Insights Quarterly - Issue N° 2
Issue N° 2
Issue N° 2
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GASTGESPRÄCH<br />
EINE DER BESTEN<br />
Für ihre schauspielerischen<br />
Leistungen wurde Sibel<br />
Kekilli bereits zweimal mit<br />
dem Deutschen Filmpreis<br />
ausgezeichnet, für ihr soziales<br />
Engagement erhielt sie 2017<br />
das Bundesverdienstkreuz<br />
What do you like most about your job?<br />
Being able to play different roles is pretty cool. And travelling’s part of it.<br />
Getting to know places you might not have visited. But of course also if a project’s<br />
gone well, it the work bears fruit because you get positive feedback, that’s always<br />
nice especially because as an actor you don’t always know how the film’s ultimately<br />
going to turn out in the editing room.<br />
Is it true that you initially turned down the role of Shae<br />
in “Game of Thrones” because she was too superficial for you?<br />
Well it’s true that I initially turned down the part, yes. Actually,<br />
I was a little worried that my role in the show would be used to make fun of a<br />
small character and that the role would also be superficial. But the showrunners<br />
convinced me otherwise. Thankfully.<br />
And then it became an important role.<br />
How much influence did your acting have on that?<br />
I think I can only answer that with the words of George PR Martin. Because he<br />
once said to me and also in interviews that my Shae was better than his Shae in the<br />
books, and if he had known me earlier, he wouldn’t have killed off my character so<br />
early either. I think that’s the greatest compliment an actor can receive when the<br />
character’s creator says something like that to you and about you.<br />
The Kiel “Tatort” inspector Sarah Brandt was also a big role.<br />
She finally enabled you to free yourself from being typecast as German-Turkish<br />
characters. Looking back, how difficult was that?<br />
AUS DEM BAUCH<br />
Sibel Kekilli sieht sich<br />
selbst als Bauchschauspielerin:<br />
„Das technische<br />
und konstruierte Spiel hindert<br />
mich eher daran, die<br />
Rolle zu erfühlen – und<br />
dann auch auszufüllen.“<br />
ebenfalls treue Reisebegleiter geworden, damit ich abschalten kann, selbst, wenn es<br />
um mich etwas lauter wird.<br />
Brauchen Sie eher den Trubel oder die Stille, um kreativ sein zu können?<br />
Um mich lebendig zu fühlen, brauche ich ganz generell Abwechslung und Trubel.<br />
Allerdings benötige ich dann doch Ruhe, um zu arbeiten oder kreativ werden zu<br />
können. Inspiration bekomme ich oft von außen, beim Beobachten, doch um all das<br />
dann anschließend verarbeiten zu können, muss ich dann in mich gehen können.<br />
Was mögen Sie an Ihrem Beruf am liebsten?<br />
Dieses In-andere-Rollen-schlüpfen-können ist schon toll. Auch das Reisen gehört<br />
dazu. Orte kennenzulernen, die man so vielleicht nicht besucht hätte. Aber natürlich<br />
auch, wenn ein Projekt gut geworden ist, wenn die Arbeit also Früchte trägt,<br />
weil man positive Reaktionen darauf erhält, das ist immer wieder schön, vor allem,<br />
weil man als Schauspielerin nicht immer weiß, in welche Richtung sich ein Film<br />
im Schneideraum dann doch entwickelt.<br />
Stimmt es, dass Sie die Rolle der Shae in „Game of Thrones“ zunächst ablehnten,<br />
weil Sie Ihnen zu oberflächlich angelegt war?<br />
Richtig ist, dass ich zunächst abgelehnt habe, ja. Tatsächlich hatte ich ein bisschen<br />
Bedenken, dass man meine Rolle in der Serie dafür benutzen könnte, um sich<br />
über einen kleinwüchsigen Charakter lustig zu machen, und dass die Rolle auch<br />
oberflächlich angelegt sein könnte. Aber die Showrunner konnten mich vom<br />
Gegenteil überzeugen. Zum Glück.<br />
Und dann wurde eine wichtige Rolle daraus. Wie viel Einfluss hatte Ihre schauspielerische<br />
Arbeit darauf?<br />
Ich glaube, das kann ich nur mit den Worten von George RR Martin beantworten.<br />
Denn er sagte mal zu mir und auch in Interviews, dass meine Shae besser sei als seine<br />
Shae in den Büchern, und wenn er mich früher gekannt hätte, er meine Rolle auch<br />
nicht so früh hätte sterben lassen. Ich denke, das ist das größte Kompliment für eine<br />
Schauspielerin, wenn der Erfinder der Figur so etwas zu und über einen sagt.<br />
Auch die Kieler Tatort-Kommissarin Sarah Brandt war eine große Rolle. Mit ihr<br />
konnten Sie sich endgültig davon freimachen, auf deutsch-türkische Figuren<br />
festgelegt zu werden. Wie schwer war das rückblickend?<br />
Natürlich war das ein großer Schritt, in einem urdeutschen Format eine deutsche<br />
Figur darzustellen. Doch die ganzen Jahre, die ich da war, musste ich mich<br />
gegenüber den Journalisten trotzdem immer wieder rechtfertigen, warum die Rolle<br />
eine Deutsche sei – und etwa keine Deutschtürkin. Das zeigt auch ein wenig das<br />
Dilemma. Wir sind noch immer nicht da, wo das eben selbstverständlich sein sollte.<br />
Wenn ich dann sogar bei Hörbüchern nur deutsch-türkische Rollen angeboten<br />
bekomme, ist es einfach noch ein sehr weiter Weg bis zu einer vermeintlichen<br />
Gleichberechtigung. Aber immerhin ist man in Deutschland auf jeden Fall weiter<br />
als noch vor zehn Jahren.<br />
Auf welche Rolle werden Sie auf der Straße am häufigsten angesprochen?<br />
Das kommt immer auf das Alter an. Die jüngeren Menschen sprechen mich natürlich<br />
auf „Game of Thrones“ an. Die älteren eher auf den „Tatort“. Und Menschen<br />
mit Migrationshintergrund auf „Gegen die Wand“. Bei „Game of Thrones“ hat mich<br />
mal eine Frau in den USA ernsthaft gefragt, warum ich das Tyrion angetan hätte,<br />
also bei Gericht gegen ihn auszusagen. Das ist dann schon ein bisschen lustig,<br />
wenn eine Serie so ins Bewusstsein rückt.<br />
Viele Schauspieler*innen gelten als introvertiert. Wie gehen Sie damit um, in<br />
der Öffentlichkeit zu stehen?<br />
Ich glaube, das mit dem Introvertiertsein trifft auch auf mich zu. Privat möchte ich<br />
einfach ich sein dürfen, da man als Schauspielerin ja ohnehin oft unter Beobachtung<br />
steht. Dann möchte ich nicht an der Käsetheke beobachtet werden, welche<br />
Sorte Käse ich kaufe. Es ist nicht einfach, in der Öffentlichkeit zu stehen. Vor allem<br />
als Frau wird man hinter und vor der Kamera ständig bewertet. Da fallen dann nicht<br />
nur Kommentare über meine Arbeit, sondern natürlich auch über das Aussehen.<br />
Und egal, ob jemand hier richtig oder falsch liegt, muss man sich immer beherrschen.<br />
Das finde ich manchmal schwierig. Natürlich leben die Arbeit und der Erfolg<br />
auch vom Publikum. Aber jedem sollte bewusst sein, dass hinter jeder öffentlichen<br />
Person auch Menschen mit Gefühlen stecken. Vor allem bekomme ich auch für<br />
mein soziales Engagement immer wieder Drohungen und Beschimpfungen.<br />
Das ist nicht immer einfach.<br />
Sie engagieren sich für Frauenrechte, sind Botschafterin für Terre des Femmes ...<br />
Ich engagiere mich nicht nur für TDF, sondern bin auch Schirmherrin für die<br />
anonyme Beratungsseite Sibel von Papatya. Papatya gewährt minderjährigen<br />
Mädchen Platz und Betreuung in einer versteckten WG. Das sind häufig Mädchen<br />
mit Migrationshintergrund, die um ihr Leben fürchten müssen. Mit unserem<br />
FOTO KRITSTIAN SCHULLER<br />
Of course, that was a big step to play a German character<br />
in an original German format. But throughout<br />
the years I was there, I still had to justify myself<br />
again and again to the journalists why the role was<br />
a German - and not, say, a German Turk. This also<br />
illustrates the dilemma somewhat. We’ve still not<br />
reached the point where this should be a matter of<br />
course. If I’m only offered German-Turkish roles<br />
even in audio books, there’s quite simply still a very<br />
long way to go until we have supposed equality. But<br />
at least Germany’s definitely further ahead than it<br />
was ten years ago.<br />
Which role are you most often<br />
approached about on the street?<br />
That always depends on age. Younger people recognise<br />
me from “Games of Thrones”, of course.<br />
Older people tend to recognise me from “Tatort”.<br />
People from ethnic minorities have seen me in<br />
“Head-on”. With “Game of Thrones”, a woman in the<br />
USA once seriously asked me why I’d done that to<br />
Tyrion, why I’d testified against him in court.<br />
It’s a bit funny when a show’s brought to<br />
the public’s attention like that.<br />
Lots of actors are introverts.<br />
How do you handle being in the public eye?<br />
I think the introvert thing applies to me too. In my<br />
private life I just want to be allowed to be myself<br />
because as an actress you’re often under scrutiny.<br />
I don’t want to be watched at the cheese counter to<br />
see what type of cheese I buy. It’s not easy being in<br />
the public eye. Especially as a woman, you’re constantly<br />
judged on and off camera. Not only are there<br />
comments about my work, but also, of course, about<br />
my appearance. And it doesn’t matter if someone’s<br />
right or wrong, you always have to control yourself.<br />
Sometimes, I find that difficult. Of course, the work<br />
and success also depend on the audience.<br />
But everyone should be aware that behind every<br />
public figure is a person with feelings. In particular,<br />
I keep getting threats and insults for my social activism<br />
too. It’s not always easy.<br />
You campaign for women’s rights and are<br />
ambassador for Terre des Femmes...<br />
I’m not only involved with TDF, I’m also a patron for<br />
the anonymous counselling site Sibel by Papatya. Papatya provides underage girls<br />
with shelter and care in a hidden flat-sharing community. These are often girls from<br />
immigrant backgrounds who fear for their lives. In 2019, together with our then<br />
Minister of Foreign Affairs Heiko Mass, I co-founded the women’s network Unidas.<br />
It’s a network between the Caribbean, Latin America and Germany, which brings<br />
women together with the aim of strengthening women’s rights in culture,<br />
the economy and society. In 2020, I travelled to Brazil myself and set up a cultural<br />
centre for women in Salvador de Bahía.<br />
Do you have any role models, women who particularly inspire you?<br />
Of course, I admire lots of women, Nancy Pelosi for example, or Katharine Hepburn,<br />
who were and still are great role models, not only professionally but also in<br />
society. But also women such as my friend Ute, who looks after others so much that<br />
she sometimes forgets herself; a quality she probably also gets from her mother<br />
Roselinde. But also our Minister of Foreign Affairs Annalena Baerbock and Minister<br />
for Culture Claudia Roth or my stylist and friend, who balances work and family life<br />
so impressively, but I could mention so many other wonderful women here.<br />
But you yourself also set a fine example: seven years on “Tatort”,<br />
international success, prestigious acting awards and in 2017 the Federal Cross<br />
of Merit for your work and commitment. What’s next?<br />
I’ve just finished a short children’s film and at the start of next year I’ll be filming<br />
two other films. In the future, I’d quite like to do a bit more stuff that I find fun and<br />
fulfilling. I’d like to write a novel and a script. I’d like to travel more and learn more<br />
languages. I’d like to direct. And I want to continue to stand up for people,<br />
whether in public or in private. I want to go through life without fear even if<br />
I know it’s not always so easy in practice.<br />
damaligen Außenminister Heiko Maas habe ich 2019 das Frauennetzwerk Unidas<br />
mitgegründet. Ein Netzwerk zwischen der Karibik, Lateinamerika und Deutschland,<br />
das Frauen untereinander verbinden und Frauenrechte in Kultur, Wirtschaft und<br />
Gesellschaft stärken soll. Hier bin ich unter anderem dann 2020 selbst nach Brasilien<br />
gereist und habe in Salvador de Bahía ein Kulturhaus für Frauen aufgebaut.<br />
Haben Sie Vorbilder, Frauen, die Sie besonders inspirieren?<br />
Natürlich bewundere ich viele Frauen, Nancy Pelosi etwa oder Katherine Hepburn,<br />
die nicht nur beruflich, sondern auch gesellschaftlich ein großes Vorbild waren<br />
und sind. Genauso aber auch Frauen wie meine Freundin Ute, die sich so sehr um<br />
andere kümmert, dass sie sich selbst schon mal vergisst, eine Eigenschaft, die sie<br />
sicherlich auch von ihrer Mutter Roselinde hat. Aber auch unsere Außenministerin<br />
Annalena Baerbock und Kultusministerin Claudia Roth oder meine Stylistin und<br />
Freundin, die Arbeit und Familie so beeindruckend unter einem Hut bringt, aber<br />
ich könnte hier noch so viele weitere wunderbare Frauen nennen.<br />
Sie selbst geben allerdings auch ein prima Vorbild ab: sieben Jahre „Tatort“,<br />
internationale Erfolge, renommierte Schauspielpreise und 2017 das Bundesverdienstkreuz<br />
für Ihr Engagement. Was kommt als nächstes?<br />
Gerade habe ich einen kleinen Kinderfilm abgedreht und Anfang des kommenden<br />
Jahres werde ich für zwei weitere Filme vor der Kamera stehen. In Zukunft möchte<br />
ich vielleicht noch ein bisschen mehr das machen, was mir Spaß macht und mich<br />
erfüllt. Ich möchte schreiben, einen Roman, ein Drehbuch. Ich möchte mehr Reisen,<br />
mehr Sprachen lernen. Ich möchte Regie führen. Und weiterhin möchte ich<br />
mich für Menschen stark machen, ob in der Öffentlichkeit oder im privaten Bereich.<br />
Ich möchte furchtlos durch das Leben gehen, selbst wenn ich weiß, dass es nicht<br />
immer ganz einfach umzusetzen ist.<br />
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