Gesund & Leben 2022 / 09
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DAS MAGAZIN DER<br />
<strong>09</strong>/22, 17. Jahrgang, € 2,40<br />
GESUND LEBEN<br />
IN WIEN<br />
www.aekwien.at<br />
Österreichs<br />
Schulärzte schlagen<br />
in exklusiver<br />
GESUND & LEBEN-<br />
Umfrage Alarm:<br />
sind<br />
unsere<br />
So<br />
krank<br />
Schüler<br />
OLYMPIASIEGER<br />
MATTHIAS STEINER<br />
Top-Leistungen trotz Diabetes.<br />
So schaffen Sie es auch!<br />
SO HABE ICH MEINE<br />
ANGST BESIEGT<br />
Angstfrei leben ist möglich.<br />
Der große Selbstversuch.<br />
IMMUNSTARK<br />
IN DEN HERBST<br />
Die besten Tipps<br />
für gute Abwehrkräfte<br />
NACHHALTIG KOCHEN<br />
UND GENIESSEN<br />
Köstliche Gerichte, die unsere<br />
Umwelt schonen. Zum Nachkochen!
MEDIZIN KOMPAKT<br />
Demenzbus on tour:<br />
21. bis 25. September <strong>2022</strong> – nicht vergessen!<br />
WUSSTEN<br />
SIE, DASS ...<br />
… sich in Graz der<br />
modernste CT-Scanner der<br />
Welt befindet? Seit Sommer<br />
befindet sich die Steiermark in einem neuen<br />
Zeitalter der Computertomographie: Das<br />
Diagnostikzentrum Graz (DZG) bietet einen<br />
der modernsten CT-Scanner der Welt an, den<br />
quantenzählenden „Naeotom Alpha“. Damit sind<br />
ultra-hochauflösende Scans bei einer um bis zu<br />
45 % niedrigeren Strahlenbelastung möglich. Ausgestattet<br />
mit zwei Röntgenröhren und Detektoren<br />
wird eine Rotationsgeschwindigkeit von<br />
250 Millisekunden erreicht. Die hohe Auflösung<br />
macht selbst kleinste Strukturen sichtbar.<br />
Damit werden die spezifischen Anforderungen<br />
von Kardiologie, Herzchirurgie, Onkologie und<br />
Pulmologie erfüllt. Das DZG zählt so weltweit zu den<br />
Vorreitern in der diagnostischen Bildgebung. ■<br />
Informieren und mitmachen:<br />
Pflege- und Betreuungsangebote des Fonds Soziales Wien, demenzfreundliche<br />
Wohnprojekte, Grätzlpolizist:innen, Demenzparcours, Spezial-Führungen und<br />
Bewegungseinheiten.<br />
Mittwoch, 21.9. | FSW-Tageszentrum für Senior:innen<br />
Demenz und <strong>Gesund</strong>heit<br />
Donnerstag, 22.9. | Wiener Wohnen<br />
Demenz und Wohnen<br />
9Mio ...<br />
... weltweite Todesfälle pro Jahr sind direkt<br />
auf Umweltverschmutzung zurückzuführen.<br />
Das ergab eine Studie des Institute for Health<br />
Metrics and Evaluation in Seattle (USA). Die<br />
häufigste Ursache ist Luftverschmutzung,<br />
gefolgt von Wasserverschmutzung sowie<br />
Verschmutzung durch Blei. ■<br />
■ ZAHL DES MONATS<br />
ACHTEN SIE AUF IHRE<br />
KÖRPERHALTUNG!<br />
■ GESUNDHEITSTIPP DES MONATS<br />
Eine Metastudie (unter anderem von der deutschen Universität<br />
Bamberg) untersuchte Daten von rund 10.000 Menschen und<br />
konnte klar belegen: Die Körperhaltung hat Einfluss auf unsere<br />
Stimmung und den Selbstwert. Heißt: Eine aufrechte Körperhaltung<br />
kann dabei helfen, dass sich Menschen selbstsicherer fühlen und sich<br />
dementsprechend auch so verhalten. Das trifft übrigens für Männer<br />
und Frauen sowie für alle Altersgruppen gleichermaßen zu! ■<br />
Freitag, 23.9. | Wiener Polizei<br />
Demenz und Sicherheit<br />
■ KEIN HIRNTUMORRISIKO<br />
DURCH HANDYSTRAHLUNG<br />
Samstag, 24.9. | Belvedere<br />
Demenz und Kultur<br />
Sonntag, 25.9. | „Fit mit Philipp“<br />
Demenz und Bewegung<br />
Täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr<br />
Alle Infos: www.demenzbus.wien<br />
Foto: GettyImages/Marat Musabirov<br />
FOTOS: ISTOCK_ACILO, _PEOPLE IMAGES, _DJELICS, _SZEPY, HL-STUDIOS<br />
VIRUSINFEKTIONEN WÄHREND<br />
DER SCHWANGERSCHAFT:<br />
WENIGER FÜRSORGE-<br />
VERHALTEN DER MUTTER!<br />
Zu dieser Erkenntnis kommt eine Studie der MedUni<br />
Wien, die im Mausmodell durchgeführt wurde. „Mütter,<br />
die eine Virusinfektion durchlaufen haben, kümmerten<br />
sich weniger um ihre Jungen als die Tiere der Kontrollgruppe“,<br />
so Studienleiterin Daniela Pollak. „Auch das<br />
Bindungsverhalten war signifikant verringert.“ Nicht<br />
nur im Verhalten der Muttertiere, auch in deren Gehirnen<br />
waren strukturelle, molekulare und funktionelle Veränderungen<br />
erkennbar. Die Ergebnisse seien ein wichtiges<br />
Signal für werdende (Menschen-)Mütter, betont Pollak. ■<br />
GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
Es wird oft diskutiert, ob die elektromagnetische<br />
Hochfrequenzstrahlung von<br />
Handys das Risiko für Hirntumore erhöht. Nach<br />
aktueller Studienlage ist davon auszugehen, dass<br />
dies nicht so ist. Auch die aktuelle Follow-up-<br />
Analyse der seit mehr als 20 Jahren laufenden<br />
„UK Million Women Study“ unterstreicht diese<br />
Erkenntnis: Handy-Nutzerinnen erkrankten nicht<br />
häufiger an Hirntumoren als Frauen, die selten<br />
oder nie Handys nutzten. Diese Ergebnisse könne<br />
man auch auf Männer umlegen, so die<br />
Forschenden. Denn: Die Energie der Handy-<br />
Strahlung reicht nicht aus, um die DNA in den<br />
Zellkernen direkt zu schädigen und somit Krebs<br />
auszulösen. Hohe Dosen von elektromagnetischen<br />
Wellen können jedoch Zellen und Gewebe<br />
erwärmen – aber auch dafür ist die (innerhalb<br />
der vorgeschriebenen Grenzwerte liegende)<br />
Energie von Mobiltelefonen zu niedrig. ■<br />
3
10<br />
Österreichs Schulärzte<br />
schlagen Alarm:<br />
So krank sind unsere<br />
Kinder!<br />
18<br />
Olympiasieger Matthias Steiner<br />
zeigt, wie man auch mit<br />
Diabetes absolut top sein kann.<br />
EDITORIAL<br />
GESUNDHEITSSYSTEM<br />
AM LIMIT!<br />
LIEBE LESERINNEN UND LESER!<br />
4-Seiten-Spezial<br />
GESUND IN WIEN<br />
Seite 6 bis 9<br />
■ LEBENSFREUDE<br />
3 Medizin kompakt<br />
10 So krank sind Österreichs Schüler<br />
Die große Exklusivumfrage unter<br />
Österreichs Schulärztinnen und -ärzten.<br />
18 Olympiasieger – trotz Diabetes<br />
Matthias Steiner im großen Interview<br />
über Top-Leistungen trotz Diabetes.<br />
22 Nachhaltig kochen<br />
Was bedeutet es, nachhaltig zu kochen?<br />
Worauf muss ich dabei achten?<br />
25 Das lasse ich mir schmecken!<br />
Drei gesunde und nachhaltige<br />
Rezepte zum Nachkochen.<br />
WOCHE FÜR WOCHE<br />
MEHR GESUNDHEIT!<br />
Der GESUND & LEBEN-<br />
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■ LEBENSKRAFT<br />
28 Jetzt Immunsystem stärken<br />
Nutzen Sie die letzten Sommer- und ersten<br />
Herbsttage, um fit für den Winter zu sein.<br />
34 Niedriger Blutdruck<br />
Warum auch ein niedriger Blutdruck gefährlich<br />
sein kann. Und was dagegen zu tun ist.<br />
Impressum: GESUND & LEBEN in WIEN ist das offizielle <strong>Gesund</strong>heitsmagazin der Wiener Ärztekammer. Zielgruppe & Richtung des Magazins: <strong>Gesund</strong>heitsrelevante<br />
und wichtige medizinische Informationen für alle gesundheitsbewussten Wienerinnen und Wiener. Medieninhaber, Verlag, Redaktion: ÄrzteVerlag GmbH, 1<strong>09</strong>0 Wien,<br />
Währingerstraße 65. Herausgeber: Komm.-Rat Axel C. Moser, Mag. Philipp Ita. Mitglied der Geschäftsleitung: Petra Hubert-Schimek. Chefredakteur: Mag. Ralf Strobl.<br />
Chefin vom Dienst: Beate Barth. Artdirektion: DI Lissa Weissenbacher (Ltg.), Verena Ohnewas, BSc. Coverfoto: iStock_ Anna Semenchenko. Redaktion Ärztekammer<br />
für Wien: Dr. Hans-Peter Petutschnig. Redaktion: Jacqueline Kacetl, Mag. Heike Kossdorff, Mag. Karin Lehner, Michaela Neubauer, MA, Mag. Claudia Sebunk.<br />
Key Account: Gerlinde Taferner. Medieninhaber: ÄrzteVerlag GmbH, 1<strong>09</strong>0 Wien, Währingerstraße 65. Hersteller: Druckerei Berger, 3580 Horn. Aboservice: Tel.:<br />
01/9611000-190, abo@gesundundleben.at. Einzelpreis: Euro 2,40 Abopreis: Euro 19,90/Jahr. GESUND & LEBEN erscheint 10x/Jahr. Seiten, die mit „Werbung“ oder<br />
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Weiter- oder Wiedergabe, gem. §44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz. Zielgruppe & Richtung des Magazins: <strong>Gesund</strong>heitsrelevante und<br />
medizinische Informationen für alle gesundheitsbewussten und gesundheitsinteressierten Österreicherinnen und Österreicher. P.b.b.<br />
201920021<br />
Erscheinungsort: Wien. Verlagspostamt: 1<strong>09</strong>0 Wien. Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz siehe www.gesundundleben.at. Die Angaben und Äußerungen<br />
in Anzeigen, Inseraten, Advertorials & Promotions geben nicht zwingend die Meinung der Redaktion und/oder des Medieninhabers wieder. Für diese<br />
wird keine Haftung übernommen. Weiterführende Details finden Sie unter www.gesundundleben.at.<br />
36 So habe ich meine Flugangst besiegt<br />
Eine GESUND & LEBEN-Mitarbeiterin wagte<br />
den Selbsttest – und ist nun angstfrei!<br />
40 Schulterschmerzen<br />
Welche Schulterschmerzen gibt es?<br />
Wie kann ich sie behandeln lassen?<br />
43 Vitamin D<br />
Vitamin D ist ein echter Alleskönner. Aber was<br />
tun, wenn der Körper zu wenig davon bildet?<br />
■ LEBENSNAH<br />
46 <strong>Gesund</strong>es Wohnen<br />
Was bedeutet eigentlich gesundes Wohnen?<br />
Wir haben nachgefragt.<br />
50 <strong>Gesund</strong>heits-Kreuzworträtsel<br />
Lösen Sie unser Rätsel –<br />
und gewinnen Sie!<br />
36<br />
Flugangst muss nicht<br />
sein! Wir haben eine<br />
Therapie gemacht.<br />
NEU<br />
FOTOS: ISTOCK__MUSTAFAHACALAKI_ STEFAN SEELIG_ ECCE KARATAS_MARIO-ANDREYA<br />
Die Corona-Pandemie hat die Kapazitätsgrenzen<br />
unseres <strong>Gesund</strong>heitssystems<br />
deutlich aufgezeigt. Auch die<br />
Politik hat jetzt endlich erkannt, dass es<br />
Verbesserungsbedarf gibt. Eine „Pflegemilliarde“<br />
wurde angekündigt. Sicher ein<br />
guter erster Schritt, aber nur dann, wenn<br />
das angekündigte Geld auch dort investiert<br />
wird, wo es am dringendsten benötigt wird. Die<br />
von der Vorgängerregierung versprochene<br />
„Patientenmilliarde“ wurde nämlich nie<br />
umgesetzt und war daher nicht einmal<br />
das Papier wert, auf dem sie beschrieben<br />
und verkündet wurde.<br />
Wir weisen schon seit Jahren<br />
auf die gefährliche Entwicklung im<br />
<strong>Gesund</strong>heitsbereich hin. Auf den schon<br />
bestehenden und sich verschärfenden<br />
Ärztemangel und ebenso auf einen mittlerweile<br />
eklatanten Mangel an Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern im Pflegebereich. Zu viele Ärztinnen<br />
und Ärzte sowie Pflegerinnen und Pfleger haben aufgrund der<br />
gestiegenen physischen und psychischen Belastung bereits ihre Jobs<br />
aufgegeben oder planen den Wechsel in eine andere Branche in naher<br />
Zukunft. Die Versorgung in Spitälern und Pflegeheimen hat einen<br />
kritischen Punkt erreicht, der zu patientengefährdenden Zuständen<br />
führen kann. Diese Umstände sind aber kein neuartiges Phänomen,<br />
die Corona-Pandemie hat die Lage jedoch verschärft und sichtbarer<br />
gemacht.<br />
In dieser Ausgabe unserer Patientenzeitung zeigen wir Ihnen auf,<br />
wo es mangelt und was wir von der Politik erwarten, damit auch<br />
unsere Kinder und Enkelkinder künftig von einem der besten <strong>Gesund</strong>heitssysteme<br />
der Welt versorgt werden können.<br />
Wie gewohnt bieten wir Ihnen wieder wertvolle <strong>Gesund</strong>heitsinformationen:<br />
diesmal zu den Schwerpunktthemen Diabetes, niedriger<br />
Blutdruck, Schmerztherapie, oder auch darüber, wie Sie mit Flugangst<br />
umgehen können.<br />
Wir wünschen Ihnen wieder eine spannende Lektüre mit unserer<br />
Patientenzeitung, den vielleicht ein oder anderen für Sie wichtigen<br />
<strong>Gesund</strong>heitstipp und vor allem eines: Bleiben Sie gesund! ■<br />
Herzlich<br />
Johannes Steinhart und Erik Randall Huber<br />
Präsident und Vizepräsident<br />
der Ärztekammer für Wien<br />
4 GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
5
I<br />
m niedergelassenen Bereich brauchen wir<br />
dringend den Beginn einer neuen Zeitrechnung<br />
inklusive einer völlig neuen Herangehensweise.<br />
Ärztinnen und Ärzte, aber<br />
selbstverständlich auch die Patientinnen<br />
und Patienten, brauchen ein stabiles und<br />
leistungsfähiges System“, spricht Ärztekammerpräsident<br />
Dr. Johannes Steinhart Klartext. Die Versorgung,<br />
die niedergelassene Ärztinnen und Ärzte<br />
in Österreich leisten könnten, sei „auf Champions-League-Niveau,<br />
aber wenn das System und<br />
die Rahmenbedingungen nur Bezirksligaformat<br />
haben, werden wir international nicht bestehen<br />
können und allein wegen unseres provinziellen<br />
Zugangs scheitern.“<br />
EIN LAND. EINHEITLICHE REGELN.<br />
Kritik übt Steinhart an der mit viel Aufwand und<br />
enormen Finanzmitteln neu geschaffenen Österreichischen<br />
<strong>Gesund</strong>heitskasse (ÖGK): „Eine ausschließliche<br />
Neutapezierung wird nicht reichen<br />
– die ÖGK muss endlich österreichweit zu denken<br />
beginnen. Von unserer Seite aus liegt seit fast zwei<br />
Jahren ein fertiger, einheitlicher Leistungskatalog<br />
bereit. Dieser muss nun unverzüglich umgesetzt<br />
werden.“ Das allein wäre schon eine deutliche<br />
Verbesserung für die Österreicherinnen und<br />
Österreicher – so wie auch das Dispensierrecht für<br />
alle Ärztinnen und Ärzte, damit insbesondere im<br />
ländlichen Bereich der Zugang zu Medikamenten<br />
deutlich vereinfacht wird.<br />
FOTOS: ISTOCK_ PEOPLEIMAGES; ÄRZTEKAMMER FÜR WIEN/ STEFAN SEELIG<br />
Um dem drohenden Ärztemangel<br />
entgegenzuwirken, braucht es<br />
Wertschätzung und mehr finanzielle Mittel.<br />
Sonst droht neben der „Energiearmut“<br />
schon bald die „<strong>Gesund</strong>heitsarmut“.<br />
GESUND & LEBEN analysiert.<br />
&<br />
Geeint gegen drohenden<br />
ÄRZTEMANGEL<br />
GESUNDHEITSARMUT<br />
Im Spitalsbereich, so Steinhart, müsse neben<br />
der generellen Attraktivierung des Berufs Spitalsarzt<br />
schleunigst dafür gesorgt werden, dass die<br />
Ausbildung als wichtiger Teil des Arztberufs ernst<br />
genommen wird. „Dass die Politik bestrebt ist,<br />
die Qualität der Ausbildung in Österreich sowie<br />
die Bewilligung und Qualität der ärztlichen Ausbildungsstellen<br />
aus reinem Machtstreben künftig<br />
in die Verantwortung der Länder zu geben – und<br />
damit aus der Hand der Ärztekammer, die das seit<br />
Jahren exzellent, höchst effektiv und objektiv abgewickelt<br />
hat –, lässt mich zweifeln, ob wir überhaupt<br />
in der Champions League mitspielen wollen. Wir<br />
werden mit allen Mitteln gegen diese mutwillige<br />
Zerstörung ankämpfen.“<br />
AUSREICHEND SPITALSPERSONAL<br />
IM FOKUS<br />
Die Ärztekammer fordert zudem ausreichend<br />
Personal und Zeit für die Ausbildung sowie die<br />
Einführung der Funktion eines Ausbildungsoberarztes<br />
in jeder Abteilung, in der ausgebildet wird.<br />
Um der Flucht der Jungen und dem drohenden<br />
Ärztemangel zu begegnen und den Arztberuf<br />
generell wieder attraktiver zu machen, gibt es<br />
sinnvolle Strategien: Diese betreffen die Verbesserung<br />
der generellen Arbeitsbedingungen im<br />
Spital durch die Besetzung offener Dienststellen<br />
und leistungsgerechte Entlohnung ebenso wie die<br />
Steuerung von Patientenströmen für die Entlastung<br />
der Ambulanzen durch den Ausbau des nie-<br />
dergelassenen Bereichs.<br />
Gleichzeitig müsse es<br />
aber auch gelingen, dem<br />
ärztlichen Nachwuchs<br />
bessere und zeitgemäße<br />
Karriere- und Aufstiegsmöglichkeiten<br />
sowie Teilzeitmodelle<br />
anzubieten,<br />
um Familie, Freizeit und<br />
Beruf besser in Einklang<br />
zu bringen. Für die Ärztekammer<br />
bedeutet das die<br />
Schaffung von betriebsnahen<br />
Kinderbetreuungsplätzen,<br />
eine berufliche<br />
<strong>Gesund</strong>heitsförderung<br />
und Prävention während<br />
der Ärztelaufbahn sowie<br />
die Möglichkeit zu Reflexionsgesprächen.<br />
Dr. Johannes Steinhart,<br />
Präsident der Ärztekammer für Wien<br />
„Leider ist unsere Freiberuflichkeit vielfach<br />
bedroht: durch Kommerzialisierung,<br />
Konzernisierung, Bürokratisierung und<br />
staatliche Gängelung. Unsere ärztliche<br />
Diagnose- und Behandlungsfreiheit darf<br />
aber durch nichts eingeschränkt werden.“<br />
WEG VON DER „FÜNF-MINUTEN-MEDIZIN“<br />
Für den niedergelassenen Bereich fordert die Ärztekammer<br />
nötige Investitionen auf vielerlei Ebenen<br />
– etwa auch in die Gesprächsmedizin. Denn<br />
psychosomatische Krankheiten und Beschwerden<br />
nehmen immer mehr zu. Daher muss auch jene<br />
Zeit ermöglicht und honoriert werden, die die Ärztin<br />
oder der Arzt für das Gespräch und das Zuhören<br />
und Beraten benötigt. Ein zeitgemäßes Entlohnungssystem<br />
würde die „Fünf-Minuten-Medizin“<br />
nachhaltig verhindern.<br />
„Wir stehen an einem ganz entscheidenden<br />
Zeitpunkt in der heimischen <strong>Gesund</strong>heitspolitik.<br />
Der niedergelassene Bereich kommt immer stärker<br />
unter Druck. Auf der einen Seite gibt es bürokratische<br />
Hürden, Deckelungen und drohende<br />
Einsparungen, auf der anderen Seite werden die<br />
Lücken in der kassenärztlichen Versorgung immer<br />
größer“, so die Analyse der Ärztekammer.<br />
FREIER ARZTBERUF<br />
UND WERTSCHÄTZUNG<br />
Von der Politik fordert die Ärztekammer ein klares<br />
Bekenntnis zum freien Arztberuf. „Das ist<br />
ein hohes Gut und hat gesamtgesellschaftliche<br />
Bedeutung“, unterstreicht Steinhart. „Leider ist<br />
unsere Freiberuflichkeit<br />
vielfach bedroht:<br />
durch Kommerzialisierung,<br />
Konzernisierung,<br />
Bürokratisierung und<br />
staatliche Gängelung.<br />
Unsere ärztliche Diagnose-<br />
und Behandlungsfreiheit<br />
darf aber<br />
durch nichts eingeschränkt<br />
werden. Es<br />
darf nicht dazu kommen,<br />
dass wir Ärztinnen<br />
und Ärzte dazu<br />
gezwungen werden,<br />
gegen besseres Wissen<br />
und Gewissen unsere<br />
Patientinnen und Patienten<br />
zu behandeln.“<br />
Gleichzeitig mahnt<br />
Steinhart mehr gesellschaftliche<br />
Wertschätzung<br />
für den Arztberuf<br />
ein: „Das <strong>Gesund</strong>heitssystem<br />
in Österreich<br />
zählt immer noch zu<br />
den besten der Welt.<br />
Der gute Zugang zu<br />
qualitativ hochwertiger<br />
Versorgung wird international immer wieder<br />
hervorgehoben. Großen Anteil daran tragen die<br />
Ärztinnen und Ärzte in Österreich, die seit Jahren<br />
Höchstleistungen erbringen – nicht erst in der extrem<br />
fordernden Zeit der Pandemie. Aber anstatt<br />
gesellschaftliche Wertschätzung für das zu ernten,<br />
was sie für unsere <strong>Gesund</strong>heitsversorgung leisten,<br />
werden Ärztinnen und Ärzte mit verbaler und psychischer<br />
Gewalt bedroht, eine unnötige Wahlarzt-<br />
Debatte entfacht und laut darüber nachgedacht,<br />
Ärztinnen und Ärzte in welcher Form auch immer<br />
zu Zwangsdiensten zu vergattern.“<br />
■<br />
6 GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
7
ORONA<br />
DIAGNOSE, THERAPIE UND<br />
MEDIKAMENTENABGABE IN EINER HAND<br />
Die Ärztekammer will ein „Full-Package“ in Ordinationen anbieten –<br />
eine Win-Win-Situation für Patientinnen und Patienten sowie das <strong>Gesund</strong>heitssystem.<br />
Die essenzielle<br />
Rolle der niedergelassenen<br />
Ärzteschaft<br />
als Partnerin in der Bewältigung der Corona-<br />
Krise unterstrich kürzlich Ärztekammerpräsident<br />
Dr. Johannes Steinhart. Es sei eine<br />
Win-Win-Situation für die Patientinnen und<br />
Patienten sowie das <strong>Gesund</strong>heitssystem im<br />
Gesamten, wenn zukünftig Diagnose und The-<br />
Dr. Rudolf Schmitzberger,<br />
Leiter des Impfreferats<br />
der Österreichischen<br />
Ärztekammer<br />
„Wir sehen<br />
Hinweise, dass eine<br />
Doppelinfektion aus<br />
COVID und Influenza<br />
ein deutlich erhöhtes<br />
Risiko für einen<br />
schweren oder<br />
tödlichen Verlauf mit<br />
sich bringt.“<br />
KOSTENGÜNSTIGE INFLUENZA-IMPFUNG<br />
Dass die Grippe-Impfung ab Herbst 2023 allen<br />
Erwachsenen einfacher zur Verfügung stehen soll,<br />
ist ein wichtiger Schritt.<br />
Die Einigung von Bund, Ländern und<br />
Sozialversicherungen, dass alle Erwachsenen<br />
ab Herbst 2023 für die<br />
Influenza-Schutzimpfung nur noch<br />
einen Selbstbehalt in Höhe der Rezeptgebühr<br />
entrichten müssen, stößt bei der Ärztekammer<br />
auf große Zustimmung. „Diese einheitliche<br />
Vergünstigung ist ein ganz wichtiger<br />
Schritt“, sagt Dr. Rudolf Schmitzberger, Leiter<br />
des Impfreferats der Österreichischen Ärztekammer.<br />
Schließlich sei der Influenza-Schutz<br />
Dr. Erik Randall Huber,<br />
Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte<br />
und Vizepräsident der Ärztekammer für Wien<br />
„Wir müssen den Fokus wieder auf ein verstärktes<br />
Testen legen. Das ist wichtig, um eine ausreichende<br />
Datenlage über das Pandemiegeschehen,<br />
insbesondere nach Wegfall der<br />
Quarantäne, zu erhalten. “<br />
aktuell und wohl auch auf weitere Sicht wichtig<br />
wie selten zuvor. „Wir sehen beispielsweise<br />
Hinweise, dass eine Doppelinfektion aus<br />
COVID und Influenza ein deutlich erhöhtes<br />
Risiko für einen schweren oder tödlichen<br />
Verlauf mit sich bringt“, so Schmitzberger.<br />
Klar sei aber, dass die Logistik noch verhandelt<br />
werden müsse. Hier könne etwa das<br />
Wiener Modell als Vorbild dienen, wo die zu<br />
Impfenden kostenlos Impfstoff und Impfung<br />
direkt bei den niedergelassenen Ärztinnen<br />
rapie von an Corona Erkrankten in den<br />
Ordinationen erfolge.<br />
Steinhart: „Niedergelassene Ärztinnen<br />
und Ärzte standen gemeinsam<br />
mit den Kolleginnen und Kollegen in<br />
den Spitälern von Anfang an an vorderster<br />
Front bei der Bewältigung der<br />
Pandemie. Auch in Zukunft wollen wir<br />
unsere Verantwortung wahrnehmen<br />
und unseren Patientinnen und Patienten<br />
ein ‚Full-Package‘ anbieten.“<br />
Konkret nennt hier Steinhart das<br />
Screening von asymptomatischen<br />
Patientinnen und Patienten, Diagnosestellungen<br />
mittels Antigen- und<br />
PCR-Test, die Beratung über Therapiemöglichkeiten<br />
und Medikamenteninteraktionen,<br />
Krankschreibungen<br />
sowie die Ausgabe aller Medikamente<br />
direkt in der Ordination – letzteres<br />
rechtlich gedeckt durch Paragraf 57<br />
Ärztegesetz, wonach niedergelassene<br />
Ärztinnen und Ärzte auch ohne<br />
Hausapotheke Medikamente vorrätig<br />
haben müssen, um in dringenden Fällen<br />
Erste Hilfe leisten zu können.<br />
oder Ärzten bekommen, regt Schmitzberger<br />
an.<br />
„Die niedergelassenen Ärztinnen und<br />
Ärzte stehen selbstverständlich bereit,<br />
damit Menschen aller Altersgruppen so<br />
einfach wie möglich zu ihrem Impfschutz<br />
kommen“, unterstreicht auch Ärztekammerpräsident<br />
Dr. Johannes Steinhart.<br />
„Man braucht nicht viel Fantasie, um<br />
festzustellen, dass ‚one stop only‘ das<br />
Optimum ist, sprich: Die zu Impfenden<br />
bekommen alles gleich bei ihrer Ärztin<br />
oder ihrem Arzt – ohne zusätzliche Wege<br />
und in der bewährten Spitzenqualität von<br />
Profis“, so Steinhart: „Das muss die Blaupause<br />
für weitere Impfungen sein.“ <br />
EINSPARUNGSPOTENZIAL<br />
DURCH MEDIKAMENTENABGABE<br />
IN ORDINATIONEN<br />
Die Ärztekammer weist noch auf<br />
einen weiteren wesentlichen Aspekt<br />
hin: Die Abgabe von Corona-Medikamenten<br />
erspare den Patientinnen und<br />
Patienten mühsame Wege und reduziere<br />
die Ansteckungsgefahr deutlich,<br />
etwa wenn der Weg in die Apotheken<br />
wegfalle. „Und das <strong>Gesund</strong>heitssystem<br />
erspart sich 15 Euro pro abgegebener<br />
Medikamentenpackung in<br />
der Apotheke, was Einsparungen im<br />
sechsstelligen Bereich mit sich bringt“,<br />
rechnet der Obmann der Kurie niedergelassene<br />
Ärzte und Vizepräsident der<br />
Ärztekammer für Wien, Dr. Erik Randall<br />
Huber, vor.<br />
Huber will den Fokus wieder auf ein<br />
verstärktes Testen legen. Das sei wichtig,<br />
um eine ausreichende Datenlage<br />
über das Pandemiegeschehen, insbesondere<br />
nach Wegfall der Quarantäne,<br />
zu erhalten.<br />
Durch Testbeschränkungen sowie<br />
die allgemeine Zurücknahme von<br />
Einschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen<br />
sei zudem der Bevölkerung<br />
suggeriert worden, das Ende der<br />
Pandemie stehe kurz bevor. Davon<br />
könne aber derzeit nicht ausgegangen<br />
werden. In diesem Sinne appellieren<br />
Steinhart und Huber an die<br />
Politik sowie die soziale Krankenversicherung,<br />
ihrer Verantwortung „rasch<br />
nachzukommen, um rechtzeitig und<br />
effizient einer drohenden weiteren<br />
Welle im Herbst entgegenzutreten“. ■<br />
Telefonische<br />
KRANKMELDUNG<br />
weiter uneingeschränkt möglich<br />
FOTOS: ISTOCK_ FEDRELENA_ DEEPBLUE4YOU_ ETERNALCREATIVE; STEFAN SEELIG; FOTODIENST_ANNA RAUCHENBERGER<br />
Aus Sicht der Ärztekammer ist die<br />
telefonische Krankmeldung weiterhin<br />
bei allen Krankheiten möglich –<br />
„Patientinnen und Patienten<br />
sollten sich nicht verwirren lassen“.<br />
„Aus unserer Sicht ist die telefonische<br />
Krankmeldung bei allen Krankheiten<br />
möglich. In manchen Bundesländern,<br />
wie zum Beispiel Wien, ist die telefonische<br />
Krankmeldung durch die telemedizinischen<br />
Regeln im Gesamtvertrag<br />
nie beendet worden“, so Dr. Edgar Wutscher,<br />
Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer<br />
und Bundeskurienobmann der niedergelassenen<br />
Ärzte.<br />
„Patientinnen und Patienten sollten sich<br />
daher nicht verwirren lassen. Ärztinnen und<br />
Ärzte sind mit der telefonischen Krankmeldung<br />
selbstverständlich jederzeit äußerst verantwortungsbewusst<br />
umgegangen – schließlich<br />
kennen sie ja ihre Patientinnen und Patienten<br />
auch am besten. Die Ärztinnen und Ärzte handeln<br />
auch weiterhin sehr verantwortungsvoll.<br />
Um mögliche Ansteckungen zu vermeiden und<br />
eine Krankheitsausbreitung zu verhindern, ist<br />
die telefonische Krankmeldung eine hervorragende<br />
Maßnahme“, so Wutscher.<br />
Wutscher verwies in diesem Zusammenhang<br />
auch darauf, dass in den Ordinationen<br />
nach wie vor FFP2-Maskenpflicht besteht und<br />
sich Patientinnen und Patienten vor dem Arztbesuch<br />
telefonisch in den Ordinationen anmelden<br />
sollten. „Das sind ebenfalls zwei Kernelemente,<br />
wie wir die Ordinationen in Österreich<br />
sicher halten können“, so Wutscher. ■<br />
„Um mögliche Ansteckungen<br />
zu vermeiden und eine<br />
Krankheitsausbreitung zu<br />
verhindern, ist die telefonische<br />
Krankmeldung eine<br />
hervorragende Maßnahme.“<br />
Dr. Edgar Wutscher,<br />
Vizepräsident der Österreichischen<br />
Ärztekammer und Bundeskurienobmann<br />
der niedergelassenen Ärzte<br />
8 GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
9
ÖSTERREICHS SCHULÄRZTE EXKLUSIV IN GESUND & LEBEN:<br />
EXKLUSIVE UMFRAGE<br />
Österreichs Schulärztinnen und -ärzte<br />
schlagen Alarm: Nach drei Jahren<br />
Pandemie hat sich bei 80 Prozent unserer<br />
Schülerinnen und Schüler der allgemeine<br />
<strong>Gesund</strong>heitszustand verschlechtert.<br />
Psychische Probleme nehmen massiv zu.<br />
Aber auch Gewichtsprobleme<br />
und Suchtverhalten sind immer<br />
häufiger zu beobachten.<br />
Ein Weckruf.<br />
SO<br />
KRANK<br />
FOTOS: ISTOCK_SYNTIKA_MUSTAFAHACALAKI<br />
SIND UNSERE<br />
SCHÜLER<br />
FOTOS: ISTOCK_<br />
10<br />
GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
11
„Besorgniserregend:<br />
Unsere Schülerinnen<br />
und Schüler leiden<br />
in mehrfacher<br />
Hinsicht unter<br />
der Pandemie.“<br />
eit zweieinhalb Jahren hält COVID-19 die Welt in<br />
Atem – mit weitreichenden physischen, aber auch<br />
psychischen Auswirkungen. Besonders im Fokus:<br />
Kinder und Jugendliche. Neben dem Virus selbst<br />
setzen auch die Angst vor der Krankheit, fehlende<br />
soziale Kontakte, Lockdowns und Home-Schooling,<br />
familiärer Stress, fehlende Infrastruktur bzw.<br />
Unterstützung und unsichere Zukunftsperspektiven<br />
der Psyche junger Menschen zu. Das belegen<br />
mittlerweile zahlreiche Studien.<br />
Wie sieht aber die Situation bei Österreichs<br />
SSchülerinnen und Schülern aus? – Das wollte<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
43 %<br />
40 %<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
?<br />
10 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
11 %<br />
nein<br />
45 %<br />
geringfügig<br />
37 %<br />
stark<br />
7 %<br />
sehr stark<br />
EXKLUSIVE UMFRAGE<br />
GESUND & LEBEN genau wissen. Und wer könnte<br />
das besser beurteilen als Österreichs 1.132 Schulärztinnen<br />
und Schulärzte? Wir haben sie im Detail<br />
befragt! Das Ergebnis: besorgniserregend, denn:<br />
Unsere Schülerinnen und Schüler leiden in mehrfacher<br />
Hinsicht unter der Pandemie. Wie sich<br />
ihr <strong>Gesund</strong>heitszustand seit Beginn von Corona<br />
im März 2020 aus Sicht der Schulärztinnen und<br />
Schulärzte verändert hat und welchen Belastungen<br />
die Kinder und Jugendlichen ausgesetzt sind,<br />
haben wir für Sie übersichtlich zusammengefasst.<br />
ALLGEMEINER GESUNDHEITSZUSTAND<br />
Die gute Nachricht gleich vorweg: Auch wenn nur<br />
8 % der Befragten den <strong>Gesund</strong>heitszustand der<br />
von ihnen betreuten Schülerinnen und Schüler<br />
mit „sehr gut“ bewertet, empfindet der Großteil<br />
diesen als durchwegs „gut“ (43 %) oder zumindest<br />
„befriedigend“ (40 %). Aber: 8 % der Schulärztinnen<br />
und Schulärzte vergeben in Sachen „Allgemeiner<br />
<strong>Gesund</strong>heitszustand“ lediglich die Note<br />
„genügend“.<br />
Wie beurteilen Sie ganz grundsätzlich den<br />
<strong>Gesund</strong>heitszustand der Schülerinnen und<br />
Schüler in Ihrer Schule?<br />
Eines der erfreulichsten Ergebnisse der Umfrage: 51 %<br />
der österreichischen Schulärztinnen und -ärzte beurteilen<br />
den allgemeinen <strong>Gesund</strong>heitszustand der Schülerinnen<br />
und Schüler mit „sehr gut“ oder „gut“. Aber insgesamt<br />
9 % vergeben nur ein „genügend“ oder „nicht genügend“.<br />
12<br />
1%<br />
verbessert<br />
18 %<br />
gleichgeblieben<br />
81 %<br />
verschlechtert<br />
70 %<br />
?<br />
10 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
8 %<br />
sehr gut<br />
?<br />
10 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
gut<br />
befriedigend<br />
8 %<br />
genügend<br />
1 %<br />
nicht genügend<br />
Wie hat sich der allgemeine<br />
<strong>Gesund</strong>heitszustand Ihrer<br />
Schülerinnen und Schüler nach<br />
2,5 Jahren Pandemie verändert?<br />
Bei dieser Frage ist die Tendenz mehr als eindeutig:<br />
81 % der Schulärztinnen und -ärzte sagen,<br />
dass sich der allgemeine <strong>Gesund</strong>heitszustand der<br />
Schülerinnen und Schüler verschlechtert habe.<br />
Nur 18 % sehen keine Auswirkung der Pandemie.<br />
Haben<br />
psychische<br />
Belastungen<br />
aufgrund der<br />
Corona-Pandemie<br />
bei Ihren<br />
Schülerinnen<br />
und Schülern<br />
zugenommen?<br />
Psychische Belastungen<br />
bei Schülerinnen<br />
und Schülern<br />
haben zugenommen.<br />
Diese Diagnose<br />
ist eindeutig –<br />
und erschreckend.<br />
Haben physische gesundheitliche<br />
Probleme nach 2,5 Jahren Corona-<br />
Pandemie zugenommen?<br />
Die Pandemie manifestiert sich – so die Schulärztinnen<br />
und -ärzte – in körperlichen Problemen.<br />
Insgesamt 89 % sehen diese anwachsen.<br />
GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
?<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
0 %<br />
nein<br />
22 %<br />
geringfügig<br />
59 %<br />
stark<br />
19 %<br />
sehr stark<br />
TENDENZ: VERSCHLECHTERT<br />
Beachtet man die Entwicklung der Schülergesundheit<br />
seit Beginn der Pandemie, hat diese ganz<br />
klar deutliche Spuren hinterlassen: So geben 81 %<br />
der Umfrage-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer<br />
an, dass sich die allgemeine gesundheitliche Situation<br />
der Schülerinnen und Schüler verschlechtert<br />
habe. Zunächst im Fokus der Expertinnen und<br />
Experten: die physische <strong>Gesund</strong>heit der Kinder<br />
und Jugendlichen. Und hier geben die Ergebnisse<br />
ernsten Anlass zur Sorge, denn rund 89 % der<br />
teilnehmenden Schulärztinnen und Schulärzte<br />
geben an, dass sich der körperliche Zustand seit<br />
Beginn der Pandemie verschlechtert habe – rund<br />
44 % meinen sogar „stark“ bzw. „sehr stark“. Vor<br />
allem habe – so der Tenor – die Bewegungsfreude<br />
während der Pandemie gelitten. Mit all<br />
den Folgen, die ein inaktiver <strong>Leben</strong>swandel<br />
mit sich bringt …<br />
MENTALE AUSWIRKUNGEN<br />
ALARMIEREND<br />
Ein noch drastischeres Bild<br />
zeichnet sich rund um die<br />
mentale <strong>Gesund</strong>heit unserer<br />
Schülerinnen und Schüler ab.<br />
Hier sehen alle (!) befragten<br />
Medizinerinnen und Mediziner<br />
eine Zunahme an psychischen<br />
Belastungen – und zwar<br />
ein Großteil davon in deutlichem<br />
Ausmaß: So geben 59 %<br />
der Teilnehmenden eine „starke“<br />
und 19 % eine „sehr starke“ Steigerung<br />
der mentalen Probleme an.<br />
13<br />
FOTOS: ISTOCK_SYNTIKA_ RIDOFRANZ
EXKLUSIVE UMFRAGE<br />
Welche psychischen<br />
Belastungen<br />
haben bei<br />
Ihren Schülern<br />
und Schülerinnen<br />
zugenommen?<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
Depressionen,<br />
?<br />
Stresssymptome und<br />
Angststörungen sind<br />
unter Österreichs Schülerinnen<br />
und Schülern<br />
häufig verbreitet. 40 %<br />
haben zudem vor der<br />
Zukunft generell Angst.<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
81 %<br />
70 %<br />
67 %<br />
62 %<br />
52 %<br />
51 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
Depressionen<br />
Stresssymptome<br />
Angststörungen<br />
sozialer Rückzug<br />
Lernstörungen<br />
Antriebslosigkeit<br />
Konzentrationsstörungen<br />
Zukunftsängste<br />
Aber gehen wir mit Österreichs Schulärztinnen und<br />
Schulärzte ins Detail: Welche psychischen Belastungen<br />
sind besonders häufig? Am alarmierendsten ist die<br />
Zunahme bei Depressionen, so das Umfrageergebnis:<br />
81 % der teilnehmenden Schulärztinnen und Schulärzte<br />
mussten bereits diese bei ihren jungen Patientinnen<br />
und Patienten diagnostizieren. Ebenfalls häufig genannt<br />
wurden Stresssymptome und Angststörungen (von rund<br />
70 % der befragten Ärzte). Auch sehr oft beobachtet:<br />
sozialer Rückzug (62 %), Antriebslosigkeit, Konzentrations-<br />
und Lernstörungen (jeweils rund die Hälfte der<br />
Befragten) und generelle Zukunftssorgen (40 %).<br />
MOBBING, BULLYING UND GEWALT<br />
Zudem sind Mobbing oder sogar körperliche Gewalt<br />
durch Mitschülerinnen und Mitschüler Belastungen, die<br />
sich stark negativ auf die Psyche der jungen Menschen<br />
auswirken – Problematiken, die an Österreichs Schulen<br />
offenbar in hohem Ausmaß anzutreffen sind. In manchen<br />
Schulen – so die befragten Schulärzte – sind bis zu<br />
80 % der Schülerinnen und Schüler von Mobbing und<br />
Gewalt betroffen.<br />
FOLGEN FÜR DAS ERNÄHRUNGSVERHALTEN<br />
Auch das Ernährungsverhalten der Schülerinnen und<br />
Schüler hat gelitten, wie die Umfrage belegt. Während<br />
56 % der Schulärztinnen und Schulärzte von geringfügigen<br />
Veränderungen ausgeht, sieht ein Drittel „starke“<br />
negative Auswirkungen, 7 % geben diese sogar als „sehr<br />
stark“ an. Dazu passt auch der nächste Umfragewert,<br />
denn: Rund 70 % sehen „Übergewicht“ als eine Folge<br />
der Corona-Pandemie unter den Schülerinnen und<br />
Schülern am Vormarsch. Was Ausdauer und Kondition<br />
der Kinder und Jugendlichen betrifft, verzeichnen<br />
62 % schlechtere Beweglichkeit und knapp mehr als die<br />
Hälfte eine reduzierte Ausdauer.<br />
14<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
7 %<br />
nein<br />
56 %<br />
geringfügig<br />
30 %<br />
stark<br />
Hat sich die Corona-<br />
Pandemie auf das<br />
Ernährungsverhalten<br />
Ihrer Schülerinnen und<br />
Schüler ausgewirkt?<br />
Auch in Sachen Ernährung<br />
hat die Pandemie unseren<br />
Schülerinnen und Schülern<br />
nicht gut getan: 93 % der<br />
Schulärzte konstatieren<br />
Änderungen im Ernährungsverhalten<br />
– in der Regel<br />
leider zum Negativen.<br />
7 %<br />
sehr stark<br />
?<br />
FOTOS: ISTOCK_SYNTIKA_ LUMINOLA<br />
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52 %<br />
100 %<br />
EXKLUSIVE UMFRAGE<br />
■ KOLUMNE<br />
?<br />
Beim<br />
Übergewicht<br />
Welche<br />
Suchtproblematiken<br />
sind bei Ihren<br />
Schülerinnen und<br />
Schülern verbreitet?<br />
Handy, PC-Spiele, Soziale<br />
Medien: Die Mehrheit der<br />
Schüler zeigt klares Suchtverhalten.<br />
Alarmierend<br />
auch die Werte bei Nikotin-,<br />
Alkohol- und Cannabissuchtverhalten.<br />
schlechtere<br />
Beweglichkeit<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
?<br />
10 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
reduzierte<br />
Ausdauer<br />
75 %<br />
Handy<br />
GESTIEGENE SUCHTPROBLEMATIK<br />
Belastungen und Probleme, mit denen die jungen<br />
Menschen auf unterschiedliche – und auch besorgniserregende<br />
Weise – umgehen. Denn auf die Frage nach<br />
Suchtproblematiken unter den Schülerinnen und Schülern<br />
ist die Flucht in die digitale Welt am stärksten verbreitet,<br />
wie die Umfrage zeigt: 75 % der Teilnehmenden<br />
sehen dabei das Handy als Gerät mit größtem Suchtpotenzial,<br />
gefolgt von den sozialen Medien und Video/PC-<br />
Spielen (je 62 %) und Fernsehen (rund ein Drittel). Doch<br />
auch Suchtmittel bergen ein großes Gefahrenpotenzial,<br />
wie die Umfrage zeigt: Knapp die Hälfte gibt Nikotin als<br />
verbreitete Problematik unter den Schülerinnen und<br />
Schülern an, ein Drittel Alkohol, 25 % Cannabis. In Einzelfällen<br />
werden sogar harte Drogen genannt. Einig ist<br />
sich ein Großteil der Expertinnen und Experten auch<br />
bei der Tendenz der Suchtproblematiken. So sehen rund<br />
75 % eine Zunahme – 20 % in „starkem“, knapp 16 % in<br />
„sehr starkem“ Ausmaß.<br />
■<br />
62 %<br />
Video-/PC-Spiele<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
10 %<br />
62 %<br />
Soziale Medien<br />
Hat die Corona-Pandemie<br />
Auswirkungen auf die Motorik und<br />
Kondition Ihrer Schülerinnen und<br />
Schüler gehabt? Falls ja, welche?<br />
Weniger Bewegung, Homeschooling, kein Turnunterricht:<br />
Das alles macht sich bei der Motorik<br />
und Kondition unserer Schülerinnen und Schüler<br />
bemerkbar. Vor allem Übergewicht wird zu einem<br />
immer größeren Problem in der Schule.<br />
48 %<br />
Nikotin<br />
30 %<br />
TV<br />
29 %<br />
Alkohol<br />
25 %<br />
Cannabis<br />
Wie hoch ist der Anteil an Kindern und Jugendlichen,<br />
die von Mobbing, Bullying und Gewalt durch<br />
Mitschüler betroffen sind oder sie selbst ausüben?<br />
An manchen Schulen dürfte das Thema Mobbing und Gewalt ein<br />
massives Problem sein: Immerhin 4 % der Schulärzte berichten,<br />
dass bis zu 80 % der Schüler davon betroffen sind.<br />
2 %<br />
harte Drogen<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
?<br />
10 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
100 %<br />
90 %<br />
80 %<br />
70 %<br />
?<br />
10 %<br />
60 %<br />
50 %<br />
40 %<br />
30 %<br />
20 %<br />
24 %<br />
nein<br />
40 %<br />
geringfügig<br />
20 %<br />
stark<br />
16 %<br />
sehr stark<br />
Haben Suchtproblematiken durch die<br />
Pandemie zugenommen?<br />
Eine klare Dreiviertelmehrheit der österreichischen Schulärzte<br />
sagt: Das Suchtverhalten der Schülerinnen und Schüler<br />
hat zugenommen. Insgesamt 36 % sehen einen „starken“<br />
oder sogar „sehr starken“ Anstieg beim Suchtverhalten.<br />
54 %<br />
0 bis 20 %<br />
38 %<br />
20 bis 40 %<br />
4 % 4 %<br />
40 bis 60 %<br />
60 bis 80 %<br />
0 %<br />
80 - 100 %<br />
FOTOS: ISTOCK_SYNTIKA_ IMARTIN-DM<br />
PHARMIG-Präsident<br />
Philipp von Lattorff, MBA<br />
LIEBE LESERINNEN<br />
UND LESER!<br />
Einkauf im Supermarkt, an<br />
der Tankstelle oder beim Bezahlen<br />
der Energierechnung merken wir es:<br />
Alles ist teurer geworden. Aber es gibt<br />
auch Produkte, die seit Jahren billiger<br />
werden, weil ihre Preise nicht an die<br />
Inflation angepasst werden dürfen. Bei<br />
diesen Produkten müssen die Hersteller<br />
die rasch steigenden Produktions- und<br />
Vertriebskosten tragen. Richtig, die<br />
Rede ist von Arzneimitteln.<br />
Warum das so ist? Weil die Medikamentenpreise<br />
im Erstattungsbereich<br />
gesetzlich geregelt sind. Gleichzeitig<br />
sind Medikamentenhersteller, wie alle<br />
anderen, mit steigenden Kosten für<br />
Rohstoffe, Logistik und Energie konfrontiert.<br />
Anders als etwa im <strong>Leben</strong>smittelhandel<br />
können sie diese aber<br />
nicht an andere, etwa Konsumenten,<br />
weitergeben. Im schlimmsten Fall kann<br />
dies dazu führen, dass manche Medikamente<br />
vom Markt genommen werden<br />
müssen, weil ihr Vertrieb zum Verlustgeschäft<br />
geworden ist.<br />
Das geht nicht nur zu Lasten der Unternehmen,<br />
sondern auch zu denen der<br />
Patientinnen und Patienten. Denn<br />
jedes fehlende Arzneimittel verringert<br />
den Arzneimittelschatz.<br />
Sollen Pharma-Unternehmen, wie sie<br />
es als ihre Pflicht sehen, zur bestmöglichen<br />
Versorgung mit Arzneimitteln<br />
beitragen können, müssen sie die<br />
Möglichkeit haben, für die Zukunft zu<br />
planen. Die Preisgestaltung ist dabei<br />
nur eines von mehreren Themen. Nur<br />
wenn die Politik integriert denkt und<br />
handelt, können der Marktzugang für<br />
Unternehmen sowie ihre Produkte und<br />
damit die Arzneimittelvielfalt sichergestellt<br />
werden. Dafür müssen Wirtschaft,<br />
Wissenschaft, Arbeitsmarkt und der<br />
<strong>Gesund</strong>heitsbereich zusammenspielen.<br />
Den Rahmen dafür muss die Politik<br />
schaffen.<br />
Eine Initiative der<br />
© MARION CARNIEL<br />
16<br />
GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
WERBUNG 17
DIABETES<br />
Er ist Olympiasieger und Weltmeister<br />
im Gewichtheben, Bestseller-Autor,<br />
Geschäftsmann und Typ-1-Diabetiker.<br />
Im Gespräch mit GESUND & LEBEN<br />
erzählt Matthias Steiner, wie seine<br />
Sportkarriere auch mit Diabetes gelang.<br />
SPITZEN-<br />
SPORT<br />
trotz<br />
Diabetes<br />
Seit seinem 18. <strong>Leben</strong>sjahr ist<br />
Matthias Steiner Typ-1-Diabetiker.<br />
Sein Credo im Umgang mit<br />
der Krankheit: viel Wissen<br />
darüber, Akzeptanz, gesunde<br />
Ernährung – und Bewegung.<br />
FOTOS: MARIO ANDREYA, IRONMIND®/RANDALL J. STROSSEN<br />
Rund 800.000 Menschen in Österreich sind<br />
an Diabetes erkrankt – der Großteil davon<br />
ist von Diabetes-Typ-2 betroffen und<br />
damit von jener Zuckerkrankheit, die sich schleichend<br />
und häufig im Alter entwickelt. Aufgrund<br />
genetischer Veranlagung, Übergewicht und/oder<br />
mangelhafter Bewegung schafft dabei das körpereigene<br />
Insulin seine Aufgabe, Zucker aus dem Blut<br />
zur Energiegewinnung in die Zellen zu befördern,<br />
in immer geringerem Ausmaß. Ein weitaus kleinerer<br />
Teil der Betroffenen, in Österreich rund 30.000<br />
Personen, leidet hingegen an Diabetes-Typ-1, bei<br />
dem das körpereigene Immunsystem die insulinproduzierenden<br />
Zellen der Bauchspeicheldrüse<br />
zerstört. Die Folge in beiden Fällen: Der Blutzuckerspiegel<br />
steigt und muss – entweder durch<br />
medikamentöse Behandlung und Umstellung des<br />
<strong>Leben</strong>swandels oder durch Zufuhr von Insulin von<br />
außen – in Schach gehalten werden. Während sich<br />
Diabetes-Typ-2 häufig erst ab der <strong>Leben</strong>smitte entwickelt,<br />
tritt die Autoimmunerkrankung Diabetes-<br />
Typ-1 oft bereits in jungen Jahren und von einem<br />
Moment auf den anderen auf.<br />
„ICH DACHTE, MEIN LEBEN SEI VORBEI“<br />
Matthias Steiner kann sich genau an den Tag erinnern,<br />
an dem er diese Diagnose hörte: „Es war<br />
einen Tag vor meinem 18. Geburtstag“, erzählt der<br />
gebürtige Wiener, der später Schlagzeilen als Europameister,<br />
Weltmeister und Olympiasieger im<br />
Gewichtheben schreiben sollte. Steiner: „Die Diagnose<br />
war zuerst ein Schock. Ich dachte für einen<br />
kurzen Moment, mein <strong>Leben</strong> sei vorbei.“ Mit Diabetes<br />
mellitus, so der Fachbegriff für jene Erkrankung,<br />
die auch als Zuckerkrankheit bezeichnet<br />
wird, hatte der knapp 18-Jährige bis dato keinerlei<br />
Berührung. „In meiner Familie gab es keine Betroffenen<br />
und ich war bis dahin immer kerngesund.“<br />
Die Autoimmunerkrankung wurde durch einen<br />
grippalen Infekt ausgelöst. „Ich habe zunächst<br />
bemerkt, dass ich viel mehr Durst hatte“, so Steiner.<br />
Damals machte er einen besonders heißen<br />
Sommer dafür verantwortlich. Tatsächlich handelte<br />
es sich – auch in Verbindung mit erhöhtem<br />
Harndrang – bereits um ein erstes Anzeichen der<br />
Stoffwechselerkrankung, denn: Schafft der Körper<br />
es nicht mehr, den Zucker mithilfe des Insulins aus<br />
dem Blut in die Zellen zu transportieren, führt dies<br />
bei beiden Typen der Zuckerkrankheit zu einem<br />
erhöhten Blutzuckerspiegel.<br />
TECHNISCHER FORTSCHRITT<br />
Während Diabetes-Typ-2 medikamentös mit Antidiabetika,<br />
einer Ernährungsumstellung und mehr<br />
Bewegung behandelt wird und auch geheilt werden<br />
kann, ist Diabetes-Typ-1 unheilbar, Betroffene<br />
müssen ihrem Körper ein <strong>Leben</strong> lang Insulin<br />
zuführen. „Die ersten 15 Jahre musste ich mir für<br />
Diabetes-Typ-1 Unterschiede Diabetes-Typ-2<br />
Autoimmunerkrankung Ursache Erbliche Vorbelastung;<br />
starkes Übergewicht;<br />
wenig Bewegung<br />
Das Immunsystem<br />
zerstört die insulinproduzierenden<br />
Zellen der<br />
Bauchspeicheldrüse<br />
Kindes- und Jugendalter<br />
Rund 30.000<br />
<strong>Leben</strong>slange Therapie<br />
mit Insulin-Abgabe<br />
Auch mit Diabetes<br />
erreichte Steiner all<br />
seine Ziele:<br />
Europameister,<br />
Weltmeister und<br />
Olympiasieger im<br />
Gewichtheben.<br />
Auswirkung<br />
Erkrankungsalter<br />
Betroffene in<br />
Österreich<br />
Behandlung<br />
die Blutzuckermessung noch täglich in die Fingerkuppe<br />
stechen und das Insulin mit dem Pen<br />
spritzen, aber auch das war schon sehr viel leichter<br />
als früher, als Betroffene für die Messung zum<br />
Arzt mussten und das Insulin über große Spritzen<br />
verabreicht bekamen. Heute haben Typ-1er dagegen<br />
luxuriöse Bedingungen“, erläutert Steiner und<br />
spricht damit Sensor und Insulinpumpe an. Beides<br />
trägt der ehemalige Spitzensportler heute. Sein am<br />
Oberarm befestigter Sensor misst kontinuierlich<br />
den Glukosewert im Unterhautfettgewebe und<br />
sendet die Werte über einen Transmitter an Handy<br />
und Smartwatch. „So sehe ich jederzeit meine<br />
Glukosewerte und<br />
kann selbst entscheiden,<br />
wann ich Insulin<br />
zuführen muss“,<br />
erklärt Steiner. Dieses<br />
erhält der ehemalige<br />
Spitzensportler über<br />
die Insulinpumpe.<br />
Sie wird direkt am<br />
Körper getragen und<br />
enthält einen Insulinvorrat,<br />
aus dem<br />
über einen dünnen<br />
Katheter das Insulin<br />
subkutan abgegeben<br />
Die Wirkung des<br />
Insulins nimmt ab:<br />
Trotz erhöhten Insulinspiegels<br />
gelangt immer<br />
weniger Zucker in die<br />
Körperzellen.<br />
Meist nach dem<br />
40. <strong>Leben</strong>sjahr<br />
Rund 770.000<br />
Umstellung des <strong>Leben</strong>swandels,<br />
medikamentöse<br />
Behandlung<br />
18 GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
19
DIABETES<br />
wird. „Beides sorgt dafür, dass mein Alltag viel besser<br />
planbar ist und ich ein unbeschwerteres <strong>Leben</strong><br />
führen kann. Ich muss mich aber weiterhin damit<br />
beschäftigen, was in meinem Körper vor sich geht,<br />
wenn ich bestimmte <strong>Leben</strong>smittel zu mir nehme,<br />
welche Auswirkungen Stress oder Intensivtraining<br />
haben und wie viel Insulin ich tatsächlich<br />
benötige“, so Steiner, der betont, dass jeder und<br />
jede Betroffene den individuell besten Weg finden<br />
müsse. „Für mich selbst war es zum Beispiel jahrelang<br />
unvorstellbar, eine Pumpe zu tragen. Das wäre<br />
im Spitzensport auch gar nicht gegangen. Durch<br />
das viele Schwitzen hätte das Pflaster des Katheters<br />
nicht gehalten“, so Steiner. Dass eine Sportkarriere<br />
mit der Krankheit überhaupt möglich sei, bezweifelten<br />
am Anfang viele, auch der behandelnde Arzt.<br />
„Ich musste schon im Krankenhaus unterschreiben,<br />
dass ich mich dort auf eigene Gefahr<br />
auf den Hometrainer setze“, erinnert er<br />
sich. „Ich habe aber gleich gemerkt, dass<br />
mir Bewegung guttut.“ Schon damals sei<br />
ihn ihm der Gedanke an Olympia gereift:<br />
„Ich war gerade auf dem Wendepunkt<br />
vom Laien- zum Profisportler und sehr<br />
erleichtert, als ich gemerkt habe, dass<br />
sich Diabetes und Spitzensport nicht<br />
ausschließen.“ Was folgte, war ein langer<br />
Lernprozess, den Steiner gemeinsam mit<br />
einem erfahrenen Trainer- und Ärzteteam<br />
in Angriff nahm. Dazu zählte auch<br />
die Entscheidung, in die Superschwergewichtsklasse<br />
zu wechseln –und damit<br />
rund 45 kg in vier Jahren zuzunehmen.<br />
„Das geht natürlich nur mit intensivem<br />
Training, der genauen Kontrolle der<br />
Werte und mit viel Wissen darüber, was<br />
im Körper eigentlich vor sich geht: Wieviel<br />
Zucker man beim Sport verbrennt,<br />
welche Auswirkungen Stress auf den<br />
Stoffwechsel hat und vor allem welche<br />
Rolle die Ernährung spielt“, so Steiner.<br />
DIE WIRKUNG<br />
VON LEBENSMITTELN<br />
Genau jenes Wissen habe ihm nach Beendigung<br />
seiner erfolgreichen Karriere auch<br />
geholfen, innerhalb eines Jahres wieder<br />
sein Wohlfühlgewicht zu erreichen, das er bis<br />
heute hält. „Für mich ist es wichtig zu vermitteln,<br />
dass mir dabei keine Diät geholfen hat. Abnehmen<br />
soll auch mit Genuss möglich sein. Am wichtigsten<br />
ist, die Kohlenhydratzufuhr zu verringern. Leider<br />
hat der Konsum von Kohlenhydraten dramatisch<br />
zugenommen“, so Steiner, der ebenso viel Wert<br />
auf Essenspausen legt. „Natürlich benötigen wir<br />
Kohlenhydrate als wichtigen Energielieferanten.<br />
Wenn ich aber den ganzen Tag über Kohlenhydrate<br />
zu mir nehme, die im Magen und Darm zu Zucker<br />
QUELLE: DEUTSCHE DIABETES-HILFE, DEUTSCHE DIABETES-GESELLSCHAFT<br />
Diabetes<br />
Volkskrankheit<br />
mellitus<br />
Die Funktion des Kohlenhydrat-Stoffwechsels<br />
1. Über Nahrung<br />
(z. B. Brot, Nudeln,<br />
Erdäpfel) werden dem<br />
Körper Kohlenhydrate<br />
zugeführt.<br />
Speiseröhre<br />
Bauchspeicheldrüse<br />
2. Diese werden bei der Verdauung<br />
in Traubenzucker (Glukose)<br />
gespalten und zur Versorgung der<br />
Körperzellen ins Blut geleitet. Der<br />
Blutzuckerspiegel steigt.<br />
3. Um den Traubenzucker in Muskelund<br />
Fettzellen einzuschleusen, wird<br />
das Hormon Insulin benötigt. Es<br />
wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet.<br />
Blutbahn<br />
verstoffwechselt werden, und mich dann nicht ausreichend<br />
bewege, benötige ich permanent Insulin.<br />
Das stoppt aber die Fettverbrennung und so werde<br />
ich mir mit dem Abnehmen schwertun“, erklärt der<br />
zweifache Familienvater. „Daher ist auch Bewegung<br />
so wichtig. Das muss kein Spitzensport sein.<br />
Auch Gartenarbeit zählt schon dazu.“ Sein Wissen<br />
und seine Erfahrungen hat Steiner unter dem Titel<br />
„Das Steiner Prinzip“ in zwei Bestsellern festgehalten<br />
und zudem ein gleichnamiges Onlinefitnessprogramm<br />
entwickelt. Zudem ist er Gründer und<br />
Geschäftsführer eines Food-Startups, das Low<br />
Kohlenhydrate<br />
Magen<br />
Dickdarm<br />
Dünndarm<br />
4. Insulin öffnet<br />
die Zellen für<br />
Glukose.<br />
FOTOS: ISTOCK_KOWALSKA-ART<br />
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Informationen und Terminvereinbarung:<br />
Redakteurin<br />
Claudia Sebunk im<br />
Gespräch mit<br />
Matthias Steiner.<br />
Carb-, also kohlenhydratarme Nahrungsmittel herstellt<br />
(www.steiners.shop).<br />
VORURTEILE ABBAUEN<br />
Doch Steiner hat ein weiteres Anliegen: Vorurteile<br />
rund um die Stoffwechselerkrankung abzubauen.<br />
„Viele denken bei Diabetes, dass man selbst Schuld<br />
an der Erkrankung sei – auch deshalb, weil sie nicht<br />
den Unterschied zwischen Typ 1 und Typ 2 kennen“,<br />
so der Niederösterreicher. „Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung,<br />
die nichts mit dem <strong>Leben</strong>swandel<br />
zu tun hat. Aber auch als Typ-2-Diabetiker trägt<br />
man keine Schuld, selbst wenn ein Grund für die<br />
Erkrankung in zu zuckerhaltiger Ernährung und<br />
Bewegungsmangel liegt.“ Verantwortlich dafür sei<br />
vor allem ein Überangebot an billigen, ungesunden<br />
<strong>Leben</strong>smitteln mit versteckten Kohlenhydraten und<br />
das Unwissen über die genauen Vorgänge im Körper.<br />
„In meinen Lesungen und Vorträgen möchte ich<br />
dazu beitragen, dass dieses Wissen wächst und dass<br />
wir alle uns mehr damit beschäftigen, was wir unserem<br />
Körper zuführen“, so Steiner, der allen Erkrankten<br />
Mut zuspricht: „Am wichtigsten ist, die Diagnose<br />
zu akzeptieren, sich Wissen über die Krankheit anzueignen,<br />
seine eigenen Erfahrungen zu sammeln und<br />
das zu ändern, was man ändern kann.“<br />
CLAUDIA SEBUNK ■<br />
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NACHHALTIG<br />
FOTOS: ISTOCK_ MILANA AUSIANOVICH; MIKE MEYER<br />
B<br />
utter, Rind- und Schweinefleisch,<br />
Käse oder auch Schokolade gehören<br />
für viele Menschen zum fixen<br />
Speiseplan. Leider zählen sie auch<br />
zu den klimaschädlichsten <strong>Leben</strong>smitteln<br />
und sollten – da sind sich<br />
Holger<br />
die meisten Experten einig – so wenig wie möglich<br />
konsumiert werden. Als besonders klimafreundlich<br />
gelten hingegen heimische und saisonale<br />
Gemüse- und Obstsorten sowie pflanzliche Proteinquellen,<br />
regionales Getreide und Pflanzendrinks.<br />
Sprich, ein nachhaltiges Ernährungskonzept<br />
ist zu einem guten Teil pflanzenbasiert.<br />
JEDE MAHLZEIT HAT<br />
EINE VORGESCHICHTE<br />
Holger Stromberg ist Koch und Food-Aktivist.<br />
Der frühere Ernährungscoach der deutschen<br />
Fußball-Nationalmannschaft engagiert sich mit<br />
seiner Mission des „Umbegeisterns“ in Sachen<br />
Essen auch aktiv für den Schutz unseres Klimas.<br />
Er hat sich deshalb in seinem aktuellen Buch<br />
„Zukunft kochen“ umfassend mit jener Ernährung<br />
beschäftigt, welche nötig ist, um gesund zu leben<br />
und gleichzeitig die Umwelt und den Planeten<br />
zu schützen. „Wir wissen schon seit Jahrzehnten,<br />
wie sehr unsere Ernährungsweise die Klimakrise<br />
und das Artensterben anheizt. Alles, was auf<br />
unseren Teller kommt, hat eine Vorgeschichte: Es<br />
wurde angebaut und geerntet oder gezüchtet und<br />
geschlachtet, dann verpackt, manchmal mehrmals<br />
transportiert, häufig gekühlt und verarbeitet.<br />
Wir wissen, dass dafür immer knapper werdende<br />
Ressourcen wie Boden und Wasser verbraucht<br />
werden und dass die Produktion und der Konsum<br />
von <strong>Leben</strong>smitteln deshalb eine enorme Wirkung<br />
auf das Klima haben.“<br />
CO 2<br />
-FUSSABDRUCK VON LEBENSMITTELN<br />
Laut Weltklimarat gehen weltweit zwischen<br />
21 und 37 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen<br />
auf das Ernährungssystem zurück.<br />
Dazu gehören u. a. exzessive Viehzucht, Nutztierausscheidungen,<br />
Chemikalieneintrag beim Anbau<br />
von Obst und Gemüse oder auch lange Liefer- und<br />
Produktionsketten. Stromberg: „Der Verzehr von<br />
Fleisch und Fisch erzeugt einen sehr hohen CO 2<br />
-<br />
Fußabdruck. Eine pflanzenbasierte, vielfältige<br />
Ernährung mit Rücksicht auf Regionalität und<br />
Jahreszeiten ist das Beste für Menschen, die Tierwelt<br />
und die Natur.“ Wobei, keine Angst: Nicht jede<br />
und jeder muss ab sofort auf fleischliche Produkte<br />
verzichten. Vielmehr geht es darum, bewusst zu<br />
genießen – und manche Verhaltensweise zu überdenken.<br />
Doch welche allgemeine Empfehlung<br />
kann man abgeben?<br />
Eine Kommission bestehend aus 37 Wissenschaftern<br />
aus insgesamt 16 Ländern, die soge-<br />
■ BUCHTIPP<br />
NACHHALTIGE<br />
Rezepte<br />
Holger Stromberg<br />
ZUKUNFT KOCHEN<br />
ZS Verlag, 25,70 Euro<br />
Christoph Schulz<br />
und Julian Hölzer<br />
KOCHEN FÜRS KLIMA<br />
Riva Verlag, 18,90 Euro<br />
nannte „EAT Lancet Kommission“, hat deshalb<br />
eine „Planetary Health Diet“ entwickelt. Zusammengefasst<br />
müsste jeder den Konsum von Obst<br />
und Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen ungefähr<br />
verdoppeln, dafür nur halb so viel Fleisch und<br />
Zucker essen. Wobei für Obst und Gemüse eine<br />
Faustregel gilt: Viele haben nur dann eine geringe<br />
Klimabelastung zur Folge, wenn sie zu der Zeit<br />
eingekauft werden, in der ihre natürliche Erntezeit<br />
ist. Der Saisonkalender hilft bei der Auswahl.<br />
Beim nächsten Einkauf im Supermarkt zu veganen<br />
Fleischersatzprodukten zu greifen, ist nicht<br />
immer die beste Lösung. Stromberg empfiehlt bei<br />
fertigem Fleischersatz genau auf die Zutatenliste<br />
zu schauen. „Manche dieser Produkte sind extrem<br />
stark verarbeitet, nur um dem Steak, den Würstchen<br />
oder der Käsescheibe möglichst ähnlich zu<br />
schmecken. Dafür mischen die Firmen eine große<br />
Menge an Zusatzstoffen unter, die nicht immer<br />
unbedenklich sind.“ Gute, pflanzenbasierte Alternativen<br />
sind Tofu, Tempeh, Blaue Süßlupinen oder<br />
Sonnenblumenhack. Statt Milch gibt es Pflanzendrinks,<br />
statt Joghurt und Käse Ersatz aus Soja,<br />
Stromberg Holger Stromberg hat einen Drei-Wochen-Plan<br />
gehört zu den erfolgreichsten zusammengestellt, wie Sie Ihren CO 2<br />
-Abdruck<br />
Sterneköchen verkleinern können. Probieren Sie es einfach aus!<br />
und Food-Aktivisten.<br />
Mehr<br />
CO<br />
Genuss,<br />
weniger 2<br />
Beispiele für Woche 1<br />
■ Tauschen Sie Butter aus Kuhmilch gegen<br />
vegane Butter beziehungsweise Pflanzenmargarine.<br />
■ Reduzieren Sie den Eierkonsum auf die Hälfte.<br />
■ Ersetzen Sie ein Reisgericht durch eine Erdäpfelmahlzeit.<br />
Beispiele für Woche 2<br />
■ Finden Sie die drei klimaschädlichsten<br />
<strong>Leben</strong>smittel in Ihrem Kühlschrank und<br />
suchen Sie bessere Alternativen.<br />
■ Ersetzen Sie Kuhmilch durch ungesüßten<br />
Soja- oder Haferdrink.<br />
■ Trinken Sie die ganze Woche nur Leitungswasser.<br />
Unsere Ernährung sollte<br />
nachhaltiger sein – und<br />
dennoch schmecken. Doch was<br />
heißt eigentlich „nachhaltig“?<br />
Was kann jede und jeder von<br />
uns tun, dass der Genuss<br />
nicht zu kurz kommt – und wir<br />
dennoch auf unseren Planeten<br />
und unsere Umwelt achten? Ein<br />
Leitfaden zur Inspiration.<br />
NACHHALTIG<br />
Beispiele für Woche 3<br />
■ Essen Sie die ganze Woche ausschließlich<br />
pflanzliche <strong>Leben</strong>smittel.<br />
■ Finden Sie Ihren Lieblings-Fleischersatz.<br />
■ Bereiten Sie die Mahlzeiten für eine Woche im<br />
Voraus zu.<br />
■<br />
KOCHEN – UND GENIESSEN<br />
22 GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
23
24<br />
NACHHALTIG<br />
Nachhaltiges<br />
ESSEN UND KOCHEN<br />
Diese Regeln sollten Sie beachten:<br />
■ Kochen Sie mehr und möglichst selbst<br />
■ Fleisch und Fisch – nehmen Sie weniger<br />
davon<br />
■ Reduzieren Sie Milchprodukte<br />
■ Kaufen Sie regionale <strong>Leben</strong>smittel ein<br />
■ Greifen Sie zu <strong>Leben</strong>smittel, die Saison<br />
haben<br />
■ Essen darf prinzipiell nicht in den Müll<br />
■ Vermeiden Sie Verpackungsmaterial<br />
■ Trinkwasser – schmeckt am besten frisch<br />
aus dem Wasserhahn<br />
■ Nutzen Sie Ökostrom<br />
<strong>Leben</strong>smittel,<br />
DIE DAS KLIMA<br />
(BESONDERS) BELASTEN<br />
Wenn Sie das Klima schützen wollen, reduzieren<br />
Sie den Genuss folgender <strong>Leben</strong>smittel:<br />
Rindfleisch Es hat eine viermal so hohe<br />
CO 2<br />
-Bilanz wie Schweine- oder Geflügelfleisch.<br />
Die Produktion von Rindfleisch benötigt<br />
im globalen Durchschnitt noch mehr<br />
Wasser als die von Kakao und Kaffee.<br />
Butter Für ein Kilo Butter braucht man<br />
80 Liter Milch; das heißt, es müssen entsprechend<br />
viele Milchkühe gehalten werden.<br />
Hinzu kommen die Treibhausgase,<br />
die bei der Herstellung des Tierfutters<br />
anfallen und die Methangase, die Kühe<br />
ausstoßen.<br />
Käse und Obers Je höher der Fettanteil<br />
eines Milchprodukts, desto mehr Milch<br />
wird benötigt.<br />
Tiefkühlpommes Der Herstellungsprozess<br />
solcher Fertigprodukte ist<br />
enorm energieaufwendig. ■<br />
Mandeln und Cashewkernen,<br />
Kichererbsen sowie<br />
Kokosnuss.<br />
EIN PLAN MUSS SEIN<br />
Gut vorbereitet, kauft man<br />
nur ein, was man tatsächlich<br />
benötigt und vermeidet so,<br />
dass <strong>Leben</strong>smittel übrigbleiben<br />
oder schlecht werden.<br />
Da jemand, der saisonal isst,<br />
Saisonales auch mehrmals<br />
die Woche isst, sollte man<br />
dieses immer wieder anders<br />
zubereiten. Zu den Vielseitigen<br />
zählen heimische Gemüse wie<br />
Kohlköpfe und Wurzelgemüse,<br />
aber auch Paradeiser, Brokkoli,<br />
Zucchini, Paprika, Bohnen oder<br />
Pilze. Damit diese einige Tage<br />
genießbar sind, hat der Koch<br />
folgenden Tipp: „Gemüse und<br />
Salate verlieren beim Lagern<br />
schnell an Nährstoffen. Blanchiert<br />
man diese vor dem Aufbewahren<br />
kurz in Salzwasser, werden<br />
bestimmte Enzyme inaktiviert<br />
und anhaftende Keime abgetötet.“<br />
Auch die Farbe des Gemüses bleibt<br />
schöner erhalten. So können Sie<br />
regionales Gemüse gleich für mehrere<br />
Tage einkaufen!<br />
Kochen Sie selbst, kaufen Sie<br />
regionale <strong>Leben</strong>smittel und<br />
vermeiden Sie Verpackungsmaterial.<br />
ANBAU UND NO-FOOD-WASTE<br />
Für eine nachhaltige Küche empfiehlt<br />
der leidenschaftliche Food-<br />
Aktivist, das eigene Essen auch selbst<br />
zu züchten: „Sogar auf dem kleinsten<br />
Balkon oder der kleinsten Fensterbank<br />
kann man ein wenig Gemüse<br />
oder Kräuter anbauen. Außerdem<br />
kann man aus Gemüseresten leicht<br />
neue Triebe wachsen lassen oder<br />
ganz neue Pflanzen ziehen.“ Das sogenannte<br />
Regrowing funktioniert zum Beispiel<br />
durch Aussamen – Kerne von Erdbeeren,<br />
Paradeisern oder Avocados keimen<br />
im Boden neu – oder durch ausgetriebene<br />
Wurzeln, die man wieder einsetzen kann.<br />
Dafür eignen sich etwa Rote Rüben oder Sellerie.<br />
Ebenso wichtig ist, wertschätzend mit Essen<br />
umzugehen. Sprich, sich nicht stur nach dem<br />
Mindesthaltbarkeitsdatum zu richten, Essensreste<br />
nicht einfach wegzuwerfen, sondern kreativ<br />
zu werden und weiterzuverwenden. „Einmal in<br />
der Woche eine „Pasta mista“, ein Gröstl oder eine<br />
„Mixed Bowl“ zuzubereiten, schont die Natur“, so<br />
Stromberg. Haltbar machen kann man Gemüse,<br />
Obst und Kräuter, indem man sie trocknen lässt,<br />
aus Beeren lässt sich Marmelade kochen, aus<br />
Äpfeln Mus und aus Gemüse Chutney.<br />
RICHTIGE LAGERUNG IM KÜHLSCHRANK<br />
Um <strong>Leben</strong>smittel möglichst lange genießen<br />
zu können, sollte man das kleine Einmaleins<br />
des Kühlschranks beherrschen. Tatsächlich hat<br />
jedes Fach eine eigene Temperatur, die sich für<br />
bestimmte Nahrungsgruppen besonders eignet.<br />
Ernährungsspezialist Julian Hölzer und Umweltaktivist<br />
Christoph Schultz, die in ihrem Buch<br />
„Kochen fürs Klima“ viele Tipps parat haben: „Das<br />
Gemüsefach ist perfekt für Obst und Gemüse, das<br />
untere Fach ist der kälteste Bereich und perfekt für<br />
die Lagerung leicht verderblicher <strong>Leben</strong>smittel wie<br />
zum Beispiel Fleisch, Fisch und Wurst. Das mittlere<br />
Fach hat die optimale Temperatur für Milchprodukte<br />
aller Art zum Beispiel Topfen, Joghurt<br />
und Käse, das oberste für haltbarere <strong>Leben</strong>smittel,<br />
die weniger Kühlung benötigen, wie zum Beispiel<br />
Marmelade, Hartkäse, Oliven und Gurken“.<br />
KLIMAFREUNDLICHE KÜCHE<br />
Da nachhaltiges Kochen auch über die <strong>Leben</strong>smittel<br />
hinausgeht, empfiehlt das Autoren-Duo als<br />
Zero-Waste-Grundausstattung eine Trinkflasche<br />
aus Edelstahl oder Glas. „In Kombination mit Leitungswasser<br />
ist sie günstig und langlebig.“ Einen<br />
Jutebeutel oder Rucksack zum Einkaufen sowie<br />
Behälter aus Edelstahl, da „immer mehr Anbieter<br />
in Supermärkten und Bioläden ihren Kunden<br />
ermöglichen, <strong>Leben</strong>smitteln aus der Frischetheke<br />
in mitgebrachte Boxen zu füllen. Für zuhause<br />
sind zum Beispiel Besteck aus Bambusholz oder<br />
Edelstahl sinnvoll, Einmachgläser für Essensreste,<br />
selbstgemachte Marmeladen oder eingelegtes<br />
Gemüse. Auch langlebige Scheuerschwämme<br />
oder Topfkratzer gibt es auf pflanzlicher Basis zum<br />
Beispiel aus Kokos oder Bambusfasern.“<br />
HEIKE KOSSDORFF ■<br />
FOTOS: ISTOCK_ MILANA AUSIANOVICH_<br />
<br />
<br />
FOTOS: ISTOCK_ NATALIIA SIROBABA_ FOTOQUIQUE_ DOLE08; COCO LANG<br />
■ 3 Auberginen<br />
■ 3 TL Rapsöl<br />
■ Salz<br />
■ 1 Bund grüner Baby-Spargel<br />
■ 1 kleine Knoblauchzehe<br />
■ 1 EL Paradeismark<br />
■ 200 g Soja Cuisine<br />
■ 2 Scheiben Ziegenkäserolle (à ca. 60 g)<br />
■ 1/2 TL flüssiger Honig<br />
■ 1 Beet Gartenkresse<br />
■ 1 Fenchelknolle<br />
■ 1 große Pastinake<br />
■ 2 Karotten<br />
■ 2 Ringelbeten (z. B. Tonda di Chioggia)<br />
■ 1 Rispe Cocktailparadeiser<br />
■ 2 EL Rapsöl, Salzflocken<br />
■ 2 Saiblingsfilets (à ca. 130 g)<br />
■ 2 Knoblauchzehen<br />
■ 5 Zweige Thymian<br />
■ 2 EL vegane Butter<br />
■ Mehl zum Wenden<br />
■ 1 EL geröstete Mandelblättchen<br />
■ 1 EL Schnittlauchröllchen<br />
■ 1 Spritzer Aceto Balsamico<br />
■ Öl für die Formen<br />
■ 100 g Bio-Karotten<br />
■ 1 Bio-Orange<br />
■ 200 g Dinkelflocken<br />
■ 1 TL Zimtpulver<br />
■ Prise gemahlener Kardamom<br />
■ frisch geriebene Muskatnuss<br />
■ 1 TL geriebener Bio-Ingwer<br />
(mit Schale)<br />
■ 1/2 TL Backpulver<br />
Zutaten für<br />
2 Portionen<br />
Zubereitung:<br />
30 Minuten<br />
Zutaten für<br />
2 Portionen<br />
Zubereitung:<br />
25 Minuten<br />
Garen:<br />
50 Minuten<br />
Zutaten für<br />
4 Portionen<br />
Zubereitung:<br />
15 Minuten<br />
Backen:<br />
35 Minuten<br />
■ 1 Prise Salz<br />
■ 20 g Dattelsirup<br />
■ 200 ml ungesüßter Haferdrink<br />
■ 100 ml Orangensaft<br />
■ 100 g Nuss-Saaten-Mix (z. B.<br />
Mandeln, Chia-, Sesam- oder<br />
Leinsamen, Haselnuss-, Sonnenblumen-<br />
oder Kürbiskerne)<br />
■ 1 EL flüssiger Honig<br />
■ 1 Flax Egg (Ei-Ersatz aus Leinsamen)<br />
NACHHALTIGE<br />
Rezepte<br />
NACHHALTIGE<br />
Rezepte<br />
NACHHATLIGE<br />
Rezepte<br />
■ AUBERGINEN MIT ZIEGENKÄSE<br />
■SAIBLINGSFILET<br />
■ PORRIDGE
■ AUBERGINEN MIT ZIEGENKÄSE UND SPARGEL<br />
Zubereitung:<br />
Den Backofen auf 200° C (Umluft) vorheizen.<br />
Die Auberginen putzen, waschen und etwa<br />
1 bis 2 cm groß würfeln. In einer Auflaufform<br />
verteilen, mit 1 TL Öl und 1 TL Salz mischen<br />
und im Ofen auf der mittleren Schiene etwa<br />
15 Minuten goldbraun backen. Währenddessen<br />
den Spargel waschen und die holzigen<br />
Enden abschneiden. Den Spargel mit<br />
1 TL Öl und 1 TL Salz mischen und nach<br />
etwa 10 Minuten Garzeit zu den Auberginen<br />
geben, in den letzten 5 Minuten mitgaren.<br />
Danach alles aus dem Ofen nehmen und<br />
beiseitestellen. Inzwischen den Knoblauch<br />
schälen und fein würfeln. Das übrige Öl in<br />
einer Pfanne erhitzen und Knoblauch und<br />
Paradeismark darin bei mittlerer Hitze 2 bis<br />
3 Minuten andünsten. Die Soja Cuisine dazugießen<br />
und gut unterrühren.<br />
Anschließend<br />
Auberginen<br />
und Spargel hinzufügen<br />
und darin<br />
etwa 1 Minute<br />
schwenken. Den<br />
Ziegenkäse mit<br />
dem Honig beträufeln<br />
und mit dem<br />
Flambierbrenner karamellisieren.<br />
(Alternativ mit Auberginen<br />
und Spargel im Ofen etwa 5 Minuten<br />
gratinieren.) Zum Servieren die Kresse vom<br />
Beet abschneiden, waschen und trocken<br />
tupfen. Das Gemüse auf Tellern anrichten<br />
und den Ziegenkäse danebensetzen, mit der<br />
Kresse garnieren.<br />
■<br />
So wird’s veggie<br />
Verwenden Sie Agavendicksaft<br />
statt Honig und eine vegane<br />
Käse-Alternative oder Tofu.<br />
No Food Waste<br />
Aus den Putzabfällen von<br />
Aubergine und Spargel können<br />
Sie noch eine Gemüsepaste<br />
herstellen. Falls noch nicht<br />
genug Reste vorhanden sind,<br />
einfach einfrieren.<br />
Tausch doch<br />
Geht genauso mit Zucchini statt<br />
Auberginen, die müssen aber<br />
nur 10 Minuten<br />
in den Ofen!<br />
DER NEUE SAMMELSPASS: REZEPTKARTEN ZUM AUSSCHNEIDEN UND GENIESSEN!<br />
<br />
1<br />
Die Rezeptseite entlang der<br />
strichlierten Linien ausschneiden.<br />
Sie haben nun drei Karten!<br />
2<br />
Karte in der Mitte<br />
falten …<br />
3<br />
REZEPTKARTEN<br />
… und fertig! Die Zutaten<br />
sind auf der Rückseite, die<br />
Zubereitung im Inneren.<br />
■GERÖSTETES GEMÜSE MIT SAIBLINGSFILET<br />
Zubereitung:<br />
Den Backofen auf 190° C (Umluft) vorheizen. Ein<br />
Backblech mit einer Silikonbackmatte belegen. Das Gemüse<br />
putzen bzw. waschen und trocken tupfen. Den Fenchel<br />
längs halbieren und mit Pastinake, Karotten, Beten<br />
und Paradeiser auf dem Blech verteilen. Einige Spritzer<br />
Öl und 1 Prise Salzflocken darüber verteilen, das Gemüse<br />
im Ofen auf der mittleren Schiene 40 bis 50 Minuten<br />
garen. Dabei nach der Hälfte der Zeit das Gemüse wenden.<br />
Inzwischen den Saibling gut waschen und trocken<br />
tupfen. Den Knoblauch schälen. Den Thymian waschen<br />
und trocken tupfen. Eine Pfanne erhitzen, die Butter darin<br />
zerlassen und den angedrückten Knoblauch mit dem<br />
Thymian darin schwenken. Die Fischfilets hauchdünn<br />
in Mehl wenden und erst auf der Haut bei mittlerer Hitze<br />
knusprig braten. Dann wenden und die andere Seite<br />
noch 5 bis 7 Minuten braten – je nach Größe der Filets.<br />
Das Gemüse aus dem Ofen nehmen, jeweils den harten<br />
So wird’s veggie<br />
Verwende Sie Feta oder Tofu statt Fisch, Sie können<br />
beides genauso im Knoblauchöl braten.<br />
No Food Waste<br />
Aus den Resten vom Gemüse können Sie eine<br />
Paste herstellen.<br />
Tausch doch<br />
Geht genauso mit Roter Rübe<br />
statt Ringelbete!<br />
Strunk entfernen und das Gemüse in beliebige<br />
Stücke portionieren. Auf Tellern anrichten<br />
und die Saiblingsfilets daraufgeben. Mit der<br />
Butter aus der Pfanne beträufeln, Mandelblättchen<br />
und Schnittlauch darüberstreuen<br />
und mit dem Essig beträufeln.<br />
■<br />
Praktisch: Auf der Vorderseite<br />
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Rezepte zum Sammeln. Ab sofort finden Sie in jeder Ausgabe<br />
von GESUND & LEBEN drei Rezeptkarten zum Sammeln.<br />
Auf der Vorderseite sehen Sie auf einen Blick die Speise als Foto –<br />
und ob es sich um eine Vor-, Haupt- oder Nachspeise handelt.<br />
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■ VORSPEISE<br />
■ HAUPTSPEISE<br />
■ DESSERT<br />
Auf der Rückseite gibt es die Zutatenliste mit praktischen Zusatztipps.<br />
Auf der Innenseite ist die Schritt-für-Schritt-Anleitung abgedruckt.<br />
So gelingt jedes Gericht mühelos – und schmeckt fantastisch.<br />
GESUND & LEBEN wünscht gutes Gelingen!<br />
SCHÜSSLER SALZE<br />
für Kinder im Wachstum<br />
■ KAROTTEN-DINKEL-PORRIDGE AUS DEM OFEN<br />
So wird’s veggie<br />
Verwenden Sie Kuh- oder Schafmilch<br />
statt des Haferdrinks sowie<br />
1 Ei statt des Flax Eggs.<br />
No Food Waste<br />
Orangenschalen können Sie einfach<br />
auf einem großen Teller ausbreiten<br />
und in der Küche oder einem<br />
trockenen Raum trocknen lassen.<br />
Danach im Blitzhacker fein mahlen<br />
und damit Speisen und Heißgetränke<br />
würzen!<br />
Tausch doch<br />
Geht genauso mit Beeren oder<br />
Rhabarberkompott statt der Orangenfilets!<br />
Zubereitung:<br />
Den Backofen auf 180° C (Umluft) vorheizen. 4 kleine ofenfeste<br />
Schalen mit Öl einfetten. Die Karotten putzen, mit der Gemüsebürste<br />
gründlich waschen und auf der Gemüsereibe fein<br />
raspeln. Die Orange heiß waschen, abtrocknen und die Schale<br />
abreiben. Dann die Orange so großzügig schälen, dass auch die<br />
weiße Haut mit entfernt wird. Die Filets zwischen den einzelnen<br />
Trennhäuten herausschneiden. In einer Rührschüssel Dinkelflocken,<br />
Karottenraspel, Orangenschale, Zimt, Kardamom,<br />
Muskatnuss, Ingwer, Backpulver, Salz und Dattelsirup gründlich<br />
mischen. Haferdrink und Orangensaft dazugießen und gleichmäßig<br />
mit einem Kochlöffel unterrühren. Das Flax Egg hinzufügen<br />
und unterrühren. Zuletzt Orangenfilets und Nuss-Saaten-<br />
Mix unterheben. Die Masse auf die ofenfesten Schalen verteilen<br />
und nach Belieben mit geschälten Hanfsamen bestreuen. Den<br />
Porridge im Ofen auf der mittleren Schiene etwa 35 Minuten<br />
backen. Herausnehmen und vor dem Servieren kurz abkühlen<br />
lassen. Zum Servieren mit dem Honig beträufeln.<br />
■<br />
FOTOS: ISTOCK_ CALIPHOTO_ SKYBLUEJAPAN_ FLOORTJE<br />
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IMMUNSYSTEM<br />
Sobald sich die ersten<br />
Blätter verfärben, schmerzt<br />
der Hals und die Nase<br />
rinnt? Das muss nicht sein!<br />
GESUND & LEBEN verrät<br />
die zehn besten Tipps, um<br />
das Immunsystem jetzt für<br />
den Herbst zu rüsten.<br />
Gute Laune hält –<br />
und macht – gesund.<br />
Vom Baden in erfrischenden Seen und dem<br />
Kitzeln der Sonnenstrahlen auf der gebräunten<br />
Haut hin zu ausgedehnten Spaziergängen<br />
im bunten Herbstlaub. Langsam verabschiedet<br />
sich der Sommer und der Herbst erfreut wie<br />
jedes Jahr mit seinem farbenfrohen Naturschauspiel.<br />
Während der eine oder die andere vermutlich<br />
erleichtert ist, dass die große Hitze für heuer vorbei ist, so<br />
lauern im Temperaturumschwung auch einige Erkältungsfallen.<br />
Höchste Zeit also, das Immunsystem für die kühleren<br />
Tage zu wappnen. GESUND & LEBEN hat Expertinnen<br />
des Trinicums – das Zentrum für Integrative Medizin und<br />
Schmerztherapie – nach den zehn besten Tipps gefragt, um<br />
die Abwehrkräfte zu stärken.<br />
STARK<br />
Herbst<br />
IN DEN<br />
1 SCHLAFEN SIE SICH GESUND!<br />
Wenn die Tage kürzer und dunkler werden, beginnt auch<br />
unser Gehirn, vermehrt das Schlafhormon Melatonin auszuschütten.<br />
Nützen Sie den natürlichen Rhythmus der<br />
Natur für ausreichend Schlaf. Unser Körper benötigt ihn,<br />
um sich zu regenerieren und die Abwehrzellen zu stärken.<br />
Umgekehrt erhöht eine schlechte Schlafqualität das<br />
Risiko für Entzündungen, betont Dr. Catharine Duba, Ärztin<br />
für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Urologie und<br />
Andrologie: „Studien zeigen, dass Schlafstörungen zu einer<br />
Hochregulation der entzündlichen Mediatoren führen. Es<br />
treten vermehrt allergische Reaktionen auf und auch die<br />
natürliche Abwehr von Krebszellen wird eingeschränkt.<br />
Schlaf hat außerdem einen großen Einfluss auf unsere Hormone,<br />
beispielsweise auf die Testosteronproduktion bei<br />
Männern.“ Eine Reihe von gesundheitlichen Beeinträchtigungen<br />
wie erhöhter Blutdruck, Angststörungen oder zyklusabhängige<br />
Schmerzen können ebenfalls mit Schlafstörungen<br />
in Verbindung stehen. Leidet man also über einen<br />
längeren Zeitraum unter schlechtem Schlaf, so sollte man<br />
der Ursache rasch auf den Grund gehen.<br />
2 KEINE PANIK VOR BAKTERIEN!<br />
Wenngleich wir im Herbst stets darum bemüht sind, Viren<br />
und Bakterien von uns fernzuhalten, so ist die Angst davor<br />
in den meisten Fällen unbegründet, gibt Duba Entwarnung:<br />
„Viren und Bakterien haben ihren schlechten Ruf zu<br />
Unrecht. Sie sind ein überlebensnotwendiger Teil von uns,<br />
den man als Mikrobiom bezeichnet. Dieses kommt auf Haut,<br />
Schleimhäuten, im Verdauungstrakt, Urogenital- und respiratorischem<br />
Trakt vor.“ Die meisten Bakterien sind gutartig<br />
und nützen uns, indem sie den Stoffwechsel und die Verdauung<br />
am Laufen halten. Nur wenige Bakterien können gefährlich<br />
werden, wenn sie sich beispielsweise in Gelenken oder<br />
in anderen sterilen Körperhöhlen vermehren. Ähnliches gilt<br />
übrigens auch für Viren: Studien belegen, dass sich einige<br />
von ihnen nicht nur positiv auf andere Grunderkrankungen<br />
auswirken, sondern auch einen erheblichen Teil zur Heilung<br />
beitragen können. Ein Beispiel dafür ist die Gentherapie bei<br />
Krebserkrankungen, bei denen Viruspartikel genutzt werden,<br />
um gesunde Gene unbeschadet bis in den Zellkern zu<br />
transportieren, wo sie das mutierte Krebsgen ersetzen.<br />
FOTOS: ISTOCK_ RIDOFRANZ_LIDIIA MOOR<br />
28 GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
29
IMMUNSYSTEM<br />
Kürbis- und<br />
Sonnenblumenkerne<br />
haben<br />
entzündungshemmende<br />
Eigenschaften.<br />
3 ESSEN SIE ENTZÜNDUNGSHEMMEND!<br />
Eine gesunde und abwechslungsreiche Kost<br />
sollte das ganze Jahr über am Speiseplan stehen.<br />
Gerade in der Erkältungszeit können<br />
bestimmte Nahrungsmittel zusätzlich<br />
dazu beitragen, das Immunsystem zu<br />
stärken, erklärt Ernährungswissenschafterin<br />
Mag. Judith Kraus: „Eine<br />
überwiegend basische Ernährung<br />
mit antioxidativen Vitalstoffen<br />
wie den Vitaminen A, C und E,<br />
Spurenelementen wie Kupfer, Selen,<br />
Zink, Eisen und Glutathion sowie<br />
Omega-3-Fettsäuren dient der optimalen<br />
Aufrechterhaltung sämtlicher<br />
körperlicher Prozesse und trägt<br />
zur Vermeidung chronischer<br />
Entzündungskrankheiten bei.“<br />
Besonders empfehlenswert für ein starkes<br />
Immunsystem, so Kraus, sind Hagebutte<br />
und Heidelbeeren. Brokkoli, Kohlsprossen<br />
und Kraut enthalten neben dem wichtigen<br />
Vitamin C auch krebshemmende und entgiftende<br />
Phytonährstoffe. Als „Könige“ der entzündungshemmenden<br />
Mineralstoffe bezeichnet die Expertin<br />
Magnesium und Zink, die unter anderem in<br />
Amaranth, Quinoa, Hirse, Vollkornreis, Kürbis- und<br />
Sonnenblumenkernen, Mohn, Mangold oder Spinat<br />
vorkommen. „Fermentierte <strong>Leben</strong>smittel wie<br />
rohes Sauerkraut bringen als probiotische Superfoods<br />
nicht nur die Verdauung in Schwung und die<br />
Darmflora ins Gleichgewicht, sondern schützen<br />
auch vor Entzündungen, indem sie das Immunsystem<br />
mit nützlichen Bakterienkulturen gegen Infektionen<br />
stärken“, so die Expertin.<br />
4 VERGESSEN SIE NICHT AUFS TRINKEN!<br />
Wer seinen Körper mit ausreichend Flüssigkeit<br />
versorgt, macht gleichzeitig die Schleimhäute in<br />
Nase, Hals und Mund funktionsfähiger, sodass<br />
Krankheitserreger besser abtransportiert werden<br />
können. Trinkt man hingegen zu wenig, so wirkt<br />
sich dies negativ auf die Aktivität des Immunsystems<br />
aus, warnt Ernährungswissenschafterin<br />
Kraus: „Bei Wassermangel und Dehydration trocknen<br />
einerseits die Schleimhäute aus, andererseits<br />
schüttet der Körper den Botenstoff Histamin aus,<br />
um das noch verfügbare Wasser im Körper zu halten.<br />
Histaminempfindliche weiße Blutkörperchen<br />
behindern dann aber eine kräftige Immunabwehr.<br />
Daher ist es besonders wichtig, zu jeder Jahreszeit<br />
FOTOS: ISTOCK_ INNA TARASENKO_ EVRYMMNT<br />
ausreichend zu trinken!“ Als Richtwert gelten mindestens<br />
eineinhalb bis zwei Liter Wasser täglich.<br />
5<br />
UNTERSTÜTZEN SIE IHRE<br />
DARMGESUNDHEIT!<br />
Neben der Verdauung, der Bereitstellung von<br />
Nährstoffen und Vitaminen und dem Ausscheidungs-<br />
und Reinigungsprozess hat der Darm<br />
weitere wichtige Funktionen. „Rund 70 Prozent<br />
unserer Abwehrzellen sind in der Darmwand lokalisiert.<br />
Das sogenannte darmassoziierte Immunsystem<br />
GALT wird bei seiner Abwehrfunktion<br />
von der Darmflora unterstützt. Umso wichtiger<br />
ist es also, die eigene Darmgesundheit im Auge zu<br />
behalten“, sagt Judith Kraus. Wer dies neben der<br />
Zufuhr von Ballaststoffen beispielsweise durch<br />
eine Darmsanierung tun will, sollte eine Expertin<br />
oder einen Experten zurate ziehen.<br />
6 SORGEN SIE FÜR MIKRONÄHRSTOFFE!<br />
Mikronährstoffe wie Vitamine, Mineralien und<br />
Spurenelemente übernehmen zahlreiche wichtige<br />
Aufgaben im Körper: Sie stärken Knochen<br />
und Muskeln, sind maßgeblich relevant für den<br />
Stoffwechsel und halten sowohl Gehirn als auch<br />
Immunsystem fit. Ernährt man sich gesund und<br />
ausgewogen, so sollte es grundsätzlich nicht zu<br />
einem Nährstoffmangel kommen. Es gibt jedoch<br />
bestimmte Phasen oder Situationen im <strong>Leben</strong>,<br />
in denen eine Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln<br />
empfehlenswert ist, wie bei verschiedenen<br />
Erkrankungen oder in der Schwangerschaft,<br />
erklärt Dr. Noemi Simionas, Fachärztin für<br />
Innere Medizin und Kardiologie, Naturheilkunde<br />
und Orthomolekulare Medizin: „Nahrungsergänzungsmittel<br />
fördern die Aktivität und<br />
Funktionsfähigkeit von Immunzellen,<br />
reduzieren Entzündungen und<br />
helfen dabei, das Immunsystem wieder<br />
in sein gesundes Gleichgewicht<br />
zu bringen.“<br />
7<br />
ACHTEN SIE AUF IHREN<br />
VITAMIN-D-SPIEGEL!<br />
Ein Präparat, dessen Einnahme<br />
Medizinerinnen und Mediziner im<br />
Herbst und Winter häufig empfehlen,<br />
ist Vitamin D. Dieses wird unter dem Einfluss<br />
von Sonnenlicht in der Haut gebildet,<br />
deshalb kommt es in den dunklen Monaten<br />
häufig zu einem Mangel. „Vitamin D ist ein Schlüsselmolekül<br />
im Knochenstoffwechsel, im Herz-<br />
Es gibt bestimmte<br />
Phasen oder Situationen<br />
im <strong>Leben</strong>, in denen die<br />
Einnahme von<br />
Nahrungsergänzungsmitteln<br />
empfehlenswert<br />
ist.<br />
AT-SANO-2200003 07/<strong>2022</strong><br />
Fit durch den<br />
Herbst mit<br />
Für die ganze Familie!<br />
Für eine gezielte Versorgung mit<br />
lebenswichtigen Vitaminen:<br />
- stärkt die Abwehrkräfte und<br />
- reduziert Müdigkeit & Erschöpfung*<br />
*Vitamin A, D, B6 und Vitamin C tragen zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei. Vitamin C, B2, B6 und Pantothensäure tragen zur Verringerung von Müdigkeit und Erschöpfung bei.<br />
Hinweis: Nahrungsergänzungsmittel sind kein Ersatz für eine abwechslungsreiche Ernährung. Eine ausgewogene und gesunde <strong>Leben</strong>sweise sind wichtig.<br />
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Starke Darmwand –<br />
Starkes Immunsystem!<br />
Herr Prof. Dr.Dr. Muss, Ernährungsmediziner<br />
und Immunologe;<br />
Herr Prof. Dr.Dr. Muss, wie kann man<br />
sich den Zusammenhang zwischen<br />
Darm und Immunsystem vorstellen?<br />
Die Darmmucosa bildet neben der Nahrungsmittelaufnahme<br />
auch die Barriere<br />
gegen den unkontrollierten Einstrom<br />
von fremden Mikroorganismen, wie<br />
Viren, Bakterien, Pilzen und Giftstoffen<br />
von außen. Außerdem befinden<br />
sich in der Darmmucosa Unmengen an<br />
Immunzellen. Daher sind eine intakte<br />
Darmschleimhaut und ein Gleichgewicht<br />
der Darmflora essentiell um einerseits<br />
aufgespaltete Nahrungspartikel<br />
in den Blutkreislauf zu transportieren<br />
GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
und andererseits unerwünschte Stoffe abzuwehren.<br />
Die Darmmucosa ist somit eine<br />
wichtige Verteidigungslinie für das Immunsystem.<br />
Welche Erkenntnisse und Erfahrungen<br />
haben sie in diesem Bereich bereits gemacht?<br />
Neue Erkenntnisse und meine Erfahrungen<br />
bestätigen, dass die Darmmucosa essentiell<br />
für eine gesunde Darmflora ist. Daher gibt<br />
es zwei Ansätze, die ineinander greifen. Der<br />
Schutz und die Reparatur der Darmmucosa<br />
z.B. mit dem PMA-Zeolith (MED DARM-RE-<br />
PAIR), der die Darmschleimhaut vor Ammonium<br />
und Umweltgiften schützt, Entzündungen<br />
lindert und Schadstoffe mit dem<br />
Stuhl abtransportiert.<br />
Weiters konnte in Studien nachgewiesen<br />
werden, dass es durch MED DARM-REPAIR<br />
zu einer synergistische Verschiebungen von<br />
Mikrobiomspezies der immunmodulierenden<br />
Arten Bifidobacterium & Lactobacillus<br />
und Reduktion der Firmicutes kommt.<br />
Wirkt<br />
5 -fach<br />
- Schutz und Reparatur<br />
der Darmwand<br />
- Lindert Darmentzündungen<br />
- Unterstützt das Mikrobiom<br />
- Stärkt das Immunsystem<br />
- Hilft bei Reizdarm<br />
Wir sanieren<br />
31<br />
richtig!<br />
Medizinprodukt: Bitte die Gebrauchsanweisung beachten
IMMUNSYSTEM<br />
■ UNSERE EXPERTINNEN<br />
Dr. Catharine Duba<br />
Ärztin für<br />
Allgemeinmedizin und<br />
Fachärztin für<br />
Urologie und Andrologie<br />
Mag. Judith Kraus<br />
Ernährungswissenschafterin<br />
und<br />
Ernährungsberaterin<br />
für Traditionelle<br />
Chinesische Medizin<br />
Dr. Noemi Simionas<br />
Fachärztin für Innere<br />
Medizin und Kardiologie,<br />
Naturheilkunde und Orthomolekulare<br />
Medizin<br />
Dr. Alexandra Kunz<br />
Fachärztin für<br />
Physikalische Medizin<br />
und allgemeine<br />
Rehabilitation<br />
Dr. Patricia Kunz<br />
Fachärztin für<br />
Psychiatrie und<br />
Psychotherapeutische<br />
Medizin<br />
Kreislauf-System und in der Immunfunktion. Die<br />
<strong>Gesund</strong>heit der Blutgefäße, des Herzmuskels und<br />
der Skelettmuskulatur, der Bauchspeicheldrüse und<br />
der meisten anderen Organe sowie die intakte Funktion<br />
des Immunsystems – all das ist auf eine optimale<br />
Versorgung mit Vitamin D angewiesen“, betont Simionas.<br />
Aus diesem Grund sollte der eigene Vitamin-<br />
D-Spiegel regelmäßig mit einem Bluttest analysiert<br />
und wenn notwendig ein Supplement eingenommen<br />
werden.<br />
8 INFUSION STATT TABLETTE?<br />
Immer häufiger werden anstatt Tabletten oder Kapseln<br />
auch Vitalstoffinfusionen angeboten. Grundsätzlich<br />
sind sich Expertinnen und Experten zwar<br />
einig, dass diese nicht zwingend notwendig sind<br />
und keineswegs einen gesunden <strong>Leben</strong>sstil ersetzen.<br />
Dennoch haben die Infusionen einen bestimmten<br />
Vorteil gegenüber Tabletten, erläutert Expertin<br />
Simionas: „Spezielle Mikronährstoffe können<br />
in Kapsel- oder Tablettenform nur unzureichend<br />
dosiert und vom Körper minderwertig aufgenommen<br />
werden. Bei der Infusionstherapie wird der<br />
Magen-Darm-Trakt bewusst umgangen. Die Infusionen<br />
ermöglichen eine verlustfreie und direkte Aufnahme<br />
der Vitalstoffe. Vom Blut ausgehend werden<br />
FOTOS: ISTOCK_ LIDIIA MOOR_TRINICUM_ANNA STOECHER; NOEMI SIMIONAS_XURZON<br />
sie in jene Bereiche des Körpers transportiert, in denen<br />
sie benötigt werden. Zusätzlich sind sie zu 100 Prozent<br />
bioverfügbar.“<br />
9 GÖNNEN SIE SICH REGENERATION!<br />
Ob Wandern, Joggen oder Radfahren – im Herbst lautet<br />
die Devise: Raus an die frische Luft und sich bewegen!<br />
Dabei tankt man nicht nur wertvolles Sonnenlicht, sondern<br />
bringt gleichzeitig den Kreislauf in Schwung, betont<br />
Dr. Alexandra Kunz, Fachärztin für Physikalische Medizin<br />
und allgemeine Rehabilitation: „Sport hat einen positiven<br />
Effekt auf die Sauerstoffversorgung in den Zellen, er regt<br />
den Stoffwechsel an und setzt verschiedene Hormone<br />
frei. Durch die verschiedenen Reize wird das Immunsystem<br />
aktiviert.“ Wer jedoch viel leistet, darf nicht auf die<br />
wichtigen Regenerationsphasen vergessen, sagt Kunz:<br />
„Zu wenig Regenerationszeit kann das Immunsystem<br />
negativ beeinflussen, weil es durch den oxidativen Stress<br />
in den Zellen und die Bildung von freien Radikalen zu<br />
einem gegenteiligen Effekt kommt.“ Geben Sie Ihrem<br />
Körper also Zeit, sich zu erholen. Yoga, Meditation und<br />
Faszientraining kurbeln die Regeneration zusätzlich an.<br />
10 DENKEN SIE POSITIV!<br />
Gute Laune hält – und macht – gesund. Zahlreiche Forschungen<br />
zeigen, in welch engem Zusammenhang die<br />
Psyche, das Nerven- und das Immunsystem stehen. Die<br />
wissenschaftliche Disziplin, die sich<br />
damit beschäftigt, nennt sich<br />
Psychoneuroimmunologie.<br />
Dr. Patricia Kunz, Fachärztin<br />
für Psychiatrie<br />
und Psychotherapeutische<br />
Medizin,<br />
erklärt: „Es<br />
Ein starkes<br />
Team<br />
✓ Vitamin D 3<br />
und K 2 : ideal in der Kombination für die Knochen*<br />
✓ Fettlösliche Vitamine gelöst in pflanzlichem Öl (Kokosnuss)<br />
✓ Vitamin D3 für die normale Funktion des Immunsystems*<br />
✓ Individuell dosierbar<br />
*Vitamin D und K tragen zur Erhaltung normaler Knochen bei. Vitamin D trägt zu einer normalen Funktion des<br />
Immunsystems und zu einem normalen Calciumspiegel im Blut bei.<br />
Nahrungsergänzungsmittel sind kein Ersatz für eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung und eine<br />
gesunde <strong>Leben</strong>sweise.<br />
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32 GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
Ob Wandern, Joggen oder<br />
Radfahren – im Herbst<br />
lautet die Devise:<br />
Raus an die frische Luft<br />
und sich bewegen!<br />
ist erwiesen, dass<br />
negative Emotionen<br />
und längerdauernde<br />
Stresszustände im Körper<br />
chronische Entzündungsprozesse<br />
auslösen und<br />
die Abwehrkräfte vermindern können.<br />
Umgekehrt können positive Gefühle,<br />
Entspannungsmethoden und Psychotherapie den<br />
Genesungsprozess unterstützen.“ Gerade für die dunkle<br />
Jahreszeit gilt also: Tun Sie sich selbst etwas Gutes!<br />
Ein Ausflug in die Therme, ein Herbstspaziergang,<br />
ein gutes Buch oder ein heißes Bad helfen dabei, die<br />
Batterien aufzuladen und Ihr Wohlbefinden zu steigern.<br />
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33
BLUTDRUCK<br />
UNTER<br />
DRUCK<br />
9 Tipps<br />
gegen niedrigen Blutdruck<br />
34<br />
1. Bewegung Regelmäßiges, an die persönliche<br />
Konstitution angepasstes körperliches<br />
Training. Günstig wirken sich Radfahren, Laufen,<br />
Schwimmen, Gymnastik, Wandern, Ballspiele<br />
und im Winter Skifahren und Langlaufen aus.<br />
2. Behutsam Langsame Lagewechsel vom<br />
Sitzen oder vom Liegen ins Stehen vornehmen.<br />
3. Trinken Auf genügend Flüssigkeitszufuhr<br />
(kein Alkohol) achten.<br />
4. Salzig Periodisch salzreichere Ernährung.<br />
5. Aufputschen Kaffee und Tee trinken.<br />
6. Belebend Duschen statt Vollbäder.<br />
7. Erfrischend Wechselduschen und<br />
Kneipp-Güsse anwenden.<br />
8. Unterstützend Stützstrümpfe tragen<br />
(insbesondere bei Krampfadern).<br />
9. Erholen Ausreichend schlafen.<br />
Die Gefahren eines zu hohen Blutdrucks<br />
wie ein erhöhtes Schlaganfall-<br />
und Herzinfarktrisiko sind hinlänglich<br />
bekannt. Blutdruckwerte<br />
über 135/85 mmHg gelten als risikoreich.<br />
Welche Werte zu niedrig und<br />
damit gesundheitlich bedenklich sind, sei hingegen<br />
weniger klar, erklärt der St. Pöltener Internist<br />
Dr. Lothar Fiedler: „Der niedrige Blutdruck, die<br />
sogenannte Hypotonie, ist nominell nicht genau<br />
definiert. Als sicher zu niedrig werden Werte unter<br />
100/60 mmHg eingestuft.“ Manche Menschen<br />
fühlen sich auch mit niedrigen Blutdruckwerten<br />
gesund und haben keine Beschwerden. Treten<br />
Symptome wie Schwindel, kalte Hände und Füße,<br />
Konzentrationsschwäche, Müdigkeit, beschleunigter<br />
Herzschlag, Schweißausbrüche oder Übelkeit<br />
auf, sollte das aber hellhörig machen. Ein weiteres<br />
typisches Anzeichen ist ein Schwarzwerden<br />
vor den Augen. Es kann nach raschem Aufstehen<br />
oder dem Aufrichten aus dem Sitzen oder Liegen<br />
auftreten und bis zum Kollaps führen. „Die Ursache<br />
dafür ist eine gestörte Anpassung der arteriellen<br />
Gefäße an die Situation. Man spricht in diesem<br />
Fall von einer orthostatischen Hypotonie oder<br />
orthostatischen Dysregulation“, so Fiedler. „Sie<br />
tritt auf, wenn man schnell aus dem Liegen oder<br />
Bücken aufsteht und das Blut quasi versackt. Die<br />
Gefäße können dann nicht rasch genug reagieren,<br />
um die Blutsäule aufrechtzuerhalten.“<br />
SENIOREN OFT BETROFFEN<br />
Besonders häufig haben über 65-Jährige mit solchen<br />
Beschwerden zu kämpfen. Niedriger Blutdruck<br />
ist in dieser Altersgruppe zwar seltener als<br />
Bluthochdruck, stellt aber ein ernstzunehmendes<br />
Problem dar: Ein plötzlicher Blutdruckabfall kann<br />
zu Stürzen führen und unangenehme Folgen wie<br />
Oberschenkelhalsbrüche nach sich ziehen. Vor<br />
allem nach dem Essen, nach dem Aussteigen aus<br />
der Badewanne oder morgens nach dem Aufstehen<br />
aus dem Bett ist Vorsicht angebracht. Die<br />
Ursachen für das Absacken des Blutdrucks sind<br />
vielfältig: Flüssigkeitsmangel, Herzschwäche,<br />
entwässernde Arzneimittel, Diabetes oder der<br />
altersbedingte Elastizitätsverlust der Gefäßwände<br />
können eine Rolle spielen. Auch Hitzeperioden<br />
haben Auswirkungen auf den Blutdruck. Durch<br />
FOTOS: ISTOCK_URBAZON, _PIXELS EFFECT; BEIGESTELLT<br />
Müdigkeit, Benommenheit, kalte Gliedmaßen oder<br />
Schwindel sind typische Anzeichen für niedrigen Blutdruck.<br />
GESUND & LEBEN weiß, wie man den Kreislauf wieder<br />
in Schwung bringt und wann ein<br />
Arztbesuch anzuraten ist.<br />
hohe Temperaturen erweitern sich die Blutgefäße<br />
und der Blutdruck sinkt. Zudem wirkt sich starkes<br />
Schwitzen in der Nacht negativ auf die Schlafqualität<br />
und die Schlafdauer aus. Auch bestimmte<br />
Medikamente können Kreislaufprobleme auslösen.<br />
„Deutlich zu niedrige Blutdruckwerte können<br />
durch blutdrucksenkende Medikamente oder<br />
eine Änderung der Medikamentenverordnung<br />
verursacht werden“, warnt Fiedler. Eine regelmäßige<br />
Überprüfung der einzunehmenden Medikamente<br />
mit dem Arzt, der Ärztin ist in solchen Fällen<br />
sinnvoll.<br />
ORGANISCHE URSACHEN<br />
Führen abrupte Bewegungen zu Kreislaufproblemen,<br />
sollten langes Stehen oder ruckartiges Aufstehen<br />
aus einer liegenden Position vermieden<br />
werden. Expertinnen und Experten raten, es morgens<br />
nach dem Aufwachen langsamer angehen zu<br />
lassen: Bevor man aufsteht, kann man einige Zeit<br />
auf der Bettkante sitzen bleiben, bewusst ein- und<br />
ausatmen und die Beine bewegen. Sollte es zu<br />
einem Kreislaufkollaps kommen, hilft es, die Beine<br />
hochzulagern. Internist Fiedler hat noch weitere<br />
Tipps gegen niedrigen Blutdruck. Neben älteren<br />
Menschen leiden auch viele Teenager unter zu<br />
niedrigem Blutdruck. Symptome wie Übelkeit,<br />
Schwindel und Ohrensausen bis hin zu Ohnmachtsanfällen<br />
sind keine Seltenheit. Besonders<br />
junge Mädchen mit schlanker Figur sind betroffen.<br />
Häufig treten die Beschwerden nur sporadisch auf<br />
und klingen im Laufe des Heranwachsens wieder<br />
ab. In den meisten Fällen muss niedriger Blutdruck<br />
nicht medizinisch behandelt werden. Ist das allgemeine<br />
Befinden durch Müdigkeit oder Schwindel<br />
aber dauerhaft beeinträchtigt, ist das ein Alarmzeichen.<br />
Niedriger Blutdruck kann auch organische<br />
Ursachen haben oder auf Krankheiten hinweisen.<br />
Dabei kann es sich um Funktionsstörungen<br />
der Schilddrüse, der Hirnanhangdrüse oder der<br />
Nebenniere handeln. Weitere Ursachen können<br />
kardiovaskuläre Erkrankungen, Blutarmut oder<br />
Nervenkrankheiten sein. „Bei länger anhaltenden<br />
Beschwerden wie Sehstörungen, Schwindel oder<br />
Kollaps, aber auch bei Ohrensausen, Kopfschmerzen,<br />
raschem Pulsschlag, Atemnot oder starker<br />
Müdigkeit ist ein Arztbesuch unbedingt angezeigt“,<br />
betont Internist Fiedler.<br />
JACQUELINE KACETL ■<br />
GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
Achten Sie<br />
bei niedrigem<br />
Blutdruck auf eine<br />
ausreichende<br />
Flüssigkeitszufuhr!<br />
Dr. Lothar Fiedler, Facharzt<br />
für Innere Medizin, St. Pölten<br />
Prophylaktisch<br />
BEHANDELN<br />
Ist niedriger Blutdruck harmlos?<br />
Ein niedriger Blutdruck ist eigentlich nur<br />
ein Symptom und keine Erkrankung – obwohl<br />
er subjektiv oft als solche betrachtet<br />
wird. Eine sicher wirksame Medikation<br />
gibt es nicht. Es stehen aber viele prophylaktische<br />
Behandlungsmöglichkeiten zur<br />
Verfügung. Hypotonie ist zumeist eher<br />
ungefährlich, kann aber das Befinden<br />
erheblich einschränken. Bluthochdruck ist<br />
viel häufiger und wesentlich gefährlicher!<br />
Warum leiden besonders ältere<br />
Menschen an zu niedrigem Blutdruck?<br />
Bestimmte Medikamente können den<br />
Blutdruck senken. Bei älteren oder geschwächten<br />
Patientinnen und Patienten<br />
kann dies bis zu einem Kreislaufkollaps<br />
mit Bewusstlosigkeit führen. Außerdem<br />
haben ältere Menschen meist ein eingeschränktes<br />
Durstgefühl. In Kombination<br />
mit vermehrtem Schwitzen kann das<br />
neben einem dramatischen Elektrolytverlust<br />
zu symptomatischer Hypotonie<br />
führen. Gleiche Auswirkungen haben<br />
auch starkes Erbrechen und bzw. oder<br />
starke Durchfälle.<br />
Blutdruck messen –<br />
Häufigkeit von<br />
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erkennen.<br />
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hinaus erkennt er im Falle eines<br />
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deren Häufigkeit und stellt diese<br />
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boso medicus vital Oberarm-Blutdruckmessgerät | Medizinprodukt
FLUGANGST<br />
Sobald sich die<br />
Angst bemerkbar<br />
macht, hilft die<br />
Bauchatmung, sich<br />
zu entspannen.<br />
VIRTUELL<br />
GEGEN<br />
DIE ANGST<br />
FOTOS: ECCE KARATAS,<br />
BEIGESTELLT<br />
Mithilfe virtueller Realität können<br />
Angststörungen – etwa vor Flügen –<br />
effizient behandelt werden. Wie das<br />
funktioniert, hat GESUND & LEBEN<br />
Redakteurin Claudia Sebunk im<br />
Selbstversuch ausprobiert.<br />
Johannes Lanzinger,<br />
M.Sc, Klinischer und<br />
<strong>Gesund</strong>heits-<br />
Psychologe, Wien<br />
Mithilfe einer VR-Brille<br />
wird eine Flugsituation<br />
stimuliert. Das Gehirn<br />
nimmt diese als<br />
echt wahr.<br />
Das Anschnallzeichen erleuchtet.<br />
Kurz danach ertönt die Stimme des<br />
Piloten mit jener Botschaft, die meinen<br />
Herzschlag regelmäßig zum<br />
Beschleunigen und meine Muskeln<br />
zum Verkrampfen bringt: Turbulenzen<br />
stünden bevor, so heißt es aus dem Cockpit<br />
und sofort krallen sich meine Finger für vermeintlich<br />
besseren Halt in die Armlehnen. Schon fliegen<br />
wir durch eine düstere Gewitterwolke und<br />
die Flügel des Flugzeuges beginnen bedrohlich zu<br />
wackeln. Die ganze Maschine rüttelt es durch und<br />
ich halte den Atem an. „Ganz ruhig bleiben“, höre<br />
ich nun eine beruhigende Stimme. „Tief in den<br />
Bauch atmen und die Muskeln entspannen“, rät<br />
sie mir. Während ich den Rat in die Tat umsetze,<br />
schaukelt das Flugzeug weiter durch die Luft, aber<br />
ich merke, dass mir die beruhigenden Übungen<br />
guttun. „Genau das ist das Ziel“, bestätigt Johannes<br />
Lanzinger nach dem überstandenen Flug. Lanzinger<br />
ist Psychologe, gemeinsam mit ihm sitze ich<br />
in seinem Angstzentrum Phobius und stelle mich<br />
meiner Flugangst. Statt in hohen Sphären bin ich<br />
dabei aber am Boden geblieben, denn Phobius<br />
spezialisiert sich auf Angstbekämpfung mittels virtueller<br />
Realität.<br />
KONFRONTATION MIT DER ANGST<br />
„Schon seit den 60er-Jahren ist erwiesen, dass<br />
Konfrontationstherapie die geeignetste<br />
Form ist, um Phobien zu therapieren“,<br />
erläutert Lanzinger, der Gründer von<br />
Phobius. „Bei dieser Methode stellen<br />
sich Betroffene jenen Situationen, vor<br />
denen sie Angst haben. Das Ziel: Zu<br />
erkennen, dass die Angst unbegründet<br />
ist, das Befürchtete nicht eintritt und die<br />
Angst nachlässt, wenn man sich ihr aussetzt“,<br />
erklärt der Experte. Bei Phobien ist<br />
diese Angst anlass-, situations- oder objektbezogen.<br />
So geraten Arachnophobiker etwa<br />
bei Spinnen in Panik, Betroffene von Akrophobie<br />
fürchten sich vor Höhe, Agoraphobiker wiede-<br />
rum haben Angst vor Situationen oder Orten, die<br />
das Gefühl erwecken, nicht leicht entkommen zu<br />
können sowie im Fall eines Angst- oder Panikanfalls<br />
keine Hilfe zu bekommen. Und Menschen mit<br />
einer sozialen Phobie fürchten sich vor der prüfenden<br />
Bewertung anderer.<br />
Bei meiner Flugangst, so lerne ich, spielen mehrere<br />
dieser Phobien eine Rolle. Ihnen möchte ich<br />
mich im Angstzentrum stellen. Dazu sind sechs<br />
bis acht Sitzungen notwendig, bei der Konfrontationstherapie<br />
nimmt Phobius allerdings die virtuelle<br />
Realität zuhilfe. „Das hat mehrere Vorteile“,<br />
erklärt Lanzinger. „Erstens ermöglicht uns die<br />
VR-Brille Erfahrungen, die wir sonst nur schwierig<br />
machen können – wie eben Flüge, den Kontakt<br />
mit exotischen Tieren oder den Ausflug in schwindelerregende<br />
Höhen. Zweitens können wir in der<br />
virtuellen Realität Ängste gezielt dosieren“, so der<br />
klinische Psychologe. Eine Person mit Höhenangst<br />
fährt etwa in einer offenen Gondel an einem Hochhaus<br />
von Station zu Station weiter virtuell in die<br />
Höhe, jemand mit Spinnenangst wird erst mit kleineren,<br />
dann mit größeren Exemplaren der Achtfüßer<br />
konfrontiert und ich erlebe zunächst einen<br />
ruhigen Flug, bevor sich die Turbulenzen steigern.<br />
Dazwischen lernt man, sich bei Angstgefühlen so<br />
lange zu entspannen, bis die Furcht nachlässt und<br />
schließlich ganz verschwindet.<br />
VIRTUELL UND DOCH REAL<br />
Dass die Angstsituationen dabei nur virtuell erlebt<br />
werden, spielt für unser Gehirn keine Rolle. Die<br />
Erklärung dahinter lässt sich mit einem Wort<br />
zusammenfassen: Immersion. „Damit ist das<br />
Gefühl von Präsenz in einer durch Bild und Ton<br />
stimulierten stimmigen, in sich geschlossenen<br />
Welt gemeint“, so Lanzinger. „Unser Gehirn ist<br />
zu 60 Prozent mit der Verarbeitung von visuellen<br />
Reizen beschäftigt, dabei kann es nicht unterscheiden,<br />
ob diese Reize real oder künstlich sind.<br />
Wir können deshalb ganz in den virtuellen Raum<br />
abtauchen.“ Das stelle auch ich fest, sobald ich<br />
die Brille aufhabe, die mit zwei hochauflösenden<br />
Displays und mehreren Sensoren ausgestattet ist,<br />
einen 360-Grad-Rundumblick gewährt und auch<br />
die passende Geräuschkulisse liefert. Gerade noch<br />
im Behandlungsraum, befinde ich mich im nächsten<br />
Moment gefühlt in einer Flugzeugkabine, höre<br />
die Triebwerke, kann meine Sitznachbarn beobachten<br />
und dem Piloten lauschen. Zehn Minuten<br />
später freue ich mich über den ersten erfolgreich<br />
absolvierten Flug und die Auswirkungen der Beruhigungsübungen,<br />
die ich zuvor gemeinsam mit<br />
dem Experten gelernt habe.<br />
36 GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
37
FLUGANGST<br />
Nach der virtuellen Konfrontationstherapie wird in der Realität überprüft,<br />
ob die Angst sich gelegt hat. Fazit: Mission erfüllt, Flugangst besiegt!<br />
DER ANGST AUF DEN GRUND GEHEN<br />
Bevor es nämlich an die Konfrontation geht,<br />
kommt man bei Phobius dem Ursprung der<br />
eigenen Angst auf die Spur, lernt, welche Vorgänge<br />
dabei im Körper passieren und was man<br />
in Angstsituationen tun kann. Im Zuge des Anamnesegesprächs<br />
erkenne ich, dass eine traumatische<br />
Erfahrung vor einem Nachtflug – ein Beinaheunfall<br />
mit dem Auto – meine Flugangst ausgelöst<br />
hat, aber auch, dass Agoraphobie eine Rolle spielt:<br />
Die Angst, weit weg vom sicheren Zuhause zu sein<br />
und der Situation nicht entkommen zu können.<br />
die Angst<br />
SCHRITT FÜR<br />
SCHRITT GEGEN<br />
Phobius ist ein Angstzentrum, das sich auf die Behandlung<br />
von Angststörungen mit virtueller Realität spezialisiert<br />
hat. 25 Angststörungen können auf diese Weise derzeit<br />
behandelt werden – Tendenz steigend. „Wir erweitern stetig<br />
unser Angebot, neu hinzugekommen sind zum Beispiel die<br />
Angst vor Corona“, erläutert Johannes Lanzinger. In diesem<br />
Fall und bei anderen Angststörungen wie der sozialen Phobie<br />
oder der generalisierten Angststörung kommen Konzepte<br />
der kognitiven Verhaltenstherapie zum Einsatz. Das Ziel<br />
ist bei allen Behandlungen dasselbe: Die Angst zu nehmen<br />
und so einen normalen Alltag zu ermöglichen. Denn: Angststörungen<br />
können je nach Ausprägung die <strong>Leben</strong>squalität<br />
massiv einschränken. „Leider gelten mentale Erkrankungen<br />
gesellschaftlich immer noch als Tabu. Viele Betroffene<br />
leiden daher im Stillen und versuchen, angstbesetzte<br />
Situationen zu vermeiden“, weiß Phobius-Gründer Johannes<br />
Lanzinger. Sich seiner Angst zu stellen, sei der erste wichtige<br />
Schritt. Behandlungen sind auch online möglich. ■<br />
Alle Informationen unter: www.phobius.at<br />
FOTOS: PHOBIUS/JOHANNES LANZINGER<br />
Finden wir uns in angstauslösenden Situationen<br />
wieder, wird der Reiz, den die Angst auslöst, in<br />
der Amygdala, unserem emotionalen Schaltzentrum<br />
im Gehirn, verarbeitet und eine Kaskade an<br />
körperlichen Reaktionen wird in Gang gesetzt:<br />
Hormone wie Adrenalin, Cortisol und Dopamin<br />
werden ausgeschüttet, der Körper reagiert mit<br />
typischen Symptomen wie Herzrasen, Schwitzen,<br />
flacher Atmung, die Muskel verkrampfen sich.<br />
„Ziel dieser Reaktionen ist es, uns in einem aufmerksamen<br />
und leistungssteigernden Zustand zu<br />
versetzen, um blitzschnell auf die Gefahr reagieren<br />
zu können“, erläutert Lanzinger den Hintergrund.<br />
Die evolutionär bedingten Angstsymptome<br />
machten vor Urzeiten Sinn, als überall Gefahr in<br />
Form von wilden Tieren, fremden Stämmen oder<br />
Naturkatastrophen drohte. Auch heute hat Angst<br />
den Sinn, uns vor Gefahr zu schützen. Bei Phobius<br />
lerne ich allerdings, dass jene Situationen, die ich<br />
als gefährlich einstufe, in Wahrheit nicht gefährlich<br />
sind. In meinem Fall bedeutet das auch, mir<br />
gemeinsam mit dem Experten mehr Wissen über<br />
Flugsicherheit zu erarbeiten.<br />
Als letzter Schritt vor der Konfrontation<br />
kommt schließlich noch Biofeedback zum Einsatz<br />
– ein Verfahren, das mittels Clips am Ohr<br />
unbewusste Prozesse im Körper, wie Herzschlag<br />
und Atemfrequenz sichtbar macht. Mithilfe dieser<br />
Technik erlerne ich Werkzeuge, um in Ernstsituationen<br />
meiner Angst nicht hilflos ausgeliefert<br />
zu sein und die Kontrolle zurückzuerobern.<br />
Eine der wirksamsten Methoden ist dabei die<br />
Bauchatmung, mit der man bewusst den Parasympathikus<br />
aktivieren kann – jenen Teil unseres<br />
vegetativen Nervensystems, der für Entspannung<br />
zuständig ist.<br />
LETZTER SCHRITT: REALITÄT<br />
Vier Mal hebe ich im Anschluss virtuell ab – in<br />
großen und kleinen Flugzeugen, in der Großstadt<br />
und auf einer gebirgigen Insel, bei Schön- und<br />
Schlechtwetter. Die Angst wird dabei von Flug<br />
zu Flug weniger und ich fühle mich schon fast<br />
befreit. Bis der Psychologe darauf aufmerksam<br />
macht, dass es nun gut wäre, sich der Angstsituation<br />
auch real zu stellen. Und so stehe ich eine<br />
Woche später mit flauem Magen und rasendem<br />
Puls vor einem Kleinflugzeug, in dem ich kurze<br />
Zeit später mit Piloten und Psychologen an Bord<br />
abhebe. Sobald die Landschaft unter mir kleiner<br />
wird, beginnen die altbekannten Symptome<br />
wieder, aber ich erinnere mich, unterstützt von<br />
Johannes Lanzinger, an die Fakten zur Flugsicherheit<br />
– und meine Beruhigungsübungen.<br />
Muskeln entspannen, tief in den Bauch einatmen,<br />
langsam ausatmen. Währenddessen erklärt<br />
der Pilot die einzelnen Instrumente an Bord und<br />
ermutigt mich schließlich, meine Hände auf das<br />
zweite Steuer zu legen, um die Bewegungen des<br />
Fliegers nachvollziehbar zu machen. Wenig später<br />
darf ich das Flugzeug selbst kurz nach rechts,<br />
links und geradeaus lenken. Was mich zuerst<br />
große Überwindung kostet, macht die für mich<br />
bisher unkontrollierbare Situation schließlich<br />
kontrollierbar. Als wir nach einer halben Stunde<br />
zum Landeanflug sinken, merke ich, dass sich<br />
meine Angst im wahrsten Sinne des Wortes in<br />
Luft aufgelöst hat.<br />
Mission? Erfüllt!<br />
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38 GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
39
■ SCHULTERPROBLEME<br />
Rotatorenmanschettenriss:<br />
entsteht hauptsächlich aufgrund<br />
von Abnutzung, seltener<br />
treten unfallbedingte Risse auf.<br />
Verläuft oft jahrelang asymptomatisch<br />
mit keinerlei Beschwerden,<br />
kann jedoch auch<br />
zu massiven Schmerzen mit<br />
stark eingeschränkter Beweglichkeit<br />
führen.<br />
Kalkschulter:<br />
entsteht durch kalkartige Ablagerungen<br />
in Sehnen. Es<br />
wird Druck auf Schleimbeutel<br />
und Sehnenanteile der Rotatorenmanschette<br />
ausgelöst,<br />
wodurch es zu einer schmerzhaften<br />
Reizung, vor allem bei<br />
Überkopftätigkeiten oder Drehbewegungen<br />
des Arms, kommt.<br />
Im weiteren Verlauf treten<br />
nachts starke Ruheschmerzen<br />
auf.<br />
Impingement-Syndrom:<br />
entsteht meist durch eine Fehlfunktion<br />
der Schulterblattmuskulatur,<br />
seltener durch einen<br />
Knochensporn am knöchernen<br />
Schulterdach. Häufig sind<br />
Sportlerinnen und Sportler oder<br />
Menschen, die beruflich Überkopfarbeiten<br />
ausüben, davon<br />
betroffen. Betroffene verspüren<br />
vor allem beim seitlichen<br />
Heben des Arms Schmerzen<br />
im Schultergelenk, je nach<br />
Dauer der Erkrankung können<br />
die Schmerzen auch bei Nacht<br />
auftreten.<br />
Schultersteife (Frozen Shoulder):<br />
ensteht meist schleichend,<br />
Ursache ist meist eine Stoffwechselproblematik<br />
oder auch<br />
ein Trauma. Dabei fängt die<br />
Schulter über mehrere Wochen<br />
allmählich an zu schmerzen.<br />
Nach einigen Monaten lassen<br />
die Schmerzen zwar nach,<br />
doch die Schulter wird immer<br />
unbeweglicher und kann so<br />
steif werden, dass sich der Arm<br />
nicht mehr heben lässt.<br />
NICHT AUF<br />
Schulter<br />
DIE LEICHTE<br />
NEHMEN<br />
Die Schulter ist das beweglichste Gelenk des<br />
menschlichen Körpers. Treten Beschwerden auf,<br />
leidet die <strong>Leben</strong>squalität. Wichtig ist, den Schmerzen<br />
möglichst früh auf den Grund zu gehen.<br />
Etwa 30 bis 40 Prozent aller Menschen<br />
leiden im Laufe ihres <strong>Leben</strong>s unter<br />
Schulterschmerzen – und sind damit in<br />
ihrem Alltag stark eingeschränkt. Schon<br />
kleine Tätigkeiten wie das Ankleiden,<br />
die Körperhygiene oder das Zubereiten<br />
und Zerkleinern von Speisen können für Betroffene<br />
sehr unangenehm sein. Umso wichtiger ist<br />
es daher, möglichst rasch zu einer Diagnose und<br />
einer maßgeschneiderten Therapie zu kommen.<br />
„Bei Schulterschmerzen gilt: Je schneller man eine<br />
Ärztin oder einen Arzt aufsucht, desto schneller ist<br />
man auf dem Weg der Heilung“, betont Priv.-Doz.<br />
Dr. Philipp Heuberer, Sportmediziner und Schulterspezialist<br />
in Wien.<br />
EINE FRAGE DES LEBENSABSCHNITTS<br />
Schulterschmerzen können unterschiedlich ausgeprägt<br />
sein und hängen vor allem vom Auslöser der<br />
Beschwerden ab, sagt Heuberer: „Grundsätzlich<br />
kommt es darauf an, in welchem <strong>Leben</strong>sabschnitt<br />
die Schulterschmerzen auftreten. So handelt es<br />
sich gerade in jungen Jahren häufig um eine Schulterinstabilität,<br />
die meist durch ein Trauma, wie es<br />
beim Kraft- oder Überkopfsport entstehen kann,<br />
hervorgerufen wird. Eine weitere Ursache kann das<br />
sogenannte Impingement-Syndrom sein, bei dem<br />
es zu einer Verengung unter dem Schulterdach<br />
kommt. Dieses wird meist durch Überbeanspruchung<br />
oder Übertraining, Knochenveränderungen<br />
oder ein muskuläres Ungleichgewicht verursacht.“<br />
Schulterinstabilität:<br />
Durch ein- oder mehrmaliges<br />
Ausrenken der Schulter<br />
kommt es zu einer Verletzung<br />
des Gelenkknorpels, der Knochen<br />
und der Muskeln und das<br />
Schultergelenk wird nicht mehr<br />
ausreichend stabilisiert. Auch<br />
viele kleine Verletzungen ohne<br />
eigentliches Ausrenken können<br />
zu dem Problem 40 führen.<br />
GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
■<br />
FOTOS: ISTOCK_ VLADYSLAV SEVERYN; BEIGESTELLT<br />
FOTOS: MOORHEILBAD HARBACH<br />
Im mittleren <strong>Leben</strong>salter, so Heuberer, treten<br />
hingegen oft eine Kalkschulter oder eine Schultersteife<br />
auf, während es ab etwa 60 Jahren vermehrt<br />
zu Schulterarthrosen oder Rotatorenmanschettenrissen<br />
kommt. Die Rotatorenmanschette ist jener<br />
Komplex aus Muskeln und Sehnen, der die Schulter<br />
umgibt und dafür zuständig ist, dass wir den<br />
Arm ein- und auswärtsdrehen können.<br />
RISIKOFAKTOREN<br />
Ob jemand eine Schulterproblematik entwickelt,<br />
hängt neben dem <strong>Leben</strong>sstil und der Freizeitgestaltung<br />
auch von verschiedenen anderen Faktoren<br />
ab, betont Heuberer: „So hat man beispielsweise<br />
festgestellt, dass von Schultersteife viermal mehr<br />
Frauen als Männer betroffen sind. Auch bestimmte<br />
Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus,<br />
Schilddrüsenerkrankungen oder ein hoher Cholesterinspiegel<br />
scheinen die Schultersteife zu begünstigen.“<br />
Darüber hinaus spielen auch anatomische<br />
Faktoren eine nicht zu unterschätzende Rolle: „Ein<br />
langes, überladendes Schulterdach führt beispielsweise<br />
eher zu Rotatorenmanschettenrissen, während<br />
ein sehr kurzes Schulterdach Abnützungen<br />
begünstigt.“ Und auch die berufliche Tätigkeit kann<br />
oftmals Beschwerden im Bereich der Schulter her-<br />
Das Rehabilitationsziel<br />
kann unterstützend mit<br />
Physiotherapie,<br />
Stromtherapie oder<br />
auch Krafttraining<br />
vorangetrieben werden.<br />
vorrufen: „Wenn jemand über viele Jahre schwere<br />
manuelle Arbeiten ausführt, kann ein Sehnenriss<br />
die Folge sein“, warnt der Experte.<br />
DIE GUTE NACHRICHT<br />
Um eine sichere Diagnose stellen zu können, erkundigt<br />
sich die Schulterspezialistin, der Schulterspe-<br />
NEUE MOBILITÄT & LEBENSQUALITÄT<br />
Orthopädische Rehabilitation im<br />
Moorheilbad Harbach<br />
Nach einer orthopädischen Operation, einem<br />
Unfall, einer (Sport-)Verletzung, aber auch ohne<br />
Operation bei Wirbelsäulenerkrankungen und<br />
Gelenksabnützungen ist fachkundige Rehabilitation<br />
der beste Weg zurück in ein weitgehend<br />
beschwerdefreies <strong>Leben</strong>. Das professionelle<br />
Team des Moorheilbades Harbach unterstützt<br />
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im Moorheilbad Harbach auch Kur- und<br />
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dabei die Schwerpunkte. Einzelheilgymnastik,<br />
Unterwassergymnastik, Herz-Kreislauf-Training,<br />
Kraft- und Sensomotoriktraining sind ebenso beinhaltet<br />
wie elektrophysikalische Behandlungen,<br />
Sturzprophylaxe und Rückenschule. Massagen,<br />
Lymphdrainagen, Bäder und Packungen sowie<br />
Schulungen und bei Bedarf eine gesundheitspsychologische<br />
Beratung runden das Therapieprogramm<br />
ab.<br />
Ziel der Rehabilitation ist, Schmerzen zu lindern<br />
und Defizite in der Beweglichkeit zu beheben.<br />
Dadurch können die körperlichen Aktivitäten<br />
gesteigert werden. Dies führt zu einer<br />
Verbesserung der Teilhabe am privaten, sozialen<br />
und beruflichen Umfeld.<br />
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41
SCHMERZTHERAPIE<br />
VITAMIN D<br />
zialist zunächst im persönlichen Gespräch mit der<br />
Patientin, dem Patienten über die Intensität, Art<br />
und das zeitliche Auftreten des Schmerzes sowie<br />
über mögliche Vorerkrankungen. Im Anschluss<br />
erfolgt meist eine Ultraschalluntersuchung und/<br />
oder ein Röntgen. „Ein MRT ist hingegen insbesondere<br />
im Zuge einer Operationsplanung sinnvoll“,<br />
meint Heuberer. Die gute Nachricht: „Die meisten<br />
Schulterbeschwerden muss man nicht operieren,<br />
sie können durch konservative Therapien ausheilen.“<br />
Ein besonders wichtiger Eckpfeiler dabei ist<br />
die Physiotherapie. Bei einer Kalkschulter oder<br />
Schultersteife können außerdem Eigenblutinjektionen<br />
oder eine Stoßwellentherapie dabei helfen,<br />
die Entzündung zu lindern und die Regeneration<br />
anzukurbeln. „Wenn jedoch ein Sehnenriss vorliegt,<br />
so muss man ehrlicherweise sagen, dass eine<br />
frühzeitige Operation ein besseres Ergebnis erzielt<br />
als Physiotherapie oder Heilgymnastik, durch die<br />
man kurzfristig zwar eine Schmerz- und Funktionsverbesserung<br />
erreicht, nach fünf bis zehn Jahren<br />
jedoch meist unter Funktionseinschränkungen<br />
der Schulter leidet, weil der Sehnenriss immer<br />
größer wird.“ Doch,<br />
ergänzt Heuberer,<br />
mit der Operation<br />
allein ist es nicht<br />
getan: „Das Wichtigste<br />
nach einer OP<br />
ist die Physiotherapie.<br />
Diese kann man<br />
entweder bei niedergelassenen<br />
Spezialistinnen<br />
und Spezialisten<br />
oder im Zuge<br />
einer Rehabilitation<br />
machen.“<br />
Prim. Dr.<br />
Elisabeth Dworschak<br />
stv. Ärztliche Leiterin<br />
Moorheilbad Harbach<br />
„Das Um und Auf sind die<br />
aktiven Therapien, denn jede<br />
Schulter, die nicht bewegt<br />
wird, wird steif.“<br />
BREITES<br />
SPEKTRUM<br />
Eine orthopädische<br />
Rehabilitation unterstützt<br />
Patientinnen<br />
und Patienten mit jeglichen Formen von Schulterbeschwerden,<br />
betont Prim. Dr. Elisabeth Dworschak,<br />
stellvertretende Ärztliche Leiterin im Moorheilbad<br />
Harbach: „Von konservativ behandelten<br />
Schulterschmerzen wie Impingement-Syndrom,<br />
Arthrosen oder Ausrenkungen des Schultergelenks<br />
bis hin zur Nachsorge nach Operationen bei<br />
Sehnenrissen oder Schulterprothesen deckt eine<br />
Rehabilitation das gesamte Spektrum ab.“ Ebenso<br />
unterschiedlich wie die Ursachen der Schulterschmerzen<br />
sind auch die Einschränkungen, mit<br />
denen Betroffene im Alltag zu kämpfen haben.<br />
„Während manche Patientinnen und Patienten<br />
nur in wenigen Situationen Schwierigkeiten haben<br />
– beispielsweise, wenn sie Geschirr aus einem<br />
höheren Fach im Kasten nehmen möchten – sind<br />
andere kaum mehr dazu in der Lage, ihren Alltag<br />
zu meistern, weil die Schmerzen in jeder Situation<br />
überhandnehmen – sie können das Besteck nicht<br />
mehr halten, sich die Haare nicht mehr frisieren<br />
oder leiden unter massiven Defiziten bei der Körperpflege“,<br />
sagt Dworschak.<br />
NEUE KRAFT FÜR DEN ALLTAG<br />
Das klare Rehabilitationsziel, so die Expertin, sei<br />
die schmerzfreie Funktionalität der Schulter und<br />
damit die uneingeschränkte Wiedereingliederung<br />
ins berufliche<br />
oder soziale Umfeld.<br />
„Gerade bei Schul-<br />
Priv.-Doz. Dr. Philipp Heuberer<br />
Sportmediziner und Schulterspezialist<br />
in Wien, www.heuberer.at<br />
„Die meisten<br />
Schulterbeschwerden muss<br />
man nicht operieren, sie<br />
können durch konservative<br />
Therapien ausheilen. “<br />
terschmerzen geht<br />
es darum, die Patientinnen<br />
und Patienten<br />
dort abzuholen,<br />
wo sie sich<br />
befinden und sich<br />
individuell an ihren<br />
Bedürfnissen zu orientieren,<br />
damit ein<br />
selbstständiger Alltag<br />
möglich ist und<br />
Pflegebedürftigkeit<br />
vermieden werden<br />
kann.“ Schulungen<br />
über das Krankheitsbild<br />
zählen ebenso<br />
zu den Rehabilitationsinhalten wie Bäder, Packungen,<br />
Massagen oder Stromtherapien. Auch eine<br />
medikamentöse Schmerztherapie kann mitunter<br />
zum Einsatz kommen. „Doch das Um und Auf<br />
sind die aktiven Therapien, denn jede Schulter, die<br />
nicht bewegt wird, wird steif“, betont die Expertin.<br />
Deshalb arbeiten die Patientinnen und Patienten<br />
sowohl bei Unterwassergymnastik und Krafttraining<br />
als auch bei der Ergotherapie und im Einzelsetting<br />
mit einer Physiotherapeutin, einem Physiotherapeuten<br />
an ihrer Schulterbeweglichkeit. Darüber<br />
hinaus, sagt Dworschak, erlernen Patientinnen<br />
und Patienten Strategien, um mit Einschränkungen<br />
im Alltag besser umgehen zu können – und sie<br />
bekommen Übungen für das Training zuhause an<br />
die Hand. Denn: „Die Schulter ist jenes Gelenk, das<br />
am meisten Zeit benötigt, bis eine deutliche Verbesserung<br />
spürbar ist. Wir sprechen dabei je nach<br />
Beschwerdebild von einem durchschnittlichen<br />
Behandlungszeitraum von bis zu zwölf Monaten.<br />
Gerade bei einer Schulterprothese sollte das Ziel<br />
nicht sein, völlige Bewegungsfreiheit zu erlangen,<br />
sondern wieder schmerzfrei leben zu können.<br />
Und das gelingt fast immer!“, macht Dworschak<br />
Mut. Daher: Nehmen Sie Schmerzen nicht auf die<br />
leichte Schulter und holen Sie früh ärztlichen Rat<br />
ein!<br />
MICHAELA NEUBAUER ■<br />
FOTOS: ISTOCK_VLADYSLAV SEVERYN; BEIGESTELLT<br />
FOTOS: ISTOCK_JEFF BERGEN, _DIMITRIS66, _OLESIA BEKH, DONAU-UNIVERSITÄT KREMS<br />
WUNDERvitamin<br />
as kleine Fläschchen ziert den Frühstückstisch<br />
vieler Österreicherinnen und Österreicher. Der<br />
Genuss eines Weckerls mit Käse oder Marmelade<br />
wird täglich mit Tropfen einer fettigen durchsichtigen<br />
Substanz garniert: Vitamin D. Die Semmel<br />
schmeckt besser in der Hoffnung, dem eigenen<br />
Körper etwas Gutes zu tun. Doch entspricht das<br />
der Realität? Wer braucht wie viel Vitamin in welcher<br />
<strong>Leben</strong>ssituation? Und warum?<br />
Diese Fragen haben wir Dr. Jana Meixner<br />
gestellt. Sie hat an der Medizinischen Universität<br />
Wien studiert und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
am Department für evidenzbasierte Medizin<br />
und Evaluation der Donau-Universität Krems.<br />
Ihr Schwerpunkt liegt auf dem Projekt Medizin-<br />
Transparent.at – einem Portal, das <strong>Gesund</strong>heitsbehauptungen<br />
aus Medien, Werbung und dem<br />
Internet auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft: „Vitamin<br />
D wirkt wie ein Hormon, zählt aber zu den<br />
Vitaminen. Es ist essenziell für den Körper, dockt<br />
über Rezeptoren an alle Zellen des Immunsystems<br />
an und wirkt regulierend.“<br />
BLONDE & BLONDINEN BEVORZUGT<br />
Unser Körper produziert Vitamin D selbst: bei<br />
UV-Licht über die Haut. „Für gesunde Menschen<br />
reicht es im Sommer normalerweise, Arme und<br />
Gesicht täglich 15 Minuten lang der Sonne auszusetzen“,<br />
erklärt Meixner. Dabei werden rund 200<br />
internationale Einheiten gebildet. Die empfohlene<br />
Das Sonnenvitamin ist der Star unter den<br />
Nahrungsergänzungsmitteln. Es verhilft<br />
zu starken Knochen, soll aber auch gegen<br />
Krebs, Demenz und Diabetes wirken.<br />
GESUND & LEBEN mit den Fakten.<br />
Nutzen Sie die<br />
herrlichen Sommertage,<br />
um Ihren<br />
Vitamin-D-Speicher<br />
aufzufüllen!<br />
Dr. Jana Meixner, wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
am Department für evidenzbasierte Medizin und<br />
Evaluation der Donau-Universität Krems<br />
„Für gesunde Menschen reicht es im Sommer<br />
normalerweise, Arme und Gesicht täglich<br />
15 Minuten lang der Sonne auszusetzen.“<br />
42 GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
39 43
EMPFEHLUNGEN<br />
VITAMIN D<br />
EMPFEHLUNGEN<br />
des Monats<br />
Klassifikation der<br />
Vitamin-D-Werte<br />
> 150 ng/ml<br />
100 ng/ml<br />
90 ng/ml<br />
60 ng/ml<br />
30 ng/ml<br />
20 ng/ml<br />
< 10 ng/ml<br />
Anhand der obigen<br />
Grafik können Sie<br />
den Vitamin-D-Wert<br />
Ihres Laborbefunds<br />
interpretieren.<br />
(ng/ml Nanogramm pro Milliliter) QUELLE: RKI<br />
Vitamin-D-Intoxikation<br />
Überdosiert<br />
Erhöht<br />
Normal bei Sonnenlicht<br />
Optimal<br />
Suboptimal<br />
Relevanter Mangel<br />
Schwerer Mangel<br />
Tagesdosis liegt allerdings bei 600. Man muss also<br />
entweder länger in die Sonne gehen oder aber<br />
substituieren. „Allerdings bestimmt der Hauttyp,<br />
wie viel Vitamin D produziert wird. Je dunkler<br />
der Teint, desto weniger.“ Auch über das Essen<br />
wird Vitamin D aufgenommen: „Über fette Meeresfische<br />
wie Lachs, Makrele und Hering.“ Laut<br />
Meixner leiden rund 40 Prozent aller Menschen<br />
an einem Vitamin-D-Mangel: „Die Grenzwerte<br />
– ein Serumwert von 20 Nanogramm pro Milliliter<br />
– sind aber vieldiskutiert und kommen aus<br />
der Knochengesundheit. Ob sie auch für andere<br />
Organe passen, ist wissenschaftlich umstritten.“<br />
In der westlichen Welt ist ein schwerer Vitamin-<br />
D-Mangel bei gesunden Erwachsenen sehr selten.<br />
Häufiger tritt er nur bei älteren Menschen auf. Sie<br />
sind oft in ihrer Mobilität eingeschränkt und weniger<br />
in der Sonne.<br />
WARNUNG VOR ÜBERDOSIERUNG<br />
Eine generelle Substitution des Sonnenvitamins<br />
findet Meixner bedenklich: „Vitamin-D-Präparate<br />
sind nur bei einem nachgewiesenen Mangel<br />
sinnvoll – nach einem ärztlichen Blutbefund.<br />
Denn eine Überdosierung kann im schlimmsten<br />
Fall Nierensteine verursachen.“ Einigkeit besteht<br />
in der Wissenschaft hinsichtlich der Wirksamkeit<br />
von Vitamin D für den Knochenaufbau: „Wer in<br />
der Kindheit einen zu niedrigen Vitamin-D-Spiegel<br />
hat, riskiert eine Rachitis. Denn Vitamin D ist<br />
für die Aufnahme von Kalzium wichtig. Daher ist<br />
es auch eine gute Vorsorge gegen Osteoporose“,<br />
so Meixner: „Außerdem korreliert ein Vitamin-<br />
D-Mangel in der Kindheit mit einem erhöhten<br />
Risiko für die Autoimmunerkrankung Diabetes<br />
Mellitus Typ 1.“<br />
VITAMIN D GEGEN DEMENZ<br />
Forscherinnen und Forscher der Universität of<br />
South Australia wollen mit dem Sonnenvitamin<br />
sogar Demenzfälle verhindern. Weltweit leiden<br />
mehr als 55 Millionen Menschen an der Erkrankung<br />
des Gehirns – jedes Jahr werden zehn Millionen<br />
neue Fälle diagnostiziert. Die Krankheit gilt<br />
als eine der häufigsten Todesursachen. Die Autorinnen<br />
und Autoren der Studie sind der Überzeugung:<br />
Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin<br />
D könne der Schlüssel sein, einen Großteil künftiger<br />
Demenzfälle zu verhindern. Auch Kolleginnen<br />
und Kollegen aus Großbritannien lesen aus Daten<br />
der UK-Biobank heraus, dass ein zu niedriger Vitamin-D-Spiegel<br />
mit einem geringeren Gehirnvolumen<br />
und einem erhöhten Risiko für Demenz und<br />
Schlaganfälle verbunden ist.<br />
Auch in punkto Schizophrenie gibt es erste wissenschaftliche<br />
Erkenntnisse. Kinder von Müttern<br />
mit einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel könnten<br />
vielleicht ein erhöhtes Risiko haben, daran zu<br />
erkranken.<br />
SCHLANK DURCH VITAMIN D<br />
Vitamin D braucht einen Mitarbeiter, um seine<br />
Wirkung voll entfalten zu können – darauf weisen<br />
neue Daten hin: das Mikrobiom in unserem Darm.<br />
Für eine Studie aus Katar erhielten 80 ansonsten<br />
gesunde Frauen mit einem nachgewiesenen Vitamin-D-Mangel<br />
drei Monate lang ein hochdosiertes<br />
Präparat. Vor und nach 12 Wochen wurden ihr<br />
Vitamin-D-Spiegel und die Darmflora untersucht<br />
– mit überraschenden Ergebnissen: Die Gabe des<br />
Sonnenvitamins erhöhte die bakterielle Vielfalt<br />
im Darm deutlich – insbesondere das Verhältnis<br />
zwischen den Bakterienstämmen Firmicutes und<br />
Bacteroidetes. Eine große Anzahl von Ersteren und<br />
wenige von Letzteren sowie eine geringe Artenvielfalt<br />
sind Auslöser von Übergewicht, Diabetes<br />
und anderen Erkrankungen. Verändert sich das<br />
Verhältnis in Richtung Schlankmacherbakterien,<br />
werden Entzündungen verringert und die Darmbarriere<br />
gestärkt. Gleichzeitig nahm auch die Zahl<br />
von Akkermansia-Muciniphilia-Bakterien zu. Sie<br />
stehen mit einem niedrigeren Blutzucker- und<br />
Blutfettspiegel und einer besseren Darmimmunität<br />
in Verbindung. Daten der Universität Mailand<br />
sollen sogar zeigen, dass mit einer guten Vitamin-<br />
D-Versorgung auch lästige Kilos schmelzen. Weitere<br />
Studien sollen klären, ob diese ersten Ergeb-<br />
FOTOS: ISTOCK_ANILAKKUS, _FRESHSPLASH, _DIMITRIS66, _ANDREY ELKIN<br />
nisse auch wirklich wissenschaftlich<br />
abgesichert werden können.<br />
VITAMIN D GEGEN KREBS<br />
Sogar in der Onkologie wird über das Sonnenvitamin<br />
diskutiert: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />
des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ)<br />
plädieren dafür, <strong>Leben</strong>smittel systematisch mit Vitamin<br />
D anzureichern. Ihre Modellrechnungen zeigen,<br />
dass sich durch den Zusatz rund 130.000 krebsbedingte<br />
Todesfälle in Europa verhindern ließen. Prof.<br />
Dr. Hermann Brenner, Epidemiologe vom DKFZ<br />
meint: „Angesichts der möglicherweise erheblichen<br />
positiven Effekte auf die Krebssterblichkeit wollen<br />
wir neue Wege suchen, die in der älteren Bevölkerung<br />
weit- verbreitete Vitamin-D-Unterversorgung<br />
zu verringern.“ Dass dies tatsächlich positive Effekte<br />
bringt, zeigt das Beispiel Finnland: Dort werden seit<br />
Jahren Nahrungsmittel mit Vitamin D angereichert.<br />
Ergebnis: Die Krebs-Sterberate ist dort um 20 Prozent<br />
niedriger als bei uns.<br />
KARIN LEHNER ■<br />
Dream-Team<br />
Vitamin D + K<br />
Viele Vitamin-D-Fans nehmen das Präparat gemeinsam<br />
mit Vitamin K ein. Prof. Dr. Klaus Kisters von der<br />
Deutschen Akademie für Mikronährstoffmedizin sagt:<br />
„Man kann feststellen, dass sich die Kombination von<br />
Vitamin D mit Vitamin K günstig auf die Knochendichte<br />
postmenopausaler Frauen auswirkt.“ Ob dieser Effekt<br />
auch für andere Gruppen (außer jener von Frauen nach<br />
dem Wechsel) zutrifft, konnte bislang wissenschaftlich<br />
nicht final geklärt werden.<br />
Gerade ältere Personen sollten<br />
auf ihren Vitamin-D-Spiegel<br />
achten. Zu niedrig? Holen<br />
Sie sich Hilfe aus der Apotheke!<br />
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Im Alltag ist der<br />
Bewegungsapparat<br />
mit unterschiedlichen<br />
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Funktionsfähigkeit und<br />
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spielt neben der<br />
Bewegung und dem Alter<br />
auch die Versorgung mit<br />
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40 44 GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
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GESUNDHEIT<br />
Jede Bauart bringt<br />
ihre Vor- und Nachteile<br />
mit sich. Zu<br />
den beliebtesten<br />
Baustoffen zählen<br />
Ziegel, Beton<br />
und Holz.<br />
Auch bei der Wahl des Bodenbelages,<br />
je nach Wohnraum, hat<br />
unser Experte wertvolle Tipps.<br />
<strong>Gesund</strong> bauen – wie geht das<br />
eigentlich? GESUND & LEBEN-<br />
Redakteurin Michaela Neubauer<br />
will’s wissen. Und gelangt zu<br />
neuen Erkenntnissen.<br />
Seit gut einem Jahr bauen mein Mann<br />
und ich unser Traumhaus im Grünen.<br />
Nach unzähligen Stolpersteinen und<br />
Rückschlägen geht es nun endlich in den<br />
Endspurt, der Innenausbau startet. Jetzt<br />
gilt es, allerlei Entscheidungen zu treffen: Welche<br />
Böden sollen es werden? Welche Wandfarbe eignet<br />
sich für welchen Raum? Und wie holen wir uns<br />
Gemütlichkeit ins Haus?<br />
AUF DEN BAUSTOFF KOMMT ES AN<br />
Bei all diesen Fragen hat der <strong>Gesund</strong>heitsaspekt<br />
für uns einen hohen Stellenwert. Wir möchten so<br />
schadstoffarm wie möglich leben und dabei auch<br />
klimafreundlich und nachhaltig handeln. Hierfür<br />
braucht es jedoch Expertise, betont DI (FH)<br />
Harald Brugger MSc, Leiter für Chemie & Konsum<br />
bei „Die Umweltberatung“: „Baustoffcenter und<br />
Farbhandlungen verfügen über breite Produktpalletten,<br />
doch vieles davon enthält Lösungsmittel<br />
und andere chemische Stoffe, die <strong>Gesund</strong>heit oder<br />
Umwelt gefährden. Deshalb ist es wichtig, sich vor<br />
dem Hausbau oder einer Renovierung umfassend<br />
zu informieren.“ Das fange bereits bei der Bauart<br />
an: „Zu den beliebtesten Baustoffen zählen Ziegel,<br />
Beton und Holz. Jede Bauart bringt ihre Vor- und<br />
Nachteile mit sich“, weiß Brugger. So sind Zie-<br />
FOTOS: ISTOCK_ BARBARA NIDETZKY<br />
gel und Beton zwar äußerst robust, weisen hohe<br />
Dämmeigenschaften auf und wirken sich auch<br />
nicht negativ auf das Innenraumklima aus, jedoch<br />
schneidet Beton aus ökologischer Sicht weniger gut<br />
ab. Vor allem die Herstellung des Zements durch<br />
das Zerkleinern der Rohstoffe und Verarbeiten im<br />
Ofen benötigt viel Energie und verursacht hohe<br />
CO 2<br />
-Emissionen. Holz, so Brugger, ist ein ideales<br />
ökologisches Material. Während bei modernen<br />
Fertigteilhäusern auf natürlichen Holzschutz<br />
gesetzt wird, sollte jedoch insbesondere der Kauf<br />
älterer Fertigteilhäuser der siebziger oder achtziger<br />
Jahre gut überlegt sein. In vielen dieser Häuser<br />
finden sich nämlich auch heute noch eine erhöhte<br />
Konzentration an chemischen Holzschutzmitteln,<br />
die zum damaligen Zeitpunkt „Stand der Technik“<br />
waren, jedoch ein hohes toxisches Potenzial<br />
aufweisen und zu massiven gesundheitlichen<br />
Beschwerden führen können.<br />
AUF DEM BODEN DER TATSACHEN<br />
Wie sieht es eigentlich mit dem Bodenbelag aus?<br />
Ursprünglich hatten wir geplant, im gesamten Haus<br />
Parkett zu verlegen, doch mit der Adoption unseres<br />
Langhaar-Hundes war klar, dass diese Lösung nicht<br />
praktikabel für unseren Alltag ist. Darum haben<br />
wir uns lediglich in den Schlafräumen für Parkett<br />
und in allen anderen Räumen für Fliesen entschieden.<br />
Wie bewertet Experte Harald Brugger unsere<br />
Wahl? „Fliesen sind langlebig, belastbar und wasserfest,<br />
aber unelastisch und fußkalt. Sie wirken bei<br />
längerem Stehen aufgrund ihrer Härte ermüdend.<br />
Ihre Wärmeleitfähigkeit ist aber gut, daher sind sie<br />
ideal für Fußbodenheizungen geeignet.“ Gerade in<br />
Räumen, in denen man viel steht, beispielsweise<br />
in der Küche, würde Brugger eher zu trittelastischen<br />
Belägen wie Kork oder Linoleum raten. In<br />
Nassräumen kann ein Kautschukboden mit seinen<br />
schmutz- und bakterienabweisenden Eigenschaften<br />
und seiner Rutschfestigkeit wiederum eine<br />
optimale Alternative sein. Die Finger lassen sollte<br />
man hingegen von PVC-Belägen, die häufig auch<br />
als Vinylbeläge ausgelobt werden. „Das Ausgangsprodukt<br />
Vinylchlorid ist giftig und kann Krebs auslösen.<br />
Die im PVC-Belag enthaltenen Weichmacher<br />
dünsten langsam aus und lagern sich unter<br />
anderem im Hausstaub ab. Auch durch Abrieb<br />
oder Auswaschung können sie freigesetzt werden.“<br />
Ein beliebter und laut Brugger sehr empfehlenswerter<br />
Klassiker in den Wohn- und Schlafräumen<br />
sind Holzböden. Hierbei sollte man heimischen<br />
Baumarten wie Eiche, Buche oder Esche Vorrang<br />
geben. Wird ein Parkettboden, zum Beispiel aufgrund<br />
der Fußbodenheizung, nicht schwimmend<br />
FOTOS:BARBARA NIDETZKY<br />
46 GESUND & LEBEN <strong>09</strong>/22<br />
47
EMPFEHLUNGEN<br />
des Monats<br />
GESUNDES WOHNEN<br />
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die Wandfarbe spielt eine<br />
entscheidende Rolle, wenn es<br />
darum geht, einem Raum neues <strong>Leben</strong><br />
einzuhauchen. Doch auch hierbei gilt es einiges zu<br />
beachten, erklärt Brugger: „Nicht nur wirken sich<br />
Farben auf unsere Stimmung und unser Wohlbefinden<br />
aus, sie beeinflussen auch das Raumklima.“<br />
Da die Farben meist in großen Mengen verstrichen<br />
werden, fällt selbst ein geringer Schadstoffgehalt<br />
stärker ins Gewicht. „Ein baubiologisch wertvoller<br />
Anstrich gibt wenig Schadstoffe ab, lädt sich nicht<br />
elektrostatisch auf und ist durchlässig für Wasserdampf“,<br />
sagt der Experte. Dazu zählen beispielsweise<br />
Kalkfarben oder Naturharzdispersionen.<br />
Auch Silikatfarben halten in immer mehr Innenräumen<br />
Einzug. Sie sind schadstofffrei, langlebig<br />
und diffusionsoffen. Ihr besonderer Vorteil? „Silikatfarben<br />
sind auch für feuchtes Mauerwerk geeignet<br />
und zeichnen sich durch fungizide und antibakterielle<br />
Eigenschaften aus. Dadurch sind sie auch<br />
eine natürliche Waffe gegen Schimmel“, so Brugger.<br />
RICHTIG LÜFTEN<br />
Schimmel ist nicht nur ein optisches Manko, er<br />
kann bei hoher Sporendichte auch gesundheitsgefährdend<br />
in den Schleimhäuten sowie im Nervenund<br />
Immunsystem wirken. Meist sind Baumängel<br />
die Ursache – zum Beispiel undichte Rohre und<br />
Fugen oder Schäden an Wasser- und Heizungsleitungen.<br />
Daneben spielt jedoch auch falsches<br />
Heizen und Lüften eine wichtige Rolle: „Im Winter<br />
sollte die warme, feuchte Raumluft in möglichst<br />
kurzer Zeit ausgetauscht werden, indem man zwei<br />
bis fünf Minuten mit vollständig geöffneten Fenstern<br />
quer- oder stoßlüftet. Fenster gekippt halten<br />
ist eine Methode für den Sommer. Im Winter führt<br />
sie zu starker Abkühlung der fensternahen Bereiche<br />
und begünstigt dort die Kondensation der<br />
Luftfeuchtigkeit und damit den Schimmelbefall“,<br />
erklärt Brugger. Ist Schimmel erst einmal aufgetreten,<br />
so muss zunächst die Feuchtigkeitsursache<br />
FOTOS: BARBARA NIDETZKY; DIE UMWELTBERATUNG<br />
Elektro- und Installationsarbeiten werden gemeinsam mit befugten Partnerfirmen umgesetzt.<br />
Nicht nur wirken sich<br />
Farben auf unsere<br />
Stimmung und<br />
unser Wohlbefinden<br />
aus, sie beeinflussen<br />
auch das Raumklima.<br />
eruiert und behoben werden. Erst danach ist<br />
der Einsatz von Trocknungsgeräten sinnvoll.<br />
Bei stärkerem Befall kann der Pilz auch tief in<br />
den Putz eingedrungen sein und die gesamte Putzschicht<br />
muss bis auf die Ziegel entfernt werden –<br />
hier lohnt es sich in jedem Fall, einen Profi an die<br />
Seite zu holen.<br />
Und wie geht es nun bei uns weiter? Wir starten<br />
mit all diesen neuen Informationen und Erkenntnissen<br />
in die letzte Bauphase. Und freuen uns auf<br />
ein Eigenheim, in dem wir hoffentlich lange und<br />
gesund wohnen dürfen. MICHAELA NEUBAUER ■<br />
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Sie eine unterhaltsame Lektüre.<br />
ZU GEWINNEN GIBT<br />
ES DIESMAL:<br />
Eines von drei Büchern „Doktorspiele“<br />
von Sandra König und Robert Sommer.<br />
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GESUND & LEBEN!<br />
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1<strong>09</strong>0 Wien oder per Fax: 01/96 11 000-66 oder per<br />
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Die Heftzustellung erfolgt spätestens am 5. Werktag nach dem Erscheinungstermin. Nach Ihrer<br />
Bestellung senden wir Ihnen eine Rechnung. Das Abo verlängert sich zum jeweils gültigen Jahrespreis.<br />
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MwSt. und Porto (gültig im Inland). Wenn die Bestellung nach dem 20. des Monats einlangt, beginnt<br />
Ihr Abo erst mit der übernächsten Ausgabe. Druck- und Satzfehler sowie Irrtümer vorbehalten.<br />
KWR inserat.indd 1 22.08.22 12:07<br />
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WERBUNG FOTOS: SABINE KLIMPT, ISTOCK_ NEONSHOT_ JANE VERSHININ<br />
MIT<br />
DEM<br />
DURCH DEN HERBST<br />
Priv.-Doz. DDr.<br />
Philipp Saiko, Präsident,<br />
& Mag. pharm. Susanne<br />
Ergott-Badawi, Vizepräsidentin<br />
Apothekerkammer Wien<br />
Sobald die Tage kürzer werden und Sonnenschein zur Mangelware<br />
wird, ist es wieder in aller Munde: das Vitamin D. Dahinter<br />
steckt eine Gruppe fettlöslicher Vitamine, die allen voran für die<br />
Aufnahme von Kalzium aus dem Darm zuständig sind und dabei<br />
unterstützen, dieses in Knochen und Zähne einzubauen. Somit<br />
spielt Vitamin D eine wichtige Rolle bei der Mineralisierung der<br />
Knochen, unterstützt die Muskeln und beeinflusst verschiedene<br />
Hormone. Unser Körper bildet Vitamin D in erster Linie unter Sonneneinstrahlung<br />
in der Haut. Die verringerte Sonnenscheindauer<br />
zwischen Oktober und März erschwert jedoch eine bedarfsdeckende<br />
Versorgung. Auch durch Einflüsse des modernen <strong>Leben</strong>swandels,<br />
beispielsweise durch die Abnahme von Aktivitäten im<br />
Freien, Büroarbeit oder ein verändertes Freizeitverhalten, kann es<br />
■ KEINE BEHANDLUNG AUF EIGENE FAUST<br />
zu niedrigen Vitamin-D-Werten kommen. Ein Vitamin-D-Mangel<br />
äußert sich häufig in Müdigkeit, Muskelschmerzen, Haarausfall<br />
oder einer erhöhten Infektanfälligkeit. Risikogruppen für eine<br />
Minderversorgung sind vor allem jene Personen, die immobil,<br />
chronisch krank oder pflegebedürftig sind und sich daher vorwiegend<br />
in geschlossenen Räumen aufhalten. Darüber hinaus sind<br />
auch ältere Menschen über 65 Jahre gefährdet, da die Eigenproduktion<br />
von Vitamin D mit zunehmendem Alter sinkt. Auch Säuglinge<br />
haben ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin-D-Mangel, da<br />
sie keiner direkten Sonnenstrahlung ausgesetzt werden sollten.<br />
Um niedrigen Vitamin-D-Werten vorzubeugen, sollten Sie auch<br />
im Herbst und Winter regelmäßige ausgedehnte Spaziergänge an<br />
der frischen Luft unternehmen. Ein kleiner Teil des Bedarfs kann<br />
auch über die Nahrung, beispielsweise durch Speisepilze, Eier,<br />
Butter, oder Fische wie Lachs und Hering, abgedeckt werden. Bei<br />
einem Mangel wird jedoch in den meisten Fällen zu Nahrungsergänzungsmitteln<br />
geraten.<br />
Ihre Apothekerinnen und<br />
Apotheker ums Eck besprechen<br />
mit Ihnen gerne Nutzen<br />
und Risiken unterschiedlicher<br />
Präparate! <br />
Anders als bei anderen Vitamin-Präparaten<br />
ist bei Vitamin D Vorsicht geboten, denn dieses<br />
kann als fettlösliches Vitamin im Fett- und<br />
Muskelgewebe gespeichert werden und so bei<br />
einer übermäßig hohen Zufuhr über Nahrungsergänzungsmittel<br />
zu einer akuten oder schleichenden<br />
Überdosierung führen. Dabei entstehet<br />
im Körper ein erhöhter Kalziumspiegel, der<br />
in Übelkeit, Bauchkrämpfen, Erbrechen oder<br />
in schweren Fällen in Nierenschädigung, Herzrhythmusstörungen<br />
oder Bewusstlosigkeit resultieren<br />
und sogar lebensgefährlich sein kann.<br />
Aus diesem Grund gilt: Nehmen Sie Vitamin-D-Supplemente<br />
nicht ohne einen vorherigen<br />
Bluttest bei Ihrer Ärztin bzw. bei Ihrem Arzt<br />
ein. Die Testergebnisse geben Aufschluss, ob<br />
eine Einnahme von Supplementen erforderlich<br />
ist und in welcher Dosierung sie benötigt werden.<br />
In Ihrer Apotheke ums Eck beraten wir Sie<br />
gerne dazu!<br />
■<br />
GESUND<br />
MIT IHRER<br />
WIENER APOTHEKE<br />
„SONNENVITAMIN“<br />
Ein Teil des Bedarfs an<br />
Vitman D kann über die<br />
Nahrung, beispielsweise<br />
durch Speisepilze, Eier,<br />
Butter, oder Fische wie<br />
Lachs und Hering,<br />
abgedeckt werden.<br />
Bei der Einnahme von<br />
Supplementen ist die<br />
Dosierung durch einen<br />
Bluttest zu bestimmen.<br />
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