EWKE 22-50
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
12<br />
Zum Schluss 17. Dezember 20<strong>22</strong><br />
Das Sandschieben dient der Wissenschaft: Das Fahrzeug soll künftig mit Brennstoffzellen betrieben Schnee beseitigen können<br />
Foto: FBG<br />
„Wasserstoff - Grünes Gas für Bremerhaven“<br />
Im traditionsreichen Fischereihafen hat die Energie-Zukunft begonnen / Sandschieben für die Wissenschaft<br />
BREMERHAVEN wh ∙ Mit<br />
Schwung steuert der orangefarbene<br />
Unimog auf einen<br />
Sandhügel zu. Kurz bevor er<br />
den Haufen erreicht, senkt<br />
der Fahrer das Räumschild<br />
am Bug des vier Tonnen<br />
schweren Fahrzeuges ab.<br />
Staub wirbelt auf, als das<br />
Fahrzeug den Sand mit der<br />
Kraft seines 1<strong>50</strong>-PS-Vierzylinder-Dieselmotors<br />
zur<br />
Seite schiebt. Künftig soll<br />
der Unimog solche Arbeiten<br />
mit einem sauberen Antrieb<br />
erledigen. Der Sand-Versuch<br />
gehört zu den vorbereitenden<br />
Arbeiten. „Normalerweise<br />
räumen wir mit diesem<br />
Wagen Schnee von den<br />
Straßen im Fischereihafen“,<br />
sagt Olaf Schröder, Leiter<br />
des Technischen Betriebes<br />
der Fischereihafen-Betriebsgesellschaft<br />
(FBG)<br />
in Bremerhaven. Doch die<br />
weißen Flocken fallen um<br />
diese Jahreszeit noch nicht:<br />
„Deswegen behelfen wir<br />
uns mit Sand.“ Das Sandschieben<br />
dient der Wissenschaft:<br />
Fachleute der Firma<br />
eCap Mobility wollen die<br />
Leistungsanforderungen<br />
an das vier Tonnen schwere<br />
Mehrzweckfahrzeug im<br />
Detail erfassen. In einem<br />
vom Land Bremen und<br />
der EU geförderten Forschungsvorhaben<br />
sollen die<br />
Spezialisten für alternative<br />
Lkw-Antriebe das Fahrzeug<br />
auf einen sauberen Betrieb<br />
mit Wasserstoff und Brennstoffzelle<br />
umrüsten.<br />
Von der Wasserstoff-Produktion<br />
bis zur konkreten<br />
Anwendung<br />
Und Bremerhaven gibt Gas.<br />
Die Stadt hat schon beim<br />
Aufbau der Offshore-Nutzung<br />
von Windenergie eine<br />
führende Rolle beim Thema<br />
Erneuerbare Energien eingenommen.<br />
Jetzt soll das<br />
von der EU und dem Land<br />
Bremen geförderte Forschungsvorhaben<br />
„Wasserstoff<br />
- Grünes Gas für Bremerhaven“<br />
die Produktion<br />
von Wasserstoff mit Hilfe<br />
von Windenergie und seine<br />
Anwendung vorantreiben.<br />
Für das Forschungsvorhaben<br />
arbeiten die Hochschule<br />
in der Stadt, das Technologie-Transferzentrum<br />
ttz Bremerhaven,<br />
das auf Windkraft<br />
und ihre Nutzung<br />
spezialisierte Forschungsinstitut<br />
Fraunhofer IWES<br />
sowie die kommunale Wirtschaftsförderung<br />
BIS Bremerhaven<br />
eng zusammen.<br />
Eine zentrale Rolle nimmt<br />
dabei der Fischereihafen<br />
ein. Dort wird künftig nicht<br />
nur Wasserstoff in einem<br />
Elektrolyseur-Testfeld mit<br />
anfangs zwei und sukzessive<br />
zehn Megawatt Kapazität<br />
erzeugt - dort soll der<br />
klimaneutrale Energieträger<br />
auch in konkreten Anwendungen<br />
genutzt werden wie<br />
zum Beispiel in Form eines<br />
mit Wasserstoff beheizten<br />
Backofens oder als Energieträger<br />
in der Mobilität und<br />
Logistik. Im praxisnahen<br />
Bereich ist die FBG mit von<br />
der Partie. „Wir stellen unseren<br />
Unimog U20 als Prototypen<br />
für Wasserstoff-Antriebe<br />
in Nutzfahrzeugen<br />
zur Verfügung“, erläutert<br />
Schröder. Das Spezialfahrzeug<br />
ist für Transporte innerhalb<br />
des Fischereihafens<br />
sowie für besondere Aufgaben<br />
wie dem Winterdienst<br />
im Einsatz.<br />
Nutzfahrzeuge vom klassischen<br />
Dieselmotor auf klimaneutrale<br />
Antriebssysteme<br />
umzurüsten, gehört zu<br />
den besonders wirkungsvollen<br />
Maßnahmen für den<br />
Klimaschutz. Lastwagen<br />
und Spezialfahrzeuge wie<br />
der Unimog verursachen<br />
nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums<br />
etwa<br />
ein Drittel der klimaschädlichen<br />
Emissionen im gesamten<br />
Verkehrssektor. Am ttz<br />
Bremerhaven leitet Günther<br />
Schumacher die Teilstudie<br />
„Mobilität und Logistik“ des<br />
Wasserstoff-Forschungsvorhabens.<br />
„Wir hätten natürlich<br />
gerne einen bereits<br />
entsprechend ausgestatteten<br />
Lkw genutzt, um den<br />
Einsatz von Wasserstoff in<br />
Transport und Logistik erforschen<br />
zu können“, sagt<br />
er. Doch bei den namhaften<br />
europäischen Fahrzeugherstellern<br />
wurde Schumacher<br />
nicht fündig: „Wenn es<br />
überhaupt solche Fahrzeuge<br />
gibt, befinden sie sich noch<br />
im Versuchsstadium.“<br />
Spezialisten wollen<br />
Dieselmotor durch<br />
Brennstoffzelle ersetzen<br />
Der FBG-Unimog erwies<br />
sich als mögliche Lösung<br />
des Problems. Per Ausschreibung<br />
suchten die Projektpartner<br />
eine Fachfirma,<br />
die sich die Umrüstung<br />
des rollenden Kraftpaketes<br />
zutraut. Bei eCap Mobility<br />
in Winsen (Luhe) wurden<br />
die Bremerhavener fündig.<br />
Das Unternehmen hatte<br />
kurz zuvor Schlagzeilen<br />
gemacht, weil es Sattelzugmaschinen<br />
vom Dieselmotor<br />
auf Elektroantrieb<br />
umrüstet - die elektrische<br />
Energie beziehen die Fahrzeuge<br />
aus Brennstoffzellen.<br />
Im Sommer hatte die Firma<br />
ihre ersten Fahrzeuge in<br />
einer spektakulären Show<br />
präsentiert, vor wenigen<br />
Wochen erhielten die Spezialisten<br />
einen Großauftrag<br />
über 5.000 Fahrzeuge. „Im<br />
ersten Projektschritt wollen<br />
wir nun feststellen, ob der<br />
Unimog ebenfalls umgerüstet<br />
werden kann“, erläutert<br />
Schumacher.<br />
Test im Sandhaufen<br />
liefert Basisdaten für<br />
geplante Umrüstung<br />
Wie bei den Sattelschleppern<br />
will eCap Mobility bei<br />
dem Unimog den Dieselmotor<br />
mitsamt Getriebe entfernen<br />
und durch eine Kombination<br />
aus Brennstoffzelle<br />
und Elektroantrieb ersetzen.<br />
„Dafür müssen aber einige<br />
Voraussetzungen erfüllt<br />
werden“, betont Schumacher.<br />
Es muss nicht nur genügend<br />
Platz sowohl für die<br />
Brennstoffzelle als auch die<br />
Wasserstofftanks vorhanden<br />
sein; es müssen auch<br />
die unterschiedlichen Aufbauteile<br />
wie Schneeschild<br />
oder Kippcontainer funktionieren:<br />
„Der Unimog muss<br />
natürlich anschließend weiterhin<br />
unseren sehr speziellen<br />
Anforderungen genügen“,<br />
betont Olaf Schröder.<br />
Zu den Herausforderungen<br />
zählt unter anderem der<br />
Einsatz im Schneeräumdienst:<br />
„Um das Räumgerät<br />
zu bewegen, ist ein spezielles<br />
hydraulisches System<br />
erforderlich.“ Bei dem Test<br />
am Sandhaufen wurden die<br />
exakten Leistungsdaten gemessen,<br />
die das Fahrzeug<br />
auch im sauberen Wasserstoffantrieb<br />
erfüllen muss.<br />
Die vorbereitende Studie<br />
zu den Möglichkeiten des<br />
Umbaus ist derzeit in Arbeit.<br />
Während das Gesamtvorhaben<br />
von der BIS Bremerhaven<br />
koordiniert aus<br />
Mitteln des Landes Bremen<br />
und der EU finanziert<br />
wird, hat das Land zusätzlich<br />
rund 40.000 Euro für<br />
die Studie bereitgestellt.<br />
Das Geld ist gut angelegt.<br />
Wenn der Umbau des<br />
Unimog gelingt, hätte das<br />
bundesweite Bedeutung:<br />
„Bisher ist eine solche Umrüstung<br />
nur an größeren<br />
Lkw vorgenommen worden“,<br />
betont Schumacher:<br />
„Kleinere Fahrzeuge wie<br />
unser Unimog sind aber<br />
in ganz vielen Städten, in<br />
Unternehmen und in öffentlichen<br />
Betrieben im<br />
Einsatz.“<br />
Olaf Schröder (l.), FBG-Projektleiter und Günther Schumacher, Projektleiter Wasserstoff beim Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven<br />
(ttz) wollen, dass der Unimog künftig grün unterwegs ist <br />
Foto: Sarbach