Festschrift - VTG Recklinghausen
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Die Schwester Oberin – imposante und unbewegliche Erscheinung, die mit Feldherren-Blick<br />
das Geschehen auf der Fläche mustert. Gewertet wird nach dem Motto „Na,<br />
wer hat sich denn heute meine Kreuze verdient?“ Ideal ergänzt wird der Angsteinflößende<br />
Habitus der Oberin durch eine halbrunde, tief auf der Nase aufliegende Lesebrille,<br />
die selbstverständlich durch eine goldene Halskette gesichert wird. Beeinflussbarkeit:<br />
In einigen Fällen führt sofortiges und scheues Wegschauen – ihrem Blick hält<br />
man eh nicht lange stand – zu den gewünschten Kreuzen.<br />
Der Turm – völlig regungslos steht er da auf dem Parkett. Kein Lächeln, kein Zwinkern<br />
des Erkennens kann die Gesichtsmuskeln reizen – man will ja schließlich nicht<br />
als parteilich gelten. Das Klemmbrett hängt am völlig entspannten Arm und zuckt nur<br />
für kurze Momente auf Brusthöhe, wenn der Turm wieder eine seiner messerscharfen<br />
Entscheidungen getroffen hat. Und dafür ist er bekannt – wenige Sekunden reichen<br />
ihm für eine exakte Wertung. Kein minutenlanges Verfolgen in der Hoffnung auf<br />
den nächsten Fehler, wer jetzt gut tanzt, tanzt auch in 30 Sekunden noch gut. Taktfehler<br />
bleiben ihm bei dieser Methode allerdings meistens verborgen. Beeinflussbarkeit:<br />
Wenn man seinen Blick tonnenschwer im Rücken spürt – bloß keinen Fehler<br />
machen. Aber keine Sorge – der Blick schweift schnell wieder ab.<br />
Die Mütterliche – wertet getreu dem Motto „Eigentlich möchte ich ja keinem dieser<br />
armen Paare wehtun.“ Hat selbst in ihrer Karriere zu oft unter den „bösen“ Wertungsrichtern<br />
leiden müssen. Ist besonders empfänglich für den Tänzer Typ „Schwiegersohn“,<br />
adrettes und bescheidenes Auftreten und ein charmantes Lächeln – schon hat<br />
sie ihr Kreuz verschenkt. Der größte Feind der Mütterlichen: die TSO-Regel „Hälfte<br />
bis zwei Drittel der Kreuze“, wie soll man sich da bloß entscheiden?<br />
Der Profilierungssüchtige – er ist ja so jovial und sympathisch – allein für den Weg<br />
vom Eingang zur zehn Meter entfernten Startbuchannahme braucht er mindestens<br />
zehn Minuten. „Oh, Sie auch hier?“ – Ist das schön, Dich zu sehen! – Nein, was habt<br />
ihr neulich nur toll getanzt! – Ist das Kleid neu? Du siehst ja hinreißend aus!“ Man<br />
kennt ihn, und er kennt sie alle. Fehlt eigentlich nur noch, dass er auch Tischen und<br />
Stühlen sein strahlendes Lächeln schenkt. Gestaltet jeden Einsatz zur perfekten<br />
Selbstinszenierung. Ob Dorfpokal oder große Gala – er sieht einfach immer gut aus.<br />
Und dabei ist er ja so selbstlos! Wertet in den entlegensten Regionen unserer Republik<br />
und verzichtet generös auf jegliche Bezahlung. Hauptsache, er darf werten