Magazin_NEXT_03_2023_148
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Podcast<br />
DAS MAGAZIN FÜR DIE REGION<br />
<strong>03</strong>‘23<br />
welchen Running Gag der Autor oder die Autorin durch<br />
die ganze Erzählung hindurch verwendet hat, und musste<br />
mir überlegen, wie ich das auf Deutsch sachgemäß<br />
übersetzen kann. Durch das Übersetzen habe ich über die<br />
deutsche Sprache viel gelernt, aber auch darüber, wie man<br />
eine Erzählung am besten aufbaut. Nach etlichen Übersetzungen<br />
habe ich gemerkt: Ich kann und will das auch,<br />
ich will eigene Erzählungen veröffentlichen. Die Romane<br />
kamen dann allerdings erst später, als ich schon ein paar<br />
eigene Sammelbände herausgegeben hatte.<br />
Wir kommen jetzt tatsächlich mal auf deinen aktuellen<br />
Roman „Vom Ende der Bundeskegelbahn“. Was ich für<br />
einen wirklich interessanten und neugierig machenden<br />
Titel halte. Um was geht es in dem Buch?<br />
Ganz grob gesagt geht es um die Globalisierung, um einen<br />
Wandel auf dem Land. Ich habe eigentlich immer Dorf-Settings<br />
in meinen Büchern und beschreibe typische Strukturen<br />
und auch kulturelle Eigenheiten des Dorflebens. Es gab eine<br />
Art Anlass zu dem Thema des Buches: Ich habe gesehen, dass<br />
sich einige chinesische Firmen jetzt im Bereich Hunsrück,<br />
Nordsaarland niederlassen. Ich hielt das für eine tolle Idee für<br />
eine Geschichte. So habe ich mir einen Chinesen ausgedacht<br />
– Wang Fei – und ihn in ein Dorf, das übrigens mein Heimatdorf<br />
darstellt, gesetzt. Wang fängt an, das halbe Dorf aufzukaufen<br />
und man sollte deutlich sehen, wie sich die Bewohner<br />
des Dorfes aufgrund dessen verhalten: Wer hilft dem Chinesen,<br />
wer bildet eine Art Opposition, wer steht zwischen beidem?<br />
Die Kegelbahn ist deshalb wichtig, weil man erkennt,<br />
dass alles, was in dem Dorf in den 50er und 60er Jahren noch<br />
von Bedeutung war, mittlerweile verschwindet. Unter anderem<br />
betreibt der Chinese die letzte noch verbliebene Kegelbahn<br />
und wird ein riesiger Fan von deutschem Kulturgut, ist<br />
zum Beispiel begeisterter Chorsänger.<br />
Jetzt haben wir darüber gesprochen, was du schreibst,<br />
aber noch nicht, wie du schreibst. Was für ein Typ Schreiberling<br />
bist du? Strukturiert? Weniger strukturiert? Ordentlich?<br />
Oder eher der Chaot?<br />
Das glaubt mir fast niemand, aber bei Romanen bin ich<br />
unfassbar strukturiert. Kolumnen schreibe ich, wenn ich<br />
etwas erlebt habe und dann nach Hause komme. Romane<br />
sind bei mir eine akribische Planungsarbeit. Ich schreibe<br />
immer den Schluss zuerst, und wenn der steht, weiß ich,<br />
welche anderen Kapitel wichtig sind. Die schreibe ich und<br />
habe daraufhin so etwas wie ein Baugerüst, in dem ich am<br />
Ende die Lücken zuschreibe. Meine Frau sagt manchmal zu<br />
mir: „Lass mich mal was lesen!“ Und ich antworte ihr: „Das<br />
bringt nichts. Du weißt überhaupt nicht, wie diese fünf Kapitel<br />
zusammenhängen, die sind viel zu weit auseinander.“<br />
Jetzt, bei der Bundeskegelbahn habe ich es anders gemacht,<br />
weil alle sich über meinen Arbeitsstil gewundert haben. Ich<br />
habe einfach drauf los geschrieben. Am Anfang war es ein<br />
rauschhaftes Drauflosschreiben, bis ins letzte Drittel. Dann<br />
plötzlich stimmte was in dem und dem Kapitel nicht mehr<br />
und ich musste echt viel herumbasteln. Es war eine klasse<br />
Erfahrung, die ich aber nie wieder machen möchte. Ich lasse<br />
mich auch nicht von meinen Figuren und der Handlung<br />
überraschen. Alles steht schon so fest, wie es passieren soll.<br />
Du bist mit dem Schreiben großgeworden. Gibt es etwas,<br />
das du Leuten raten würdest, die mit dem Schreiben<br />
beginnen wollen?<br />
Wirklich erstmal schreiben, schreiben, schreiben. Das ist<br />
ähnlich wie im Sport oder in der Musik: Man muss viel üben.<br />
Wenn man nun darüber nachdenkt, etwas zu veröffentlichen,<br />
ist es wichtig, das Geschriebene in einem angstfreien<br />
Kreis vortragen zu können. Also heißt es eigentlich immer:<br />
Schreiben, schreiben, schreiben und zeigen, zeigen, zeigen!<br />
Vielleicht nicht nur der wohlmeinenden Oma oder dem<br />
Freund und der Freundin, sondern dann auch Leuten, die<br />
selbst schreiben. Und wenn die fair sind, ist das die beste<br />
Quelle, um aus dem zu lernen, was man geschrieben hat.<br />
11