Die Starnberger Fragmente
Die Starnberger Fragmente
Die Starnberger Fragmente
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<strong>Die</strong> <strong>Starnberger</strong> <strong>Fragmente</strong>, neue karo1ingisde<br />
Ornamentsteine in Bayern<br />
Von<br />
Herbert P a u 1 u s<br />
Herrn Prof. Dr. Rudolf Kömstedt gewidmet.<br />
Das <strong>Starnberger</strong> Heimatmuseum, nicht nur in Bayern, sondern<br />
weit darüber hinaus durch seinen Lucas Cranach und Tiepolo') wie<br />
durch seine Rokokoplastiken (lgnatz Günther 1755 und Roman<br />
Anton Boos 1780) berühmt, birgt seit mehr als zwanzig Jahren unter<br />
anderem auch karolingische <strong>Fragmente</strong> (Flechtwerkstcine), die bisher<br />
in der Forschung nur geringe Beachtung fanden. Es ist das umsomehr<br />
verwunderlich, als sich ja in unmittelbarer Nähe noch<br />
geringe Spuren einer angeblich von Karl dem Großen herrührenden<br />
Burgfeste auf dem Karlsberge2) bei Mühlthal finden und ebenso<br />
in Geschichte und Volkssage die karolingische Tradition noch bis<br />
heute lebendig ist. <strong>Die</strong> Karlsburg selbst - eine, nach ihrem Grundriß<br />
durchaus glaubwürdige frühkar&lingische Anlage - wurde<br />
mehrmals ausgegraben, zuletzt anno 1837. Der Leiter der damaligen<br />
Ausgrabungen, ein Architekt Kreuter, legte sogar die Grundmauern<br />
dieser Burg frei, unterließ es aber, die Bearbeitung der<br />
1) Leider wurde der Tiepole während des nationalsozialistischen Regimes<br />
verschleudert.<br />
) Bezüglich der Lokalität und Geschichte der Karlsburg siehe: Dr.<br />
Richard Paulus, <strong>Starnberger</strong> See und Würmtal, München, Verlag Knorr<br />
und Hirt, ohne Jahresangabe, S. 30 f. und 2. Aufl. 1926 - Bezüglich de<br />
früheren Ausgrabungen siehe: Föringer. Über die ehemalige Burg Karlsburg<br />
bei Leutstetten, in: Ztsch. d. hüst. Vor. v. Obba yern, Bd. 1 u. 2.<br />
München 1840; dort ist auch der Grundriß veröffentlicht.<br />
Docuinent<br />
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0000005342310<br />
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Steine sachgemäß zu untersuchen und konnte somit die Datierung<br />
des Baues nicht erschließen.)<br />
Im Jahre 1927 erhielt dann Dr. Richard Paulus, der Gründer und<br />
damalige Leiter des <strong>Starnberger</strong> Museums, von den hohen Besitzern<br />
des Karisberges. die Erlaubnis. erneut Ausgrabungen anzustellen,<br />
wurde jedoch durch seinen Tod daran gehindert. Eine, noch zu<br />
seinen Lebzeiten (anno 1927), angeblich von ihm durchgeführte<br />
Probeausgrabung hatte einige Steine Pfeilerbasen und Kämpferfragmente<br />
mit Ornamentierungen - sowie einen stark verwitterten<br />
Torso eines Löwen mit der Beute in den Fängen zutage gefördert.')<br />
Seitdem ruhen nun diese Reste von der Karlsburg - wir nannten<br />
sie in einer früheren Abhandlung schon ‚die <strong>Starnberger</strong> <strong>Fragmente</strong>"<br />
5) - unbeachtet von der zünftigen Wissenschaft im Museumsgarten<br />
zu Starnberg. Sie transit gloria mundi. (Siehe Abb. 1.)<br />
Das Material dieser <strong>Fragmente</strong> besteht vorwiegend aus weißem<br />
Marmor und dann aus Sandstein) <strong>Die</strong> Steinbearbeitung ist bei den<br />
wichtigsten Stücken noch konstatierbar (siehe Anhang!) und läßt<br />
auf die übliche fränkische oder )angobardische 7) Quaderbehandlung<br />
schließen. <strong>Die</strong> Quader sind abgespitzt, die Hiebrillen zu einfachen.<br />
geometrischen Mustern zusammengeordnet. Auf den von Herrn<br />
Zannantonjo, Starnberg, angefertigten Fotos (Abb. 1-3) scheint<br />
5) In dem Ausgrabungsbericht von Herrn Architekt Kreuter heißt es<br />
bezüglich der Überreste der Grundmauern: ‚diese lassen der-Zeitbestimmung<br />
hinsichtlich ihres Ursprunges einen zu weiten Spielraum, indem<br />
dieseLbei nach dem Dafürhalten der Bauverständigen ebcrisowohl dem<br />
zehnten und elften als auch dem achten und neunten Jahrhundert angehören<br />
können." Eine genaue Spezifizierung der Steine sowie eine Untersuchung<br />
der Hiebrillen und ihrer geometrischen Muster hat also damals<br />
nicht stattgefunden. Dagegen wurde im Jahre 1946 für unsere <strong>Fragmente</strong><br />
bezüglich läer Steinmetzbearbeitung ein Gutachten seitens des Konservators<br />
Koch besorgt; darnach ist eine Datierung für das sehnte oder elfte<br />
Jahrhundert nicht gut möglich,<br />
1) Soweit die Version des Konservators Koch. Dagegen soll nach Schilderung<br />
meiner Mutter mein verstorbener Vater Dr. Richard Paulus<br />
besagte Steine aus der Sammlung des Kronprinzen erhalten haben.<br />
) <strong>Die</strong> erste Veröffentlichung über die <strong>Starnberger</strong> <strong>Fragmente</strong> erfolgte<br />
in meiner Diss.: Der Gesirmungscharakter des Merowingisch-westfrän-<br />
•kischen Basilikenbaues, Teil B, Kap. IV, Abschnitt 5, Anhang 2: Kapitellund<br />
Zierformen, Erlangen 1944, Manuskriot. Siehe ferner meinen Artikel<br />
in der Zeitung: „Land- und Seebote", Starnberg, Okt. 1950, Jubiläumsnummer.<br />
0) Sandsteine werden iin allernächster Nähe noch heute gebrochen: so<br />
befindet sich nahe der „uralten" Mühlthaler Mühle und am Fuße des<br />
Schönberges ein fast unerschöpflicher Steinbruch.<br />
7) Nach der glänzenden Abhandlung Cinharts über die Karolingischen<br />
Flechtwerksteine in Kärnten (Festschrift Egger, Carinthia 1. 132. Jhrgg.
auch die Rippung der Steinoberflächen festgehalten zu sein; ein<br />
besonders charakteristisches Muster wie etwa das Fischgratmuster,<br />
das auf die frühromanische Epoche schließen ließe, ist jedoch nirgends<br />
festzustellen. Somit ist die Steinmetzarbeit in die vorromanische<br />
Epoche zu verlegen.<br />
Glücklicherweise läßt sich nun infolge der verschiedenen Ornamentierung<br />
zweier Steingesimse über die <strong>Starnberger</strong> <strong>Fragmente</strong><br />
noch weit mehr aussagen und das gibt diesen: einmaligen Funden<br />
erst ihre charakteristische Gewichtigkeit. Treten wir jetzt vor die<br />
als karolingische Steinmetzarbeiten gekennzeichneten, übereinandergeschichteten<br />
Quader, die sich rechts vom Hauseingang zum<br />
Museum befinden, so fällt uns gleich die Ornamentierung des rechten<br />
großen Steingesimses auf'), das sich unmittelbar unter dem Stallfenster<br />
erhebt. (Abbild Nr. 2.) <strong>Die</strong>ses Ornament gibt ein Flechtwerk<br />
wieder. Das gerahmte Muster zeigt Kreise aus Dreistreifbändern,<br />
1942, S. 112 ff.) kann es sich hier nicht mehr um herkunftsmäßige Bezeichnungen<br />
handeln, sondern nur um stilistische Merkmale. Wir unterscheiden<br />
also den nordischen Typus der Flechtwerksteine, den wir als „frünkisch"<br />
bezeichnen, von dem südlichen, itaiischen Typus, der von uns hier<br />
als „langobardLsch" angesprochen wird. Bei unseren Flechtwerkstoinen<br />
handelt es sich im engeren Sinne um bayerische Stücke, schon, weil sie<br />
lokale Eigentümlichkeiten aufzuweisen haben.<br />
') <strong>Die</strong>ses Steingesims mutet fast wie ein Kämpferfragment an. <strong>Die</strong>s<br />
würde dafür sprechen, daß ca sich bei diesen Denkmalen um zu einer<br />
Kirche gehörenden Reste handelt. Sie können jedoch richt von jenem<br />
Steinmaterial stammen, das nach Abbruch des Klosters am Theaterplatz<br />
zu München (Altenhofkapeile) anno) 1816 auf den Karlsberg heraufgeführt<br />
wurde, da dies mit der frühestens spätromanischen Errchtung des Klosterbaues<br />
stilistisch nicht in Einklang zu bringen ist. Abgesehen davon<br />
hat sich in der weiteren Umgehung frühkarolingisches Stcinrnaterial<br />
gefunden. So will anno 1944/45 Herr Prof. Dr. W. Kreis. in Leutatetton,<br />
unter den Abbruchsteinen des vom Fürsten Wallerstein errichteten Ökonomiegebäudes,<br />
einen Säulensockel entdeckt haben, den er in einem Gutachten<br />
an die Krongutverwaltung der frühkarolingischen Zeit zuschreibt.<br />
Dazu ist zu bemerken, daß das Ökonomiegebäude seinerzeit mit einem<br />
aus der Karisruine geborgenen Steinmaterial errichlet worden ist. Ebenso<br />
soll zieh noch bis heute im Schloß Leutstetten eine Anzahl von diversen<br />
Steinen befinden, die dort als „Reste von der Karlsburg" aufbewahrt<br />
werden. Auch für den Bau des Schlosses Leutstc-tten anno 1565 wurde<br />
Steinmaterial aus der Ruine verwendet. - Daß mein verstorbener Vater<br />
unsere Steine als „Reste von der Karisburgruine" zu bezeichnen pflegte,<br />
habe ich noch mehrmals bei Führungen erlebt. Desgleichen geht aus<br />
seinen Aufzeichnungen hervor, daß er „interessante <strong>Fragmente</strong> von der<br />
Karlsburg seinem Museum einverleibt' habe Daß Abbruchsteine von der<br />
Münchner Altenhofkapelle für ein <strong>Starnberger</strong> Museum ohne Interesse<br />
waren, liegt auf der Hand. Insofern kann die Version einer Probeausgrabung<br />
entstanden sein, als sie die Herkunft der Steine von der Karlsruine<br />
sichert. Aber auch die andere unter Anm. 4 erwähnte Version<br />
macht diese Ansicht nicht zweifelhaft.
die von zwei diagonal laufenden. geperlten Zickzackbändern oder—<br />
wie man noch sagen kann - Rautengeflechten durchschossen sind.<br />
<strong>Die</strong> Verbreitung dieser Flechtwerke geht durch den ganzen Kontinent.<br />
So finden sie sich u. a. zu Samt Remi in Reims, am Ciborium<br />
zu S. Apollinare in Ciasse (Ravenna), an der Altarschranke zu Aquileja<br />
und am Portal der Domkirche zu Cattaro. 9) Da am <strong>Starnberger</strong><br />
Fragment die Riefung des Zickzackbandes geperlt ist, so handelt<br />
es sich jedenfalls um kein langobardisches Stück, wie die teils angeführten<br />
Beispiele"), sondern um ein fränkisches.<br />
<strong>Die</strong>s wird noch dadurch erhärtet, daß es auch kein sogenanntes<br />
langobardisches Rauten- und Kreisgeflecht - so werden die miteinander<br />
verknüpften Kreise bezeichnet, die von einem Rautengeflecht<br />
durchschossen sind - aufweist`). So kommt der Vergleich mit Modi -<br />
fikationen in Betracht, wie sie an Stücken zu Narbonne. Arles und<br />
Genf bekannt werden".) Insbesondere scheint uns in dem stark zerstörten<br />
Fragment von Avignon eine dem <strong>Starnberger</strong> Stück am<br />
nächsten stehende Konzeption erhalten zu sein.'3)<br />
Wie die Beispiele schon zeigten, wird das Flechtwerk gerne im<br />
Zusammenhang mit kirchlichen Bauten verwendet. Deshalb nannte<br />
auch De Lastevrie diese Ornamente ‚die typischen Besonderheiten<br />
an karolingischen Kirchen".") Ebenso schreibt Ginhart a. a. O.'),<br />
daß wohl sämtliche Kärtner Flechtwerkstoine kirchlichen Zwecken<br />
dienten und somit Kirchenbauten schmückten. Daß eine Kapelle<br />
9) Vergl. d. Abbild. bei: Hau pt, <strong>Die</strong> älteste Kunst, insbesondere d,ie<br />
Baukunst der Germanen, 2. Aufl., Wasmuth-Verlag, Berlin 1923, Taf.<br />
XXVII/Abb. 100 (Ravenna), S. 165, Abb. 98 (Aquileja); De Lasteyrie R.,<br />
L' Architecture Religieuse en France a l''poque Romane. Paris 1929,<br />
2. Aufl. v. M. Aubert, Verlag Picard - Paris, S. 216, Fig. 216 (Reims).<br />
') Siehe das Beispiel von Ventirnigtia, abgebildet bei E. A.Stiickelberg,<br />
Langobadiische Plastik, Zürich 1896, Leemann-Verlag, S. 44, Fig. 17<br />
und ebenso das Fragment (Steinrelief d. 9. Jahrhunderts) am Karner zu<br />
St. Veit, Abb. 59 auf S. 31 bei Ginhart, <strong>Die</strong> Kunstdenkmäler des politischen<br />
Bezirks St. Vedt, (<strong>Die</strong> Kunstdenkmäler Kärntens, Ad. VhS. 2),<br />
Klagenfurt, Kollitsch-Verlag 1931. - Allerdings sind hier die Kreise miteinander<br />
verknüpft! Siehe unser Abbild Nr. 4.<br />
11)Ein analoges Beispiel wäre also - abgesehen von dem g4.per1ten<br />
Zickzackband. - das karolingische Flechtwerk auf der Schrankenpbatte<br />
im Gaumi,seum zu Linz a. d. D.; vgl. hierzu Abb. 24 b. Giinhart: <strong>Die</strong><br />
karolingischen Flechtwerksteine... a. a. 0., S. 112 ff. -<br />
12)Haupt, a. a. 0., S. 62, Abb. 42 (Nai'bonne); Stückelberg a. a. 0., S. 93,<br />
Fig. 59 (Arles); S. 94, Fig. 69 (Genf).<br />
15) Stückclberg a. a. 0.. S. 62, Fig. 46 (Avignon).<br />
14)De Lasteyrie, a. a. 0.. S. 202 ff.<br />
15)<strong>Die</strong> karolingischen Flechtwerksteirie... S. 130.
4<br />
Karolingische Ornamentsteine<br />
Abb. 1<br />
3 -7<br />
<strong>Die</strong> <strong>Starnberger</strong> <strong>Fragmente</strong><br />
im Heimatmuseum Starnberg<br />
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Abb. 2
Abb. 3<br />
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4.<br />
Abb. .1<br />
Abb. 5
auf dem Karisberge stand, läßt sich auch quellenmäßig belegen16);<br />
abgesehen davon wird auch für anno 1790 der Abbruch eines Portales<br />
(?) erwähnt, das seinerzeit als das letzte sichtbare Überbleibsel<br />
von der KarLshurg bezeichnet wurde. Auch der Löwentorso, dci'<br />
ebenfalls bei der angeblichen Probeausgrabung 1927 gefunden<br />
wurde, spricht durchaus für den kirchlichen Zweck unserer Steine,<br />
da bekanntlich oft derartige Steinplastiken als Wächterfiguren an<br />
Kirchenportalen verwendet wurden.<br />
Der zweite hier zu besprechende ornamentierte Stein (Abbild Nr. 3)<br />
weist eine mit einer Ranke verknüpfte Reihe von Weinblättern<br />
(eigentlich mehr Palmetten) auf, die wechselnd, d. h. bald mit dem<br />
Stiel und bald mit der Blattspitze nach unten die Grundfläche<br />
bedecken. Ihre technische Ausführung ist fast antikisierend zu<br />
nennen 17); demgemäß finden wir ähnliche Beispiele häufiger im<br />
Süden (Brescia, Rom, Ravenna) 18), doch kommen auch vereinzelte<br />
Stücke im Norden vor, wie zu Ingelheim und Quedlinburg (Stiftskirche)<br />
19). Unser Fragment dürfte aber entwicklungsmäßig nach dem<br />
Ingelheimer Stück und vor dem Quedlinburger anzusetzen (also<br />
mindestens im neunten Jahrhundert entstanden) sein; jedenfalls<br />
aber hat es eine bisher noch nirgends beobachtete Palmettenform<br />
aufzuweisen. Ein Muster, das ihm kompositionell am nächsten steht,<br />
scheint sich auf einem aus dem Forste Dreieich bei Aschaffenburg<br />
stammenden Steine zu finden, der heute im Aschaffenburger Stadtmuseum<br />
aufbewahrt wird. 20) Auch hier bedecken in wechselnder<br />
Anordnung Akanthusblätter (bzw. Palmetten) die Grundfläche des<br />
Quaders. (Abb. Nr. 5.)<br />
16)Allerdings aus späterer Zeit; so feiern die Pfalzgrafen Otto d. Ä.<br />
und Otto d. J. mit ihren Gemahlinnen das Pfingstfest in den Jahren<br />
1164-1180 auf der Burg. M. B. VIII. 431. 434.<br />
17)Was die scharfe. kantige Herausarbeitung der Blätter anlangt, so<br />
vergleiche man dies mit jenem Blattornament auf einem Bronzezylinder,<br />
der sich heute im Germanischen Nationalmuseum zu Nürnberg befindet<br />
und dort als „römisches Stuck" (?) angesprochen wird, Der Zylinder ist<br />
mit Blei ausgegossen. <strong>Die</strong> Blattornamente sind von hohen und niedrigen<br />
Bögen umrahmt, ihr Grund ist vertieft. <strong>Die</strong> Länge beträgt 10 cm, der<br />
Durchmesser 2,2 cm.<br />
') Haupt a. a. 0.. S. 141 Abb. 80 (Rom, Ravenna, Brescia).<br />
16) Haupt a. a. 0.. S. 265, Abb. 186 (lngel:heim); A. Ze.11er: <strong>Die</strong> Kirchenbauten<br />
Heinrichs 1. und der Ottonen in Quedlinburg, Gernrode, Frohse<br />
und Gandersheiim. Berlin, Springer-Verlag 1916, Taf. 14. Abb. 4 (Stiftskirche<br />
Quecllinburg, <strong>Fragmente</strong>).<br />
21) Der Stein wurde im Jahre 1920 dem Stadtmuseum zu Aschaffenburg<br />
einverleibt, wie das aus einem Brief des damaligen Aschaffenburger<br />
Korervators Johann Friedrich an die Direktion des Germanischen Nationalmuseums<br />
Nürnberg hervorgeht Das Aschaffenburger Inventar ist
Bedeutung: Beide <strong>Starnberger</strong> Fragmeflte erinnern in der<br />
Ausführung ihrer Ornamentierung stark an frühe Beispiele der<br />
karolingischen Kunst; dafür spricht die scharfe und kantige Herausarbeitung<br />
der zur Darstellung gelangten Zierformen, die Eigentümlichkeit<br />
ihrer rhythmischen Parallelismen. und ebenso 'ihr antikisierender<br />
Stil. Auszuschließen wäre also der Gedanke an die Romanik,<br />
die durchaus ähnliche Gebilde hervorgebracht hatte, aber<br />
sie kaum so klassizistisch straff wie im vorliegenden Falle zu gestalten<br />
verstand. Was vom romanischen Kunstschaffen wohl nie behauptet<br />
werden kann, das hat sich gerade hier - wie bei allen<br />
karolingischen Schöpfungen - stilistisch niedergeschlagen: diese<br />
Ornamente sind plastisch und malerisch zugleich. - Was nun die<br />
Bedeutung unserer <strong>Fragmente</strong> noch besonders zu unterstreichen<br />
scheint, das ist die bisher nirgends bekannt gewordene, ja durchaus<br />
einmalige Ausführung ihrer Zierformen. Wohl lassen sich viele<br />
Reminiszenzen anführen, aber aufs Einzelne gesehen weichen doch<br />
unsere Stücke immer wieder in ihrer Konzeption davon ab. <strong>Die</strong>s<br />
läßt nun darauf schließen, daß diese Schöpfungen von einheimischen<br />
Händen stammen, zum mindesten aber von solchen Steinmetzen,<br />
die in der Umgebung für längere Zeit tätig gewesen sind; denn<br />
jedenfalls sind die bisher bekannt gewordenen bayerischen Flechtwerksteine,<br />
die zumeist aus limmünster stammen und im bayerischen<br />
Nationalmuseum in München stehen, in keiner Weise damit<br />
zu vergleichen.<br />
Somit gliedern wir unsere <strong>Fragmente</strong> in jene karolingische Reichskunst<br />
ein, die wir im ganzen Abendland in teils höfischer und teils<br />
volkstümlicher Ausprägung verbreitet finden, betonen aber, daß<br />
unsere Stücke ihren Zierformen nach des internationalen Akzents<br />
entbehren. <strong>Die</strong>ser Unterschied, der im tiefsten Grunde eben Originalität<br />
zu sein scheint, läßt sich in letzter Konsequenz nur auf die<br />
verbrannt. An'amnestisch gibt der derzeitige Leiter. Dr. E. Schneider,<br />
unterm 1. 12. 50 folgendes bekannl: „Der Stein stammt vom jenseitigen<br />
‚ Ufer der alten Aschaffenburger Main-Brücke und dürfte die nordostl:chste<br />
Markierung des Wildbannforstes Dreieich gewesen sein. - Als Entstehungszeit<br />
dürfte der Anfang des 13..Jh. in Frage kommen:' Weiteres<br />
Vergleichsmaterial zu unserem Ornarn/nt bieten die karolin g. Zierforinen<br />
an der Kirche zu Oberndorf i. Thür. (siehe: Bd. 34 d. Kunst- u. Denkmalpflege<br />
1932, S. 83). dann die sicher frühroman. Palmetl.enrarkcn. die<br />
auf der sog. Dimbacher Sandsteinplatte die Kreuzigungsdarstellung umrahmen<br />
(vgl. Abb. 2;S. 3 d. Kalenders: All friink. Bilder. 1940146. .Jhrgg.,<br />
Würzburg. Univ.-Buehdruckcroi H. Sttirtz), Im Gegensatz dazu steht das<br />
Palmettenrelief auf dem Tympanon d. Südport-als d. Kirche zu Hammersleben,<br />
12. Jhrdt. (Abb. 1/S. 1!Zschr. f. KW.. Bd. IV. Heft 1/2. Berlin 1950).
F<br />
Urheber selbst oder auf die Existenz einer lokalen Werkstatt zurückführen.1)<br />
Anhang: Zur Steinbearbeitung der <strong>Starnberger</strong> <strong>Fragmente</strong>.<br />
Betrachte hiezu unser Abbild Nr. 1 und die Reihenfolge der dortselbst<br />
mit Richtpfeiler angegebenen Steine. <strong>Die</strong> Steine Nr. 1 und 5<br />
sind aus Sandstein, die übrigen aus weiß . m Marmor. <strong>Die</strong> Hauweise<br />
läßt sich lediglich bei dem Löwentorso (Stein Nr. 4) nicht mehr feststellen,<br />
da sich derselbe im Zustand der Verwitterung befindet.<br />
So ergibt sich folgendes Bild:<br />
No. 2 No. 3 No. 6 No. 7<br />
U.<br />
.•• 1111<br />
(<strong>Die</strong> Ergebnisse dieser Synopse gehen auf den Bericht des Konservators<br />
Hans Koch, Starnberg, nach dem ihm vorliegenden Gutachten<br />
vom 25. 9. 1943 zurück.)<br />
Nachtrag.<br />
Der hier veröffentlichte Artikel war als Beitrag für<br />
die „Festschrift Kömstedt"<br />
gedacht, die leider nicht publiziert werden konnte.<br />
') <strong>Die</strong> Annahme solcher Werkstätten findet sich auch bei G4nhart (<strong>Die</strong><br />
' karoling. Flechtwerkstoine ... ) a. a. 0.. S. 164.<br />
7<br />
1