Spannend war<br />
auch der Vortrag von Andreas Thöni (Österreichische<br />
Post) und Harald Gutschi (UNITO/<br />
OTTO Gruppe). Die beiden Branchenexperten<br />
gaben nicht nur ein Update zur Lage<br />
des Onlinehandels in der DACH-Region, sie<br />
stellten auch die "Austrian eCommerce Map<br />
2023" vor. Zu den weiteren Schwerpunkten<br />
des Events zählten dieses Mal: Zahlungstrends,<br />
digitale Cloudlösungen, Customer Loyalty,<br />
Blockchain und innovative Logistiklösungen.<br />
30 Nominierte, 5 Gewinner:<br />
Retail Innovation Awards<br />
Darüber hinaus wurden bereits zum 7. Mal die<br />
begehrten Retail Innovation Awards vergeben.<br />
Mit dem Preis werden in Österreich tätige<br />
Handelsunternehmen für den Einsatz herausragender,<br />
innovativer Technologie-Lösungen<br />
ausgezeichnet. Nikolaus Köchelhuber und<br />
Florian Haas von der Unternehmensberatung<br />
EY (Ernst & Young) übergaben die Auszeichnungen<br />
gemeinsam mit HV-Geschäftsführer<br />
Rainer Will an die fünf Gewinner: IKEA und<br />
DECATHLON (Best In-Store Solution) – FRESS-<br />
NAPF (Best Online bzw. Mobile Solution) –<br />
AUGENSTERN KINDERMODE (Best Omnichannel<br />
Innovation) – REFURBED (Best Green Innovation).<br />
Verena Schneider (Puls 4) glänzte als<br />
Moderatorin und führte charmant durch den<br />
Nachmittag. Bevor es dann am Abend zum<br />
Ausklang und Networking mit Drinks bei der<br />
Afterparty powered bei FIEGE ging, warteten<br />
tolle Tech-Preise und exklusive Tickets für<br />
ausgewählte HV Events auf die glücklichen<br />
Gewinner:innen der Retail Rallye. Unter den<br />
hochkarätigen Gästen des TECH DAY <strong>2022</strong><br />
waren u.a. Cathryn Binder-Taisser (Decathlon),<br />
Joel Hornstra (Hervis), Michael Bratl (Visa),<br />
Klaus Slamanig (Nespresso), Robert Hadzetovic<br />
(shöpping.at), Roman Koch (Gebr.<br />
Heinemann), Alexandra Dürr und Niklas Larsson<br />
(beide IKEA Austria), Klaus Magele (Morawa),<br />
Rainer Friedl (Emakina), Peter Umundum,<br />
Michael Andrae, Markus Leitgeb (alle Österreichische<br />
Post), Ruth Moss (CRIF), Thomas Von<br />
der Gathen und Armin Timmerer (beide PSA)<br />
sowie Victoria Neuhofer und Stephanie Sinko<br />
(beide DAMN PLASTIC). (RED)
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LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S28<br />
HANDEL LOGISTIK<br />
eCommerce boomt,<br />
aber Österreich hat<br />
(fast) nichts davon<br />
Die Lockdowns haben dem eCommerce<br />
einen Boost verpasst, der teilweise immer<br />
noch anhält. Black Friday und Cyber Monday<br />
begeistern Massen. Das Problem: 75 % der<br />
Paketmengen kommen aus dem Ausland,<br />
die Kaufkraft fließt ab. Schaffen wir uns mit<br />
dem Kaufverhalten selbst ab?.<br />
REDAKTION: ANGELIKA GABOR<br />
Kauf Regional! „Proximus sum egomet<br />
mihi“ – frei übersetzt: jeder ist sich<br />
selbst der Nächste – schrieb der antike<br />
Komödiendichter Terenz. Die Auswirkungen<br />
sind allerdings weniger komisch.<br />
Knapp 400.000 Menschen arbeiten in Österreich<br />
im Einzelhandel. Viele der heimischen<br />
Ketten bieten inzwischen auch Onlineshops,<br />
Lieferung oder Abholung im Geschäft an.<br />
Aber gerade angesichts der hohen Inflation<br />
und gestiegenen Lebenserhaltungskosten<br />
sehen sich immer mehr Konsumenten gezwungen,<br />
das billigste Angebot zu wählen – und<br />
das findet sich leider viel zu häufig bei Amazon.<br />
Die Ersparnis des Einzelnen kann uns aber bald<br />
alle teuer zu stehen kommen, denn wenn die<br />
Kaufkraft abfließt, gehen Arbeitsplätze im Inland<br />
verloren. Das Sozialsystem wird weiter<br />
belastet, die Gesamtkosten für alle steigen.<br />
Dabei gibt es genug heimisches Angebot:<br />
„Rund 9.000 Händler betreiben bereits aktiv<br />
einen Webshop, das ist mehr als ein Drittel aller<br />
Händler in Österreich“, erklärt Rainer Will,<br />
Geschäftsführer des Österreichischen Handelsverbands.<br />
Die gerade eben präsentierte<br />
eCommerce-Landkarte gibt einen Überblick<br />
darüber, wer was wo online anbietet, Dienstleister<br />
inklusive.<br />
PETER UMUNDUM, RAINER WILL, HARALD GUTSCHI<br />
Extreme Volatilität<br />
Nach einem Allzeit-Ausgabenhoch im Onlinehandel<br />
2021 – die privaten Haushaltsausgaben<br />
überstiegen erstmals 8,315 Milliarden<br />
Euro – verlief das Jahr <strong>2022</strong> deutlich schaumgebremst.<br />
„In den Jahren 2020/2021 war der<br />
stationäre Handel 152 zumindest teilweise im<br />
Lockdown, die hohen Umsätze waren die
logische Folge. Und auch die aktuelle Delle<br />
ist durchaus verständlich, wenn man die Zahlen<br />
im 3-Jahres-Kontext sieht, dann liegt das<br />
durchschnittliche Wachstum noch immer bei<br />
9 Prozent“, ist Harald Gutschi, Geschäftsführer<br />
der UNITO/OTTO Gruppe, durchaus zufrieden.<br />
Gerade wurde sein Unternehmen als nachhaltigster<br />
Möbelhändler Europas ausgezeichnet,<br />
außerdem bietet die Gruppe durchaus erfolgreich<br />
Amazon die Stirn. Das Problem: in Erwartung,<br />
dass die Lieferkettenprobleme anhalten<br />
und der Onlinehandel wieder zweistellig zulegt,<br />
haben sich viele Händler große Mengen<br />
auf Lager gelegt. Dann kamen jedoch der<br />
Krieg und die Inflation, angesichts eines Reallohnverlustes<br />
von durchschnittlich vier Prozent<br />
sparen die Menschen. Als einziger Ausweg<br />
findet – beispielsweise in der „Black Week“<br />
- eine wahre Rabattschlacht statt, um die<br />
Lager zu leeren, und das auf Kosten der Margen.<br />
„Auch wir bei OTTO haben doppelt so viel gekauft<br />
wie 2021, aber in manchen Bereichen<br />
kaufen die Leute fünf Mal so viel, und wir können<br />
den Bedarf gar nicht decken“, so Gutschi.<br />
Das gelte insbesondere für Öfen, Infrarotheizungen,<br />
Heizlüfter, Elektrodecken und Trachtenmode,<br />
aber auch klimafreundliche Geräte,<br />
die insbesondere nach Auszahlung des<br />
Klimabonus vermehrt bestellt wurden. Und:<br />
„Brennholz ist das neue Klopapier.“ (es wird<br />
E-COMMERCE IN ÖSTERREICH:<br />
3 VON 4 EURO GEHEN INS AUSLAND<br />
Cross-Border E-Commerce-Anteil in europäischen<br />
Ländern 2021<br />
[% der Kund*innen, die in den letzten 3 Monaten<br />
online gekauft haben]<br />
• …<br />
< 10%<br />
11-20%<br />
21-30%<br />
31-40%<br />
41-50%<br />
51-60%<br />
61-70%<br />
71-80%<br />
81-90%<br />
Quelle: EUROSTAT, Daten 2021 außer Italien, Großbritannien, Nord Mazedonien, Kosovo: 2020<br />
14<br />
Allgemein
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S30<br />
gehortet, Anm.) „Ohne künstliche Intelligenz<br />
wäre es unmöglich, den Kunden die Ware zur<br />
Verfügung zu stellen, das Kundenverhalten ist<br />
teilweise wirklich nicht vorhersehbar“, meint<br />
Gutschi. Und weiter: „Das Beste am Jahr <strong>2022</strong><br />
ist, dass es bald vorbei ist.“ Dann jedoch könne<br />
man durchaus wieder optimistisch Richtung<br />
2023 blicken: „Die Monate bis zum Ende des<br />
Winters werden noch anspruchsvoll, aber<br />
danach wird die Sonne wieder aufgeh’n.<br />
Ab Mitte 2023 werden dann sinkende Inflationsraten<br />
auf steigende Kaufkraft treffen und<br />
wir bekommen die Probleme in den Griff.“ Zudem<br />
rechnet er mit einer leichten Rezession<br />
– allerdings bei quasi Vollbeschäftigung.<br />
Sinkende Transportpreise aus Fernost und Rohstoffpreise<br />
auf Vor-Corona-Niveau werden ihr<br />
Übriges tun. Gutschi: „Wenn geopolitisch alles<br />
in Ordnung ist, wird 2023 ein richtig gutes Jahr<br />
für den Handel.“<br />
Angebot hofft auf Nachfrage<br />
Der Marktanteil der Post am Paketmarkt in<br />
Österreich beträgt im B2C Bereich rund 62<br />
Prozent. Durch den flächendeckenden Ausbau<br />
des Zustellnetzes gewinnt Amazon ständig<br />
Anteile hinzu. „Aktuell stagniert der Paketmengenanteil<br />
aus dem Ausland“, erklärt Peter<br />
Umundum, Vorstand Paket & Logistik Österreichische<br />
Post AG. 2021 wurden in Österreich<br />
laut Branchenradar.com stolze 139 Millionen<br />
Pakete an Privathaushalte zugestellt. Nach<br />
einem schwachen 1. Quartal <strong>2022</strong> wird wieder<br />
deutlich mehr bestellt – aber halt eben im<br />
Ausland. Umundum verspricht sich daher viel<br />
von der eCommerce-Landkarte: „Händler erhalten<br />
damit einen kompakten Überblick zu<br />
rot-weiß-roten Dienstleistern im Onlinehandel.“<br />
Die neue Online-Plattform präsentiert die 160<br />
führenden heimischen eCommerce-Dienstleister<br />
in den 11 Bereichen Shop-Systeme;<br />
Shop-Verzeichnisse; Marktplätze & Plattformen;<br />
Payment; Bonität, Identität & Loyalty; Fulfillment;<br />
Zustellung; Analytics; Kundenservice;<br />
Gütesiegel & Rechtssicherheit sowie Enterprise<br />
& B2B Partner. Das Ziel: die Österreich-Quote<br />
im eCommerce anheben. Zumindest kann<br />
nun niemand mehr behaupten, es gäbe keine<br />
Alternative – bleibt zu hoffen, dass es funktioniert.<br />
(AG)<br />
KONZERN: MEHR ALS 450 MIO PAKETE IN 2021<br />
in Mio Stück<br />
453<br />
417<br />
269<br />
298<br />
312<br />
206<br />
217<br />
TR 1<br />
57<br />
7<br />
50<br />
73<br />
16<br />
57<br />
77<br />
18<br />
59<br />
84<br />
19<br />
65<br />
186<br />
95<br />
22<br />
70<br />
204<br />
106<br />
24<br />
74<br />
219<br />
112<br />
27<br />
80<br />
230<br />
120<br />
29<br />
81<br />
139<br />
33<br />
97<br />
156<br />
34<br />
108<br />
150<br />
35<br />
127<br />
44<br />
166<br />
52<br />
184<br />
CEE<br />
AT<br />
2009<br />
2010<br />
2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017<br />
2018<br />
2019<br />
2020<br />
2021<br />
1 inklusive Dokumente; Vollkonsolidierung der Gesellschaft ab 25. August 2020 (davor 25% Beteiligung)<br />
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SPECIAL<br />
Wie viel Energie kosten<br />
uns Kaufentscheidungen<br />
und wie künstliche<br />
Intelligenz helfen kann<br />
Im Jahr 2000 ließen Amerikanische Forscher<br />
zwei Gruppen von Probanden Marmelade<br />
verkosten [1]. Ihr Ziel: untersuchen,<br />
wie sich zu viel Auswahl auf den Verkauf<br />
auswirkt. Am Ende ihrer Studie war klar,<br />
dass viele Regeln im Verkauf und Vertrieb<br />
neu geschrieben werden müssen.<br />
BEITRAG: PHILIPP WISSGOTT<br />
PHILIPP WISSGOTT<br />
Kleidung, Essen, Reisen, Freizeit? Menschen<br />
treffen über 20.000 kleinere<br />
und größere Entscheidungen jeden<br />
Tag. Mit einer Entscheidung ist immer<br />
eine Auswahl von zumindest 2 Alternativen<br />
verbunden, oft gibt es aber auch hunderte<br />
Produkte - was es nicht gerade leichter macht<br />
eine Wahl zu treffen.<br />
Wer kennt nicht das Gefühl, von so einer Produktauswahl<br />
überwältigt zu sein? Übersehe<br />
ich etwas? Habe ich alle Optionen im Blick?<br />
Soll ich die Entscheidung später treffen? Das<br />
Verschieben von Kaufentscheidungen ist<br />
wahrscheinlich der größte dämpfende Faktor<br />
für den Konsum. Oder anders formuliert: Hilf<br />
dem Kunden das Zögern beim Kauf zu überwinden<br />
und du steigerst den Verkauf um einen<br />
riesigen Faktor.<br />
Wie laufen (Kauf-)Entscheidungen im Gehirn<br />
ab? Jede Auswahl kostet “Denkenergie”<br />
und Konzentration und zapfen den täglichen<br />
Vorrat davon an, den jeder Mensch zur Verfügung<br />
hat. Apple-Gründer Steve Jobs hatte<br />
eine elegante Lösung, um Energie zu sparen:<br />
Indem er jeden Tag faktisch dieselbe Kleidung<br />
trug, argumentierte er, könne er sich ganz auf<br />
die relevanten Entscheidungen des Tages<br />
konzentrieren.<br />
SABINE WALCH<br />
Für einen Händler stellt sich dabei die Frage:<br />
Wann kommen die Kunden zu mir in den<br />
(Online-)Shop? Wenn es mehrheitlich abends<br />
nach der Arbeit ist, werden Kunden ihre<br />
“Entscheidungsenergie” bereits ziemlich aufgebraucht<br />
haben. Dies sollte man jedenfalls
in der angebotenen Kaufberatung berücksichtigen.<br />
Wenn Entscheidung so viel Energie<br />
kostet, wie kommen Menschen dann überhaupt<br />
durch den Tag? Glücklicherweise sind die meisten<br />
Entscheidungen “Formsache”: Welchen<br />
Weg nehme ich, wenn ich meine Kinder in den<br />
Kindergarten bringe? Überall wo wir Erfahrung<br />
haben, fällt uns eine Wahl leicht.<br />
Als Experte können wir Vor- und Nachteile<br />
schnell analysieren - viele dieser Entscheidungen<br />
laufen dann gänzlich unterbewusst<br />
ab. Ins Zögern kommt man also nur, wenn<br />
man sich nicht so gut auskennt. Der Kunde<br />
ist in den meisten Bereichen seines Einkaufs<br />
kein Experte? Das ist glücklicherweise<br />
für den Handel nichts Neues. Ausgewählte Angebote<br />
und persönliche Beratung vor Ort - nah<br />
am Kunden dran sein, seine Bedürfnisse verstehen<br />
und Empfehlungen anbieten. Nur was,<br />
wenn der Kunde nicht ins Geschäft, sondern<br />
online einkaufen will? Im Online-Geschäft kommen<br />
einige Gründe zusammen, die eine gute<br />
(digitale) Beratung noch wichtiger machen:<br />
* Kunden haben weniger Zeit und wollen<br />
schneller einkaufen.<br />
* Das Sortiment ist meist größer, da man<br />
räumlich nicht durch die Geschäftsfläche<br />
begrenzt ist.<br />
* Kunden können den Online-Shop viel<br />
einfacher “verlassen” als ein echtes<br />
Geschäft.<br />
Aber ist eine gute Entscheidungshilfe<br />
beim Online-Kauf überhaupt möglich?<br />
Obwohl eine redaktionelle Vorauswahl<br />
von Produkten auch online denkbar<br />
ist, kann sie leider nicht auf die persönlichen<br />
Bedürfnisse von Kunden eingehen.<br />
Eine wirklich zielgerichtete Kaufberatung<br />
kann deshalb nur automatisiert, meist durch<br />
künstliche Intelligenz (KI), durchgeführt werden.<br />
Aber kann sich KI-unterstützte Entscheidungshilfe<br />
wirklich mit persönlicher Beratung<br />
messen? Während das direkte Gespräch zwischen<br />
MitarbeiterIn und Kunde auf emotionaler<br />
Ebene unübertroffen ist, hat die KI einige<br />
entscheidende Vorteile:<br />
Philipp Wissgott ist Chief<br />
Research Officer bei<br />
danube.ai. Er erforscht<br />
menschliche<br />
Entscheidungsprozesse<br />
und entwickelt<br />
neue Formen von<br />
Künstlicher Intelligenz<br />
(KI). Im Moment steht<br />
im Zentrum seiner<br />
Forschung Automatisierung<br />
und Personalisierung<br />
für den Web-<br />
Shop der Zukunft.<br />
TEAM: DANUBE.AI
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S34<br />
*_Die KI kann jederzeit das gesamte<br />
Sortiment überblicken.<br />
* Die KI kann sich individuelle Bedürfnisse<br />
und Vorlieben aller Kunden merken und<br />
jederzeit ins Spiel bringen.<br />
* Die KI kann Kunden- und Händlerinteressen<br />
zu jedem Zeitpunkt<br />
berücksichtigen und für jede<br />
Kaufentscheidung den optimalen,<br />
individuellen Vorschlag machen.<br />
* Die KI kann die optimale Auswahl<br />
Angeboten zu jeder Tageszeit und<br />
innerhalb eines Augenblicks berechnen.<br />
Obwohl KI somit viele Chancen im Online-<br />
Handel bietet, sind die Qualitätskriterien guter<br />
KI in den letzten Jahren dramatisch gestiegen.Kunden<br />
haben einfach nicht mehr die<br />
Geduld, schlechte Kaufberatung zu akzeptieren<br />
- insbesondere, wenn der nächste<br />
Shop nur einen Klick entfernt ist. Und ist das<br />
Vertrauen in Produktvorschläge oder Ähnlichem<br />
mal verloren, kann man es als Online-<br />
Händler nur schwer wieder zurückgewinnen.<br />
Welchen Effekt hat der Einsatz von KI auf<br />
den Händler? Beim größten Online-Händler<br />
Amazon generieren Produktempfehlungen<br />
allein 35% des gesamten Umsatzes [2]. Ein<br />
kluger Einsatz von KI kann schon mal zu einer<br />
Verdopplung der Klick-Conversion führen.<br />
Dafür notwendig ist neben einer guten KI<br />
aber auch ein tiefes Verständnis des Kunden,<br />
der den Online-Shop besucht.Sind<br />
wir bereit für eine KI, die unsere Bedürfnisse<br />
versteht und unsere Entscheidungen<br />
autonom unterstützt? Obwohl es in einigen<br />
Bereichen, oft auch berechtigte Kritik am<br />
Einsatz von KI gibt, ist die Entwicklung insbesondere<br />
im Online-Handel wohl nicht aufzuhalten.<br />
Zu viel einfacher und angenehmer ist<br />
das Einkaufen mit KI-Unterstützung. Laptop,<br />
Waschmaschine, Saugroboter. Kein Mensch<br />
kann Experte in allen Konsumbereichen werden<br />
und darüber hinaus noch allen Marktentwicklungen<br />
und Innovationen folgen.<br />
Künstliche Intelligenz, die mein Wunschprodukt<br />
findet und mich bei der Kaufentscheidung<br />
berät? Diese Technologie muss nicht<br />
immer von großen (amerikanischen) Unternehmen<br />
kommen. In Österreich entwickelt<br />
danube.ai KI, bei der individuelle Kundeninteressen<br />
im Vordergrund stehen. Das Ziel ist<br />
es, KI möglichst vielen Unternehmen in Österreich<br />
zugänglich zu machen und ihnen so<br />
einen Wettbewerbsvorteil zu ermöglichen.<br />
Und was passierte bei der eingangs erwähnter<br />
Verkostung von Marmeladen? Eine Gruppe<br />
verkostete 6, die andere 24 Produkte - den<br />
TeilnehmerInnen wurde danach angeboten,<br />
eine Marmelade zu kaufen. In der Gruppe mit<br />
6 Marmeladen entschieden sich 12% für den<br />
Kauf. Von den TeilnehmerInnen, die 24 Produkte<br />
verkosten durften, kauften am Ende nur<br />
1,8% eine Marmelade. (PW)<br />
danube.ai “Made in Austria" entwickelt<br />
innovative KI für Onlineshops. danube.<br />
ai ermöglicht es den Kunden instant<br />
zu verstehen und in kürzester Zeit zum<br />
Wunschprodukt zu führen - und das völlig<br />
DSGVO-konform. Referenzen:<br />
• https://bit.ly/3F6zNJD<br />
• https://bit.ly/3iGUxQH
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LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S36<br />
INTRALOGISTIK<br />
KNAPP ist Technologie-<br />
Partner für effiziente<br />
E-Commerce-Logistik<br />
Online-Handel liegt im Trend, und das<br />
auch abseits der bekannten E-Commerce-<br />
Giganten. Erst kürzlich eröffnete eMAG.ro,<br />
der größte Online-Retailer in Rumänien, ein<br />
neues, vollautomatisches Auslieferungslager<br />
in Bukarest. Mit eMAG in Rumänien und<br />
weiteren Kunden wie MALL.CZ, HP TRONIC<br />
und Alza.cz in Tschechien, hat sich KNAPP<br />
als Technologie-Partner für E-Commerce-Logistik<br />
auch in Mittel- und Südosteuropa stark<br />
positioniert. BEITRAG: PI REDAKTION<br />
Die Erfolgsstory begann bereits 2015<br />
als sich auf der CeMAT in Hannover<br />
Gespräche mit dem tschechischen<br />
Online-Pionier MALL.CZ ergaben.<br />
Innerhalb von sechs Monaten erarbeitete das<br />
KNAPP-Team eine Lösung, die MALL.CZ durch<br />
die hohe Flexibilität und Skalierbarkeit überzeugte.<br />
Die Lösung wurde bereits so ausgelegt,<br />
dass sie im Lauf der Jahre mit steigenden<br />
Leistungsanforderungen mitwachsen konnte.<br />
Gut vorausgedacht, denn aktuell beliefert die<br />
MALL Group 18 osteuropäische Länder mit insgesamt<br />
130 Millionen Personen und plant weiteres<br />
Wachstum.<br />
E-Commerce-Herausforderung<br />
Hundefutter & Elektronik-Artikel<br />
„Um das breite Warenspektrum effizient zu<br />
bearbeiten, mussten wir sicherstellen, dass<br />
schwere Artikel wie große Säcke mit Hundefutter<br />
genauso automatisch transportiert und<br />
sortiert werden können wie kleine Elektronik-<br />
Artikel“, erzählt Lenka Neuhold, Director Mobile<br />
Subsidiary bei KNAPP, von den Herausforderungen.<br />
Ihr war wichtig, für MALL.CZ maximale<br />
Kosteneffizienz bei maximaler Flexibilität und<br />
Leistung zu erzielen und auch das Bottleneck bei<br />
der Konsolidierung und Verpackung zu lösen.<br />
<strong>LE</strong>NKA NEUHOLD, DIRECTOR MOBI<strong>LE</strong><br />
SUBSIDIARY, KNAPP AG (© KNAPP/<br />
KANIZAJ)<br />
„KNAPP hat erkannt, dass es im E-Commerce-Geschäft<br />
starke Peaks gibt, in denen<br />
hohe Leistungen gefragt sind – und die Lösung<br />
spiegelt dies wider. Andere Anbieter haben<br />
uns Lösungen mit linearem Durchsatz angeboten,<br />
das entspricht aber nicht der Realität. Das<br />
hat uns gezeigt, dass KNAPP unser Geschäft<br />
und unsere Anforderungen versteht – auch<br />
ROI und die Kosteneinsparungen waren besser<br />
als bei anderen Lösungen“, sagt Oldřich
EMAG.RO ERÖFFNETE AM 7. NOVEMBER <strong>2022</strong><br />
SEIN NEUES, VOLLAUTOMATISIERTES LAGER MIT<br />
KNAPP-TECHNOLOGIE IN RUMÄNIEN (© EMAG)<br />
Petránek, inLogistics, Consultant, über die Zusammenarbeit.<br />
Nur 10 Monate nach Vertragsunterzeichnung<br />
ging die erste Ausbaustufe in<br />
der Nähe von Prag live. Die Lösung aus OSR<br />
Shuttle-System und Taschensorter-Technologie<br />
hat sich hervorragend bewährt, war<br />
es doch der erste Einsatz des Taschensorters<br />
EcoPocket außerhalb der Fashion-Logistik. In<br />
den folgenden Jahren wurde das Lager laufend<br />
erweitert: Im Herbst 2018 ging die letzte<br />
Ausbaustufe mit einer Auslieferleistung von<br />
150.000 Stück pro Tag in Betrieb.<br />
eMAG eröffnet vollautomatisches<br />
E-Commerce-Lager in der Nähe von Bukarest<br />
Auch in Rumänien ist KNAPP als Technologie-Partner<br />
etabliert. Eine logische Entwicklung,<br />
denn laut European E-Commerce-Report verfügt<br />
Rumänien über eine der größten E-Commerce-Branchen<br />
in Südosteuropa. Flaggschiff<br />
ist der Online-Händler eMAG. Das Unternehmen<br />
eröffnete Anfang November <strong>2022</strong> feierlich<br />
sein neues, vollautomatisches Distributionszentrum<br />
in Joita, in der Region Giurgiu.<br />
Technologie-Partner KNAPP lieferte dafür 18<br />
Gassen OSR Shuttle Evo, die 29 Pick-it-Easy-<br />
Stationen und den Pick-Roboter Pick-it-Easy<br />
Robot mit Waren versorgen. Für die Sortierung<br />
der Versandkartons ist ein Hochleistungssorter<br />
im Einsatz. Dieser sorgt dafür, dass 15.000<br />
Kartons pro Stunde ausgeliefert werden<br />
können. Damit der Lagerbetrieb immer reibungslos<br />
verläuft, ist ein Team von KNAPP-Service-Techniker:innen<br />
direkt vor Ort im Einsatz.<br />
Diese sogenannten Resident Engineers sorgen<br />
auch dafür, dass die Anlage laufend optimiert<br />
wird. Auch eMAG hat bereits Erweiterungspläne<br />
und Platz für weitere 18 Shuttle-Gassen vorgesehen.<br />
Modernste Automatisierungstechnik<br />
trifft intelligente<br />
Software: Technologien<br />
wie das Shuttle-System OSR
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S38<br />
DIE OSR SHUTT-<br />
<strong>LE</strong>-TASCHENSOR-<br />
TER-LÖSUNG VON<br />
KNAPP ÜBERZEUGTE<br />
MALL.CZ DURCH<br />
HOHE F<strong>LE</strong>XIBILITÄT<br />
UND SKALIERBAR-<br />
KEIT (© KNAPP/<br />
NIEDERWIESER)<br />
Vom ersten Konzept bis zur langjährigen<br />
Zusammenarbeit<br />
Technologie-Partnerschaften für E-Commerce-<br />
und Retail-Logistik bestehen in Südosteuropa<br />
bereits seit vielen Jahren. Für Alza.cz<br />
lieferte KNAPP eine Fördertechnik-Lösung für<br />
ein zentrales Lager in Prag. Mit dem Elektronik-Händler<br />
HP TRONIC arbeitet KNAPP bereits<br />
seit 2016 zusammen. Hier ist eine klassische<br />
Omnichannel-Lösung mit OSR Shuttle und<br />
Ware-zur-Person-Arbeitsplätzen im Einsatz.<br />
Ausgeliefert wird sowohl an eigene Shops als<br />
auch direkt an Online-Kunden.<br />
Automatisierung für E-Commerce<br />
muss nicht aufwändig sein<br />
Der Zeitpunkt und der Einstieg in die Automatisierung<br />
der E-Commerce-Logistik sollten<br />
vorausschauend und schrittweise geplant<br />
werden und sind abhängig von individuellen<br />
Umschlagszahlen und Wachstumsprognosen.<br />
Eine, die seit Jahren Unternehmen bei Einstieg<br />
und Weiterentwicklung ihrer E-Commerce-Logistik<br />
betreut, ist Lenka Neuhold, Director Mobile<br />
Subsidiary, KNAPP AG: „Wir erarbeiten<br />
mit unseren Kunden Szenarien und Ausbauschritte.<br />
Die Lösung muss zu jeder Zeit maximal<br />
wirtschaftlich sein. Häufige Kriterien zu automatisieren<br />
sind wachsende Auftragsvolumina<br />
und Artikelanzahl, aber auch Qualität und<br />
Ausliefergeschwindigkeit. Die Bestellungen<br />
müssen immer schneller und in sehr guter Qualität<br />
zusammengestellt werden, denn kein Online-Kunde<br />
soll durch einen Fehler oder lange<br />
Wartezeit enttäuscht sein“, erklärt sie. Lieferung<br />
am nächsten Tag ist ein Service, das viele<br />
E-Commerce-Kunden bieten oder anstreben.<br />
KNAPP-Technologien helfen, dieses Ziel zu erreichen.<br />
„Zum Beispiel unser Lagersystem OSR<br />
Shuttle Evo, aus dem alle Waren jederzeit<br />
abrufbar sind, One-Touch-Kommissionierung<br />
oder die Vorsortierung von Versandtouren,<br />
zum Beispiel mit dem Taschensorter. Eine<br />
Schlüsselkomponente ist hierbei auch eine<br />
umfassende, intelligente Software-Lösung, wie<br />
wir sie mit unserer KiSoft-Software bieten“, so<br />
Lenka Neuhold abschließend. (RED)
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LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S40<br />
INTRALOGISTIK<br />
Pick-Buddies –<br />
die neue Welt der<br />
kollaborativen und<br />
mobilen Lager-Roboter<br />
Pick-Buddies oder Collaborative Mobile<br />
Robots sorgen als autonome Roboter für<br />
eine smarte Automatisierung bei der Person-zur-Ware<br />
Kommissionierung. Sie sind<br />
einfach zu bedienen, einfach einzuführen,<br />
benötigen in der Regel nur geringe Investitionen<br />
und schließen die Automatisierungslücke<br />
zwischen einer manuellen Kommissionierung<br />
und vollständig automatisierten<br />
Ware-zur-Person-Lösungen auf ihre sehr<br />
smarte Weise. BEITRAG: WOLFGANG KEPLINGER<br />
1. Smarte Lager-Autonomisierung: Smarte<br />
Roboter sorgen für einen Produktivitäts- und<br />
Agilitäts-Booster im Lager<br />
Die Roboterisierung ist eines der wichtigsten<br />
Top-Logistik-Themen der letzten Jahre. Durch<br />
ihre vielfach smarten Eigenschaften haben<br />
die Roboter sehen gelernt, was ihnen nicht<br />
nur beim Fahren selbst sondern auch beim<br />
Aufnehmen bzw. Absetzen der von ihnen<br />
transportierten Materialien sehr hilft. Durch<br />
ihre Sensoren können sie nun eng und ohne<br />
jegliche Gefährdung mit Menschen zusammenarbeiten.<br />
Durch ihre künstliche Intelligenz<br />
lernen sie, jeden Tag etwas besser, zuverlässiger<br />
und sicherer zu werden.<br />
WOLFGANG KEPLINGER<br />
Automatisierte Läger waren jahrzehntelang<br />
durch eine mechanisch basierte Automatisierung<br />
geprägt. Regalbediengeräte lagern<br />
produktiv ein und bedienen die Lagermitarbeiter<br />
zuverlässig mit Material (Ware-zur-Person),<br />
wenn … … ja wenn die Bedarfe recht<br />
konstant anfallen, das Sortiment nicht riesengroß<br />
ist, kurzfristige Veränderungen nicht<br />
stattfinden und Anforderungen wie hohe Lagerdichte<br />
oder geringer Energieverbrauch<br />
eine eher untergeordnete Rolle spielen. Auch<br />
wenn die Einführung der shuttle-basierten Lagertechnologie<br />
einige dieser negativen Aspekte<br />
verringert hat – die Lagerlast wird ja auf<br />
viele kleine Einheiten verteilt und man ist nicht<br />
mehr so sehr von der Verfügbarkeit einiger<br />
weniger Regalbediengeräte abhängig – eine<br />
gewisse Starrheit und geringe Anpassbarkeit<br />
sowohl was Bauraum, Lagerplätze oder Ein-/<br />
Auslagerleistung betrifft, ist auch bei den<br />
shuttle-Systemen erhalten geblieben. Da bedurfte<br />
es der Einführung gänzlich neuer, autonomer<br />
Lagersysteme, um diese Nachteile
wettzumachen. Cube-Systeme stellen die Behälter<br />
direkt aufeinander und zeichnen sich<br />
durch ihre hohe Lagerdichte aus (teilweise bis<br />
zu vierfach so hoch wie manuelle Standardsysteme).<br />
Das inzwischen seit einem Vierteljahrhundert<br />
am Markt verfügbare Autostore nutzt<br />
smarte Roboter zum Ein- und Auslagern der<br />
Behälter von oben, während das neue Powercube-System<br />
von Jungheinrich die Behälter<br />
von unten einschiebt bzw. wieder herausholt.<br />
Systeme wie die Sky-Bots von Exotec zeichnen<br />
sich dadurch aus, dass die Roboter<br />
nicht nur am Hallenboden verfahren können,<br />
sondern auch selbst am Regal die dritte<br />
Dimension (Höhe) bewältigen können – ohne<br />
zusätzliche Regalbediengeräte.<br />
Wieder andere Systeme wie Servus fahren auf<br />
Schienen und können so auch die gelagerten<br />
Materialien nicht nur am Lager selbst bereitstellen,<br />
sondern bis an die Produktionslinie bringen<br />
und dort direkt den Produktionsmitarbeitern<br />
andienen. Alle diese Roboter-basierten<br />
Lagersysteme sind sehr viel flexibler geworden,<br />
nicht nur was den Lageraufbau und die<br />
Nutzung des verfügbaren Raumes angeht, sie<br />
sind auch autonom bezüglich der Steuerung<br />
und flexibel bezüglich Einsatz und Lagerleistung<br />
geworden. Und auch nachhaltig, denn<br />
durch ihre smarte Energierückgewinnung sind<br />
sie auch deutlich energieärmer und sparsamer.<br />
Dies alles führt dazu, dass moderne Lagertechnologien<br />
heute wirklich autonom geworden<br />
sind. Sie passen in fast jeden Raum,<br />
brauchen nicht immer eine gänzlich neue, dedizierte<br />
Lagerhalle, sie sind in kurzer Zeit aufgebaut<br />
und können bei Bedarf flexibel sowohl in<br />
Richtung zusätzlicher Lagerplätze aber auch<br />
zusätzlicher Roboter-Leistung angepasst werden<br />
– und das in beide Richtungen, d.h. es ist<br />
egal ob das Lager vergrößert oder verkleinert<br />
wird. Dabei liegen die Kosten nicht trotz, sondern<br />
vor allem wegen der guten Skalierbarkeit<br />
der autonomen Lagertechnologien nicht nur<br />
maximal im Bereich der mechanisch automatisierten<br />
Technologien, sondern in vielen Fällen<br />
sogar (merkbar) darunter.<br />
2. Seite an Seite: Pick-Buddies – die wirklich<br />
kollaborativen Roboter-Kollegen<br />
Wenn Sie also im E-Commerce oder im Distributionsbereich<br />
tätig sind, wenn sie heute<br />
Ihr Lager vor allem manuell betreiben, wenn<br />
Sie tendenziell ein eher großes Sortiment mit<br />
nicht allzu hoher Spitzenleistung bedienen,<br />
dann sollten Sie über eine smarte Automatisierung<br />
ihres Lagers nachdenken. Dazu<br />
müssen Sie nicht gleich eine nicht zu unterschätzenden<br />
Investition in ein smartes und<br />
autonomes Ware-zur-Person System im Fokus<br />
haben. Denn es gibt nun mit den Pick-Buddies<br />
oder den Collaborative Mobile Robots<br />
wie sie offiziell richtig bezeichnet werden eine<br />
smarte und autonome Automatisierung im<br />
Mann-zur-Ware-Bereich. Die Collaborative<br />
Mobile Robots schließen somit die Automatisierungslücke<br />
zwischen vollständig manuell
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S42<br />
operierten Lägern (Mann-zur-Ware) und einer<br />
vollständigen Automatisierung auf Basis<br />
eines Ware-zum Mann-Systems. Die bekanntesten<br />
Anbieter von Pick-Buddies sind Locus,<br />
6 River Systems, Fetch Robotics und Geek+.<br />
Die Pick-Buddies unterstützen dabei die Kommissionierer,<br />
in dem Sie ihnen die vielen langen<br />
Wege zwischen dem Kommissionierbereich<br />
und dem Konsolidierungs- bzw. Versandbereich<br />
abnehmen. Pick-Buddies helfen den<br />
Kommissioniern auch, indem Sie die Bilder von<br />
den zu pickenden Waren anzeigen, den Kommissionierer<br />
zum entsprechenden Lagerfach<br />
hinführen oder dort bereits auf den Kommissionierer<br />
warten. Durch einen Scanner ermöglichen<br />
die Pick-Buddies die Bestätigung des<br />
erfolgreichen Pickens und mittels eines Put-by-<br />
Light-Systems zeigen Sie dem Kommissionierer<br />
auch an, in welchen von den mitgeführten Behältern/Kartons<br />
er die Ware ablegen soll, um<br />
sie der richtigen Auftragsposition zuzuführen.<br />
Dabei sind die Pick-Buddies praktisch bei allen<br />
Anbietern so konzipiert, dass sie einfach und<br />
intuitiv zu bedienen sind. Für die meisten<br />
Pick-Buddies genügt deshalb ein Training im<br />
Bereich von wenigen Minuten. Wie sie bereits<br />
erkannt haben, ist die enge Mensch-Maschine-Kooperation<br />
für die Pick-Buddies ein<br />
Grundprinzip. Über die Sicherheit dieser Zusammenarbeit<br />
brauchen Sie sich keine Gedanken<br />
machen, sie ist in vielen realisierten<br />
Anwendungen nachgewiesen.<br />
Wirtschaftlich wird ein eine Unterstützung mit<br />
Pick-Buddies vor allem, wenn sie mindestens<br />
10 Kommissionierer im Einsatz haben, ihr manuelles<br />
Lager über 3.000 m2 groß ist und Ihr<br />
tägliches Volumen von Kunden-Auftragspositionen<br />
über 2.000 Positionen liegt. Denn<br />
daraus ziehen die Pick-Buddies den zweiten<br />
großen Optimierungshebel neben der Eliminierung<br />
der Wegezeiten für die Kommissionierer:<br />
Sie arbeiten mit dynamisch veränderbaren<br />
Pick-Zonen und sorgen dafür, dass ein<br />
Kommissionierer innerhalb von einer Pick-Zone<br />
möglichst wenige und möglichst kurze Wege<br />
hat. D.h. sie durchforsten ständig den gesamten<br />
Auftragspool auf lokal nahe beisammen<br />
liegende Materialien, um Ihr Optimierungspotential<br />
hoch zu halten. Zumeist wird diese Optimierung<br />
durch künstlich intelligente Optimierungstools<br />
unterstützt.<br />
Damit die Pick-Buddies den Kommissionierern<br />
wirklich helfen können, und die Kommissionierer<br />
nicht ständig auf die Pick-Buddies<br />
warten müssen, arbeiten die meisten Systeme<br />
mit mehreren Robotern pro Kommissionierer.<br />
Dabei reicht der Range von 2 Robotern pro<br />
Kommissionierer bei tendenziell kleinen Lägern<br />
und kleinem Sortiment bis zu 5 Robotern pro<br />
Kommissionierer bei großen Lagerbereichen<br />
und einem großen und deshalb teilweise eher<br />
langsamdrehenden Sortiment. Die Zahl der<br />
notwendigen Roboter ist insofern wichtig, als<br />
sie der wichtigste Kostentreiber bei der Installation<br />
eines Pick-Buddy Systems ist. Die Anbieter<br />
von Pick-Buddies weisen in einer Vielzahl<br />
von Veröffentlichungen deutliche Produktivitätssteigerungen<br />
vor. Vielfach wird von einer<br />
Verdoppelung der Anzahl der kommissionierten<br />
Kundenaufträge durch CMR-Einführung<br />
gesprochen. Ob das für sie wirtschaftlich<br />
ist, werden wir im nächsten Kapitel gleich<br />
besprechen.<br />
3. Robotic-as-a-Service: Eine Technologie fast<br />
ohne kommerzielles Risiko?<br />
Wenn Sie also ein manuelles Lager betreiben,<br />
die beschriebenen Randbedingungen von<br />
Größe, Mitarbeiteranzahl und Auftragspositionen<br />
erfüllen, und über eine smarte Automatisierung<br />
nachdenken, dann sollten sie zunächst<br />
einmal die Gespräche mit einigen (wenigen)<br />
CMR-Anbietern suchen, um selbst besser mit<br />
der Technologie vertraut zu werden. Und um<br />
durch 2 – 3 Angebote die möglicherweise auf<br />
sie zukommenden Investitionen bzw. kontinuierlich<br />
anfallenden Service-Kosten besser<br />
abschätzen zu können. Bezüglich Sicherheit,<br />
Integration der Roboter in Ihre Lagerabläufe<br />
und die Akzeptanz der Roboter durch ihre<br />
Mitarbeiter sollten sie möglichst rasch einen<br />
Vor-Ort-Piloteinsatz durch einen der Anbieter<br />
organisieren. Denn es gibt kaum eine Automatisierungstechnologie,<br />
die man so rasch<br />
und einfach vor Ort testen kann wie die der<br />
Pick-Buddies.<br />
In der Regel brauchen Sie keine physischen Umbauten<br />
ihres Lagers, sie brauchen nur eine einfache<br />
Integration mit Ihrem WMS und deshalb<br />
auch keine Umprogrammierungen. Das physische<br />
Equipment selbst, d.h. die Roboter sind<br />
klein und einfach zu transportieren und in den<br />
meisten Fällen steht einem ein-/zweiwöchigen<br />
Test mit 1 – 2 Robotern ganz wenig entgegen.
Damit sehen Sie gleich in ihrer tatsächlichen<br />
Lagerwelt, ob und wie die Roboter funktionieren,<br />
ob und wie sie sich in ihre Prozesse einbinden<br />
lassen, ob und wie die Mitarbeiter die<br />
„neuen Kollegen“ akzeptieren oder nicht. Und<br />
sie werden sehen, dass sie selbst in der kürze<br />
der Zeit ganz viel über die neue Technologie<br />
lernen und Ängste vor dem Einsatz reduzieren<br />
werden. Bevor Sie dann aber über den Einsatz<br />
dieser Technologie final entscheiden, sollten<br />
Sie mit ihren 2 – 3 Anbietern auch die notwendigen<br />
Investitionen (CAPEX) bzw. die notwendigen<br />
dauerhaft anfallenden Kosten (OPEX)<br />
abgeklärt haben. Und zwar so, dass auch für<br />
Sie ein positiver Business Case daraus wird.<br />
Die meisten Anbieter von Pick-Buddies präferieren<br />
eine Bezahlung in Form eines Robots-as-a-Service<br />
Modells. Die einmaligen<br />
Projekteinführungskosten liegen in der Regel<br />
in einem niedrigen sechsstelligem Bereich<br />
(hängt vielfach von der Größe des Lagers<br />
ab) und somit sind die CAPEX für diese<br />
Form der Automatisierung gering. Das Robotics-as-a-Service-Modell<br />
(RaaS) klingt<br />
am Anfang auch vielversprechend. Denn<br />
die Anbieter sind geübt, Ihnen eine kurze<br />
Amortisationszeit vorzurechnen. Allerdings<br />
lohnt es sich in den meisten Fällen - gerade<br />
bei einem RaaS-Modell - auf die wirklichen<br />
Kosten und ihre tatsächlich langfristig erzielten<br />
Kostenvorteile zu schauen. Bei einem meiner<br />
kürzlich durchgeführten Kundenprojekte hatten<br />
wir den Fall, dass die Pick-Buddy-Anbieter<br />
eine monatliche Fee pro Roboter in der<br />
Größenordnung von 1.200 – 1.500 € erzielen<br />
wollten. Das klingt nicht hoch, denn es kreiert<br />
jährliche Kosten zwischen 15.000 € und<br />
18.000 €. Der Nachteil bei einem RaaS-Modell<br />
liegt darin, dass die Anbieter diesen Betrag<br />
unendlich lange, d.h. über den gesamten<br />
Lebenszyklus des Roboters verlangen.<br />
Wenn sie also ein System haben, bei dem<br />
sie 3 Roboter pro Kommissionierer einsetzen,<br />
dann entstehen rasch jährliche Kosten in der<br />
Größenordnung von 45.000 € bis 50.000 €.<br />
Das zahlen in Deutschland mittlerweile viele<br />
Firmen auch für einen operativen Logistik-Mitarbeiter<br />
in Form von dessen Lohnkosten. Wenn<br />
sich also die mit den Pick-Buddies erzielte<br />
Kommissionierleistung verdoppelt (was viele<br />
CMR-Systeme auch erreichen), dann haben<br />
Sie vordergründig nichts gewonnen.<br />
Sie haben die jährlichen Mitarbeiterkosten<br />
gegen jährliche RaaS-Kosten für einen Roboter<br />
ausgetauscht. Jetzt werden Sie argumentieren:<br />
eigentlich kein schlechter Deal,<br />
denn die meisten Firmen haben mittlerweile<br />
Probleme, gute und zuverlässige Logistik-Mitarbeiter<br />
zu finden und für sich zu begeistern.<br />
Der Markt an zuverlässigen Mitarbeitern ist<br />
nämlich zur Zeit in den meisten Regionen sehr<br />
knapp. Der tatsächliche Vorteil des Pick-Buddies<br />
liegt aber bei dieser Rechnung darin, dass<br />
der Roboter-Kollege weniger rasch ermüdet.<br />
Er arbeitet nämlich für das gleich Geld nicht<br />
nur eine, sondern sogar drei Schichten. Kurzum:<br />
für meinen Klienten hat sich das RaaS-Modell<br />
mit der Einführung eines 3-Schicht-Betriebes<br />
gelohnt. Damit braucht man nämlich für<br />
die notwendige Anzahl von Kundenauftragspositionen<br />
insgesamt weniger Kommissionierer<br />
und mit einem Verhältnis von 2 – 5 Robotern pro<br />
Kommissionierer auch weniger Roboter für die<br />
die monatliche Service-Rate zu bezahlen ist.<br />
Und damit rechnet sich dann die Pick-Buddy-<br />
Einführung innerhalb von wenigen Jahren.<br />
Aber noch erfolgreicher kaufen Sie Ihren<br />
Pick-Buddy, wenn Sie mit Ihrem CMR-Lieferanten<br />
nicht eine Bezahlung auf dem Robotic-asa-Service<br />
Prinzip (RaaS) vereinbaren, sondern<br />
ein RaaT, eine Bezahlung der monatlichen<br />
Service-Rate nur für den Fall, wenn zuvor<br />
vereinbarte Leistungsziele erreicht wurden,<br />
also auf dem Prinzip Robotics-at-achieved-<br />
Targets. (RED)<br />
Info eMail: wolfgang.keplinger@eccell.online
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S44<br />
INTRALOGISTIK<br />
Cyber Days –<br />
Effizientes Omnichannel<br />
Fulfillment auch<br />
in Peak-Zeiten<br />
Die Dynamik des E-Com-Marktes und die<br />
Kleinteiligkeit der Sendungen ist nur mit leistungsfähigen<br />
Omnichannel Logistikkonzepten<br />
zu bewältigen.<br />
BEITRAG: PI REDAKTION<br />
Das finnische Einzelhandelsunternehmen<br />
Stockmann wickelt sämtliche Lieferungen<br />
an Filialen und E-Commerce-<br />
Kunden aus einem hochautomatisierten<br />
Logistikzentrum im Großraum Helsinki ab.<br />
Das Sortiment umfasst Hängeware, Liegeware<br />
und weitere Artikel, die alle in<br />
dem automatisierten, multifunktionalen<br />
Distributionszentrum gelagert werden.<br />
Alle Jahre wieder läutet der Black<br />
Friday inzwischen global die umsatzstarke<br />
Peak Saison im Handel<br />
ein. Die Zeiten, in denen diese Verkaufsaktion<br />
mit vielen Rabatten auf den Freitag<br />
nach Thanksgiving und ausgesuchte Produkte<br />
oder Produktgruppen beschränkt war,<br />
sind jedoch vorbei. Immer häufiger weiten die<br />
Anbieter ihre Verkaufsmaßnahmen und Rabattschlachten<br />
über eine ganze Black Week<br />
aus und gehen mit dem Cyber Monday und<br />
weiteren Angeboten nahtlos in die heiße Endphase<br />
des Weihnachtsgeschäfts über.<br />
Wie wird sich das Kaufverhalten in herausfordernden<br />
Zeiten entwickeln?<br />
In diesem Jahr setzen viele Einzelhändler auf<br />
einen größeren Lagerbestand. Sie haben früh<br />
bestellt, um im Gegensatz zum letzten Jahr<br />
genügend Vorräte zu haben. Vor allem in den<br />
USA und Asien rechnet die Branche zum Weihnachtsgeschäft<br />
traditionell mit einer erhöhten<br />
Nachfrage der Verbraucher. In Europa ist die<br />
Konsumlaune aufgrund der gestiegenen Ener-
gie- und Lebenskosten, der hohen Inflation sowie<br />
einer generellen Unsicherheit im Hinblick<br />
auf den Krieg in der Ukraine teilweise eingetrübt.<br />
Mit der Rabattschlacht anlässlich des<br />
Black Friday erwartet die Branche trotzdem<br />
eine erhöhte Nachfrage, die es möglichst<br />
schnell und effizient zu bewältigen gilt.<br />
Effiziente Intralogistik für Standard- und Peak-Zeiten<br />
In der Kommissionierung und im Versand konnten<br />
saisonale Spitzen bisher über Umorganisationen<br />
im Lager und der Einrichtung von<br />
Schnelldreher-Pickzonen inklusive Aufstockung<br />
des Personals realisiert werden. Insbesondere<br />
Letzteres wird zunehmend schwieriger. Aber<br />
auch die Ausweitung von Rabattaktionen auf<br />
weite Teile des bestehenden Sortiments oder<br />
saisonal zusätzlich eingekaufte Ware erhöht<br />
die Komplexität und Dynamik im Lager. Hinzu<br />
kommen Probleme im Nachschub durch Lieferschwierigkeiten<br />
oder Transportengpässe,<br />
Preissteigerungen sowie erhöhte Krankheitsausfälle<br />
im Lager.<br />
Erfolgreich agierende E-Commerce- und Omnichannel-Händler<br />
haben ihre Lagerlogistik<br />
entsprechend zukunftsfähig aufgestellt. Um<br />
höhere Durchsätze erzielen zu können, werden<br />
Lager-, Transport- und Kommissionierprozesse<br />
möglichst passgenau, flexibel und<br />
nachhaltig automatisiert. SSI Schäfer unterstützt<br />
Unternehmen auf der ganzen Welt als<br />
Intralogistikpartner mit jahrzehntelanger Erfahrung<br />
und einer enormen Produktbreite – vom<br />
Lagerlift SSI LOGIMAT® über FTS (Fahrerlose<br />
Transportsysteme) und Robotik-Anwendungen,<br />
der SSI Carrier Hängefördertechnik bis<br />
hin zum hochleistungsfähigen 3D-MATRIX Solution®<br />
Automatik-Lager und den modernen<br />
Software-Lösungen mit WAMAS® und SAP.<br />
E-Grocery – Omnichannel-Logistiklösung für<br />
Lebensmittelhändler Lotus’s in Thailand<br />
Ein Best Practice Beispiel aus dem weltweit<br />
wachsenden E-Commerce-Segment Lebensmittel<br />
ist der mit über 2.000 Filialen, 15 Mio.<br />
Kunden und einer Online-Plattform in Thailand<br />
agierende Hypermarkt Lotus‘s. Um auf die
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S46<br />
Elektrotechnik-Anbieter Fust investiert in Omnichannel-Lösung<br />
Um sich für das wachsende E-Commerce-Geschäft<br />
zu rüsten, hat die Schweizer Coop-Tochter<br />
Dipl.-Ing. Fust AG, größter Anbieter<br />
für Elektrohaushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik<br />
und Computer in der Schweiz, in die<br />
Modernisierung und den Ausbau des Logistikstandorts<br />
Oberbüren im Kanton St. Gallen investiert.<br />
Das Ziel war, die Lagerkapazitäten zu<br />
zentralisieren sowie das zuvor im Kern auf die<br />
Filialbelieferung ausgerichtete Logistikkonzept<br />
auf die geänderten Anforderungen sowohl im<br />
B2B als auch im B2C-Geschäft auszurichten.<br />
Zusammen mit SSI Schäfer hat das Unternehmen<br />
eine höchst effiziente und äußerst flexible<br />
Omnichannel-Lösung realisiert, die sich in der<br />
Corona-Pandemie mit dem rasanten Anstieg<br />
der Online-Bestellungen bereits mit hoher Prozess-<br />
und Ausfallsicherheit bewährt hat.<br />
wachsende Nachfrage und das Omnichannel-Konsumentenverhalten<br />
zu reagieren, hat<br />
der Lebensmittelhändler in seinem größten<br />
Stückgutverteilzentrum in WangNoi zusammen<br />
mit SSI Schäfer ein innovatives Materialflusskonzept<br />
mit Teilautomatisierung umgesetzt.<br />
Das Hauptziel des Projekts war es, eine kosteneffizientere<br />
Lösung für die Stückgutlagerung<br />
und Einzelstückkommissionierung auf der bestehenden<br />
Grundfläche zu entwickeln, um<br />
die Arbeitsproduktivität zu erhöhen und die<br />
Aufträge effizienter abzuwickeln. Die Lösung<br />
beinhaltete eine mehrgeschossige manuelle<br />
Pickanlage mit Kartondurchlaufregalen für<br />
die Lagerung von schnelldrehenden Artikeln<br />
und eine sämtliche Kommissionierzonen und<br />
Arbeitsplätze verbindende Karton- und Behälterfördertechnik.<br />
Neben der Umrüstung der<br />
Hardware des Lagers wurden die gesamten<br />
Prozesse innerhalb der bestehenden Oracle<br />
WMS-Umgebung über eine IT-Schnittstelle in<br />
WAMAS integriert, ohne ein Re-Engineering für<br />
ein komplett neues WMS durchzuführen. Das<br />
Ergebnis ist eine flexible Logistiklösung vom<br />
Auftragsstart über die Kommissionierung und<br />
Versand-Sortierung.<br />
In einer Bauzeit von nur zwei Jahren wurde<br />
die logistische Nutzfläche auf 50.000 m² verdoppelt.<br />
Parallel dazu sind die erforderlichen<br />
Lagerkapazitäten verdreifacht worden. Der<br />
skalierbare Lösungs-Mix besteht aus einem Behälterlager<br />
mit dem Einebenen-Shuttle-System<br />
SSI Cuby, einem Hochregallager, Lösungen für<br />
manuelle Bereiche sowie der Logistiksoftware<br />
WAMAS inklusive Warehouse Control System,<br />
um alle automatisierten Lagerressourcen sequenziert<br />
und synchronisiert zu steuern. Durch<br />
optimierte Prozesse konnte die Produktivität<br />
in der Kleinteilekommissionierung um beachtliche<br />
40 % gesteigert werden. Das SSI Cuby<br />
leistet hier einen wichtigen Beitrag durch die<br />
passgenaue und effiziente Bereitstellung der<br />
Kommissionierbehälter an die Arbeitsplätze.<br />
Während zuvor für die Filialbelieferung und das<br />
Online-Geschäft zusammengefasst etwa 1.800<br />
Versandpakete pro Tag produziert werden<br />
konnten, ist Fust heute in der Lage, für beide<br />
Absatzkanäle in Summe 4.000 Sendungen<br />
täglich auf den Weg zu bringen.<br />
Kaufhaus-Betreiber Stockmann wickelt Verkaufskampagnen<br />
online und offline dank<br />
hochverfügbarer Logistik erfolgreich ab<br />
Seit 2016 wickelt das finnische Einzelhandelsunternehmen<br />
Stockmann sämtliche Lieferungen<br />
an Filialen und E-Commerce-Kunden aus<br />
einem hochautomatisierten Logistikzentrum im
Großraum Helsinki ab. Das Sortiment umfasst<br />
Hängeware, Liegeware und weitere Artikel,<br />
die alle in dem automatisierten, multifunktionalen<br />
Distributionszentrum gelagert werden.<br />
Die von SSI Schäfer entwickelte Anlage ist für<br />
einen Durchsatz von 55.000 Auftragspositionen<br />
mit 180.000 Einzelteilen pro Tag ausgelegt.<br />
Während die gesamte Hängeware über<br />
die energieeffiziente Hängefördertechnik<br />
transportiert und sortiert wird, hat SSI Schäfer<br />
für das flexible Handling der Liegeware die<br />
3D-MATRIX Solution implementiert. Dabei handelt<br />
es sich um ein 8-stöckiges Shuttle-Lager<br />
mit 130.500 Lagerplätzen für die doppelttiefe<br />
Lagerung und 45 Lifte für die parallele Ein- und<br />
Auslagerung von Behältern. Die angeschlossene<br />
Kommissionierzone für Liegeware beherbergt<br />
9 Kommissionier-Arbeitsplätze. Die Kommissionierung<br />
der Hängeware ist auf 3 Ebenen<br />
angeordnet und bietet Platz für über 350.000<br />
Kleidungsstücke.<br />
Die gesamte Lösung wurde mit Blick auf mögliche<br />
Erweiterungen konzipiert. Das bedeutet,<br />
dass das Layout des Lagers in der Lage<br />
ist, bei Bedarf weitere Anlagenteile sowohl<br />
für Hängeware als auch für Liegeware in das<br />
System zu integrieren, um dem Wachstum des<br />
Unternehmens und möglichen zukünftigen<br />
Veränderungen Rechnung zu tragen. Des<br />
Weiteren setzt Stockmann auf den umfassenden<br />
Wartungs- und Instandhaltungsservice<br />
"Schäfer Maintenance Philosophie (SMP)" von<br />
SSI Schäfer, der sowohl bei saisonalen Verkaufsspitzen<br />
als auch bei der Abwicklung der<br />
täglichen Standardmengen unterstützt. Das<br />
Residence Maintenance (RM) Team von SSI<br />
Schäfer ist jeden Tag vor Ort, überwacht die<br />
Leistungsfähigkeit der Systeme und ist bereit,<br />
jede auftretende Herausforderung sofort zu<br />
lösen, um eine Unterbrechung der Anlage zu<br />
verhindern. In der Haupt- und Nebensaison<br />
sind 5 bis 6 RM-Mitarbeitende für Stockmann<br />
im Einsatz, in Spitzenzeiten wird das Team auf<br />
6 bis 8 Techniker:innen erweitert.<br />
Fazit: Eine intralogistische Gesamtlösung zur<br />
Bedienung sämtlicher Vertriebskanäle aus einem<br />
System bietet für Omnichannel-Anbieter<br />
viele Vorteile. So haben sie zu jeder Zeit Zugriff<br />
auf ihren gesamten Bestand und können jede<br />
Bestellung, unabhängig davon, ob sie aus der<br />
Filiale oder von einem E-Com-Kunden stammt,<br />
bedienen. Mit Hilfe leistungsfähiger und flexibler<br />
Automationslösungen lassen sich Lager-, Transport-<br />
und Kommissionierprozesse effizient abwickeln<br />
und auch veränderte Anforderungen<br />
und saisonale Spitzen zuverlässig bewältigen.<br />
Ein wichtiger Vorteil für die Mitarbeitenden<br />
sind zudem ergonomische Arbeitsplätze mit<br />
IT-gestützten und intuitiv gestalteten Prozessen<br />
und die automatische Unterstützung bei besonders<br />
belastenden Tätigkeiten. Um höchste<br />
Verfügbarkeit der Systeme zu gewährleisten,<br />
bietet SSI Schäfer ein breites Portfolio<br />
an Serviceleistungen unter Nutzung smarter<br />
Technologien, die individuell auf die Bedürfnisse<br />
des Kunden zugeschnittenen werden.<br />
Mit Blick auf die Zukunft wird die Effizienz in der<br />
Abwicklung von Online-Bestellungen immer<br />
wichtiger, um den gestiegenen Anforderungen<br />
des Onlinehandels zu begegnen, denn die höheren<br />
Energie- und Einkaufspreise drücken zusammen<br />
mit den Transportkosten zunehmend<br />
auf den Gewinn der Einzelhändler.(RED)
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S48<br />
INTRALOGISTIK<br />
Von Anfang an richtig:<br />
Ganzheitliche Fabriksplanung<br />
von innen<br />
nach außen<br />
Gestörte Lieferketten, explodierende Energiepreise<br />
und instabile Marksituationen<br />
machen den Produktions- und Logistikbereichen<br />
vieler Unternehmen branchenübergreifend<br />
derzeit schwer zu schaffen.<br />
BEITRAG: PI REDAKTION<br />
„Die ganzheitliche Fabrikplanung<br />
erfolgt nach dem<br />
Line-Back-Prinzip: Geplant<br />
wird rückwärts vom Bedarf<br />
des Bauortes und von den<br />
Bedarfen der Prozesse und<br />
Materialflüsse, bis an die<br />
Fabrikhülle und weiter in die<br />
Anlieferung und Entsorgung<br />
der Fabrik.“<br />
Um darauf zu reagieren, gilt es für<br />
Unternehmen, die eigenen Prozesse<br />
auszurichten, sich bestmöglich<br />
im Netzwerk zu positionieren und<br />
die Kostensituation zu verbessern. Daraus resultierend,<br />
kann es zur Überlegung bzgl. eines<br />
weiteren oder neuen Standortes bzw. Fabrik<br />
oder zur Umgestaltung eines bestehenden<br />
Werkes kommen. Zum Teil setzen Unternehmen<br />
diese komplexen und anspruchsvollen<br />
Planungsaufgaben häufig in Eigenregie um,<br />
ohne die jahrelange Expertise, die nötigen<br />
Ressourcen und das Wissen zu haben. Denn<br />
sowohl aus inhaltlicher als auch aus planerischer<br />
Sicht ergeben sich bei der Gestaltung<br />
einer neuen Fabrik große Herausforderungen.<br />
Diesen können Unternehmen mit professionaler<br />
Expertise und methodisch systematischem<br />
Vorgehen begegnen. Schon im privaten Bereich<br />
beim Bauen oder Erneuern, setzen viele<br />
auf das professionelle Know-how von Experten<br />
und Fachleuten. Vor allem, wenn Fachwissen<br />
und Erfahrung oder schlichtweg die Kapazität<br />
fehlt, ist man gut beraten, sich die Arbeits- und<br />
Planungsleistung extern zu holen. Denn die<br />
Planungsexperten wissen, was methodisch zu<br />
tun ist und arbeiten systematisch unter Anwendung<br />
von Tools besser als man es selbst neben<br />
dem eigenen operativen Agieren her könnte.<br />
Ein Projekt wird mit Experten, die auch branchenübergreifende<br />
Erfahrung mitbringen und<br />
wissen was State-of-the art ist, deutlich effizienter<br />
und so letztlich auch professioneller umgesetzt<br />
als durch die Arbeit im Eigenbetrieb.<br />
Was im Kleinen, nämlich beim Eigenheim gilt,<br />
trifft umso mehr auf das Große, nämlich eine<br />
Fabrik, zu: Gut beraten ist, wer für die Fabrikplanung,<br />
die im Idealfall von Innen nach Außen<br />
erfolgt, Experten hinzuzieht.
Fabrik um Prozessabfolge und Materialflüsse<br />
herum planen<br />
Um eine neue Fabrik zu planen oder eine bestehende<br />
umzugestalten, ist der Ansatz der<br />
ganzheitlichen Fabrikplanung von innen nach<br />
außen der beste Weg, der dauerhaft und<br />
nachhaltig zum Erfolg führt. Denn nicht nur die<br />
Gebäudestruktur an sich ist das Ziel, sondern<br />
es gilt, den Standort bestmöglich in den Produktionsverbund<br />
und das logistische Netzwerk<br />
zu integrieren, sowie die Prozesse und Materialflüsse<br />
innerhalb der Fabrik optimal abzubilden.<br />
Der Ansatz verfolgt hierbei deshalb das<br />
Line-Back-Prinzip, und zwar wird rückwärts geplant:<br />
vom Prozessschritt des Verbau- oder Bedarfsortes,<br />
über die vor- und nachgelagerten<br />
Prozessschritte und Materialflüsse, bis an die<br />
Fabrikhülle oder Standortgrenze und weiter<br />
in die Anlieferung (Inbound) und Ablieferung<br />
(Outbound)der Fabrik – also von innen nach<br />
außen.<br />
In einer ersten strategischen Projektphase<br />
müssen zunächst das zu fertigende Produktportfolio,<br />
Mengengerüst, Veränderungen der<br />
Kundenanforderungen, Marktanforderungen,<br />
die Beschaffungssituation und weitere Aspekte<br />
der Zukunft analysiert und die Einflüsse<br />
auf Fertigungstechnologien, Prozesse und<br />
Materialflüsse für die Produktion identifiziert<br />
werden. Zusätzlich werden bestimmte Parameter<br />
festgelegt, wie beispielsweise das Zieljahr<br />
der Fertigstellung, der SOP-Meilenstein,<br />
der Hochlauf, die Betriebsdauer der Fabrik<br />
bzw. Produktionsstätte, die zukünftige Einbettung<br />
in die Unternehmensstrategie sowie Rahmenbedingungen,<br />
Fixpunkte und Prämissen.<br />
Fabrik vom Produktions- und Logistikprozess<br />
über die Materialfluss-, Aufstellungs- und Industriebauplanung<br />
bis hin zur Erstellung von Lastenheften,<br />
Ausschreibungen und Vergaben.<br />
Sobald sämtliche Parameter bei der Planung<br />
definiert wurden, beginnt die bauliche Phase<br />
der Fabrikerstellung. Dieser Projektschritt umfasst<br />
auch die Planung, Integration und Steuerung<br />
der Lieferanten von Maschinen, Anlagen<br />
sowie die Vorbereitung des Serienlaufs. An<br />
die Inbetriebnahme der Fabrik kann sich eine<br />
Anpassung bzw. Optimierung der Produktions-<br />
und Logistikbereiche anschließen und<br />
es können gegebenenfalls weitere oder neue<br />
Produkte mit dem Augenmerk auf weitere<br />
Verbesserungen, Produktivitätssteigerungen,<br />
Kostensenkungen oder auch Digitalisierungsvorhaben<br />
implementiert werden.<br />
Einklang von Gebäuden, Prozessen, Liefernetzwerken<br />
und Digitalisierung<br />
Mit der Fabrikplanung von innen nach außen<br />
mit dem Line Back Ansatz ist es möglich, die<br />
Planung des Gebäudes, der Prozesse und<br />
„Wagen Unternehmen die Fabrikplanung<br />
allein und ohne Unterstützung,<br />
zeigt die Erfahrung<br />
von Experten, dass die neue Fabrik<br />
oftmals den erforderlichen<br />
Ansprüchen nicht genügt, Fehler<br />
begangen werden und auch die<br />
Budgetplanung falsch durchgeführt<br />
wurde.“<br />
Aus der Analyse heraus lassen sich Konzepte<br />
für die Produktions- und Logistikprozesse innerhalb<br />
der neuen Fabrik ableiten, die wiederum<br />
ein Bestandteil des Masterplans für Fertigung,<br />
Logistik und Gebäude sind. Wie sich beispielsweise<br />
Logistikkosten oder die Verfügbarkeit<br />
von Mitarbeitern auf den neuen oder zu beplanenden<br />
Standort auswirken, lässt sich vorab<br />
simulieren; die Ergebnisse und die daraus<br />
resultierenden Entscheidungen fließen in den<br />
Masterplan mit der Beschreibung der Konzepte<br />
ein. Auf dieser Grundlage erfolgt zum späteren<br />
Zeitpunkt die detaillierte Ausplanung der
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S50<br />
Materialflüsse, die Integration in Liefernetzwerke<br />
sowie die Digitalisierung miteinander<br />
in Einklang zu bringen. Dafür werden tiefergehende<br />
Analysen zu den Bereichen Produktion<br />
und Logistik, IT-Systeme und Gebäude<br />
durchgeführt. Dabei betrachten Experten<br />
die einzelnen Bereiche sowohl für sich als<br />
auch in Relation zu den anderen sowie hinsichtlich<br />
der Prozessabfolge im Unternehmen.<br />
Während der Phase der Produktentwicklung<br />
zum Beispiel setzt in den Bereichen Produktion<br />
und Logistik die Produktberatung an.<br />
Analyseschwerpunkte bilden hier die Produktbaubarkeit,<br />
das Produkthandling in der<br />
Produktion sowie die Fertigung. Die Ergebnisse<br />
der Phase Produktdesign sind die Prüfung des<br />
Einsatzes von zukunftsfähigen und innovativen<br />
Technologien und die Sichererstellung<br />
effizienter Baubarkeit. Überschneidungen<br />
gibt es zwischen Produktion und Logistik in der<br />
Phase Produktdesign bereits mit dem Bereich<br />
IT-System, aufgrund der Entwicklung einer<br />
Digitalisierungsstrategie. Die Digitalisierungsstrategie<br />
wiederum überschneidet sich auch<br />
mit der Konzeptberatung, die sich im Unternehmensprozess<br />
Produktions- und Logistikplanung<br />
an die Produktberatung anschließt.<br />
Vielfältige Herausforderungen an ganzheitliche<br />
Fabrikplanung<br />
Von der Produktions- und Logistikplanung über<br />
die Vorbereitung der Fertigung von Prototyp<br />
und Vorserie bis hin zur Serienproduktion ziehen<br />
sich die Analysen in den drei Bereichen<br />
Produktion und Logistik, IT-Systeme und Gebäude<br />
überschneidend hindurch. Einzelne<br />
Analysen sind mit anderen vernetzt und bedingen<br />
sich. Entsteht beispielsweise in der<br />
Phase Produktions- und Logistikplanung ein<br />
Automatisierungskonzept, so hat dies Auswirkungen<br />
auf den Bereich IT, weil es in das Digitalisierungskonzept<br />
einfließen muss; und auch<br />
auf den Bereich Gebäude, weil sich das neue<br />
Gebäude an den Bedürfnissen der Produktion<br />
und Logistik orientieren soll. Die Entwurfsplanung<br />
des Gebäudes bezieht daher die Maschinen-<br />
und Anlagenplanung mit ein. Für die<br />
Ausschreibung und Vergabe der Anlagen<br />
müssen deshalb vorab Lastenhefte mit entsprechenden<br />
Anforderungen an die Errichter<br />
erstellt werden, um das Automatisierungsund<br />
die Digitalisierungskonzept umsetzen zu<br />
können. Bevor die Maschinen aber tatsächlich<br />
in Betrieb genommen werden, erfolgt<br />
im Bereich Produktion und Logistik zunächst<br />
eine virtuelle Inbetriebnahme, um Verbesse-<br />
Der Prozess der gesamtheitlichen Fabrikplanung gestaltet sich komplex: Zu den einzelnen Phasen im Unternehmen – vom Produktdesign,<br />
über die Produktions- und Logistikplanung sowie die Fertigung der Vorserie bis hin zu Serienproduktion, finden in den Bereichen Produktion/<br />
Logistik, IT-Systeme, Gebäude und Ergebnisse tiefergehende Analysen statt, die sich überschneiden.
ungspotenziale noch vor dem Start der Serienproduktion<br />
erkennen und realisieren zu<br />
können. Der Bereich IT unterstützt die Inbetriebnahme<br />
der Anlagen – auch hinsichtlich<br />
ihres Digitalisierungskonzeptes –, was wiederum<br />
Einfluss auf die Realisierung und Inbetriebnahme<br />
des Gebäudes sowie die Installation<br />
der Anlagen hat. Zu den inhaltlichen Herausforderungen,<br />
die die ganzheitliche Fabrikplanung<br />
mit sich bringt, zählen unter anderem:<br />
• Optimierung der Logistik und Fertigung<br />
• Optimierung der Materialflüsse<br />
• Veränderung des Automatisierungsgrades<br />
• Steigerung der Produktivität<br />
• Entwicklung und Umsetzung einer<br />
Digitalisierungsstrategie<br />
• Entwicklung und Umsetzung einer<br />
unternehmensweiten CO2-Strategie<br />
• Einheitliches Vorgehen bei der Planung<br />
des Werks und der Gebäude<br />
• Senkung der Betriebskosten<br />
•.Suche nach einem geeigneten<br />
neuen Standort<br />
• Auswahl flexibler Standorte und Fabriken<br />
• Anpassungen des Gebäudes im<br />
laufenden Betrieb<br />
• Integration neuen Produkte<br />
• Auslaufen abgekündigter Produkte<br />
Je nach Unternehmen variieren diese Anforderungen<br />
und treffen in unterschiedlichem<br />
Ausmaß auf die jeweilige Situation zu. Hinzu<br />
kommt, dass die Projekte in den vergangenen<br />
Jahren immer komplexer geworden sind und<br />
sich der Kapazitätsbedarf und die Ressourcen<br />
aufgrund von der Dynamik im Markt, immer<br />
kürzeren Innovationszyklen, sich wandelnden<br />
Kundenerwartungen und eingeschränkter<br />
Materialverfügbarkeiten gewandelt haben.<br />
Selbst wenn ein Unternehmen vor etlichen Jahren<br />
bereits in Eigenregie erfolgreich eine Fabrik<br />
geplant und gebaut hat, ist das Wissen darüber<br />
längst überholt. Wagen Unternehmen die<br />
Fabrikplanung ohne Unterstützung, zeigt die<br />
Erfahrung der Experten, dass die neue Fabrik<br />
oftmals nicht alle Anforderungen ganzheitlich<br />
erfüllt. Nicht selten stellen Unternehmen nach<br />
Fertigstellung des Gebäudes fest, dass sie ihre<br />
Prozesse und Materialflüsse nun irgendwie in<br />
die neue Hülle integrieren und quasi „hineinpressen“<br />
müssen – dabei wäre der umgekehrte<br />
Weg von innen nach außen der bessere gewesen,<br />
bei dem man die Gebäudestruktur um<br />
Prozesse, Materialflüsse und Anlagen herum<br />
plant. Muss eine fehlgeleitete Fabrikplanung<br />
im Nachhinein korrigiert werden, sind hohe<br />
Aufwände und Kosten die Folge.<br />
Fazit: Um auf die Risiken und Unwägbarkeiten,<br />
die vor allem derzeit die Produktion und Logistik<br />
beschäftigen, bestmöglich und flexibel reagieren<br />
zu können, braucht es eine Fabrik, die<br />
sich an den inneren Prozessen orientiert. Es bedarf<br />
daher einer gesamtheitlichen Fabrikplanung,<br />
die auf dem Line-Back-Prinzip basiert.<br />
Um diese sicherzustellen, müssen Experten<br />
frühzeitig eingebunden werden. Sie unterstützen<br />
von der Phase der Produktentwicklung,<br />
über die Produktions- und Logistikplanung,<br />
die Vorbereitung der Fertigung bis hin zur<br />
Serienproduktion und stellen die Umsetzung<br />
der ganzheitlichen Fabrikplanung sicher.<br />
(RED)
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S52<br />
ECOMMERCE LOGISTIK<br />
IDIH Logistikreise <strong>2022</strong><br />
unterstützt durch die<br />
logistic-natives ein<br />
voller Erfolg<br />
Logistik ist systemrelevant - gerade in den<br />
aktuellen Zeiten, in denen die Lieferketten<br />
durch CO-VID-19 und durch den Ukraine-<br />
Krieg gestört oder gar ganz unterbrochen<br />
sind, wird dies nur all-zu deutlich.<br />
BEITRAG: FLORIAN SEIKEL<br />
Logistik ist systemrelevant - gerade in<br />
den aktuellen Zeiten, in denen die Lieferketten<br />
durch CO-VID-19 und durch<br />
den Ukraine-Krieg gestört oder gar ganz<br />
unterbrochen sind, wird dies nur allzu deutlich.<br />
Insbesondere die Logistik im eCommerce und<br />
OmniChannel-Handel gewinnt dabei immer<br />
stärker an Bedeutung. Auch wenn durch die<br />
abgekühlte Konjunktur seit Kriegsbeginn im 2.<br />
Quartal <strong>2022</strong> beim E-Commerce mit Waren<br />
ein Umsatzrückgang von 9,6 Prozent zum Vorjahreszeitraum<br />
zu verzeichnen ist, liegen die<br />
Gesamtumsätze der Branche noch immer<br />
acht Prozent über dem Vergleichswert 2020<br />
und ganze 25 % über dem Vergleichswert<br />
im Vorcorona-Jahr 2019. Diese Situation führt<br />
zwangsläufig dazu, dass Supply-Chains und<br />
auch logistische Abwicklungen in dieser Branche<br />
überdacht, angepasst oder komplett neu<br />
konzipiert werden müssen.<br />
Vor diesem Hintergrund startete IDIH in Zusammenarbeit<br />
mit den logistic-natives im September<br />
<strong>2022</strong> die dritte Logistikreise. Unter dem<br />
Motto Sehen – Lernen – Netzwerken besuchten<br />
20 Fachleute aus eCommerce- und Omni-<br />
Channel-Handel insgesamt neun Betriebe in<br />
drei Tagen. Ob B2B oder B2C, manuelles Fulfillment<br />
oder Automatisierung und Robotik - alles<br />
war dabei. Abgerundet wurde die Tour durch<br />
Fachvorträge im Bus während der Fahrten. Besonderer<br />
Be-standteil war darüber hinaus der<br />
abendliche Erfahrungsaustausch.<br />
Zunächst ging es nach Altenkunstadt zur Baur<br />
Hermes Fulifilment. Hier errichtet die Otto<br />
Gruppe gerade ein neues hochmodernes Logistikzentrum<br />
zur Ergänzung der bestehenden<br />
Kapazitäten. Derzeit wird hier in beeindrucken-
den Dimensionen der Versand für das eCommerce-Geschäft<br />
von „About You“ mit bis zu<br />
über 500 TSD Textilien pro Tag abgewickelt.<br />
Das starke Wachstum erfordert die Investition<br />
in modernste Kommissioniertechnik. Die Führung<br />
durch das bestehende Logistikzentrum<br />
übernahm CEO Kamil Christoph Kasprowicz<br />
und erläuterte die Steuerung dieses ungemein<br />
komplexen Standorts und die Herausforderungen<br />
eines Neubau-projektes.<br />
Zweiter Halt war die Sulky GmbH in Münchberg,<br />
dem Lager- und Versandlogistik-Dienstleister<br />
der Goldner Gruppe. Geschäftsführer<br />
Frank Brünnler gab bei einem Mittagsimbiss<br />
einen Über-blick über das Mutter-Unternehmen<br />
Goldner GmbH und deren dynamische<br />
Entwicklung der letzten Jahre. Danach ging<br />
es in die Logistik. Hier produziert Sulky jährlich<br />
mehrere Millionen Sendungen aushängender<br />
und liegender Ware. Neben den Artikeln<br />
für Goldner werden auch Produkte für dritte<br />
Mandanten in höchster Qualität kommissioniert,<br />
verpackt und versandt. Zum Abschluss<br />
des ersten Tages führte der Weg zur dennree<br />
GmbH nach Töpen. Die Logistik des führenden<br />
Bio-Fachhandelshauses im deutschsprachigen<br />
Raum ist nach dem Motto „heute bestellt<br />
– morgen geliefert“ ausgerichtet. Auf über<br />
90.000 qm werden die rund 13.500 Produkte<br />
in verschiedenen Temperaturzonen kommissioniert<br />
und mittels eigenem Fuhrpark von rund<br />
260 LKW täglich über die Regionalläger an<br />
die Kunden geliefert. Der Bereichsleiter Intralogistik<br />
Dieter Wirth und Projektleiter Jens Limmer<br />
übernahmen die Führung durch die B2B-<br />
Lebensmittellogistik nebst der Anlage zur<br />
Reifung von Bananen höchstpersönlich.<br />
Der Morgen des zweiten Tages begann gleich<br />
mit einem Highlight. Es ging zum BMW-Werk<br />
Leipzig. Die IDIH-Reisegruppe konnte bei einer<br />
der ersten Werksbesichtigungen nach der<br />
Coronapause einen Blick „über den Zaun“<br />
werfen. Das zentralisierte Fabriklayout – eigens<br />
für maximales Involvement der Mitarbeiter<br />
von Stararchitektin Zara Hadid entwickelt –<br />
zeigt, dass „Architektur die Zusammenarbeit
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S54<br />
Kirchner demonstrierte wie auf dem hochmodernen<br />
Crossbelt-Sorter von BEUMER bis zu<br />
200 TSD Sendungen pro Tag sortiert und umgeschlagen<br />
werden. Weiter ging die wilde<br />
Hatz in den letzten Tag der Reise mit einem<br />
frühen Start in Leipzig, um rechtzeitig in<br />
Berlin-Siemensstadt bei Mister Spex einzutreffen.<br />
In 2007 als Startup gegründet,<br />
ist Mister Spex heute der führende Omni-<br />
Channel-Optiker in Europa.<br />
von Menschen und die Produktivität einer gesamten<br />
Fabrik fördern“ kann. Der hohe Automationsgrad<br />
und weitverbreitete Einsatz von<br />
Robotern hat beeindruckt. Robotik stand<br />
auch im Mittelpunkt der nächsten Station bei<br />
MakroSolutions in Leipzig. Das Unternehmen<br />
bietet individuelle Intra-Logistiklösungen. Geschäftsführer<br />
Gideon Martz und sein Team<br />
lieferten tiefe Einblicke in die Forschung und<br />
Entwicklungsarbeit des Unternehmens. Besonders<br />
anschaulich war der Testaufbau für Einsatz<br />
fahrerloser Transportsysteme.<br />
Future Electronics Deutschland GmbH ist weltweit<br />
führender Großhändler von elektronischen<br />
Bauteilen und war der nächste Halt. Das<br />
Leipziger Logistikzentrum ist zentraler Standort<br />
für den Versand empfindlicher und kostbarer<br />
Produkte an B2B-Kunden in Europa, Afrika<br />
und im mittleren Osten. Das Team von Operations-Direktor<br />
Sebastian Klenner führte durch<br />
die hoch automatisierte Logistik mit Hochregallager<br />
und Kommissionierung, die nach<br />
dem Ware-zum-Mann-Prinzip und auf eine<br />
Null-Fehler-Toleranz ausgelegt ist. Spezielle<br />
Installationen und Bekleidung der Mitarbeiter<br />
sorgen dafür, dass beim Handling mit den<br />
bis zu 6.000 Sendungen pro Tag kein Schaden<br />
durch statische Aufladung entsteht.<br />
Zum Tagesabschluss und vor dem wohlverdienten<br />
Bier ging es anschließend in das<br />
Leipziger Logistikzentrum von Hermes Germany.<br />
Area-Manager Sebastian Schulze-<br />
Logistik-Direktor Alexander Börner zeigte, wie<br />
aus dem 6.500 qm großen zentralen Logistiklager<br />
täglich über 20.000 Bestellungen an<br />
insgesamt mehr als 5,8 Mio. Kunden in ganz<br />
Europa verschickt werden. Ganz besonders<br />
beindruckten der nagelneue Kommissionier-<br />
Roboter für Kontaktlinsen und die Maschinen<br />
für das automatisierte In-line-Fräsen der Brillengläser.<br />
Letzte Station der Reise, die mal wieder viel<br />
zu schnell zu Ende ging, war die Logistik von<br />
Aponeo, eine der größten Onlineapotheken<br />
Deutschlands. Am Standort in Berlin-Hohenschönhausen<br />
wird APONEO sowohl direkt als<br />
auch über den pharmazeutischen Großhandel<br />
mehrfach täglich beliefert. Für den Großteil<br />
der gelieferten Artikel hat APONEO eine<br />
automatisierte Prozesslösung installiert. Der<br />
Wareneingang läuft überwiegend mit einer<br />
automatisierten Anlage. Diese scannt, fotografiert<br />
und übernimmt die Vorkommissionierung<br />
von Artikeln. Die Feinkommissionierung<br />
geschieht händisch: Die Qualitätskontrolle<br />
übernimmt pharmazeutisches Personal. Erst<br />
dann gelangen die Pakete zurück in den automatisierten<br />
Prozess. Abschied nehmen war<br />
nun angesagt, es fiel allen schwer. Die Tage<br />
des Kennenlernens, Austauschs und Inputs<br />
haben allen Teilnehmern sehr gefallen. Aber<br />
nach der Reise ist vor der Reise. Die Organisatoren<br />
von IDIH Events freuen sich schon auf<br />
die nächste Tour im Juni 2023. Die Planungen<br />
laufen auf Hochtouren.<br />
Wer Details zu den Anstehenden Aktivitäten<br />
des IDIH und der logistic-natives erfahren<br />
möchte, wendet sich bitte an Florian Seikel<br />
(florian.seikel@logistic-natives.com).
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LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S56<br />
TRANSPORTLOGISTIK<br />
Auf die Terminals<br />
kommt es an<br />
Mit dem Terminalkonzept <strong>2022</strong> zeigt das<br />
Verkehrsministerium Perspektiven auf, wie<br />
die Kombi-Terminals in Österreich weiterentwickelt<br />
werden sollen. Die Verlagerung des<br />
Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene<br />
hat Priorität. BEITRAG: REDAKTION<br />
Auf 106 DIN A4-seiten Seiten wird in<br />
dem vom Verkehrsministerium vorgelegten<br />
„Teminalkonzept <strong>2022</strong>“<br />
detailreich beschrieben wie es<br />
bei der Entwicklung der Intermodal-Terminals<br />
in Österreich in den nächsten Jahren weitergehen<br />
soll. Von November 2021 bis Mai <strong>2022</strong><br />
wurde eifrig das Konzept aus dem Jahr 2016<br />
überarbeitet und kürzlich als „Terminalkonzept<br />
<strong>2022</strong>“ vom Bundesministerium für Klimaschutz,<br />
Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und<br />
Technologie (BMK) auf dessen Website online<br />
publiziert. Bei der inhaltlichen Aktualisierung<br />
des Konzepts waren die Econsult Betriebsberatung<br />
und Herry Consult involviert, die in der<br />
aktualisierten Auflage zum einen den aktuellen<br />
Zustand beleuchten und Empfehlungen für<br />
die weitere Entwicklung der Terminals formulieren.<br />
Die großen Themen im Konzept <strong>2022</strong> sind<br />
Umfeld- und Marktanalyse, Wettbewerbssituation,<br />
Einfluss der Reedereien im Hinterlandverkehr,<br />
Bedeutung europäischer Seehäfen für<br />
österreichische Kombi-Terminals, Seidenstraße-<br />
Initiative, Kombi-Trassen, Strategieoptionen<br />
und last but not least Klimaschutzmaßnahmen<br />
rund um die Terminals.<br />
„Die österreichischen Terminals sind für den<br />
Kombinierten Verkehr aktuell und mittelfristig<br />
gut aufgestellt und infrastrukturell gut ausgestattet“,<br />
lautet der Befund der Autoren gleich<br />
auf Seite sieben. Wächst der Kombi-Verkehr<br />
weiterhin, was politisch in Österreich stark gewollt<br />
wird, so wird man um Ausbaumaßnahmen<br />
nicht umhinkönnen. Das deshalb, weil Österreich<br />
klein ist und leistungsfähige Terminals<br />
rund um Österreich in nicht großen Distanzen<br />
von der Grenze entfernt liegen, die in Konkurrenz<br />
zu den heimischen Terminals stehen. „Ein<br />
mögliches Hemmnis für eine massive Zunahme<br />
von Kombi-Verkehren wird vorrangig in den<br />
verfügbaren Kapazitäten im internationalen<br />
Bahnnetz gesehen“, beschreiben es die Autoren<br />
des Konzepts. Gerade die verfügbaren
Kapazitäten sind aber notwendig, um mehr<br />
Güterverkehr von der Straße auf die Schiene<br />
zu verlagern. Die Förderungen in Österreich zugunsten<br />
des Kombi-Verkehrs seien ein „gutes,<br />
wirksames und notwendiges Unterstützungswerkzeug“<br />
für die verladende Wirtschaft und<br />
sollten weiterhin als Anreiz beibehalten werden“,<br />
so eine der zentralen Aussagen.<br />
Die Konkurrenz lauert in den Nachbarländern<br />
Im aktualisierten Konzept stehen vier österreichische<br />
Regionen mit 29 Terminals im Fokus,<br />
wobei sich 14 Standorte in Österreich befinden<br />
und die restlichen im benachbarten Ausland<br />
wie beispielsweise Terminals in Budapest, München,<br />
Ljubljana, Burghausen, Cervigniano,<br />
Ulm oder Bratislava. Wenn es um die künftige<br />
Entwicklung des unbegleiteten Kombi-Verkehrs<br />
(UKV) in Österreich geht, dann zeigen<br />
Prognosen Wachstumsraten von mehr als drei<br />
Prozent pro Jahr. Diese Zahlen leiten sich aus<br />
der bisherigen Entwicklung seit dem Jahr 2019<br />
ab. Bis 2040 könnte der innerösterreichische<br />
UKV auf mehr als 580.000 TEU steigen (2019:<br />
347.000 TEU). Bilaterale Verkehre könnten sich<br />
auf beinahe eine Mio. TEU (2019: 447.000 TEU)<br />
erhöhen und die maritimen Verkehre lassen bis<br />
2040 einen Zuwachs auf mehr als 600.000 TEU<br />
erwarten (2019: 310.000 TEU). „Dabei wird davon<br />
ausgegangen, dass die Steigerungen ab<br />
dem Jahr 2030 stärker sein werden als in den<br />
Jahren bis dahin“, liest man im Terminalkonzept<br />
<strong>2022</strong>. Der Grund dafür: Werden die Terminals<br />
weiter ausgebaut so steigen auch die<br />
Umschlagsvolumina. Eine Annahme ist auch,<br />
dass der UKV stärker als der restliche Bahngüterverkehr<br />
steigen wird und der grenzüberschreitende<br />
UKV wiederum stärker zulegen<br />
wird als der nationale. Interessant ist auch: Die<br />
derzeit starke Dominanz des maritimen UKV<br />
wird sich umkehren in Richtung kontinentaler<br />
Verkehre innerhalb Europas.<br />
Anbieterwettbewerb auf allen Wertschöpfungsebenen<br />
Der Kombi-Verkehr befindet sich in Österreich<br />
derzeit in einer bipolaren Situation: Der maritime<br />
KV ist im Tiefsee-Bereich ein Verkäufermarkt,<br />
in allen anderen Bereichen ist der KV<br />
hingegen durchgehend ein Käufermarkt.<br />
Daraus folgt, dass der „Anbieterwettbewerb<br />
auf allen Wertschöpfungsebenen zunimmt“,<br />
liest man Konzept auf Seite 35. Wichtiger als<br />
Prognosen der extrem volatilen Kurz- und Mittelfristentwicklungen<br />
für Strategieentscheidungen<br />
sind die Erwartungen zur langfristigen<br />
Marktentwicklung. Die Dominanz ausländischer<br />
Operateure – und zunehmend auch
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S58<br />
Reedereien – ist ungebrochen und eine strategische<br />
Herausforderung. Das Wachstumspotenzial<br />
im kontinentalen Verkehr erklärt sich<br />
damit, dass in Europa bei weitem noch nicht<br />
alle Potenziale in diesem Bereich ausgeschöpft<br />
sind. Dazu kommen Lkw-Fahrer-Mangel, Staus<br />
auf den Straßen, steigende Treibstoffkosten,<br />
die allesamt eine Verlagerung weg von der<br />
Straße und hin zur Schiene befördern. Auf der<br />
Schiene ist die Welt aber nicht in Ordnung: Auf<br />
vielen Achsen gibt es Engpässe, Baustellen und<br />
stehen die Bahnen vor Produktionsproblemen.<br />
Steigende Produktionskosten schlagen auf die<br />
Qualität des Kombi-Verkehrs durch und hemmen<br />
wiederum das Wachstum. „Wenn durch<br />
diese Probleme die Marktchancen nicht wahrgenommen<br />
werden können, kann dies eine<br />
langjährige Wachstumsbremse für den KV ein“,<br />
liest man im Konzept.<br />
Reedereien beackern das Hinterland<br />
Ein heißes Thema ist die steigende Einflussnahme<br />
der Reedereien im Hinterlandverkehr.<br />
Sie expandieren entlang der gesamten Wertschöpfungskette<br />
und strecken ihre Fühler bis<br />
zum Urversender aus. Reeder übernehmen<br />
Operator-Aufgaben, die Bedeutung der Spediteure<br />
sinkt. Dabei haben Reeder auch Probleme<br />
mit ihren Fahrplänen, weil durch die<br />
überlasteten Häfen infolge der Corona-Pandemie<br />
die Schiffe vor den Häfen stauen, was<br />
für die nachgelagerten Marktteilnehmer gravierende<br />
Folgen hat. Daraus ergeben sich<br />
Chancen für Terminalbetreiber, weil sie für<br />
Seehäfen günstiger Depotaufgaben im Hinterland<br />
übernehmen können. Ebenso kann<br />
das Leercontainer-Management in Terminals<br />
im Hinterland verlegt werden. Wenn es um<br />
künftige Stärkung der Terminals geht, spielen<br />
die Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle.<br />
„Die in Österreich möglichen Prozentsätze der<br />
Terminalförderung sind im Vergleich zum Ausland<br />
relativ gering und sollten verbessert werden,<br />
weil es ausländischen Terminals leichter<br />
gemacht wird, in Erweiterungen oder neue<br />
Standorte zu investieren“, heißt es dazu. Die<br />
bestehenden Regelungen sollten beibehalten<br />
werden und im Vor- und Nachlauf zu den<br />
Terminals sollten die Gewichte auf 44 t erhöht<br />
werden, um die Container besser auszulasten.<br />
(RED)
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LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S60<br />
TRANSPORTLOGISTIK<br />
In allen Häfen war<br />
Österreich<br />
Der aktuelle Anspruch österreichischer<br />
Transportpolitikerinnen an die Zukunft in der<br />
Logistik ist der sogenannte „Trockenhafen“. Ein<br />
Euphemismus für LKW-Abstellplatz. Klingt<br />
irgendwie netter. Man sagt heutzutage ja<br />
auch nicht mehr Bilanzfälschung, sondern kreative<br />
Buchführung. Ungebildete sind höchstens<br />
bildungsfern. Dank kreativer Wortschöpfungen<br />
kann man also jede Dummheit in<br />
einen blühenden Garten Eden verwandeln.<br />
Und es wird überall reger Gebrauch davon<br />
gemacht. REDAKTION: PETER BAUMGARTNER<br />
Über viele Jahrhunderte hinweg,<br />
wehte die Österreichische Handelsflagge<br />
auf den Schiffen, die nahezu<br />
ausnahmslos für den Wohlstand des<br />
gesamten Reiches sorgten. „Flagge zeigen“<br />
war in der Monarchie sprichwörtlich noch untrennbar<br />
mit Ansehen und Hochachtung verbunden.<br />
Untrennbar damit im Zusammenhang<br />
steht auch die Adria-Stadt Triest, wo Österreichs<br />
Geschichte in vielfacher Hinsicht noch<br />
lebendig ist. Triest ist bekanntlich wie die Wiener<br />
Ringstraße – nur mit Meerblick. Hier stand<br />
einst das maritime Monument „Österreichischer<br />
Lloyd“ und Josef Ressel, einer der wichtigsten<br />
Erfinder, hat hier am 1. Juli 1829 seine<br />
Schiffsschraube präsentiert. Sogar der Bau einer<br />
Wasserstraße von Wien nach Triest wurde<br />
1795 begonnen und direkt von Kaiser Franz unterstützt.<br />
Fertig wurde der „Wiener Neustädter<br />
Kanal“ leider nie, aber noch heute ist er ein<br />
Wahrzeichen für die damalige Bestrebung<br />
die nur eine Richtung kannte: „Vorwärts“.
Die italienische Wasserstraße vom Lago Maggiore<br />
bis Venedig. Quelle: Association Locarno<br />
Mailand Venedig<br />
Bald nach dem Ende der Monarchie verschwand<br />
die Österreichische Flagge nicht<br />
nur von der Adria. Heute ist sie selbst auf der<br />
Donau kaum noch zu finden und in Österreich<br />
gilt die Devise „vorwärts nimmer – rückwärts<br />
immer“. Studieren können wir diese<br />
Entwicklung ausgehend von der einstigen Logistikmetropole<br />
Triest. Nach einigen zaghaften<br />
Versuchen und politischen „Meisterstücken“<br />
schickt sich der einstige Habsburger-Hafen<br />
an, wieder an Bedeutung zu gewinnen. Und<br />
die Aussichten sind gut. Schließlich haben sich<br />
die Grundvoraussetzung für den wirtschaftlichen<br />
Erfolg eines derartigen Standortes für<br />
den Welthandel ja nicht verändert. Aber, anstatt<br />
die Gunst der Stunde zu nutzen und im<br />
Hafen einen Anker zu setzen, begnügt sich Österreich<br />
mit der Rolle des „Hinterlandes“ und<br />
freut sich, als „Trockenhafen“ für die Adria<br />
dienen zu können. Triest, sagt Österreichs<br />
Bahnchef, ist das Tor zur Welt. Richtig erkannt,<br />
aber Österreich ist nur der Türsteher. Wir halten<br />
anderen Ländern die Tür auf, damit sie<br />
schneller hindurch können. Schlimmer noch,<br />
alles was einen raschen Hafenbetrieb behindert,<br />
wird von Triest nach Österreich „ausgelagert“<br />
und wir freuen uns als „Zollfreikorridor“<br />
für den Hafen herhalten zu dürfen. Das wird<br />
insbesondere die Guardia di Finanza freuen,<br />
die sich noch mit dem wachsenden Problem<br />
von Drogen- und Waffenhandel im Hafen<br />
herumschlagen muss. 730 kg Kokain wurden<br />
erst vor wenigen Tagen in einem Kaffee-Container<br />
entdeckt. Diese „Waren“ werden künftig<br />
wahrscheinlich im „Trockenhafen“ Villach<br />
landen. Friendshoring nennt man das jetzt<br />
unter Logistikpartnern. Für Kärntens Landeshauptmann<br />
ist es auch ein „Geheimrezept“.
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S62<br />
Ungarischer Terminal in Triest. Quelle: Adria Port<br />
Dass es intelligenter geht, zeigt uns ausgerechnet<br />
unser Monarchie-Bruder Ungarn. Orban<br />
hat bereits 2019 ein 34 Hektar großes Hafenareal<br />
in Triest gekauft und ist gerade dabei,<br />
dieses zu einem modernen Logistikzentrum<br />
für ungarische Unternehmen auszubauen.<br />
Bezahlen lässt sich Orban das natürlich wie immer<br />
von der EU und er feiert den Erfolg im eigenen<br />
Land mit „Ungarn liegt an der Adria!“.<br />
Auch die ungarische Schifffahrt hatte einst bereits<br />
eine große Bedeutung an der Adria. Das<br />
Motto der „Ungarischen Seeschiffahrts AG<br />
ADRIA“ lautete: „Sei deinem Land nützlich“.<br />
Die neue ungarische Hafen-Gesellschaft in<br />
Triest heißt auch ADRIA und die Zielsetzung<br />
ist wie damals: Sei deinem Land nützlich.<br />
Österreich gibt sich inzwischen „Grün“ und versucht<br />
das Gesicht wenigstens in der Öffentlichkeit<br />
zu wahren. „Wir schaffen Arbeitsplätze“.<br />
Ja, ganz sicher werden wir einigen Spürhunden<br />
einen gesicherten Arbeitsplatz bieten müssen.<br />
Der Verkehr wird von der Straße auf die Schiene<br />
verlagert, lautet ein anderer Slogan. Auch<br />
das ist nicht ganz falsch. Einige Container werden<br />
zur Entlastung Italiens zwischen Triest und<br />
Villach mit dem Zug fahren und nur auf Österreichs<br />
Straßen ihren Fußabdruck hinterlassen.<br />
Eine wirklich große Verlagerung von der Straße<br />
auf die Schiene ist das nicht. Schon gar nicht,<br />
wenn ein neu zu schaffender „RailLog Park“<br />
entstehen soll, der gar keine Gleise hat. Dafür<br />
werden hier die Schmuggel-Container hoffentlich<br />
gleich durchgewunken, wenn sie auf<br />
dem Weg nach Nord oder Süd am Rande<br />
des Naturschutzgebietes landen. Umweltschützer<br />
(„Rett ma die Schütt“) kämpfen noch<br />
dagegen an. Die Aussicht auf Erfolg ist jedoch<br />
gering, denn die Zielsetzung der sozialdemokratischen<br />
Logistikpolitik lautet, banchina allungata,<br />
wir sind der verlängerte Kai Italiens.<br />
Freundschaft! Triest entlasten und Kärnten belasten.<br />
So schaut „gute Nachbarschaft“ aus.<br />
Warum das alles so ist? Weil es so ist und so<br />
bleiben soll. In Österreich bestimmen noch<br />
immer ein paar kompetenzbefreite Bürgermeister<br />
mit ihrer Raumordnung und mit ihrer
Schwergut Umschlag vom Binnenschiff auf das<br />
Seeschiff. Quelle: FAGIOLI<br />
Ansiedlungspolitik, wohin die Reise in der österreichischen<br />
Verkehrspolitik geht. Gleichzeitig<br />
hat der Bund außer Ankündigungen<br />
und Sonntagsreden nichts zu bieten. Entwicklern<br />
von Logistikimmobilien wird der rote<br />
Teppich ausgerollt. Dank ihrer „Erfahrung“<br />
wächst der Straßenverkehr ungebremst, die<br />
Lokomotive stampft am Stand und die Wasserstraßenlogistik<br />
plätschert knapp über der<br />
Wahrnehmungsgrenze dahin. Die besondere<br />
„Leistung“ von Qualitätsentwicklern für Logistikimmobilien<br />
besteht darin, die größten Logistikstandorte<br />
dort zu entwickeln, wo garantiert<br />
kein Schiffsumschlag möglich, aber dennoch<br />
ein „sicherer Hafen“ für Investoren entsteht.<br />
Die Schweiz, wie Österreich und Ungarn, traditionell<br />
eng mit Italien verbunden, nützt das<br />
„Tor zur Welt“ aktiv. In der Schwergutlogistik,<br />
ein Bereich, der bekanntlich hochspezialisiert<br />
und extrem profitabel ist, schafft die Schweiz<br />
gemeinsam mit Italien die logistische Infrastruktur<br />
auf der Wasserstraße und leistet so<br />
nebenbei einen enormen Beitrag zum Klimaschutz.<br />
Über das EU-geförderte Interreg Projekt<br />
„Slowmove“, entsteht eine Wasserstraße von<br />
Locarno am Lago Maggiore über Mailand,<br />
Cremona, Ferrara bis nach Venedig, die<br />
nebenbei auch von hoher touristischer Bedeutung<br />
ist. Der italienische Weltmarktführer<br />
in der Schwergutlogistik, FAGIOLI, zeigt eindrucksvoll,<br />
wie man die Wasserstraße als echte<br />
Transportalternative nutzen kann. Der trimodale<br />
lombardische Flusshafen Cremona,<br />
280 Kilometer von der Adria entfernt, ist für<br />
FAGIOLI das nasse Logistikzentrum. Zuletzt<br />
hat der deutsche Kunde Kahl & Jansen hier<br />
einen besonders „dicken“ Transformator auf<br />
das Schiff mit Bestimmungsland USA verladen.<br />
(PB)<br />
FAGIOLI-S. Marco-Shipping Schwergutverladung
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S64<br />
TRANSPORTLOGISTIK<br />
Zentralverband<br />
Spedition & Logistik<br />
auf Kontinuität<br />
Die Mitglieder des Zentralverbands Spedition<br />
& Logistik haben in ihrer Generalversammlung<br />
<strong>2022</strong> das zehnköpfige Präsidium<br />
mit Alexander Friesz als Präsidenten sowie<br />
Wolfram Senger-Weiss und Peter Umundum<br />
als Vizepräsidenten an der Spitze für vier<br />
weitere Jahre gewählt. BEITRAG: PI REDAKTION<br />
In einer Zeit multipler Krisen – von der Corona-Pandemie<br />
über das Stocken globaler<br />
Lieferketten bis zum Angriffskrieg Russlands<br />
auf die Ukraine mit seinen weitreichenden<br />
Folgen – habe sich der Zentralverband als<br />
aktive und konsequente Branchenvertretung<br />
erwiesen, was auch durch eine kontinuierliche<br />
Zunahme der Mitgliederzahlen honoriert<br />
wurde. Das stärke die Position gerade in einer<br />
Zeit, da dem Logistikstandort Österreich<br />
mit dem Masterplan Güterverkehr und der<br />
drängenden Ökologisierung des Transportbereichs<br />
maßgebliche Weichenstellungen<br />
bevorstehen. Präsident Alexander Friesz: „Wir<br />
werden uns auch in Zukunft mit Nachdruck<br />
für die Weiterentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit<br />
des Logistik-Standortes Österreich<br />
einsetzen.“ Als weitere Präsidiumsmitglieder<br />
der freiwilligen und unabhängigen, sowie<br />
verkehrsmittelneutralen Interessenvertretung,<br />
deren Unternehmen die heimische Speditionsund<br />
Logistikbranche repräsentieren, wurden<br />
gewählt: Franz Braunsberger (Kühne + Nagel<br />
GmbH), Klaus Hrazdira (Quehenberger Logistics<br />
GmbH), Walter Konzett (Gebrüder Weiss<br />
GmbH), Alfred Schneckenreither (Internationale<br />
Spedition Schneckenreither GesmbH),<br />
Philipp Traußnig (TRAUSSNIG Spedition),<br />
Markus Walke (DSV Road GmbH) und Alexander<br />
Winter (Schenker & CO AG).<br />
Appell an Politik für Weitsicht<br />
und Zusammenarbeit<br />
In einer Diskussionsveranstaltung anlässlich<br />
der Generalversammlung zum Thema Versorgungssicherheit<br />
hat Friesz erneut mehr Weitsicht<br />
und Kooperationswillen der Politik gefordert:<br />
„Der Logistiksektor ist mit knapp 250.000<br />
Arbeitsplätzen eine der wichtigsten Branchen<br />
unseres Landes. Er ist das Rückgrat von Wirtschaft<br />
und Industrie und Basis für die Wettbewerbsfähigkeit<br />
Österreichs. Dies gemeinsam<br />
nachhaltig abzusichern, muss auch ein Anliegen<br />
verantwortungsbewusster Politik sein.<br />
Die Bundesregierung hat das auch in ihrem<br />
Regierungsprogramm verankert. Was allerdings<br />
fehlt sind entsprechende konkrete Maßnahmen.<br />
Das Spektrum reicht vom fehlenden<br />
Masterplan Güterverkehr über konkrete<br />
Förderprogramme bei der Dekarbonisierung<br />
bis hin zu einem bundesweit einheitlichen<br />
Flächenwidmungsplan“. (RED)
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LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S66<br />
WIRTSCHAFT POLITIK<br />
Großteil der<br />
Deutschen blickt<br />
düster in die<br />
Zukunft<br />
Mehr als zwei Drittel der Deutschen fürchten<br />
sich vor den Folgen einer möglichen Rezession<br />
und ändern ihr Kaufverhalten. Auch Unternehmen<br />
treffen Vorkehrungen, um eine<br />
schwere Krise zu überstehen. Weitere Preiserhöhungen<br />
sind wahrscheinlich und auch eine<br />
Reduktion der Personalkosten ist möglich.<br />
BEITRAG: PI REDAKTION<br />
Die aktuell angespannte Wirtschaftslage<br />
hat die globale Strategieberatung<br />
Simon Kucher & Partners zum<br />
Anlass genommen, Konsumenten<br />
als auch Entscheider in Unternehmen in<br />
Deutschland zum Thema Rezession zu befragen.<br />
Die aktuelle Studie*zeigt, dass über zwei<br />
Drittel (74 Prozent) der befragten Konsumenten<br />
in Deutschland Angst vor einer Rezession<br />
haben. Unternehmen bereiten sich auf eine<br />
mögliche Rezession vor, 60 Prozent der Unternehmen<br />
verfügt über eine vollständige oder<br />
zumindest teilweise ausgearbeitete Strategie,<br />
um auf einen wirtschaftlichen Abschwung zu<br />
reagieren. Andreas von der Gathen, Co-CEO<br />
von Simon Kucher & Partners dazu: „Unternehmen<br />
müssen sich jetzt dringend mit dem<br />
Thema auseinandersetzen und eine klare Strategie<br />
entwickeln, um die Folgen einer möglichen<br />
Rezession abzufedern.“<br />
Laut der Studie würden Konsumenten besonders<br />
in den Bereichen Kleidung (58 Prozent),<br />
Urlaub (55 Prozent), Freizeitaktivitäten (52 Prozent)<br />
und Restaurantbesuchen (49 Prozent)<br />
Einsparungen vornehmen. Um diese Einsparung<br />
zu erreichen, können Konsumenten die<br />
Menge der gekauften Waren reduzieren, günstigere<br />
Produkte kaufen oder auf Angebote<br />
zurückgreifen. Die Studie zeigt, dass knapp 70<br />
Prozent der Konsumenten bei Lebensmitteln<br />
und Getränken für den eigenen Haushalt auf<br />
günstigere Alternativen umsteigen würden.<br />
Über 60 Prozent der Befragten würden ihre<br />
Restaurantbesuche reduzieren, Freizeitaktivitäten<br />
einschränken oder die Menge der Kleidungsartikel<br />
reduzieren. Angesichts der steigenden<br />
Preise beabsichtigen 60 Prozent der<br />
Befragten weniger als bisher auszugeben und
den Konsum zu reduzieren. „Bei Alltagsprodukten<br />
ist der Spielraum für eine Preiserhöhung<br />
groß. Kunden gewöhnen sich recht schnell<br />
an höhere Preise. Viele Konsumenten haben<br />
jedoch ein festes Budget für den Wocheneinkauf,<br />
welches sie nicht überschreiten können.<br />
Sie sind gezwungen zu sparen und greifen daher<br />
zu günstigeren Alternativen“, kommentiert<br />
von der Gathen.<br />
Die größten Herausforderungen für Unternehmen<br />
mit Blick auf eine mögliche Rezession sind<br />
Kosteneinsparungen (43 Prozent), Kundenbindung<br />
(35 Prozent) und die Aufrechterhaltung<br />
der Gewinnspannen (28 Prozent), gefolgt von<br />
Mitarbeiterbindung in einem angespannten<br />
Arbeitsmarkt (28 Prozent) und Rohstoffkosten<br />
(25 Prozent). Im Falle einer beginnenden Rezession<br />
würden 32 Prozent der Unternehmen<br />
ihre Preise erhöhen und 24 Prozent die Personalkosten<br />
reduzieren. 50 Prozent der Entscheider<br />
in Unternehmen geben an, dass ihr<br />
Unternehmen eine Rezession nur mit Einbußen<br />
überstehen würde. Immerhin sechs Prozent<br />
geben an, dass sie von einer Rezession sogar<br />
profitieren würden.<br />
*Über die Studie: Die Studie zum Thema Rezession<br />
wurde von Simon-Kucher & Partners<br />
Ende September <strong>2022</strong> in Deutschland über<br />
das Forschungsinstitut YouGov durchgeführt.<br />
Dabei wurden 2035 Konsumenten und<br />
520 Entscheider in Unternehmen befragt.<br />
Die Umfrage basiert auf Online-Interviews.<br />
Simon-Kucher & Partners, Strategy & Marketing<br />
Consultants: Simon-Kucher ist eine globale<br />
Unternehmensberatung mit über 2.000<br />
Mitarbeitenden in 27 Ländern weltweit, die<br />
Umsatzsteigerungen und Wachstum für ihre<br />
Kunden erzielt, indem sie deren Pricing-, Salesund<br />
Marketingstrategien optimiert – langfristig<br />
und nachhaltig. Mit über 35 Jahren Erfahrung<br />
in Monetarisierung und Pricing beraten Simon-Kucher<br />
Expertenteams weltweit Unternehmen<br />
aller Art und aus den unterschiedlichsten<br />
Branchen. (RED)
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S68<br />
WIRTSCHAFT POLITIK<br />
Energie- und Rohstoffpreise<br />
für einige<br />
Unternehmen ein<br />
Betriebsrisiko<br />
Ein beachtlicher Teil der österreichischen KMUs<br />
hat für den kommenden Winter düstere Aussichten,<br />
wobei es gleichzeitig auch einen<br />
großen Teil gibt, der den Herausforderungen<br />
gelassen entgegensieht. 40 Prozent der Unternehmen<br />
kämpfen dieses Jahr mit schrumpfenden<br />
Gewinnen. Rund die Hälfte fordert einen<br />
Strompreisdeckel. BEITRAG: PI REDAKTION<br />
Die gegenwärtige wirtschaftliche<br />
und geopolitische Lage trübt bei<br />
einer großen Anzahl der österreichischen<br />
KMUs die Erwartungen für<br />
den kommenden Winter. 37 Prozent der Unternehmen<br />
schätzen das Risiko, dass es wegen<br />
wirtschaftlicher Schwierigkeiten zu Einschränkungen<br />
bei der Betriebstätigkeit kommt, als<br />
hoch oder eher hoch ein. Demgegenüber bestehen<br />
aber auch Hoffnungen, dass die Auswirkungen<br />
des Ukraine-Krieges nicht so dramatisch<br />
sind. 22 Prozent schätzen das Risiko für<br />
Betriebseinschränkungen als eher gering und<br />
36 Prozent als gering ein. „Die österreichischen<br />
KMUs blicken dem kommenden Winter mit<br />
gemischten Gefühlen entgegen. Die aktuellen<br />
Herausforderungen werden zwar ernst genommen,<br />
aber nicht überdramatisiert“, sagt<br />
Peter F. Schmid, CEO von Visable.<br />
PETER F. SCHMID<br />
Energiekosten und Rohstoffpreise als größte<br />
Problemfelder<br />
Das größte Risiko stellen für die Unternehmen<br />
mit 38 Prozent die steigenden Energiekosten<br />
dar. Aber auch Corona ist nach wie vor<br />
ein Risikofaktor. Denn 34 Prozent der Befragten<br />
rechnen mit Personalausfällen wegen<br />
Krankheit oder Quarantäne. Ein Drittel der<br />
KMU-Entscheider (33%) sieht den Fach- und<br />
Arbeitskräftemangel als größtes Problem an.<br />
Steigende Preise bei Rohstoffen und Vorprodukten<br />
werden von 29 Prozent gefürchtet.<br />
Dicht gefolgt von der Inflation (27%). Nach wie<br />
vor ein Thema sind auch die Lieferkettenprobleme<br />
(22%). Rund ein Fünftel (21%) rechnet mit<br />
einem Einbruch der Nachfrage. Kriegssanktionen<br />
werden von 11 Prozent als Risiko betrachtet.<br />
Als geringste Probleme werden die<br />
fehlende Digitalisierung (7%) und wegfallende
Messen (6%) genannt. „Wir sehen eine starke<br />
Verkettung verschiedener Krisenfelder: Die<br />
Energieproblematik, verschärft durch die Folgen<br />
des Ukraine-Kriegs, die Inflation, nach wie<br />
vor ein Stocken der globalisierten Lieferketten<br />
sowie die Auswirkungen einer noch nicht<br />
überwundenen Corona-Krise führen zu einer<br />
sehr schwierigen kurzfristigen wirtschaftlichen<br />
Perspektive“, kommentiert Peter F. Schmid das<br />
Umfrage-Resultat.<br />
Hälfte der KMU-Entscheider fordert Strompreisdeckel<br />
Die Energiekrise hat laut der Umfrage akzentuierte<br />
Forderungen an die Politik wach gerufen.<br />
So fordert für den kommenden Winter rund die<br />
Hälfte der KMU-Entscheider (49%) einen Strompreisdeckel.<br />
Der Ruf nach Steuersenkungen<br />
liegt bei 35 Prozent. Ein Gaspreisdeckel wird<br />
von 31 Prozent der Befragten verlangt. Und je<br />
ein Fünftel wünscht sich einen Bürokratieabbau<br />
und einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren<br />
Energien. Die Unternehmen bleiben<br />
angesichts der aktuellen Herausforderungen<br />
nicht untätig. Gefragt nach den geplanten<br />
Massnahmen, um möglichst gut durch den<br />
Winter zu kommen, stehen deutlich an erster<br />
Stelle die Energiesparmaßnahmen (40%). Für<br />
den Verlauf der Wirtschaft besorgniserregend<br />
ist, dass rund ein Fünftel der KMUs (19%) die<br />
Aussetzung von bislang geplanten Investitionen<br />
ins Auge fasst. Gleichzeitig planen aber<br />
16 Prozent der Unternehmen die Einstellung<br />
neuer Mitarbeiter. Verstärkte Digitalisierung<br />
und die Umstellung auf erneuerbare Energien<br />
werden je von 14 Prozent genannt. Kurzarbeit<br />
ist für 10 Prozent ein Thema. Für 8 Prozent kommen<br />
Personalabbau oder Lohnkürzungen in<br />
Frage.<br />
Schrumpfende Gewinne und auch drohende<br />
Insolvenz<br />
Bereits zeichnet sich ab, dass der Ausbruch des<br />
Ukraine-Krieges sich auf den Jahres-Gewinn<br />
eines beachtlichen Teils der Unternehmen<br />
negativ auswirkt. 29 Prozent der KMUs gaben<br />
an, dass die Gewinne <strong>2022</strong> gegenüber dem<br />
Vorjahr etwas sinken werden. Und rund jedes<br />
zehnte Unternehmen (11%) rechnet gar mit<br />
stark sinkenden Gewinnen. Für das nächste<br />
Jahr sind die Aussichten leicht besser. Rund<br />
ein Viertel der Unternehmen (26%) befürchtet<br />
2023 etwas sinkende Gewinne. Stark sinkende<br />
Gewinne werden wiederum von 11 Prozent<br />
der Befragten genannt. Für einige Unternehmen<br />
könnte der Winter existenzbedrohend<br />
werden. 15 Prozent der KMUs schätzen das Risiko<br />
für eine Insolvenz diesen Winter als hoch<br />
oder eher hoch ein. Im Grundsatz sind die Unternehmen<br />
aber robust aufgestellt. Für 83 Prozent<br />
ist das Risiko einer Insolvenz eher gering<br />
oder gering. (RED)
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S70<br />
WIRTSCHAFT POLITIK<br />
Taiwan-Konflikt:<br />
6 Maßnahmen gegen<br />
Lieferengpässe bei<br />
Mikrochips<br />
Mit Blick auf den China-Taiwan-Konflikt veröffentlicht<br />
die auf Lieferketten spezialisierte<br />
Unternehmensberatung Kloepfel Consulting<br />
die wichtigsten Handlungsempfehlungen,<br />
die Unternehmen helfen sollen, ihre Versorgung<br />
mit Mikrochips abzusichern.<br />
BEITRAG: PI REDAKTION<br />
Sollte China Taiwan angreifen, droht<br />
eine internationale Wirtschaftskrise,<br />
denn Taiwan ist der weltweit größte<br />
Lieferant von Mikrochips. Fällt Taiwan<br />
als Mikrochip-Lieferant aus, könnte es auch in<br />
Deutschland zu massiven Produktionsausfällen<br />
kommen. Die nachfolgenden Tipps sollen Unternehmen<br />
helfen, sich gegen Versorgungsengpässe<br />
von Mikrochips zu wappnen.<br />
1. Versorgungslage transparent machen<br />
Unternehmen sollten ihre Lieferkette auf die<br />
Menge an Mikrochips, welche aus Taiwan<br />
kommen, hin untersuchen. Dazu gehört auch,<br />
sich von den Lieferanten laufend die entsprechenden<br />
Versorgungs-Kennzahlen geben<br />
zu lassen: Bestellte Menge, Menge auf dem<br />
Weg, Menge im Lager. Das betrifft zum einen<br />
die Fertigungsdienstleister, die im Auftrag des<br />
Unternehmens elektronische Baugruppen,<br />
Geräte und Systeme fertigen. Zum anderen<br />
müssen auch wichtige (Vor-)Lieferanten von<br />
verbauten elektronischen Komponenten betrachtet<br />
werden.<br />
Dieses enge Monitoring über die eigene Versorgungslage<br />
mit Mikrochips sowie der von<br />
den (Vor-)Lieferanten hilft bei einer kritischen<br />
Versorgungslage, zeitnah die richtigen Maßnahmen<br />
abzuleiten, um die Versorgung mit<br />
Mikrochips sicherzustellen.<br />
Aus den Ergebnissen des Monitorings sind Antworten<br />
auf folgende Fragen abzuleiten: Wie<br />
lange können die Unternehmen mit den aktuellen<br />
Mengen produzieren und ihre Kunden<br />
ohne Störungen in der Lieferkette versorgen?<br />
Wie und wann planen sie mit ihren Kunden zu<br />
kommunizieren, um Notfallszenarien durchzuspielen?
2. Transparente Kommunikation<br />
mit allen Beteiligten<br />
Grundsätzlich muss ein klarer und transparenter<br />
Ablauf der Lieferkette erstellt und offen mit<br />
allen Beteiligten kommuniziert werden. Dazu<br />
gehört auch, die Versorgungslage mit Mikrochips<br />
gegenüber den eigenen Kunden transparent<br />
zu machen, damit auch diese rasch<br />
auf eine kritische Versorgungslage reagieren<br />
können.<br />
3. Task Force einrichten<br />
Es sollte eine Task Force aus den Bereichen Finanzen,<br />
Technik, Produktionsplanung, Vertrieb<br />
und Einkauf gebildet werden, die sich kontinuierlich<br />
austauschen.<br />
4. Alternative Beschaffungsquellen aufbauen<br />
Auf Basis der transparenten Versorgungslage<br />
muss die Task Force Maßnahmen überlegen,<br />
um die Versorgung mit Mikrochips durch<br />
Alternativlieferanten aus anderen Ländern<br />
zu ersetzen. Hierzu sollte ein rasches und effizientes<br />
Verfahren etabliert werden, um neue<br />
Bezugsquellen zu erschließen. Dazu muss die<br />
Finanzabteilung Gelder bereitstellen, um<br />
die Qualifizierung von neuen Lieferanten zu<br />
beschleunigen. Beispielswiese durch externe<br />
Labors oder Prüfstellen. Bei komplexeren Komponenten<br />
ist oft ein Redesign der Hardware<br />
und der Software notwendig. Dazu müssen die<br />
Endkunden ins Boot geholt werden. Mittel- bis<br />
langfristig können sich Unternehmen mit Startups,<br />
Universitäten und Instituten in Verbindung<br />
setzen, die auf dem Gebiet der Mikrochips forschen,<br />
um alternative Technologien einsetzen<br />
zu können.<br />
5. Anforderungen runterschrauben<br />
Unternehmen dürfen sich nicht selbst im Weg<br />
stehen, weil ihre Anforderungen zu hoch sind<br />
und diese keine Alternativen erlauben. Vielmehr<br />
sollten sie mit ihren Kunden eine pragmatische<br />
bzw. alternative Produktpolitik abstimmen.<br />
6. Hamsterkäufe vermeiden<br />
Wir raten dazu, offen und fair zu planen.<br />
„Hamsterkäufe“ sollten vermieden werden, da<br />
diese zu massiven Störungen in der Lieferkette<br />
können.<br />
(RED)
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S72<br />
WIRTSCHAFT POLITIK<br />
Vielfältige Krisen<br />
machen Österreichs<br />
Finanzvorständen zu<br />
schaffen<br />
Bereits im Frühling hat sich laut dem Beratungsunternehmen<br />
Deloitte zunehmender<br />
Pessimismus unter den europäischen<br />
Finanzvorständen abgezeichnet. Die aktuelle<br />
Analyse bestätigt nun: Die Stimmung in<br />
den Unternehmen hat sich im Herbst weiter<br />
verschlechtert. Das gilt auch für Österreich..<br />
BEITRAG: PI REDAKTION<br />
Der anhaltende Arbeitskräftemangel<br />
beschäftigt die Betriebe derzeit<br />
ebenso wie die ungewisse<br />
Entwicklung der Weltwirtschaft<br />
und die steigende Inflation. Zwar reagieren<br />
die Unternehmen mit strategischen Maßnahmen,<br />
die Zukunftsaussichten sind aber getrübt.<br />
Mit dem CFO Survey analysiert das Beratungsunternehmen<br />
Deloitte halbjährlich die Stimmung<br />
unter europäischen Finanzvorständen.<br />
Für die aktuelle Umfrage haben rund 1200<br />
CFOs in ganz Europa, darunter auch 60 österreichische<br />
Finanzvorstände, ihre Meinung geteilt.<br />
Dabei zeigt sich: Die angespannte weltwirtschaftliche<br />
Lage ist deutlich spürbar. „In ganz<br />
Europa lässt sich ein merklicher Stimmungsabfall<br />
beobachten. Laut unserer Studie hat die<br />
Unsicherheit unter den europäischen Finanzvorständen<br />
ein Rekordhoch erreicht“, erklärt<br />
Gerhard Marterbauer, Partner bei Deloitte Österreich.<br />
Im Vergleich zu Nachbarstaaten wie<br />
der Schweiz (90 %) oder Deutschland (85 %)<br />
befindet sich das Unsicherheitsniveau hierzulande<br />
mit 63 % im europäischen Mittelfeld.<br />
Neben dem anhaltenden Fachkräftemangel<br />
(72 %) bereiten den österreichischen Befragten<br />
derzeit vor allem die unklaren Konjunkturaussichten<br />
(69 %), in die Höhe schnellende<br />
Strom- und Gaspreise (59 %) sowie geopolitische<br />
Risiken (56 %) große Sorgen. Die noch vor<br />
einem Jahr dominierenden Risikofaktoren CO-<br />
VID-19 und Klimawandel haben angesichts<br />
der aktuellen Lage an Bedeutung verloren.<br />
Steigende Inflationsrate bereitet<br />
Kopfzerbrechen<br />
Die Folgen des Ukraine-Krieges sind für die europäische<br />
Wirtschaft enorm. Eine zeitnahe Entlastung<br />
ist nicht in Sicht: Im kommenden Jahr<br />
rechnen die CFOs hierzulande mit einer Inflationsrate<br />
von 8 %, für die Eurozone werden 6 %<br />
erwartet. Mit dieser Prognose zeigen sich die
österreichischen Befragten im Europavergleich<br />
besonders pessimistisch. Nur in Griechenland<br />
erwartet man noch höhere Inflationsraten.<br />
Die heimischen Unternehmen begegnen der<br />
aktuellen Lage mit Pragmatismus. Um die Auswirkungen<br />
der Inflation abzufedern, ist die Weitergabe<br />
der gestiegenen Kosten an die Endverbraucherinnen<br />
und -verbraucher sowohl in<br />
Österreich als auch europaweit die gängigste<br />
Strategie. Die Reduktion der Energienutzung<br />
sowie die Fokussierung auf Märkte, Produkte<br />
oder Dienstleistungen mit höheren Margen stehen<br />
hierzulande ebenfalls hoch im Kurs. „Trotz<br />
aller Bemühungen können die Unternehmen<br />
die finanzielle Mehrfachbelastung auf Dauer<br />
nicht alleine schultern. Was es jetzt braucht,<br />
sind EU-weite wirtschaftspolitische Interventionen,<br />
um die derzeit vorherrschende fragile<br />
Situation abzumildern“, ergänzt Marterbauer.<br />
Investitionen verlieren an Bedeutung<br />
Die unsichere Lage macht sich auch bei<br />
der Investitionsbereitschaft bemerkbar. So<br />
rechnet mit 86 % die deutliche Mehrheit der<br />
österreichischen Befragten in nächster Zeit<br />
mit einer Verschlechterung des Investitionsklimas.<br />
Nur 14 % glauben, dass der aktuelle<br />
Status quo bestehen bleibt – im heurigen Frühjahr<br />
waren es immerhin noch 25 %.<br />
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht,<br />
dass aktuell nur rund ein Viertel der österreichischen<br />
Betriebe ernsthaft darüber nachdenkt,<br />
seine Investitionen zu erhöhen. Digitalisierung<br />
(92 %), das Wachstum in bestehenden Märkten<br />
(85 %) und die Akquisition neuer Talente<br />
(83 %) haben aktuell strategische Priorität.<br />
Auch das Thema Nachhaltigkeit (79 %) ist<br />
mittlerweile zu einem bedeutenden Bestandteil<br />
der Unternehmensstrategien geworden.<br />
Aussichten für die kommenden Monate<br />
sind pessimistisch<br />
Die Unternehmen kämpfen derzeit mit Krisen<br />
auf allen Ebenen, dementsprechend negativ<br />
sind die Geschäftsaussichten. Die Mehrheit<br />
(56 %) der Finanzchefinnen und -chefs ist laut eigenen<br />
Angaben hinsichtlich der finanziellen Erfolgsaussichten<br />
pessimistischer geworden. Damit<br />
sind die österreichischen CFOs nur minimal<br />
positiver eingestellt als der Europaschnitt (60 %).<br />
Zumindest hinsichtlich der Umsatzentwicklung<br />
ist die Einschätzung etwas besser: Fast ein Fünftel<br />
der heimischen Befragten geht von einem<br />
starken Anstieg der Umsätze aus, 41 % rechnen<br />
mit einem leichten Plus. Ein Drittel erwartet im<br />
nächsten Jahr jedoch einen Umsatzrückgang.<br />
„Die Entwicklung der letzten Monate hat bei<br />
den Finanzvorständen keine Freudensprünge<br />
ausgelöst. Nach den überstandenen Corona-Lockdowns<br />
wollten im Vorjahr viele Unternehmen<br />
endlich auf expansive Maßnahmen<br />
setzen. Jetzt wurden sie erneut in die Defensive<br />
gezwungen. Mit gezielter Unterstützung<br />
werden sie aber auch diese Krise überstehen –<br />
der Ball liegt bei der Politik“, resümiert Gerhard<br />
Marterbauer. (RED)
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S74<br />
WIRTSCHAFT POLITIK<br />
Kapitalmarktausblick<br />
2023: Zwischen<br />
Resilienz und Rezession<br />
Die Deutsche Bank blickt in ihrem Kapitalmarktausblick<br />
2023, den sie heute in Frankfurt<br />
am Main vorgestellt hat, verhalten optimistisch<br />
auf das kommende Jahr.<br />
BEITRAG: PI REDAKTION<br />
Die zu erwartende Rezession in den<br />
USA und Europa dürfte moderat<br />
ausfallen. Die Inflation wird zwar<br />
unter anderem aufgrund der Energiepreise<br />
voraussichtlich zunächst hoch bleiben;<br />
die Leitzinsen sollten jedoch im Sommer<br />
ihren Höchststand erreichen. Anleiherenditen<br />
in den USA dürften bereits im ersten Halbjahr<br />
ihren maximalen Wert erzielen. Die Deutsche<br />
Bank erwartet, dass der Renditeanstieg<br />
in der Eurozone in der zweiten Jahreshälfte<br />
ausläuft. Aktien bleiben aufgrund niedriger<br />
Bewertungen bei stabilen Unternehmensgewinnen<br />
eine interessante Anlageoption.<br />
Russland-Ukraine-Krieg, Energiekrise, Inflation<br />
Selten zuvor gab es so viele Risikofaktoren an<br />
den Märkten wie in den vergangenen Monaten.<br />
"Das Wachstum der Weltwirtschaft wird<br />
sich vermutlich weiter abschwächen - nach<br />
gut 3 Prozent in diesem Jahr auf etwas mehr als<br />
2 Prozent im Jahr 2023", sagt Marc Schattenberg,<br />
Volkswirt bei Deutsche Bank Research.<br />
"Der konjunkturelle Einbruch in der Eurozone<br />
dürfte nach derzeitigen Prognosen weniger<br />
stark ausfallen als noch vor wenigen Monaten<br />
befürchtet, da das Risiko für Gasrationierungen<br />
deutlich gesunken ist." Ein Grund dafür sei der<br />
bisher milde Herbst, durch den sich der Beginn<br />
der Heizperiode nach hinten verschoben hat.<br />
Moderate Rezession in den USA und Eurozone<br />
"Wir erwarten weder in den USA noch in Europa<br />
eine im historischen Vergleich starke Rezession",<br />
sagt Schattenberg. Es sollte keinen so<br />
starken Konjunktureinbruch geben wie während<br />
der Corona-Krise. Für die USA erwartet<br />
die Deutsche Bank im kommenden Jahr ein<br />
Wachstum von 0,6 Prozent nach 2 Prozent im<br />
Jahr <strong>2022</strong>. Die Eurozone dürfte mit einem Minus<br />
von bis zu einem Prozent davonkommen, nach<br />
einem Wachstum von 3 Prozent im laufenden<br />
Jahr. Chinas Wirtschaft könnte nach dem<br />
Volkskongress im März 2023 von einer zu erwar-
tenden allmählichen Lockerung der Null-CO-<br />
VID-Politik profitieren; das BIP dürfte bis zu 5<br />
Prozent wachsen. Ein Risiko in China bleibt die<br />
zögerliche Erholung des Immobilienmarktes.<br />
Um diesen zu stützen, hat die Regierung bereits<br />
unterschiedliche Maßnahmen vorgestellt.<br />
Inflation - gekommen, um zu bleiben<br />
Obwohl die Inflation nur allmählich sinkt, erwarten<br />
die Experten der Deutschen Bank,<br />
dass die Leitzinserhöhungen der US-Notenbank<br />
Fed und der Europäischen Zentralbank<br />
(EZB) im nächsten Jahr enden. Die straffere<br />
Geldpolitik der Notenbanken zeigt langsam<br />
Wirkung und die Gas- und Strompreise haben<br />
zuletzt leicht nachgegeben. Eine anhaltend<br />
milde Witterung und hohe Speicherstände<br />
sollten sich positiv auf die Preise auswirken. "In<br />
den USA könnte die Inflation ihren Höhepunkt<br />
bereits erreicht haben. Sie dürfte nun langsam<br />
sinken und im Laufe des nächsten Jahres unter<br />
6 Prozent fallen", sagt Schattenberg.<br />
In Europa sollte die Inflation ab dem Frühjahr<br />
2023 allmählich nachlassen und im kommenden<br />
Jahr für Deutschland und die Eurozone<br />
bei 7,5 Prozent liegen. "Die Inflation dürfte<br />
jedoch aufgrund nachlassender Globalisierungsgewinne,<br />
demografischer Belastungen<br />
und einer strukturell expansiveren Fiskalpolitik<br />
nicht auf ihr Vorkrisenniveau sinken", so Schattenberg.<br />
Druck dürfte auch weiterhin von den<br />
hohen Rohstoffpreisen ausgehen. Deshalb<br />
erwartet die Deutsche Bank, dass die Notenbanken<br />
zunächst restriktiv bleiben. Die Fed<br />
könnte die Zinsen bis zum Frühjahr auf fast 5<br />
Prozent erhöhen. Dann sollte die rückläufige<br />
Inflation - im Zuge einer milden Rezession - den<br />
Zinsanhebungszyklus beenden. Die EZB dürfte<br />
auf 3 Prozent gehen; wobei das Risiko weiterer<br />
Zinsanhebungen bestehen bleibt. Diese Notenbankpolitik<br />
sollte die Renditen risikoärmerer<br />
Anleihen von Staaten und Unternehmen<br />
mit "Investment Grade" weiter steigen lassen.<br />
Für Anleger ist es eine Herausforderung, Renditen<br />
oberhalb der Inflationsrate zu erzielen.<br />
"Beunruhigende Faktoren sind weiterhin der<br />
Verlauf des Russland-Ukraine-Krieges, die europäische<br />
Energieversorgung oder der Handelskonflikt<br />
zwischen den USA und China.<br />
Es gibt aber auch Chancen", sagt Dr. Ulrich<br />
Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und<br />
Firmenkunden der Deutschen Bank. Die Aktienmärkte<br />
dürften sich 2023 stabilisieren.<br />
Alles teuer außer Aktien<br />
Die Deutsche Bank erwartet mittlere einstellige<br />
Renditen an den Aktienmärkten. Die Prognose<br />
für den Dax liegt bei 15.000 Punkten<br />
zum Jahresende 2023. Den S&P 500 sehen<br />
die Experten bei 4.100 Punkten und den Stoxx<br />
600 bei 445 Punkten. Obwohl das kommende<br />
Jahr wirtschaftlich etwas schwieriger werden<br />
könnte, spricht für die Anlageklasse, dass die<br />
Börse der Konjunktur vorausläuft. Daher dürfte<br />
bereits eine leichte Rezession eingepreist<br />
sein. "Sobald sich eine wirtschaftliche Erholung<br />
abzeichnet, sollten die Kurse steigen", so<br />
Stephan. "Rücksetzer könnten gute Einstiegschancen<br />
bieten." Zyklische Aktien, die heute<br />
günstig sind, dürften sich besser entwickeln.
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S76<br />
"Das hängt unter anderem mit den immensen<br />
Investitionen zusammen, die für die grüne<br />
Transformation der Wirtschaft notwendig sind",<br />
so Stephan. Themen wie Künstliche Intelligenz,<br />
Elektromobilität oder Cybersecurity sollten<br />
auf der Agenda von Unternehmen stehen.<br />
Fokus auf europäische Aktien<br />
Vor allem die zurzeit niedrigen Bewertungen<br />
sprechen für Aktien. "Wir haben in den vergangenen<br />
Monaten eine deutliche Anpassung<br />
der Bewertungen gesehen", sagt Stephan.<br />
Unternehmensgewinne sind in diesem<br />
Jahr teilweise deutlich gestiegen, Aktienkurse<br />
jedoch stark gefallen.<br />
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für den<br />
amerikanischen S&P 500 ist von 22,7 auf aktuell<br />
16,5 und für den Stoxx Europe 600 von 17,7 auf<br />
11,3 gefallen. "Vor allem europäische Aktien<br />
sind wieder günstig", erklärt der Chefanlagestratege.<br />
Deshalb würden die Experten der<br />
Deutschen Bank europäische Aktien übergewichten;<br />
den US-Aktienmarkt würden sie dagegen<br />
neutral halten. Für eine Übergewichtung<br />
Europas spricht neben den niedrigen Bewertungen<br />
auch die Entwicklung der Gewinne.<br />
Sie mussten in diesem Jahr immer wieder nach<br />
oben revidiert werden. Die Kurse spiegelten<br />
das jedoch nicht wider. Profitieren sollten europäische<br />
Titel auch von der Erholung in China,<br />
wo 2023 ein stärkeres Wachstum erwartet<br />
wird. Allerdings birgt die hohe Exportabhängigkeit<br />
europäischer Unternehmen auch ein<br />
Risiko; so könnte der Wettlauf um die technologische<br />
Vorherrschaft zwischen den USA<br />
und China für sie zu einer Belastung werden.<br />
Chancen sieht Stephan nach dem Ausverkauf<br />
der vergangenen Monate in Asien - in China,<br />
Korea und Taiwan seien die Bewertungsrückschläge<br />
hoch. Diese Märkte sollten von einer<br />
Erholung profitieren. Indiens Aktienmarkt hat<br />
sich vergleichsweise gut gehalten. Das KGV ist<br />
mit 20 noch immer hoch. Allerdings ist Indien<br />
auch die am stärksten wachsende Volkswirtschaft<br />
der Welt: Der Internationale Währungsfonds<br />
(IWF) prognostiziert für 2023 ein Wachstum<br />
von 6 Prozent.<br />
Unternehmen trotzen der Rezession<br />
Die Experten der Deutschen Bank gehen davon<br />
aus, dass viele der börsennotierten Unternehmen<br />
gut durch die konjunkturell schwierigere<br />
Phase kommen werden. "Die Gewinne<br />
sollten sich deutlich solider entwickeln als in früheren<br />
Rezessionen", sagt Chefanlagestratege<br />
Stephan. In Europa werden fiskalpolitische Programme<br />
den Konsum voraussichtlich stützen.<br />
Einige Sektoren, in denen die Gewinne in wirtschaftlich<br />
schwachen Phasen üblicherweise<br />
stark einbrechen, dürften gut durch die Rezession<br />
kommen. Banken, zum Beispiel, profitieren<br />
vom veränderten Zinsumfeld. Die Energie- und<br />
die Grundstoffbranche sowie der Bergbau,<br />
die bislang in Rezessionen Einbußen erlitten,<br />
sollten aufgrund der hohen Energie- und Rohstoffpreise<br />
sowie der starken Nachfrage ebenfalls<br />
gut durch den Abschwung kommen.<br />
Infrastruktur - Grundlage für<br />
nachhaltiges Wachstum<br />
Öffentliche und private Investitionen werden<br />
vor allem in Infrastrukturprojekte fließen. Die<br />
USA, die Europäische Union, China und weitere<br />
Länder haben entsprechende Programme<br />
auf den Weg gebracht. Damit werden<br />
Unternehmen, die in den entsprechenden<br />
Branchen aktiv sind, für Anleger interessant.<br />
Bei den Projekten geht es um den Aufbau<br />
einer Infrastruktur für erneuerbare Energien,<br />
um Stromnetze, Wasser und Transportwege,<br />
darunter auch Straßen und Häfen.<br />
Energie und Rohstoffe bleiben teuer.<br />
"Die Zeit günstiger Energie dürfte erst einmal<br />
vorbei sein", sagt Volkswirt Schattenberg. "Preise<br />
wie vor der Krise werden wir wohl vorerst<br />
nicht mehr sehen." Die Deutsche Bank erwartet<br />
für die europäische Sorte Brent Preise von<br />
rund 100 Dollar pro Barrel; für die amerikanische<br />
Sorte WTI dürfte der Preis etwas darunter<br />
liegen. Auch Gas, dessen Preis sich in den<br />
vergangenen Wochen recht stabil bei knapp<br />
über 100 Euro pro Megawattstunde eingependelt<br />
hat, bleibt teuer. "Die Energiekrise bietet<br />
für einige Industrien aber auch Chancen",<br />
sagt Schattenberg. Sie sei ein Treiber für die<br />
Grüne Transformation der Wirtschaft. Auch bei<br />
Industriemetallen dürfte das Preisniveau mittelfristig<br />
hoch bleiben. Hier treibt der wirtschaftliche<br />
Wandel zu mehr Nachhaltigkeit die Kurse.<br />
Gold gilt zwar als "sicherer Hafen" und dient<br />
der Diversifikation eines Portfolios, doch zuletzt<br />
haben die Zinsanhebungen und der damit<br />
verbundene Anstieg der Renditen für Staatsanleihen<br />
den Goldpreis in den USA belastet.
Wenn der Zinszyklus im Laufe des Jahres 2023<br />
wie erwartet endet und für 2024 sogar wieder<br />
Zinssenkungen in Aussicht stehen, dürften<br />
auch die Goldpreise moderat steigen. "Gegen<br />
ein Investment sprechen jedoch ein schwächerer<br />
Dollar und die Opportunitätskosten", so<br />
Stephan. "Aber ein gewisser Anteil Gold kann<br />
in geopolitischen Krisenzeiten sinnvoll sein."<br />
Quo vadis, Anleihen?<br />
Mit der Zinswende sind die Anleihekurse in diesem<br />
Jahr stark gefallen und die Renditen entsprechend<br />
gestiegen. Auch im kommenden<br />
Jahr dürften die Renditen noch ansteigen.<br />
Die "Spreads" sollten jedoch sinken - eine<br />
mäßige Rezession vorausgesetzt. "Die große<br />
Anpassung am Rentenmarkt haben wir jedoch<br />
hinter uns, zunehmend werden Zinskupons<br />
wieder interessant", sagt Stephan.<br />
Europäische Unternehmensanleihen mit "Investment<br />
Grade" rentieren aktuell mit 4,3<br />
Prozent, amerikanische sogar mit knapp<br />
sechs Prozent. Europäische Hochzinsanleihen<br />
(High Yield) bringen 8,4 Prozent Rendite<br />
und amerikanische sogar 9,3 Prozent. "Solange<br />
wir jedoch eine Rezession erwarten,<br />
wäre ich bei High Yields zurückhaltend", sagt<br />
Stephan. "Die Ausfälle sollten steigen und die<br />
Risikoprämien insgesamt nach oben ziehen."<br />
Für das kommende Jahr erwarten die Experten<br />
eine leichte Ausweitung der Risikoaufschläge<br />
für hochverzinsliche Anleihen in<br />
Europa auf 550 Basispunkte und in den USA auf<br />
500 Basispunkte. "Bei Investment Grade-Anleihen<br />
halten wir die Risikoaufschläge für stabil,<br />
in Europa sogar für leicht fallend angesichts<br />
solider Fundamentaldaten der Unternehmen."<br />
Die größte Gefahr für den Rentenmarkt ist,<br />
dass die erwarteten Zinserhöhungen in den<br />
USA und in Europa nicht ausreichen. Sollten<br />
größere Zinsschritte als erwartet nötig werden,<br />
um die Inflation einzudämmen, könnte<br />
ein Ausverkauf am Rentenmarkt drohen. "Das<br />
wäre nicht nur für die Rentenmärkte ein Risiko,<br />
sondern auch für die Aktienmärkte und vor allem<br />
für die Technologiewerte", erklärt Stephan.<br />
Die Experten erwarten für Staatsanleihen<br />
steigende Renditen. Bis Ende 2023 sollten<br />
die Renditen zehnjähriger US-Treasuries bei 4,2<br />
Prozent liegen und bei zehnjährigen Bundesanleihen<br />
bei 2,4 Prozent.<br />
Immobilien - je nachhaltiger, desto besser.<br />
Immobilien sind eine klassische Anlageklasse<br />
in Zeiten hoher Inflation. Die Preise dürften<br />
hoch bleiben, obwohl Finanzierungskosten<br />
steigen und Finanzierungen insgesamt schwieriger<br />
werden. Vor allem steigende Baukosten<br />
und gesetzliche Vorschriften verteuern das<br />
Bauen in Deutschland stark. Die Experten der<br />
Deutschen Bank rechnen damit, dass sich der<br />
Preisanstieg auf hohem Niveau stabilisiert. Bei<br />
Wohnimmobilien steht eine hohe Nachfrage<br />
einem begrenzten Angebot gegenüber. Der<br />
Neubau stockt aufgrund fehlender Materialien,<br />
Arbeitskräftemangel und steigender<br />
Finanzierungskosten. In den USA hingegen<br />
sinkt die Nachfrage ebenso wie die Stimmung<br />
der Hausbauer. Die Zahl der verkauften Häuser<br />
ist seit 2020 um 20 Prozent gesunken. Die<br />
Wohnmieten in den USA sind im Vergleich<br />
zu 2021 um 7 Prozent gestiegen. Auch in<br />
Deutschland dürften die Mieten langfristig<br />
steigen, vor allem in den Ballungsräumen.<br />
Bei den Gewerbeimmobilien sind aktuell vor<br />
allem Logistikflächen gefragt. Die Leerstände<br />
nähern sich historischen Tiefs. Der Grund:<br />
Unternehmen produzieren weniger "just in<br />
time" und bauen wieder Lager auf. Die hohe<br />
Nachfrage lässt die Mieten leicht steigen.<br />
"Logistikimmobilien sollten einen Schutz gegen<br />
höhere Inflation bieten", sagt Chefanlagestratege<br />
Stephan. "Bei Büroimmobilien ist<br />
Vorsicht geboten. Die Leerstände steigen und<br />
Mieterhöhungen sind aktuell kaum möglich."<br />
Für alle Immobiliensegmente gelte: Je nachhaltiger,<br />
desto besser. Energieeffiziente<br />
Immobilien hätten teilweise Preisaufschläge<br />
von 20 Prozent. Energetisch sanierte beziehungsweise<br />
neu gebaute Wohnungen<br />
und Häuser seien gefragter als andere Immobilien.<br />
Die Energiekrise sei ein Katalysator für<br />
energieeffizientes Bauen. (RED)<br />
*-Zukunftsgerichtete Aussagen<br />
sind Aussagen,<br />
die nicht Tatsachen der<br />
Vergangenheit beschreiben,<br />
sie umfassen auch<br />
Aussagen über die Annahmen<br />
und Erwartungen<br />
von der Deutschen<br />
Bank sowie die zugrunde<br />
liegenden Annahmen.
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S78<br />
WIRTSCHAFT POLITIK<br />
Digitale Diktatur –<br />
Digitalisierung der<br />
Währungen<br />
Eigentlich ist unser Geldsystem schon fast<br />
digital und der digitale Euro nichts anderes<br />
als das ungedeckte Fiatgeld-System.<br />
BEITRAG: MARC FRIEDRICH<br />
Um das Spiel in die Länge zu ziehen,<br />
werden die verzweifelten Notenbanken<br />
als Nächstes die Digitalisierung<br />
des Geldsystems vorantreiben. Damit<br />
erschlagen sie mehrere Fliegen mit einer<br />
Klappe:<br />
1. Sie erhalten einen kompletten Überblick in<br />
Echtzeit zur Steuerung der monetären und fiskalischen<br />
Politik.<br />
2. Sie erreichen einen Schutz vor Geldwäsche<br />
und kriminellen Machenschaften.<br />
3. Sie können die Zinsen problemlos in den Minusbereich<br />
senken, ohne dass die Bürger das<br />
Geld von der Bank abheben und sich dem<br />
Negativzins entziehen können. Ein Bank Run<br />
wird damit in Zukunft unmöglich sein.<br />
4. Jeder Kunde, jede Transaktion ist dann komplett<br />
transparent und nachvollziehbar. Eine<br />
digitale Währung kann unzählige Daten über<br />
die Zahlungsströme und das Nutzerverhalten<br />
der Bürger liefern. Der wahre feuchte Traum<br />
der Stasi und der Albtraum, vor dem uns George<br />
Orwell gewarnt hat.<br />
5. Strafzinsen oder eine Strafsteuer (Vermögensabgabe/Vermögenssteuer)<br />
können<br />
schnell und effizient eingesetzt und von jedem<br />
Konto eingezogen werden.<br />
MARC FRIEDRICH<br />
6. Die EZB baut ihre Befugnisse und Macht aus.<br />
Seit Jahren sagt die Notenbank, Europa sei<br />
„overbanked“, habe also zu viele Banken. Mit<br />
dem digitalen Euro wird sie sich so einiger Banken<br />
entledigen und in Zukunft dann ganz praktisch<br />
den Bürgern direkt ein EZB-Konto anbieten<br />
können, sodass sie die komplette Macht<br />
und Übersicht hat.
Eigentlich ist unser Geldsystem ja schon fast<br />
komplett digital, weil das meiste über digitale<br />
Prozesse läuft. Über Onlinebanking, Handy-<br />
Zahlungen, Plastikgeld und über Giralgeld.<br />
Natürlich versuchen die Beteiligten jetzt schon<br />
von allen Seiten, uns diese schöne neue Welt<br />
des Bezahlens schmackhaft zu machen: praktisches,<br />
hygienisches, kontaktloses Bezahlen:<br />
effizienter, günstiger, schneller.<br />
Im Endeffekt ist der digitale Euro nichts anderes<br />
als das ungedeckte Fiatgeld-System, das<br />
zu 100 Prozent digitalisiert ist. Für uns Bürger<br />
hat es nur Nachteile, weil wir dann problemlos<br />
überwacht und enteignet werden. Es können<br />
Negativzinsen installiert werden, ohne dass wir<br />
uns davor schützen können. Denn in einem<br />
solchen Fall ist der Fluchtweg versperrt, nämlich<br />
Bargeld abzuheben, es dem Bankenkreislauf<br />
herauszunehmen und es damit legal der<br />
Überwachung und dem Zugriff der Staaten<br />
zu entziehen. Das muss jedem klar sein. Diese<br />
Entwicklung wird auf jeden Fall weltweit kommen,<br />
die Notenbanken arbeiten daran, CBD-<br />
Cs (Central Bank Digital Currencies) heißt die<br />
Maßnahme, mit der das mathematisch sterbende<br />
Geldsystem in die Verlängerung bugsiert<br />
wird.<br />
Vorreiter und Vorbild China – der ultimative<br />
Überwachungsstaat<br />
China ist da natürlich schon einen Schritt weiter.<br />
Wenn es um Überwachung geht, steht<br />
China immer auf dem ersten Platz. Jedes autoritäre<br />
System, egal ob sozialistisch-kommunistisch<br />
oder faschistisch, braucht zum Erhalt<br />
einen feinmaschigen Überwachungsapparat,<br />
weil der Mensch immer nach Freiheit und<br />
Gerechtigkeit strebt. Für beides stehen die Extreme<br />
nicht. Um Chinas 1,3 Milliarden Bürger<br />
in Schach zu halten und zu überwachen, wird<br />
es immer notwendiger, einen immer komplexeren<br />
Überwachungsstaat zu implementieren.<br />
Dies soll beim Geld nicht anders sein, denn ein<br />
digitaler Yuan würde Chinas Überwachungsapparat<br />
extrem stärken. Eine erfolgreiche Einführung<br />
des digitalen Yuan würde die Macht<br />
über das Geld wieder in die Staatshände bringen,<br />
weg von den bekannten kommerziellen<br />
digitalen Zahlungssystemen wie WeChat Pay<br />
und Alipay. Das wäre mit vielen Vorteilen zur Festigung<br />
der kommunistischen Partei verbunden.<br />
In keinem anderen Land der Welt wird so viel<br />
mit dem Handy bezahlt wie in China. 900 Millionen<br />
Nutzer oder mehr als 80 Prozent benutzen<br />
ihr Smartphone zum Bezahlen. Chinesische<br />
Konsumenten und Händler repräsentieren fast
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S80<br />
die Hälfte der weltweiten Nutzer der digitalen<br />
Wallets. Alibaba und Tencent sind in China führend<br />
und kontrollieren 94 Prozent des Marktes<br />
mit einem Volumen von 50 Billionen US-Dollar.<br />
Die daraus resultierenden Datenströme ermöglichen<br />
einen beispiellosen finanziellen Einblick<br />
in Echtzeit in die Geld- und Wirtschaftslage<br />
des Landes, liefern die Rohdaten für<br />
wertvolle Analysen und erlauben Rückschlüsse<br />
auf das individuelle Konsumverhalten.<br />
Pures Datengold. Und genau diese Daten will<br />
auch die Kommunistische Partei natürlich abgreifen.<br />
Ein von der kommunistischen Partei kontrolliertes<br />
digitales Geld, gepaart mit dem Sozialkredit-System<br />
(Social Credit Programme) ist<br />
die perfekte, perfide Lösung, um die eigenen<br />
Bürger in Schach zu halten, allzeit zu kontrollieren<br />
und sie abzustrafen, falls sie sich nicht<br />
an die kommunistischen Regeln halten. Wer<br />
dann aus der Reihe tanzt, bekommt neben<br />
dem Abzug an sozialen Kreditpunkten dann<br />
gleich noch eine Strafe aufgebrummt in Form<br />
von Abhebungslimitierungen, Strafzahlungen,<br />
die sofort abgebucht werden. Sogar zur<br />
Kontensperrung kann es kommen.<br />
Wer sich jetzt schon mental auf<br />
dieses Szenario vorbereiten kann,<br />
ist einen Schritt weiter als die breite<br />
Masse. Zudem ist es jetzt noch<br />
möglich, Geld aus dem Geld- und<br />
Bankenkreislauf herauszuziehen<br />
und es in die eigene Obhut zu<br />
bringen. Wie lange das noch der<br />
Fall ist, weiß keiner, aber das Zeitfenster<br />
wird sicherlich nicht größer.<br />
Werden Sie jetzt schon aktiv, um<br />
nicht nachher vor vollendeten Tatsachen<br />
zu stehen und handlungsunfähig<br />
zu sein.<br />
Der digitale Yuan wird bereits in der südchinesischen<br />
Sonderwirtschaftszone Shenzhen<br />
getestet und ist bereit für den landesweiten<br />
„Roll-out“, sobald die Testphase abgeschlossen<br />
ist. China erhofft sich zudem mehr Unabhängigkeit<br />
vom SWIFT-System und will mit der<br />
Digitalisierung des Yuan das globale Monopol<br />
des Dollars brechen.<br />
Global wird bei allen Notenbanken mit Hochdruck<br />
an digitalen Währungen gearbeitet, da<br />
die Vorteile auf der Hand liegen und sich das<br />
Geldkarussell auf diese Weise noch eine Weile<br />
weiterdrehen kann. Das wird natürlich öffentlich<br />
nicht so kommuniziert, da wird gesagt,<br />
„Wir gucken mal“, aber insgeheim wissen alle,<br />
dass dies der einzige Ausweg ist, um noch mal<br />
ein bisschen Zeit herauszuschinden.<br />
Bargeldverbot<br />
Bargeld ist Freiheit! Doch diese Freiheit ist seit<br />
Jahren unter Beschuss von allen Seiten. Neben<br />
den Staaten, Notenbanken und Banken sind<br />
es auch Organisationen wie die „Better Than<br />
Cash Alliance“, eine weltweite Vereinigung<br />
von Regierungen, Unternehmen und internationalen<br />
Organisationen, die den Übergang<br />
des Barzahlungsverkehrs zu digitaler Zahlungsweise<br />
beschleunigen wollen. Mitglieder sind<br />
– wenig überraschend! – die Kreditkartengiganten<br />
Visa und Mastercard, die Citibank,<br />
aber auch die Bill und Melinda Gates Stiftung.<br />
Spannend finde ich folgenden Fund meiner<br />
Recherche: Die Anti-Bargeld-Allianz hat von<br />
unserer Bundesregierung deutsche Steuergelder<br />
erhalten. Von 2016 bis 2018 waren<br />
es 500.000 Euro und seit 2019 sind es jährlich<br />
200.000 Euro. Interessant wäre zu wissen, mit<br />
welchem Hintergedanken über 1 Million Euro<br />
„gespendet“ wurden.<br />
Seit Jahren wird jede Krise genutzt, um den<br />
Menschen das Bargeld auszureden, es ihnen<br />
madig zu machen und in ein schlechtes Licht<br />
zu stellen. Wer bar bezahlt, macht sich verdächtig,<br />
denn vermeintlich verwenden nur<br />
Kriminelle Bargeld. So wird es uns immer wieder<br />
suggeriert. Die Schlagworte sind Rotlichtmilieu,<br />
Drogen, Schwarzgeld, Steuerhinterziehung<br />
oder zuletzt die Bekämpfung eines Virus.<br />
Die Banken nehmen diese Argumente gerne<br />
auf, und dann kommt gleich der Hinweis:
„Hier – so geht bargeldloses Bezahlen! E-Cash,<br />
Karte oder Smartphone hinhalten, fertig!“ So<br />
sieht aktuell der Kampf, oder Krieg, wie manche<br />
es sehr drakonisch nennen, gegen das<br />
Bargeld aus. Dieser Krieg findet statt, und das<br />
Bargeld wird irgendwann sein Ende finden.<br />
Darüber haben wir ja schon gesprochen.<br />
Die Zentralbanken arbeiten mit Hochdruck an<br />
ihren digitalen Lösungen. Am digitalen Euro,<br />
Dollar oder welcher Währung auch immer,<br />
wenn die Zeit noch reicht und nicht der Crash<br />
schneller kommt. Bargeld ist aktuell die einzige<br />
Möglichkeit, das eigene Ersparte noch legal<br />
aus der Überwachung durch den Staat, aber<br />
auch aus der Überwachung durch die Banken<br />
und aus dem Bankenkreislauf herauszuziehen,<br />
ohne dass jemand weiß, was der Besitzer damit<br />
macht, wo er es investiert, wo er es womöglich<br />
auch versteckt. Und das ist natürlich vielen ein<br />
Dorn im Auge. Vor allem, wenn wir dann in die<br />
eine oder andere politische Richtung umkippen<br />
sollten, wird dieses Fluchtfenster natürlich<br />
ganz schnell geschlossen werden. In Griechenland<br />
wurde die letzte Krise schon aktiv von<br />
der Politik genutzt und man darf nur noch<br />
bis 500 in bar bezahlen. Im ebenso krisengeplagten<br />
Italien liegt die Barzahlungsgrenze bei<br />
1000 Euro. In Deutschland darf man noch so<br />
viel in bar bezahlen, wie man möchte. Doch<br />
dies will die EU unterbinden. Mit einer einheitlichen<br />
Richtlinie soll die Bargeldobergrenze<br />
in der EU vereinheitlicht werden auf 10.000<br />
Euro. Wenn es so kommt, ist der Schritt nicht<br />
mehr weit, das Bargeld ganz abzuschaffen.<br />
(RED)
LOGISTIK express 5/<strong>2022</strong> | S82<br />
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