77_Ausgabe November 2009
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Zum Volkstrauertag <strong>2009</strong><br />
<strong>2009</strong><br />
Ansprachen (”Statements”) der Stadtverwaltung<br />
wirken unverbindlich und<br />
austauschbar für andere Anlässe. Die<br />
Betrachtungen der Geistlichen passen<br />
oft besser in den Sonntagsgottesdienst.<br />
Man vermißt persönliche Betroffenheit,<br />
Einfühlungsvermögen und Furchtlosigkeit<br />
im Umgang mit der Geschichte. Das<br />
ursprüngliche Anliegen des Volkstrauertages,<br />
die Ehrung der gefallenen Soldaten,<br />
der zivilen Kriegsopfer, der Toten in<br />
Kriegsgefangenen- und Internierungslagern,<br />
ist aus dem Blick geraten. Nicht<br />
einmal das Wort “Soldaten” kommt in<br />
den Reden vor. Ungestraft schmieren<br />
unbedarfte Rabauken an die Häuserwände,<br />
dass “Täter keine Opfer” seien.<br />
Welch ein Gegensatz zum Jahre 1926,<br />
als Deutschland noch parlamentarische<br />
Republik war und seine Kriegsopfer aufrichtig<br />
und unbefangen ehrte. Parteipolitische<br />
Besserwisser können einem<br />
da nicht mit “Selbstinszenierungen von<br />
Diktaturen” kommen.<br />
Als unser Fotograf für diesen Beitrag in<br />
Görlitz-Rauschwalde das 1926 eingeweihte<br />
und inzwischen sanierte Ehrenmal<br />
aufnehmen wollte, fand er dort Jugendliche<br />
und Männer mit Bierflaschen<br />
vor, die nur zögernd zur Seite rückten,<br />
um die Sicht freizugeben. Neugierig geworden,<br />
gaben sie zu verstehen, sie<br />
hätten sich noch nie die Inschriften angesehen<br />
oder gar darüber nachgedacht,<br />
dass die dort genannten, damals gefallenen<br />
Rauschwalder oft so jung wie sie<br />
gewesen waren. Kein Lehrer der Schulen<br />
gegenüber, kein Pfarrer der Kirche<br />
dahinter, keine Mutter in den Wohnhäusern<br />
ringsum schien jemals ein erklärendes<br />
Wort gesagt zu haben.<br />
Am Sonnabend vor dem Volkstrauertag<br />
wird wie immer zu einer Führung zu<br />
Görlitzer Kriegsgräbern auf dem städtischen<br />
Friedhof gebeten; die Teilnehmer<br />
treffen sich um 14 Uhr vor dem Krematorium.<br />
Die Ehrung der Gefallenen am<br />
Volkstrauertag beginnt um 11 Uhr an<br />
der Stele beim Ständehaus.<br />
Dr. Ernst Kretzschmar<br />
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