Convenience Shop 08 2022
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12 | Industrie<br />
28. Jahrgang, Ausgabe <strong>08</strong>_<strong>2022</strong><br />
BIERBRANCHE WILL DIE<br />
KRISEN MEISTERN<br />
Bierbrauen war noch nie so teuer. Die Brauer sind<br />
darauf vorbereitet, mit den erschwerten Bedingungen<br />
umzugehen. Die Preise werden entsprechend weiter<br />
steigen. Helles und Alkoholfreies bleiben trendy. Text Silke Hoyer<br />
Auch 2023 werden neue Produkte gefragt sein, wie hier Mixery Iced Yellow.<br />
Bier ist eines der ältesten und beliebtesten<br />
Getränke weltweit. Auch in<br />
Deutschland wird zum Feierabend, dem Grillfest oder der<br />
Firmenparty gern ein kühles Bier getrunken. Innerhalb des<br />
Jahres 2021 summierte sich der Pro-Kopf-Verbrauch hier zu<br />
Lande auf rund 92 Liter Bier. Im europäischen Vergleich<br />
weisen nur die beiden Nachbarländer Tschechien und Österreich<br />
einen höheren Pro-Kopf-Konsum auf. Jedoch sank<br />
in den vergangenen Jahren der Bierkonsum in Deutschland<br />
kontinuierlich ab. 2020 und 2021 spielte die Corona-Krise<br />
durch die zeitweise Schließung der Gastronomie und durch<br />
den Wegfall von Kulturveranstaltungen eine wichtige Rolle.<br />
„Nun gelangt die Brauwirtschaft nach der Pandemie<br />
nahtlos in die zweite Krise mit Kostenexplosionen in sämtlichen<br />
Bereichen des Beschaffungsmarktes. Energie und besonders<br />
Gas bleiben dabei die großen Kostentreiber. Die<br />
hinzukommende Unsicherheit der Gasversorgung in den<br />
kommenden Monaten ist eine weitere Herausforderung“,<br />
fasst Herbert Sollich, Marketingdirektor der Brauerei C. &<br />
A. Veltins, die Situation zusammen. Laut Statistischem<br />
Bundesamt zahlten energieintensive Unternehmen im ersten<br />
Halbjahr <strong>2022</strong> durchschnittlich 8,51 Euro ohne Mehrwertsteuer<br />
für eine Kilowattstunde Erdgas, was einer Steigerung<br />
von plus 49,8 Prozent gegenüber dem vergleichbaren<br />
Vorjahreszeitraum entspricht.<br />
Die Kosten steigen auf breiter Front<br />
Doch damit nicht genug. Auch mit Preiserhöhungen für die<br />
zum Brauen notwendigen Rohstoffe hat die Branche zu<br />
kämpfen. Die Preise für Mehrweg-Glas erhöhten sich seit<br />
April um 80 Prozent, die für Kronkorken um 60 Prozent.<br />
Die Preise für Hopfen und Malz sind ebenfalls in die Höhe<br />
geschnellt. „Auch wenn wir schon seit vielen Jahren konti-<br />
Die Brauerei Veltins<br />
habe schon heute<br />
ihren Gasbedarf um<br />
30 Prozent reduziert,<br />
berichtet<br />
Marketingdirektor<br />
Herbert Sollich.<br />
nuierlich in ressourcenschonende Anlagen investieren, um<br />
Verbräuche nachhaltig zu verringern, und uns auch aktuell<br />
durch ein vorausschauendes Beschaffungsmanagement<br />
bestmöglich gerüstet haben: Sollte es zu Engpässen kommen,<br />
sodass die Bundesnetzagentur die letzte Stufe des<br />
Notfallplans ausruft und über die Zuteilung von Erdgas entscheidet,<br />
kann es auch zu zum Teil regionalen Produktionsstopps<br />
bei Unternehmen kommen. Inwieweit die Lebensmittelindustrie<br />
betroffen wäre, ist nicht absehbar“, erklärt<br />
Birte Kleppien, Pressesprecherin der Radeberger Gruppe.<br />
Doch trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen lassen<br />
sich die Brauereien nicht unterkriegen. „Unser oberstes Ziel<br />
ist die Versorgung des deutschen Lebensmittelhandels und<br />
damit der Verbraucher mit dem traditionsreichen Lebensmittel<br />
Bier. Vor diesem Hintergrund haben wir bei allen kritischen<br />
Lieferanten, die ebenfalls von einer ausbleibenden<br />
Gaslieferung betroffen sein könnten, entsprechende Liefermengen<br />
bereits beauftragt und in der Brauerei weit reichend<br />
bevorratet. Dazu gehören umfangreiche Mengen von Bierflaschen,<br />
Kronkorken, Etiketten und Paletten“, beschreibt<br />
Veltins-Marketingdirektor Sollich die Strategien. Zugleich<br />
habe das Unternehmen angesichts der dato existenziellen<br />
notwendigen Gasversorgung ein Krisenszenario vorbereitet,<br />
wobei es schrittweise auf die Belieferung mit Gas verzichten<br />
könne. Die notwendigen Gaskessel sollen dann sukzessive<br />
auf die Verwendung von Öl umgestellt werden können.<br />
„Bereits vor einigen Wochen wurde damit begonnen,<br />
sodass die Brauerei schon heute ihren Gasbedarf um 30 Prozent<br />
reduziert hat“, so Sollich weiter. Dies könnte ein Beispiel<br />
für die vielen betroffenen Brauereien sein, um mit der<br />
aktuellen Krise umzugehen.<br />
Die Preise ziehen nach<br />
Trotzdem müssen nach Einschätzung von Branchenexperten<br />
Bierliebhaber mit „Preisbildänderungen“ rechnen, nachdem<br />
bereits einige Marktakteure angekündigt hatten, ihre<br />
Abgabepreise an Absatzmittler, also an den Handel, infolge<br />
flächendeckender, bisher ungekannter Kostenexplosionen<br />
innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette anpassen zu<br />
müssen. „Auch wir haben gegenüber unseren Absatzpartnern<br />
eine Preisanpassung zu Anfang Dezember für alle Marken<br />
und Gebinde unseres Portfolios angekündigt – ausgenommen<br />
die von uns in Deutschland exklusiv vertriebenen<br />
internationalen Marken“, sagt Kleppien von der Radeberger<br />
Gruppe, stellvertretend für die Branche. Andere Brauereien<br />
wollen noch abwarten und dann Anfang des Jahres erhöhen.<br />
Angesichts dieser Herausforderungen ist es kein Wunder,<br />
dass sich die Innovationsfreude der Brauereien momentan<br />
in Grenzen hält. Die Protagonisten der Branche setzen<br />
in ihrem Portfolio erstmal weiterhin auf bekannte Trends<br />
wie New Glocal – also dem sinnvollen Verhältnis von lokal<br />
produzierten und international importierten Artikeln. Hinzu<br />
komme eine ausgewogene Mischung aus national bekannten,<br />
durchgängig verfügbaren Produkten und regional,<br />
teilweise auch limitiert angebotenen Spezialitäten. Bei den<br />
Zielgruppen gesellen sich mit der Generation Z, Post-Millennials<br />
und Digital Natives 2.0 neue Konsumentengruppen<br />
hinzu, die eine stärker individualisierte Ansprache verlangen,<br />
unter Einbindung vor allem der Social-Media-Plattformen.<br />
Deren Bedürfnisse sollen bedient werden.<br />
Im Handel werden<br />
die Preise für Bier<br />
und Biermischgetränke<br />
sicherlich<br />
noch einmal steigen.<br />
Viele Brauer<br />
haben für Dezember<br />
solche Erhöhungen<br />
bereits<br />
angekündigt.<br />
Helles, Alkoholfreies und Craft-Beer<br />
Weiterhin gehören im Biermarkt Helles und Alkoholfreies<br />
zu den potenzialreichen Sortengewinnern. Erdinger will<br />
beispielsweise nach dem starken Start der Brauhaus-Spezialitäten<br />
– Helles und Natur-Radler – im Frühsommer <strong>2022</strong>,<br />
die positive Entwicklung dieser beiden Sorten 2023 vorantreiben<br />
Bei den Gebinden punkten in erster Linie Euroflaschen<br />
und auch wieder Getränkedosen – vor allem bei jungen<br />
Zielgruppen in Metropolregionen. Speziell auf sie zugeschnittene<br />
Neuprodukte werden den Markt in den<br />
kommenden Monaten weiter bereichern. Außerdem wird<br />
ein Anhalten des Craft-Beer-Trends, auch des Interesses an<br />
außergewöhnlichen Biervarianten, meist produziert von<br />
kleinen Brauereien und Startups, erwartet. Das Bier wird also<br />
in den kommenden Monaten nicht ausgehen. Jedoch<br />
wird es unter erschwerten Bedingungen produziert werden<br />
– und das wird sich im Preis auch nachhaltig widerspiegeln.<br />
Für die Generation<br />
Z: Die Brauerei<br />
Karlsberg setzt mit<br />
Mixery nicht nur<br />
auf Bier, sondern<br />
kreierte den Eistee<br />
Ultimate Peach.<br />
Allgemeine Wettbewerbssituation<br />
Die deutsche Brauwirtschaft setzt sich aus mehr als 1.500<br />
Braustätten zusammen, die 2021 einschließlich alkoholfreier<br />
Sorten rund 85,4 Millionen Hektoliter Bier erzeugten.<br />
Laut der Ausstoßzahlen stehen deutsche Brauereien damit<br />
an fünfter Stelle hinter China, den USA, Brasilien und Mexiko.<br />
In Europa ist Deutschland jedoch das führende Land<br />
in der Bierproduktion. Ein regionaler Schwerpunkt der nationalen<br />
Biererzeugung liegt in Bayern, wo sich fast jede<br />
zweite Braustätte befindet. Die industrielle Brauwirtschaft<br />
setzt nach Angaben des Statistischen Bundesamts jährlich<br />
rund 7,6 Milliarden Euro um. Die Erlöse haben sich dabei<br />
stagnierend bis rückläufig entwickelt, da sowohl der deutsche<br />
als auch der europäische Biermarkt eher rückläufig sind.<br />
Fotos: Veltins, Karlsberg,