se - Freiburger Kinogeschichte 2023
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gab es auch wieder Filmvorführungen im Casino.<br />
Bei einem neuerlichen kleineren Bombenangriff auf Freiburg am 8. Februar 1945 wurde der die<br />
Außenwand des Friedrichsbaus beschädigt. Nach einigen Tagen Pau<strong>se</strong> spielte das Kino aber ab 21.<br />
Februar 1945 schon wieder die Komödie „Die kleine Residenz“. Am 20. April 1945 lief in den „Ufa-<br />
Lichtspielen“ als letzter Film vor dem Einmarsch der französischen Armee die Komödie „Warum<br />
lügst Du, Elisabeth?“ aus dem Jahr 1944.<br />
Hier endet eigentlich der Zeitrahmen der Geschichte der „Friedrichsbau-Lichtspiele“ in die<strong>se</strong>m<br />
Beitrag – aber nicht ohne eine fällige Ausnahme: Denn die Aufführung eines Film von Veit Harlan<br />
spaltete vor gut 50 Jahren die Stadt. Dazu Ulrike Rödling am 15. Januar 2002 in der „Badischen<br />
Zeitung“: „Vor dem Friedrichsbau protestierten am 16. Januar 1952 rund 200 Studenten, Bürger und<br />
Gewerkschafter. Sie wurden von der <strong>Freiburger</strong> Polizei verprügelt, von Kinobesuchern bespuckt und<br />
als "Sozialistenschweine" und "Judensöldlinge" beschimpft. 16.000 Kinobesucher hatten in den<br />
ersten Januartagen den Film ‚Hanna Amon‘ ge<strong>se</strong>hen und sich gegen die studentischen Störenfriede<br />
empört. ‚Juden raus‘ war ebenso zu hören wie die Unterstellung, die Demonstranten <strong>se</strong>ien mit<br />
‚jüdischem Geld gekauft‘".<br />
Veit Harlan, der zur gleichen Zeit mit <strong>se</strong>iner Frau Kristina Söderbaum und dem <strong>Freiburger</strong><br />
Polizeipräsidenten Bie<strong>se</strong>r in einem Restaurant tafelte, hatte es nach dem Krieg geschafft, durch<br />
geneigte Richter alle Klagen gegen ihn wegen des von ihm inszenierten anti<strong>se</strong>mitischen Hetzfilms<br />
„Jud Süß“ zu überstehen, und danach wieder mit dem Filmen begonnen.<br />
Der Streit um ihn spaltete die Stadt in zwei Lager, quer zu den Parteigrenzen. Zahlreiche Menschen<br />
waren, so der Bericht in der BZ, verletzt worden und Staatspräsident Leo Wohleb <strong>se</strong>tzte angesichts<br />
die<strong>se</strong>r Eskalation den Film persönlich ab. Einhellig verurteilten der Stadtrat und die Pres<strong>se</strong> das<br />
Vorgehen der Polizei. Oberbürgermeister Hoffmann bekundete den Studenten und der<br />
Universitätsleitung <strong>se</strong>in Mitgefühl und hoffte, "dass in der Welt der demokratische Ruf der Stadt<br />
Freiburg keinen Schaden leidet". Der Landtag <strong>se</strong>tzte einen Untersuchungsausschuss ein; Harlans<br />
Tafelgast, Polizeipräsident Bie<strong>se</strong>r, musste den Dienst quittieren.<br />
Doch Mitglieder des <strong>Freiburger</strong><br />
Film-Clubs und die Kinobetreiber<br />
planten nun ihrer<strong>se</strong>its eine<br />
Protestversammlung gegen das<br />
Verbot von "Hanna Amon", die<br />
aber das Badische<br />
Innenministerium verbot. „Die Zeit<br />
war offensichtlich (noch) nicht reif<br />
für eine kritische<br />
Au<strong>se</strong>inander<strong>se</strong>tzung mit den<br />
willigen Gehilfen der Nazis“, so das<br />
Resümee von Ulrike Rödling.<br />
„Verlorene Illusionen“ – die<strong>se</strong>r Film stand am 10. Januar <strong>2023</strong> auf dem Programm<br />
der „Friedrichsbau-Lichtspiele“. Gerade hatte die Nachricht vom drohenden Ende<br />
die<strong>se</strong>s Filmtheaters die <strong>Freiburger</strong> Kinowelt erschüttert und aufgerüttelt. Ist das<br />
Kino doch noch zu retten? Die<strong>se</strong> Frage war noch nicht beantwortet, als die<strong>se</strong>r<br />
Beitrag entstand. Aber es gab hoffnungsvolle Aktivitäten – mögen sie sich nicht als<br />
„Verlorene Illusionen“ herausstellen.<br />
Foto: Bernd Serger<br />
Veit Harlans Film "Hanna Amon"<br />
wurde im Juni 1952 vom Gericht<br />
freigegeben und erneut in Freiburg<br />
gezeigt. Die Studenten reagierten<br />
nun - mit Schweigemärschen.