Was ist eine Kurzgeschichte? - SpecFlash
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Die zweite Säule, auf welcher die Hypertheorie<br />
basiert, sind poststrukturale Thesen, welche sich<br />
auf „Entgrenzung der Printliteratur und die<br />
Dekonstruktion ihrer Kriterien“²⁸ beziehen.<br />
Michel Foucault, Roland Barthes und Jaques<br />
Derrida sind hierbei von Bedeutung. Dem ersten<br />
dieser drei Philosophen, wurde von Thomas<br />
Elsässer attestiert, ein „Denker in der Tradition<br />
von Friedrich Nietzsche“²⁹ zu sein. Damit soll<br />
<strong>eine</strong> Position verstanden werden, die „dem<br />
aufklärerischen Projekt des Fortschreitens der<br />
r<strong>eine</strong>n Vernunft, der Wahrheit und der moralischen<br />
Selbstverbesserung kritisch“³⁰ gegenü‐<br />
bersteht. In direkter Anlehnung an die<br />
provokative Parole „Gott <strong>ist</strong> tot!“ aus ����<br />
������ ����������� wird nunmehr das Ableben<br />
von Autor, Buch und Roman skandiert. Michel<br />
Foucault degradierte 1969 mit s<strong>eine</strong>m kritischen<br />
Aufsatz „<strong>Was</strong> <strong>ist</strong> ein Autor?“ den Urheber <strong>eine</strong>s<br />
Textes zur bloßen Funktion. Damit verfolgt er<br />
<strong>eine</strong>n ähnlichen Gedanken, wie Roland Barthes,<br />
der ein Jahr zuvor den „Tod des Autors“³¹ ausgerufen<br />
hat, durch welchen erst die „Geburt des<br />
Lesers“ ³² vonstatten gehen könne. Jaques<br />
Derrida <strong>ist</strong> für die Hypertheorie aufgrund s<strong>eine</strong>r<br />
Annahmen zu <strong>eine</strong>m neuen Textverständnis von<br />
Bedeutung. Im Wesentlichen konstatierte er<br />
1967, dass die Gedanken, „die es heute zu<br />
denken gilt“,³³ nicht linear in <strong>eine</strong>r Schrift archiviert<br />
werden können. Dabei bezieht er sich grob<br />
auf die „Magischen Kanäle“ von Marshall McLuhan,<br />
für welchen die Medien <strong>eine</strong> Fortbildung,<br />
<strong>eine</strong> Erweiterung der menschlichen Sinne und<br />
Organe darstellt.³⁴<br />
Die Hypertextualität soll durch ihre link-Struktur<br />
dem interaktiven Leser <strong>eine</strong>n multiplen<br />
Zugang zu Informationen gewähren. Diese Idee<br />
<strong>ist</strong> <strong>eine</strong> elektronische Simulation von Gedanken-<br />
artikel<br />
gängen, <strong>eine</strong> assoziative Strukturbildung. (Hier<br />
lässt sich der literarische Bewusstseinsstrom<br />
ebenfalls wieder nachweisen) Vannevar Bush,<br />
in gewisser Weise der Vordenker und ge<strong>ist</strong>iger<br />
‚Vater’ des Hypertextes, war der Ansicht, ein<br />
menschliches Gedächtnis wäre eben nicht linear<br />
strukturiert, sondern assoziativ aufgebaut. Erinnerungen<br />
würden auf <strong>eine</strong>m solchen Weg mit<br />
Wahrnehmungen und Sinneseindrücken verknüpft<br />
werden. Dementsprechend sollte das<br />
Suchen von gespeicherten Informationen nach<br />
<strong>eine</strong>m dem Lernen ähnlichen assoziativen Indexverfahren<br />
vonstatten gehen. Es sollten sich<br />
verzweigende Pfade (trails) aufbauen, die an<br />
andere Personen übertragbar wären.³⁵ Diese<br />
Forderungen bedeuteten bei konsequenter<br />
Umsetzung „für die Produktionsbedingungen<br />
von Literatur <strong>eine</strong> ebenso große Zäsur […] wie<br />
einstmals der Buchdruck.“³⁶<br />
Teilfazit:<br />
Liter@t.URL? - von Markus Kügle<br />
117<br />
Anhand dieser Vergleiche und Gegenüberstellungen,<br />
die im Kontext des Hypertextes aufbereitet<br />
werden, kann von <strong>eine</strong>m Höchstmaß an<br />
ideologischer Aufladung gesprochen werden.<br />
Dies artikuliert auf der <strong>eine</strong>n Seite sehr anschaulich<br />
das große Bedürfnis nach grundlegenden<br />
Veränderungen in der Literarizität, auf der<br />
anderen Seite zeigt sich überdeutlich der daraus<br />
resultierende Erwartungsdruck von exorbitanter<br />
Höhe, welcher hier an ein Medienprodukt<br />
gestellt wird, dass hinsichtlich s<strong>eine</strong>r Entwicklung<br />
– technisch, wie sprachlich, beziehungsweise<br />
textuell – noch am Anfang steht. Verlangt<br />
wurde kurzum der „Online‐Ulysses“³⁷, welcher<br />
imstande war, den Poststruktural<strong>ist</strong>en genauso<br />
zu entsprechen, wie der künstlerischen Avant-