Stadtmagazin Bremen Februar 2023
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
24<br />
RECHT UND GELD<br />
„Langfristig wird es sich lohnen“<br />
Dr. Sascha Otto von der Sparkasse <strong>Bremen</strong> gibt Tipps zum Thema Geldanlage<br />
Zuletzt schien es schwierig, das eigene<br />
Ersparte vernünftig anzulegen. Minimale<br />
Zinsen bei den Geldinstituten<br />
sowie Skandale wie bei Wirecard oder<br />
Lehman schwächten das Vertrauen in die<br />
Finanzmärkte. Wir sprachen mit dem Leiter<br />
des Wertpapier- und Portfoliomanagements<br />
der Sparkasse <strong>Bremen</strong>, Dr. Sascha Otto, darüber,<br />
wie er die Situation an den Märkten in<br />
den aktuellen Krisenzeiten einschätzt und<br />
fragten den „Börsenflüsterer“, was er all jenen<br />
Menschen derzeit empfiehlt, die Geld<br />
beispielsweise für ihre Altersvorsorge anlegen<br />
wollen.<br />
Wie sehen Sie die momentane Situation<br />
am Kapitalmarkt?<br />
Grundsätzlich wird sich die Situation aus<br />
meiner Sicht deutlich bessern. Derzeit gibt<br />
es einige große wirtschaftliche Herausforderungen,<br />
die natürlich auch an den Kapitalmärkten<br />
nicht vorbeigehen. Wir haben<br />
gerade die Coronapandemie überwunden,<br />
inklusive der daraus folgenden Lieferketten-<br />
und Chinaproblematik, seit einem Jahr<br />
herrscht zudem Krieg in der Ukraine. Die<br />
Inflationsrate ist sehr hoch und obendrauf<br />
kommt noch der Klimawandel. Dennoch<br />
erscheint mir momentan das Umfeld für<br />
Investitionen wieder sehr gut.<br />
Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?<br />
Zum einen gibt es wieder Zinsen. Zum anderen<br />
haben die Unternehmen, die von mir<br />
angesprochenen Krisen einigermaßen gut<br />
bewältigt. Die Aktienkurse tendieren nach<br />
oben, viele Unternehmen haben Dividenden<br />
ausgezahlt und Rekordgewinne erwirtschaftet<br />
– in Deutschland und weltweit. Zudem<br />
führt der Klimawandel dazu, dass Unternehmen<br />
neue Geschäftsstrategien entwickeln<br />
Foto: Sparkasse <strong>Bremen</strong><br />
und auch neue Unternehmen entstehen. Ich<br />
treffe jetzt mal eine Pauschalaussage: Derzeit<br />
ist ein guter Moment zu investieren,<br />
wenn man einen langen Atem mitbringt und<br />
die Kapriolen, die an den Kapitalmärkten<br />
passieren, bereit ist, auszuhalten. Langfristig<br />
wird es sich lohnen.<br />
Viele Menschen, die versucht haben über<br />
Aktien Geld für ihre Altersvorsorge anzusparen,<br />
sind nach Skandalen wie die um<br />
die Pleite der Investmentbank Lehman<br />
Brothers oder zuletzt Wirecard verunsichert.<br />
Was raten Sie denen?<br />
Generell gilt es, sich möglichst breit aufzustellen<br />
und nicht nur auf eine Karte zu setzen.<br />
Dann ist es möglich, solche Einbrüche<br />
bei einzelnen Kursen einfacher zu verkraften.<br />
Ich glaube, dass so etwas, wie bei den<br />
beiden von Ihnen genannten Beispielen<br />
immer wieder vorkommen wird. Wir werden<br />
immer kriminelle Energie bei Unternehmen<br />
haben, ich glaube, das liegt einfach<br />
in der menschlichen Natur. Gerade bei Wirecard<br />
wirkte die Situation für viele Anleger<br />
sehr verlockend: ein junges Tech-Unternehmen<br />
aus Deutschland mit einer großen<br />
Wachstums- und Erfolgsstory. So etwas hat<br />
natürlich zunächst viele Anleger :innen angezogen.<br />
Leider hat die sich im Nachhinein<br />
als komplett erfunden herausgestellt.<br />
Haben Sie einen Tipp, worauf man als<br />
Anleger:in achten sollte?<br />
Nicht alles nur auf eine Karte zu setzen. Ich<br />
stelle mir bei jeder Anlage als erstes die Frage,<br />
was passiert, wenn ich mich irre. Wenn<br />
ich merke, dass ich den kompletten Verlust<br />
eventuell nicht verkraften könnte, mache ich<br />
die Anlage nicht, ganz simpel. Deshalb versuche<br />
ich auch ein Portfolio so aufzubauen,<br />
dass es möglichst viel beinhaltet. Aus meiner<br />
Sicht gehören in ein gutes Portfolio Anleihen,<br />
Aktien und zwar aus verschiedene Branchen.<br />
Auch wenn ich vielleicht eine Lieblingsbranche<br />
habe, sollte man sich trotzdem auch in<br />
solchen, die man nicht so sehr schätzt, breit<br />
aufstellen. Über Sparpläne gibt es diverse<br />
Möglichkeiten, auch schon mit relativ wenig<br />
Geld, relativ viel zu machen.<br />
Ab welchem Alter lohnt es sich, einen<br />
Sparplan zu erstellen?<br />
Je eher desto besser – und das sage ich Ihnen<br />
nicht nur, weil ich Banker bin. Mit dem<br />
ersten Gehalt beispielsweise, kann man<br />
beginnen, monatlich 50 Euro einzuzahlen.<br />
Natürlich tut das anfangs weh, gerade wenn<br />
man noch nicht sehr viel Geld verdient.<br />
Aber dann hat man die 50 Euro auch recht<br />
schnell schon gedanklich abgehakt. Aber<br />
auch für diejenigen, die schon etwas älter<br />
sind gilt: Besser spät, als nie. Ein Sparplan<br />
lohnt sich auch mit Kleinbeträgen.<br />
Dennoch sind viele Menschen aufgrund<br />
der vielen Krisen der vergangenen Jahre<br />
verunsichert, wie nun mit dem Erspartem<br />
umzugehen ist …<br />
Das ist verständlich, weshalb man sich genau<br />
überlegen sollte, wie viel Geld man<br />
monatlich sparen kann beziehungsweise<br />
will. Denn wenn man trotz aller Krisen auf<br />
die letzten 30 Jahre des Deutschen Aktienmarktes<br />
guckt, so sieht man, dass sich der<br />
Wert der Anlagen trotz Irakkrieg, Bankenkrise,<br />
Euroschuldenkrise, Coronapandemie,<br />
Lehman, Wirecard und Ukrainekrieg in diesem<br />
Zeitraum verfünfzehnfacht hat.<br />
Haben Sie einen abschließenden Tipp für<br />
die Altersvorsorge?<br />
Am Anfang sollte man sich überlegen, wo<br />
man einmal hin will. Die Fragen sind dann:<br />
Wann will ich in Rente gehen? Was brauche<br />
ich dann zum Leben? Will ich eine Einmalzahlung<br />
oder monatlich Geld haben? Ich<br />
kann nur jeder und jedem empfehlen, sich<br />
einmal etwas Zeit zu nehmen und sich mit<br />
dem Thema Geld auseinanderzusetzen. Ziel<br />
sollte aus meiner Sicht sein, möglichst früh<br />
zu versuchen, monatlich etwas Geld zurückzulegen.<br />
Ein Beispiel: Wenn es möglich ist,<br />
100 Euro zu sparen, würde ich 50 Euro in<br />
Wertpapieren anlegen und 50 Euro auf ein<br />
Sparkonto tun, an das ich jederzeit heran<br />
kann. Aus meiner Sicht ist die Zeit dafür derzeit<br />
ideal, da wir momentan von stark wachsenden<br />
Märkten ausgehen. (MÄR)<br />
Der „Bremer Börsenschnack – ein Podcast mit<br />
Dr. Sascha Otto und Patrick Paech“ ist bei allen<br />
gängigen Anbietern wie Spotify, Apple Music<br />
und Co. zu finden. Jeden Montag gibt es ein<br />
anderes Börsenthema.